TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/11 VGW-151/064/11360/2018

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Veröffentlicht am 11.02.2019
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Entscheidungsdatum

11.02.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §52 Abs1 Z1
NAG §54 Abs1
NAG §54 Abs7
NAG §55
NAG §55 Abs1
NAG §55 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Wildpanner-Gugatschka über die Beschwerde des Herrn A. B. (geb.: 1978, StA: Serbien), vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, Zl. ..., mit welchem von Amts wegen gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 54 Abs. 7 iVm § 55 Abs. 3 vorletzter Satz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 - NAG idgF., festgestellt wurde, dass er kein Angehöriger einer EWR-Bürgerin ist, im Zeitpunkt seines Zuzuges nach Österreich nicht war und ihm zu keiner Zeit ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukam,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Spruch des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 26.7.2018 hat folgenden Wortlaut:

„Es wird von Amts wegen festgestellt, dass Sie kein Angehöriger eines EWR- oder Schweizer Bürgers im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWR) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG und 93/96/EWG sind bzw. auch zum Zeitpunkt Ihres Zuzuges nach Österreich nicht waren und Sie daher zu keiner Zeit zum unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht berechtigt waren, sohin die Richtlinie 2004/38/EG („Freizügigkeitsrichtlinie“) auf Sie nicht anwendbar war/ist.

Rechtgrundlage:

§ 54 Abs. 1 iVm § 54 Abs. 7 iVm § 55 Abs. 3 vorletzter Satz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 – NAG idgF.“

Begründet wurde diese Entscheidung zusammengefasst damit, dass – wie sich aus einem Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 3.4.2018 ergeben habe – der Beschwerdeführer die Ehe mit seiner Ex-Gattin C. D., einer rumänischen Staatsangehörigen, lediglich geschlossen habe, um eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich zu erlangen. Ein Eheleben im Sinne des Art. 8 EMRK habe nie stattgefunden und sei auch nicht angestrebt worden. Somit sei der Beschwerdeführer gemäß § 54 Abs. 7 NAG von Beginn an nie dem Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts unterlegen und wäre sein ursprünglicher Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte zurückzuweisen und mit dieser Feststellung zu verbinden gewesen.

Der gegenständliche Feststellungsbescheid diene der verbindlichen Klarstellung eines strittigen Rechtsverhältnisses. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Erlassung eines Feststellungsbescheides (von Amts wegen) dann zulässig, wenn er im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt (vgl. VwGH 28.3.2008, 2007/12/0091). Dies sei gegenständlich der Fall, da es im öffentlichen Interesse liege, das Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers klar zu stellen, zumal er im Verfahren seiner derzeitigen Ehegattin als Zusammenführender fungiere. Die bescheidmäßige Feststellung stelle auch ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dar. Darüber hinaus könne über die strittige Rechtsfrage in keinem anderen Verfahren abgesprochen werden (vgl. VwGH 28.3.2008, 2005/12/0011; 28.3.2008, 2007/12/0091), da bei Dokumentationen eine Wiederaufnahme nicht möglich ist (VwG Wien 16.8.2016, VGW-151/082/7199/2015).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte, Beschwerde vom 9.8.2018, in welcher das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten und der Antrag auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides gestellt wird.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien am 27.8.2018 zur Entscheidung vor.

II. Sachverhalt

1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Der am …1978 geborene Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Am ...2013 schloss er die Ehe mit der am ...1983 geborenen rumänischen Staatsangehörigen C. D..

Dem Beschwerdeführer wurde aufgrund seines dahingehenden Antrages vom 18.11.2013 von der belangten Behörde eine Aufenthaltskarte mit der Nr. ... ausgestellt. Ein weiterer, noch unerledigter, Antrag, insbesondere auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte, wurde vom Beschwerdeführer nicht gestellt.

2. Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens sowie Einholung eines Versicherungsdatenauszuges, eines Auszuges aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremdenregister und dem Strafregister. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zur Gänze aus dem unstrittigen Akteninhalt.

III. Rechtliche Beurteilung

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 14/2019, lauten:

„4. Hauptstück, Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht

Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate

§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2.

für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.

als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

[…]

Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern

§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

[…]

 

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.

[…]

Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers

§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

[…]

 

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

[…]

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2.

die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3.

ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4.

es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5.

ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.

Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate

§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse rechtfertigt nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann. (vgl. VwGH 28.5.2015, 2014/22/0001 zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt festgehalten, dass die Niederlassungsbehörde, sollte sie der Ansicht sein, dass die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nachträglich weggefallen sind, nach § 55 NAG vorzugehen hat. Eine gesetzliche Grundlage für den feststellenden Ausspruch durch die Niederlassungsbehörde, wonach der Fremde auf Grund des Unionsrechts nicht (mehr) über ein Aufenthaltsrecht in Österreich verfüge, existiert nicht. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat – auch für den Fall des nachträglichen Wegfalls der Voraussetzungen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts – die Frage des Bestehens des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts und die Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung zu beurteilen (vgl. VwGH 4.10.2018, 2017/22/0218; für den Fall der Aufenthaltsehe vgl. VwGH 18.4.2018, 2018/22/0063). Dementsprechend sieht § 55 Abs. 2 NAG für bestimmte Sachverhalte zwar ein behördliches Tätigwerden („überprüft“) der Niederlassungsbehörde vor, ihre Bescheiderlassungskompetenz ist dabei aber auf die in § 55 Abs. 5 NAG genannten Konstellationen beschränkt.

Auch § 55 Abs. 3 NAG bietet keine geeignete Grundlage zur amtswegigen Erlassung eines Feststellungsbescheides. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14.11.2017, 2017/21/0151, vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 54 Abs. 7 NAG ausgeführt, dass ein Antrag einer Person auf bescheidförmige Feststellung, dass sie in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht fällt, als zulässig anzusehen ist, wenn ein Antrag auf Ausstellung der Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausnahmsweise nicht in Betracht kommt. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund der (von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur rechtlichen Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden auf Antrag einer Partei zu sehen. Ein öffentliches Interesse zur Erlassung eines Feststellungsbescheides von Amts wegen lässt sich daraus jedenfalls nicht ableiten (vgl. VwGH 16.5.2011, 2011/17/0007). Zudem kann die Frage des Bestehens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes des Beschwerdeführers in dem dafür vorgesehenen Verfahren gemäß § 55 Abs. 3 NAG über Befassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer Aufenthaltsbeendigung geklärt werden, ohne dass dessen vorletzter Satz („Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7“) entgegen steht, weil die verwiesene Bestimmung auf einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte abstellt.

Die belangte Behörde nahm daher eine Entscheidungskompetenz in Anspruch, die ihr nicht zukam und die der Erlassung des angefochtenen Feststellungsbescheides entgegenstand (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 28 VwGVG Rz 74 f). Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos zu beheben.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 VwGVG entfallen, weil bei unstrittigem Sachverhalt die Akten erkennen lassen, dass die (beantragte) mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, weil zur vorliegenden Konstellation eines dokumentierten, aber (potentiell) nie bestandenen unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts die gebotene Vorgehensweise in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichend geklärt erscheint, sodass eine Rechtsfrage von grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt.

Schlagworte

Feststellungsbescheid; öffentliches Interesse; amtswegig; subsidiär; subsidiärer Rechtsbehelf; Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.064.11360.2018

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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