TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/27 99/11/0047

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Veröffentlicht am 27.05.1999
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E07204010;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

31991L0439 Führerschein-RL Anh3 Z14;
EURallg;
FSG 1997 §8;
FSG-GV 1997 §1 Z8;
FSG-GV 1997 §1 Z9;
FSG-GV 1997 §14 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. E in B, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 16. Dezember 1998, Zl. Ib-277-142/98, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hatte eine Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E und G. Auf Grund eines chronischen Alkoholmißbrauches, der zu einer Entziehung der Lenkerberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit geführt hatte, unterzog er sich erfolgreich einer Entwöhnung. Seinem Antrag auf Wiedererteilung einer Lenkerberechtigung vom 2. Februar 1994 wurde in Ansehung der Gruppen A und B mit Verfügung einer Befristung bis 5. Mai 1995 stattgegeben. Mit Antrag vom 2. Mai 1995 begehrte er die Verlängerung in Ansehung der Gruppen A und B sowie die Erteilung in Ansehung der Gruppen C und E. Am 16. Mai 1995 wurde die Verlängerung in Ansehung der Gruppen A und B bis 16. Mai 1998 verfügt. Seinem weiteren Antrag vom 26. Februar 1998 wurde durch die unbefristete Erteilung einer Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B und F stattgegeben; die Entscheidung hinsichtlich der Klassen C, E und G wurde zunächst vorbehalten.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 23. Juli 1998 wurde dem Beschwerdeführer die Erteilung einer Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen C, D und G versagt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 23. Juli 1998 keine Folge gegeben und dieser Bescheid auf Grund des § 14 Abs. 5 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) BGBl. II Nr. 322/1997 bestätigt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV ist Personen, die u.a. alkoholabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen. Gemäß § 1 Z. 8 FSG-GV fallen unter die Gruppe 1 im Sinne der FSG-GV Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, B+E und F.

Der Beschwerdeführer ist damit im Recht, daß § 14 Abs. 5 FSG-GV hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung von Personen, die u.a. alkoholabhängig waren, keine ausdrückliche Aussage trifft. Die belangte Behörde vertritt dazu die Auffassung, daß die Verordnung diese Personen vom Besitz einer Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe 2 (zu denen nach § 1 Z. 9 FSG-GV auch die Klassen C, E und G gehören) schlechthin ausschließt. Diese Meinung wird auch bei Grundtner, MGA, Führerscheingesetz, 1998, S. 329, Anm. 3 geteilt.

Diese Auffassung läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß Personen, die alkoholabhängig waren, zum Lenken von Kraftfahrzeugen grundsätzlich nicht geeignet sind, ihnen aber nach einer fachärztlichen Stellungnahme und unter der Bedingung ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge lediglich der Gruppe 1 (wieder-)erteilt werden kann. Diese Auffassung hat die weitere Folge, daß auch bei positiver ärztlicher Einschätzung eine Eignung zum Lenken anderer Kraftfahrzeuge als solcher der Gruppe 1 nicht angenommen werden kann.

Diese Auffassung steht mit der Rechtslage nicht in Einklang. Der Gesetzgeber sieht im § 8 FSG vor, daß die Frage der gesundheitlichen Eignung grundsätzlich von einem Arzt (in der Regel von einem Amtsarzt, allenfalls unterstützt durch fachärztliche und verkehrspsychologische Befunde) zu beurteilen ist. Lediglich bei Vorliegen bestimmter Gebrechen und Behinderungen, die ärztlicherseits festzustellen sind, ist die Eignung schon allein auf Grund der Rechtslage zu verneinen. Dies trifft auf die Folgen einer - ärztlich gesichert überstandenen - Alkoholabhängigkeit aber nicht zu.

§ 14 Abs. 5 FSG-GV trifft zur gesundheitlichen Eignung ehemals alkoholabhängiger Personen zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 keine Aussage. Damit kommt der allgemeine Grundsatz des FSG zum Tragen, daß die Eignung dieser Personen vom Arzt - in Ansehung der Besonderheiten von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 - zu beurteilen ist.

Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang - wie schon im Verwaltungsverfahren - auf die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (91/439/EWG). Er behauptet, Anhang III Z. 14 ("Alkohol") sei durch die FSG-GV nicht vollständig umgesetzt worden. Die Z. 14 lautet:

"14. Alkoholgenuß ist eine große Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr. Da es sich um ein schwerwiegendes Problem handelt, ist auf medizinischer Ebene große Wachsamkeit geboten. Gruppe 1:

14.1. Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig sind oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuß nicht trennen können, darf eine Fahrerlaubnis weder erteilt noch erneuert werden. Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig waren, kann nach einem nachgewiesenen Zeitraum der Abstinenz vorbehaltlich des Gutachtens einer zuständigen ärztlichen Stelle und einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle eine Fahrerlaubnis erteilt oder erneuert werden. Gruppe 2: 14.2. Die zuständige ärztliche Stelle muß die zusätzlichen Risiken und Gefahren gebührend berücksichtigen, die mit dem Führen von Fahrzeugen dieser Gruppe verbunden sind." Diese Richtlinie sieht demnach keinen absoluten Ausschluß von ehemals alkoholabhängigen Personen vom Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 vor.

Auch vor dem Hintergrund dieser europarechtlichen Vorgabe, wonach es zu einer individuellen Beurteilung unter besonderer Berücksichtigung der mit dem Lenken schwerer Fahrzeuge verbundenen zusätzlichen Risiken und Gefahren kommen soll, ist die Ansicht der belangten Behörde, aus dem Schweigen des Verordnungsgebers in Ansehung der Gruppe 2 sei zu schließen, daß ehemals alkoholabhängige Personen überhaupt auszuschließen seien, nicht haltbar. Die Berufung der belangten Behörde in der Gegenschrift auf Anhang III Z. 5 der Richtlinie ("Bei der Erteilung oder bei jeder Erneuerung einer Fahrerlaubnis können die Mitgliedstaaten strengere als die in diesem Anhang genannten Auflagen vorschreiben.") geht insofern fehl, als in § 14 Abs. 5 FSG-GV hinsichtlich der Gruppe 2 nichts vorgeschrieben wird, abgesehen davon, daß ein absolutes Verbot keine strengere Auflage, die vom Bewerber bzw. Besitzer einer Lenkberechtigung zu erfüllen wäre, darstellte.

In diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, daß dem Beschwerdeführer in einem amtsärztlichen Gutachten vom 17. Mai 1995 (also vor Inkrafttreten der FSG-GV) die "Eignung für Grp mit erhöhter Lenkerverantwortung" zugebilligt worden war.

Die belangte Behörde hat die Rechtslage verkannt, indem sie von der absoluten Nichteignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 unabhängig von einer ärztlichen Begutachtung unter Berücksichtigung der mit dem Lenken von Fahrzeugen der Gruppe 2 verbundenen besonderen Risiken und Gefahren ausgegangen ist, und kein derartiges Gutachten eingeholt hat. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110047.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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