TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/15 91/06/0065

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.1994
beobachten
merken

Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauRallg;
ROG Tir 1984 §12;
ROG Tir 1984 §16 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. K, RA in H, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 25. Februar 1991, Zl. MD/Präs.Abt. II-6070/1990, betr Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mP: Königreichssaalverein der Zeugen Jehovas, vertreten durch Dr. R, RA in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 24. September 1979 wurde das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um die Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Bethauses und eines Vortragsraumes für ca. 120 Personen und von 16 asphaltierten Stellplätzen im Anwesen S-Straße 18a auf der Gp. 107, KG M, gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen Widerspruchs zum gültigen Bebauungsplan abgewiesen. Nach der im Bescheid wiedergegebenen Baubeschreibung handelte es sich dabei um ein zweigeschoßiges Bethaus mit einer Länge von 23 m, einer Breite von 11 m und einer maximalen Höhe von 7 m. Die Baumasse sollte

1.395 m3 betragen. Der Bescheid vom 24. September 1979 war im wesentlichen damit begründet, daß gemäß § 9 Abs. 1 Tiroler Bauordnung für die zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benützer und Besucher einer baulichen Anlage geeignete Abstellmöglichkeiten einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrten in ausreichender Zahl und Größe vorzusehen seien. Weiters könne die Gemeinde durch Verordnung bestimmen, daß im Bauland oder in bestimmten Teilen des Baulandes Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge nur in der Form unterirdischer Garagen errichtet werden dürften, wenn dies im Interesse der bestmöglichen Nutzung des Baulandes geboten oder zum Schutz der Gesundheit von Menschen und zur Vermeidung von unzumutbaren Belästigungen erforderlich sei. Mit Verordnung (Bebauungsplan Nr. 5/ad) vom 22. November 1978 habe der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck für das zur Verbauung vorgesehene Areal u.a. auch festgelegt, daß bei Bedarf von mehr als 6 Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge diese in Form unterirdischer Garagen zu schaffen seien. Laut gutachtlicher Stellungnahme des Stadtplanungsamtes seien für den durchschnittlich zu erwartenden Besucherstrom der gegenständlichen Baulichkeit 12 Abstellplätze vorzusehen. Nachdem die mitbeteiligte Partei zwar um die Erteilung der Bewilligung zur Errichtung von 16 asphaltierten Stellplätzen angesucht habe, diese aber nicht in Form einer unterirdischen Garage auszuführen beabsichtige, sei das vorliegende Ansuchen spruchgemäß abzuweisen gewesen.

Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

2. Mit dem Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 5. Juni 1990 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 31 Abs. 10 Tiroler Bauordnung die Baubewilligung für die Errichtung eines Bethauses und 6 Abstellplätze für ca. 130 Personen (ebenfalls) im Anwesen S-Straße 18a erteilt. Wie sich aus der im Bescheid wiedergegebenen Baubeschreibung ergibt, handelt es sich dabei um ein Bethaus, das insgesamt 25 m lang, im Mittel 10,35 m breit und sich im Mittel 5,60 m über das gewachsene Gelände erheben soll. Die vorgesehene Baumasse beträgt 1.489 m3.

Unter anderem hatte auch der Beschwerdeführer dagegen rechtzeitig Einwendungen erhoben und vorgebracht, daß das zu bebauuende Grundstück gemäß § 12 Tiroler Raumordnungsgesetz als Wohngebiet gewidmet sei. Durch den Bau und die Benützung der beabsichtigten Anlage sei eine unzumutbare Lärm-, Rauch- und Geruchsbelästigung sowie Gefahr für Leben und Gesundheit der Anrainer zu befürchten. Auf der Südseite sei die einzige noch bestehende Möglichkeit zum Lüften. Das Bauvorhaben diene weder der täglichen Versorgung noch den sozialen und kulturellen Bedürfnissen dieses Wohngebietes. Es sei vielmehr zu befürchten, daß das Gebäude überwiegend von Personen entfernterer Wohngebiete frequentiert werde. Das zu bebauuende Grundstück eigne sich nach seiner Widmung, Lage, Form und Größe nicht für die vorgesehene Bebauung. Es mangle auch an einer dieser Bebauung entsprechenden, rechtlich gesicherten Verbindung zur öffentlichen Verkehrsfläche. Die vorgesehene bauliche Anlage behindere die erforderliche Bewegungsfreiheit und Sicherheit für den Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsfahrzeugen. Durch die herrschende Parkplatznot sei die Zufahrt für die Einsatzfahrzeuge bereits ohne die bauliche Anlage weitgehend unmöglich. Für die zu erwartenden Kraftfahrzeuge und ständigen Benützer und Besucher der Anlage seien keine ausreichenden Abstellmöglichkeiten und auch keine entsprechende Zu- und Abfahrt in ausreichender Zahl und Größe vorgesehen. Rechtlich und tatsächlich sei die Gewährleistung entsprechender Einrichtungen infolge der Lage, Größe und Form des zu bebauenden Grundstückes unmöglich.

Diese Einwendungen wurden vom Stadtmagistrat Innsbruck im Bescheid vom 5. Juni 1990 als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde diese Abweisung im wesentlichen damit, gemäß § 12 Tiroler Raumordnungsgesetz 1983 stünde zweifelsfrei fest, daß die Errichtung und Benützung eines Bethauses im Wohngebiet zulässig sei, zumal einerseits ein Bethaus einen vom Typus her gesehen in einem Wohngebiet zulässigen Betrieb darstelle und andererseits die Widmungskategorie Wohngebiet nach § 12 Tiroler Raumordnungsgesetz eine Unterscheidung nach einem konkreten Wohngebiet nicht kenne und eine Bedarfsprüfung der Baubehörde verwehrt sei. Weiters dürfe festgehalten werden, daß es sich bei der Beeinträchtigungsmöglichkeit durch ein verstärktes Verkehrsaufkommen des Zufahrtsweges und der dadurch zu erwartenden Vermehrung schon bestehender umweltschädigender Faktoren nicht um solche Einflüsse handle, die durch das dem Bewilligungsverfahren unterzogene Bauwerk und "dessen" konsensgemäße Benützung, sondern welche erst durch die Benützung einer öffentlichen Verkehrsfläche von seiten der Bewohner bzw. Benützer dieses Gebäude hervorgerufen werde. In bezug auf solche Einwendungen ließen sich daher keine Nachbarschaftsrechte im Baubewilligungsverfahren geltend machen. Außerdem habe die mitbeteiligte Partei im Zuge des Verfahrens glaubhaft dargetan, daß im näheren Umkreis des geplanten Bethauses eine größere Anzahl von Angehörigen der "Zeugen Jehovas" wohnhaft seien (ca. 120 Personen), sodaß nicht von vornherein angenommen werden könne, daß sämtliche Benützer des Bethauses ein Kraftfahrzeug benützen müßten; allenfalls würden sie im nahen Gewerbegebiet nördlich der H-Straße eine Abstellmöglichkeit finden. Unter anderem wurde eine weitere Einwendung des Beschwerdeführers, wonach keine ausreichenden Abstellmöglichkeiten und auch keine entsprechende Zu- und Abfahrt in ausreichender Zahl und Größe vorhanden seien, als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde dies damit, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 30 Abs. 4 Tiroler Bauordnung aus Vorschriften über die Schaffung von Stellplätzen und Garagen, über die Eignung des Bauplatzes, die Zufahrt usw. keine Nachbarrechte erwachsen würden.

3. Gegen den Bescheid vom 5. Juni 1990 erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte darin vor, der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, daß durch die Erklärung eines Gebietes zum Wohngebiet dem Nachbarn ein Rechtsanspruch darauf eingeräumt werde, daß die für solche Gebiete geltenden Vorschriften der Bauordnung eingehalten würden. Er brachte weiters, wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, die das Vorbringen zusammenfaßt, ergibt, folgendes vor: Gemäß § 12 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes sei im Wohngebiet nur die Errichtung von Bauten für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung sowie den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienten, zulässig, wenn durch die Benützung dieser Bauten keine unzumutbare Lärm-, Rauch-, Staub- oder Geruchsbelästigung sowie keine Gefahr für Leben und Gesundheit der Wohnbevölkerung zu befürchten sei. Bei dem erstinstanzlich genehmigten Bethaus der Zeugen Jehovas handle es sich um keinen Bau bzw. um keine Einrichtung, die den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes diene, zumal im Stadtteil N.A. lediglich 13 Personen des Königreichssaalvereins der Zeugen Jehovas ihren ordentlichen Wohnsitz hätten bzw. im Stadtteil R. sich die Zahl der Mitglieder der Zeugen Jehovas mit 17 erschöpfe. Es könne daher auf Grund der geringen Zahl von Personen, die diesem Verein angehören würden, nicht davon gesprochen werden, daß diese 30 Personen die "Bevölkerung des Wohngebietes" darstellen würden. Die Relation zu der in den Stadtteilen N.A. und R. lebenden Wohnbevölkerung sei derart verschwindend, daß diese Annahme durch nichts gerechtfertigt sei. Die erteilte Baubewilligung verstoße sohin gegen zwingende Widmungsvorschriften des Tiroler Raumordnungsgesetzes. Darüber hinaus sei aktenkundig, daß bereits im Jahre 1979 die mitbeteiligte Partei bei einer im wesentlichen gleichen Planung auf dem gleichen Baugrund um die Baubewilligung desselben Bethauses angesucht habe. Dieses Ansuchen sei aber schon im Jahre 1979 mit der Begründung abgewiesen worden, daß die laut amtlichen Erhebungen notwendigen 12 Abstellplätze nicht in Form einer unterirdischen Garage ausgeführt würden. Für den Beschwerdeführer sei es deshalb unbegreiflich, daß nunmehr die Baubehörde bei etwa gleichem Sachverhalt nur mehr den Nachweis von 6 Abstellplätzen verlange. Es sei bekannt, daß sich die Verkehrslage seit 1979 nicht entschärft habe, sondern im Gegenteil nun eine bis zur Unerträglichkeit verschärfte Verkehrssituation im Umkreis der betroffenen Bevölkerung von N.A. eingetreten sei. Mangels ausreichender Abstellplätze sei daher das Bauansuchen abzuweisen gewesen.

4. Die Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung unter Bedachtnahme auf § 31 Abs. 10 der Tiroler Bauordnung und § 12 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes vollinhaltlich bestätigt. Nach § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung könnten subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden. Im Lichte dieser Bestimmung komme dem Beschwerdeführer in bezug auf die Frage der widmungsgemäßen Verwendung des erstinstanzlich bewilligten Bethauses ein subjektiv öffentlich-rechtliches Mitspracherecht zu. Gemäß § 12 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes dürften in Wohngebieten Bauten für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung sowie den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienten, errichtet werden, wenn durch die Benützung dieser Bauten keine unzumutbare Lärm-, Rauch-, Staub- oder Geruchsbelästigung sowie keine Gefahr für Leben und Gesundheit der Wohnbevölkerung zu befürchten sei. § 12 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes ziele nicht darauf ab, welcher Teil der Bevölkerung eine bauliche Anlage zu benützen beabsichtige, sondern schreibe in objektiver Weise vor, daß das zur Genehmigung eingereichte Gebäude objektiv geeignet sein müsse, den sozialen und kulturellen Bedürfnissen von Bevölkerungsteilen zu dienen. Kirchen bzw. kirchenähnliche Bauten seien zweifellos als solche Einrichtungen zu verstehen, die sowohl den sozialen als auch den kulturellen Bedürfnissen von Bevölkerungsschichten des jeweiligen Wohngebietes dienten. Diese Betrachtungsweise sei unabhängig von der exakten Anzahl der diesen Teil der Bevölkerung darstellenden Bewohnerschicht anzustellen. Es stünde auch fest, daß die Benützung einer Kirche bzw. eines kirchenähnlichen Raumes keine unzumutbare Lärm-, Rauch- und Geruchs- oder Staubbelästigung sowie keinerlei Gefahr für Leben und Gesundheit der Wohnbevölkerung darstelle; eine Widmungswidrigkeit der Bewilligung des gegenständlichen Bethauses liege daher nicht. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes komme den am Bauverfahren beteiligten Nachbarn ein Mitspracherecht über die Anzahl und Situierung der nach § 9 der Tiroler Bauordnung erforderlichen Pkw-Abstellplätze auf privatem Grund nicht zu. Das diesbezügliche Vorbringen sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde; der Beschwerdeführer sieht sich in folgenden gesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt:

-

Im Recht auf Beachtung der entschiedenen Sache;

-

im Recht auf widmungsgemäße Verwendung von Grundflächen nach dem Flächenwidmungsplan;

-

im Recht auf den durch die Baubehörde zu garantierenden Schutz vor Immissionen.

Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer sieht sich zunächst im gesetzlich gewährleisteten Recht auf Beachtung der entschiedenen Sache verletzt. Es sei ein im wesentlichen unverändertes Projekt des gleichen Beschwerdeführers neuerlich Gegenstand einer Entscheidung der Behörde gemacht worden; im Jahre 1979 sei ein im wesentlichen identes Bauvorhaben mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesen worden. Das Ansuchen des Beschwerdeführers, das offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache zum Ziel habe, wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Hinsichtlich der bei der seinerzeitigen Abweisung des Bauvorhabens als maßgeblich erachteten Erwägungen, nämlich Anzahl und Unterbringung der als notwendig vorausgesetzten Abstellplätze, könne jedenfalls keine in der Zwischenzeit eingetretene Änderung der Umstände erblickt werden, die eine andere Beurteilung, als die seinerzeit von der Baubehörde vorgenommene, zuließe. Im Gegenteil habe sich die Verkehrssituation seit 1979 wesentlich verschärft; bereits jetzt seien die Pkw-Abstellmöglichkeiten der betroffenen Wohnbevölkerung äußerst eingeschränkt.

1.2. Damit kann der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte nicht begründen. Zwar ist ihm zuzugestehen, daß ein Nachbar als Partei des Verfahrens grundsätzlich das Recht besitzt, daß eine zu seinen Gunsten entschiedene Bausache nicht neuerlich aufgerollt wird; Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 3. Aufl., S. 220 ff., und die dort zitierte hg. Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht, daß die Einwendung der entschiedenen Sache nur im Rahmen eines subjektiv öffentlichen Nachbarrechtes mit Erfolg erhoben werden könnte (vgl. dazu neuerlich Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 3. Aufl., S. 220 f., und die dort zitierte Judikatur). Wie der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde selbst zugesteht, steht einem Nachbarn ein Mitspracherecht im Zusammenhang mit der Anzahl und der Situierung der erforderlichen Pkw-Abstellplätze auf privatem Grund jedoch nicht zu. Wenn man also davon ausgeht, daß die Verpflichtung zur Herstellung von Abstellplätzen (Garagen) als Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung kein Nachbarrecht im Sinne des § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung begründet (vgl. dazu Hauer, Tiroler Baurecht, 2. Aufl., S. 178, und die dort unter Pkt. 40 zitierte hg. Judikatur), so kommt dem Beschwerdeführer ein Recht auf Beachtung der entschiedenen Sache im Beschwerdefall deshalb nicht zu, weil sich - wie dargestellt (siehe oben I. 1.) - die Rechtskraft des Bescheides vom 24. September 1979 allenfalls lediglich auf die Verpflichtung zur Herstellung von Abstellplätzen (Garagen) bezieht.

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich weiters im Recht auf die widmungsgemäße Verwendung des Nachbargrundstückes verletzt. Gemäß § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung habe der Nachbar einen Rechtsanspruch auf die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken. Wie der Verwaltungsgerichtshof selbst ausgesprochen habe, diene die Bestimmung eines Teiles des Planungsgebietes zum reinen Wohngebiet, "und das sogar in erster Linie, dem Schutz der Nachbarn". Nach der klar erkennbaren Zielsetzung des § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes sollten in Wohngebieten grundsätzlich nur Wohnbauten mit den dazu gehörigen (also notwendigen) Nebenanlagen errichtet werden, andere Bauten jedoch nur insoweit, als sie zu einer sinnvollen Nutzung der Wohnbauten notwendig seien. Da der Wohncharakter im Vordergrund stünde, seien nur solche "Betriebe" und "Einrichtungen" zulässig, die den Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienten. Der Beschwerdeführer habe bereits in seiner Berufung ausgeführt, daß auf Grund des amtsbekannt geringen Anteiles von im betroffenen Wohngebiet lebenden Angehörigen der "Zeugen Jehovas" keine Rede davon sein könne, daß die gegenständliche Anlage "den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes" gemäß § 12 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes diene. Die Zeugen Jehovas stellten eine derartige Randgruppe dar, daß hinsichtlich ihrer im betroffenen Wohngebiet lebenden Mitglieder nicht einmal von einer Bevölkerungsschicht des Wohngebietes gesprochen werden könne. Zweifellos werde das Bauvorhaben rein überörtliche Bedeutung haben, sodaß die Anlage keineswegs den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienen werde, sondern mehr oder weniger als religiöses Zentrum für die Anhänger dieser Gemeinschaft aus dem gesamten Raum Innsbruck und Umgebung geplant sei. Gerade unter diesem Blickwinkel könne keine Rede davon sein, daß die geplante Anlage zu einer "sinnvollen Nutzung der Wohnbauten notwendig" sei, wie dies die Zielsetzung des § 12 Tiroler Raumordnungsgesetz sei. Im übrigen könne auch von der Größe der geplanten Anlage her, die regelrecht eine "Kathedrale" darstelle, nicht davon gesprochen werden, daß dieser Bau den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes diene. Es wäre vielmehr eine derartige Anlage entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz auf Sonderflächen zu errichten. Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang zum Ausdruck bringe, daß ihr eine Bedarfsprüfung verwehrt sei, sei dem entgegenzuhalten, daß auch hinsichtlich der Frage, welche Betriebe der täglichen Versorgung der Bevölkerung eines Wohngebietes dienten, grundsätzlich eine gewisse Bedarfsprüfung vorgenommen werde; dies beispielsweise bei der Frage, ob es sich bei einer Tankstelle um eine Einrichtung handle, die der täglichen Versorgung der Bevölkerung des Wohngebietes diene. Auch hier liege der Wertung eine gewisse Bedarfsprüfung zugrunde, nämlich die Abwägung, wieviele Haushalte im betroffenen Wohngebiet gegeben seien und wievielen Haushalten statistisch ein Pkw zugerechnet werden könne. Es sei die Wertung, welche und wieviele Betriebe der täglichen Versorgung der Bevölkerung zur sinnvollen Nutzung der Wohnbauten notwendig seien, sicherlich nicht nur eine Grundsatzfrage, sondern es liege dem zweifelsohne auch eine, wenn auch vielleicht versteckte Bedarfsprüfung zugrunde. Ebenso wie der Frage, welche Einrichtungen zur täglichen Versorgung der Bevölkerung eines Wohngebietes notwendig seien, immanent eine Wertung nach Bedarf zugrunde liege (so werde z.B. der Bedarf nach einem Tischlereibetrieb grundsätzlich verneint), müsse dies auch für die Frage gelten, welche Einrichtungen den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienten. Eine Bejahung der letzteren Frage sei jedenfalls abzulehnen, wenn deren Bedarf im betroffenen Wohngebiet so verschwindend gering wie im vorliegenden Fall sei.

2.2. Gemäß § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, in der (im Beschwerdefall maßgeblichen) Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 7/1994, können subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen von Nachbarn u.a. auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16 b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, gestützt werden.

§ 12 des für den Beschwerdefall maßgeblichen Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 10/1972, hat folgenden Wortlaut:

"Wohngebiete sind jene Grundflächen, auf denen nur Wohnbauten mit den dazugehörigen Nebenanlagen errichtet werden dürfen. Darüber hinaus ist die Errichtung von Bauten für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung sowie den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienen, zulässig, wenn durch die Benützung dieser Bauten keine unzumutbare Lärm-, Rauch-, Staub- oder Geruchsbelästigung sowie keine Gefahr für Leben und Gesundheit der Wohnbevölkerung zu befürchten ist."

2.3. Im Beschwerdefall ist vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens lediglich strittig, ob das Bauprojekt der mitbeteiligten Partei (Bethaus) als Einrichtung anzusehen ist, die gemäß § 12 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 "den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes" dient. Es geht dabei im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (vgl. dazu Hauer, Tiroler Baurecht, 2. Aufl., S. 399, und die dort zitierte hg. Judikatur) darum, ob dem Typ nach ein Bethaus der vorliegenden Art im Wohngebiet zulässig ist; es kommt zunächst weder auf das konkrete Wohngebiet noch auf den Bedarf an, weil die Widmungskategorie Wohngebiet nach § 12 leg.cit. solche Unterscheidungen nicht kennt; eine Bedarfsprüfung nach einem solchen Bethaus ist der Baubehörde verwehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1989, Zl. 88/06/0072).

Es kann nun keinen Zweifel geben, daß Einrichtungen nach der Art des Beschwerdefalles dem Grunde nach "den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienen" (zur Bedeutung von "kulturell" vgl. auch Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden,

4. Band, S. 343, wonach vom Begriff "Kultur" auch die Religion erfaßt ist); das bewilligte Bauvorhaben erscheint in diesem Sinn als objektiv geeignet, den sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung im Wohngebiet zu dienen.

Freilich muß - soll die Einrichtung im Wohngebiet zulässig sein - im Zusammenhang mit der Größe der vorgesehenen Einrichtung sichergestellt sein, daß die Einrichtung der Befriedigung der Bedürfnisse der Wohnbevölkerung des BETREFFENDEN Wohngebietes dient (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 93/06/0140). Unzulässig wäre eine solche Einrichtung im Wohngebiet also dann, wenn von vornherein feststünde, daß die potentiellen Nutzer aus anderen Gebieten kommen werden. Insoweit ist also auf die ungefähre Zahl der im Wohngebiet wohnenden Angehörigen der religiösen Gemeinschaft abzustellen. Vom Beschwerdeführer wurde in seiner Berufung eine Zahl von 30 Personen genannt. Nach einer im Akt einliegenden Darstellung der mitbeteiligten Partei kommen im Wohngebiet sogar 121 Personen als potentielle Benutzer des Bethauses in Betracht.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - in diesem Sinn zu Recht - die Auffassung vertreten, daß "das zur Genehmigung eingereichte Gebäude OBJEKTIV geeignet sein muß, den sozialen und kulturellen Bedürfnissen von BevölkerungsTEILEN zu dienen". Sie hat es aber unterlassen, konkrete Feststellungen darüber zu treffen, welche ungefähre Anzahl der Angehörigen der religiösen Gemeinschaft nun tatsächlich als potentielle Nutzer im betreffenden Wohngebiet selbst wohnen; vor allem hätte sie den offenkundigen Widerspruch zwischen dem Berufungsvorbringen und der Darstellung der mitbeteiligten Partei zum Anlaß amtswegiger Feststellungen machen müssen, wobei es genügt, wenn die Behörde von verläßlichen Erfahrungswerten hinsichtlich des Anteiles von Mitgliedern der Zeugen Jehovas an der Gesamtbevölkerung ausginge, solange nicht feststünde, daß es sich in diesem Wohngebiet anders verhält. Sollten die Ermittlungen ergeben, daß das Bethaus zumindest überwiegend von Bewohnern des Wohngebietes aus dem betreffenden Wohngebiet benützt werden wird, bestünden aus der Sicht der gegebenen Flächenwidmung gegen die Zulässigkeit im Beschwerdefall keine Bedenken.

Der Sachverhalt erweist sich demnach in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG als rechtswidrig aufzuheben.

2.4. Der Hinweis des Beschwerdeführers, wonach eine derartige Anlage entsprechend der Regelung des § 16 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz auf einer Sonderfläche zu errichten wäre, vermag aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. § 16 Abs. 1 lit. a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, wonach u.a. im Bauland und im Freiland Grundflächen als Sonderflächen für Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfes, wie z.B. ... kirchliche Bauten ... gewidmet werden können, soll lediglich die Errichtung von Bauten und Anlagen des Gemeinbedarfes sicherstellen; Sonderflächen dienen also der VERWIRKLICHUNG eines im öffentlichen Interesse gelegenen Vorhabens. Dies schließt aber keinesfalls aus, daß Einrichtungen dieser Art auch außerhalb von Sonderflächen errichtet werden, sofern die für eine bestimmte Widmungskategorie sonst erforderlichen Voraussetzungen erfüllt werden.

3. Schließlich sieht sich der Beschwerdeführer in seinem gesetzlich gewährleisteten Nachbarrecht auf Schutz vor Immissionen dadurch verletzt, daß durch die absehbare weit überörtliche Bedeutung des geplanten Bauvorhabens eine weitere, unzumutbare Verschärfung der Verkehrssituation zu erwarten sei. Es sei dem Beschwerdeführer freilich bewußt, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dem Nachbarn weder ein Mitspracherecht hinsichtlich des Verkehrs auf öffentlichen Straßen noch hinsichtlich der Anzahl und der Situierung der erforderlichen Pkw-Abstellplätze auf privatem Grund zukomme. Es sei jedoch ein Umdenken im Zusammenhang mit der angesprochenen Judikatur überlegenswert.

In ständiger Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, daß den Nachbarn kein Recht hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse zusteht; nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dienen auch die Vorschriften über die Schaffung von Stellplätzen und Garagen nicht dem Interesse der Nachbarn (vgl. dazu allgemein Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 3. Aufl., S. 227 bzw. S. 229). In diesem Sinne können auch aus § 12 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 Rechtsansprüche der vom Beschwerdeführer behaupteten Art nicht abgeleitet werden. Bei dem vom Beschwerdeführer angesprochenen aus seiner Sicht erforderlichen "Umdenken" handelt es sich um eine rechtspolitische Forderung, die lediglich vom Gesetzgeber erfüllt werden kann. In diesem Sinn ist darauf hinzuweisen, daß durch das (im Beschwerdefall freilich noch nicht geltende) Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993, die Widmungskategorie "Wohngebiet" u.a. insoweit neu geregelt worden ist, als im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit von Gebäuden für Betriebe und Einrichtungen, die u.a. der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes dienen, nunmehr auch die Verkehrsbelastung zu berücksichtigen ist (vgl. § 38 Abs. 1 lit. c leg.cit.). Es kann daher auch aus dieser Sicht dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit nicht angelastet werden.

4. Der angefochtene Bescheid war daher lediglich aus den unter 2.3. dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991060065.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten