TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/27 98/06/0138

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Veröffentlicht am 27.05.1999
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauG Stmk 1995 §13 Abs3;
BauG Stmk 1995 §24 Abs1;
BauG Stmk 1995 §29 Abs1;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der V-gemeinschaft in E, vertreten durch D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 29. Juni 1998, Zl. A 17-C-19.744/1997-5, betreffend Abweisung eines Ansuchens um Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. F in G, vertreten durch E - H - N - F & Partner, Rechtsanwaltssozietät in G, und 2. P in G, vertreten durch D, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 16. Oktober 1997, Zl. A 17-10-19.744/1997-2, wurde der Beschwerdeführerin die plan- und beschreibungsgemäße Errichtung eines dreigeschossigen Wohnheimes durch Zu- und Umbauten der Bestandobjekte auf dem näher angeführten Grundstück der Beschwerdeführerin unter Auflagen bewilligt. Im Verfahren war eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden und ein städtebauliches Gutachten sowie ein Gutachten der Altstadt-Sachverständigenkommission eingeholt worden. Die Baumaßnahmen betreffen einerseits die Errichtung eines dreigeschossigen Gebäudes an der K-Straße an Stelle des derzeit bestehenden zweigeschossigen Traktes, andererseits den Umbau eines im Hof gelegenen ebenerdigen Traktes, der ebenfalls aufgestockt werden soll. Die Nachbargebäude des an der K-Straße gelegenen Bauteiles sind dreigeschossig.

Das Grundstück der Beschwerdeführerin wird an der Westseite von der Feuermauer des Gebäudes auf dem Grundstück der erstmitbeteiligten Partei begrenzt. Im Nordwesten schließt die Liegenschaft der zweitmitbeteiligten Partei an das Grundstück der Beschwerdeführerin an.

Die Einwendungen der erst- und zweitmitbeteiligten Partei, die vor allem die Nichteinhaltung des gesetzlichen Mindestabstandes zu den Nachbargrenzen durch das Bauvorhaben sowie eine übermäßige Immissionsbelastung durch Lärm, Geruch, Staub und Licht betrafen, wurden von der Behörde erster Instanz als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben beide mitbeteiligten Parteien Berufung. Die erstmitbeteiligte Partei führte (soweit im Beschwerdefall erheblich) aus, dass die Feuermauer ihres Hauses an der Grundgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin Fenster aufweise. In diesem Zusammenhang verwies die erstmitbeteiligte Partei auf § 13 Abs. 3 Stmk. Baugesetz 1995, wonach im Regelfall der Nachbar die Wahlmöglichkeit habe, entweder an ein an der Grundgrenze stehendes Gebäude anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten, jedoch der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten sei, wenn das Gebäude - wie im Fall der Erstmitbeteiligten - an der Grenze Öffnungen aufweise. Die zweitmitbeteiligte Partei wandte sich unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahren gegen die Entscheidungsreife der Sache und gegen die Abweisung von Beweisanträgen und führte unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit aus, dass im Hinblick auf die restriktive Regelung des § 26 Stmk. Baugesetz 1995 "Einwendungen von Nachbarn, samt allfälligen Beweisanträgen jedenfalls stattzugeben" sei; in inhaltlicher Hinsicht berief sich die zweitmitbeteiligte Partei insbesondere auf eine Verletzung der Abstandsvorschriften.

Die belangte Behörde holte ein städtebauliches Gutachten zu der Frage ein, aus welchen Gründen die Situierung des Hofgebäudes in der geplanten Art erfolgen könne und aus welchen städtebaulichen Gründen trotz bestehender Öffnungen in der Brandwand die Einhaltung eines Abstandes nicht erforderlich sei.

Der Gutachter führte aus, dass aus rein städtebaulicher Sicht eine Aufstockung (in geschlossener Bebauungsweise) mit Ausbildung eines Steildaches im Sinne einer Einfügung in die Umgebung der Bebauung anzustreben sei. Gleichzeitig wies er jedoch auf die Bestimmung des § 13 Abs. 3 Stmk. Baugesetz 1995 hin, wonach bei Gebäuden, welche an der Grenze Öffnungen aufweisen, der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten sei.

Mit Schreiben vom 1. April 1998 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass das an der Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin stehende Gebäude der erstmitbeteiligten Partei in der Feuermauer Fenster aufweise und der bauordnungsgemäße Abstand der Gebäude untereinander nicht eingehalten werde. Zu diesem Sachverhalt räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme ein.

In der daraufhin erfolgten Stellungnahme bestritt die Beschwerdeführerin das Bestehen von Fenstern in der Feuermauer der erstmitbeteiligten Partei nicht, brachte jedoch vor, dass gemäß § 13 Abs. 8 Stmk. Baugesetz 1995 die Behörde auch einen geringeren Abstand von Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden zulassen könne, wenn dies unter anderem im Interesse des Ortsbildes, der Altstadterhaltung oder des Denkmalschutzes erforderlich sei und führte weiter aus, dass diese Bestimmung normenhierarchisch gesehen als Ausnahmebestimmung gegenüber den Abs. 1 bis 3 des § 13 Stmk. Baugesetz 1995 anzusehen sei.

Die Baubehörde erster Instanz habe daher die Baubewilligung zu Recht unter Anwendung dieser Ausnahmebestimmung erteilt.

Mit dem bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Parteien Folge und behob den Bescheid der Behörde erster Instanz. Das Ansuchen der Beschwerdeführerin, das Gegenstand dieses erstinstanzlichen Bescheides gewesen war, wurde abgewiesen.

In ihrer Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Sachverhalt und die beiden Berufungen im vollen Wortlaut wieder und zitierte sodann die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des Stmk. Baugesetzes 1995.

Weiters führte die belangte Behörde aus, dass das Gebäude der erstmitbeteiligten Partei an der Bauplatzgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin rechtmäßige Öffnungen aufweise, und zwar drei Fenster in der normal zur K-Straße verlaufenden Front, und nach einem Mauerknick hofseitig fünf Fenster. Da nach § 13 Abs. 3 Stmk. Baugesetz 1995 bei Öffnungen bei Gebäuden an der Grundgrenze jedenfalls der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten sei, bedeute dies, dass das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin nicht in der geplanten Form durch unmittelbaren Anbau an die Grundgrenze erfolgen könne.

Da die Beschwerdeführerin dem Vorhalt zur entsprechenden Abänderung des Bauvorhabens nicht nachgekommen sei, sei das Ansuchen auf Grund des Vorliegens der Verletzung eines subjektiv-öffentlich-rechtlichen Nachbarrechtes abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligten Parteien eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die östliche Außenwand des Gebäudes der Erstmitbeteiligten, eine Feuermauer, verläuft normal zur K-Gasse in etwa nach Norden und weist nach dem Lageplan nach ca. 7 m einen Mauerknick Richtung Nordwesten auf. Nach den Feststellungen der belangten Behörde befinden sich nicht nur in dem nördlich verlaufenden Teil der Mauer drei Fenster (in 9,0 bzw. 12,0 m Höhe), sondern ca. 2 m nach dem Mauerknick fünf Fenster mit den Maßen 0,80 x 1,30 m in der Höhe vom Boden von ca. 4 m, ca. 7 m und ca. 9 m sowie 3 m weiter nochmals zwei Fenster.

Das hofseitige, eingeschossige L-förmige Gebäude der Beschwerdeführerin ist unmittelbar an der Westseite an die genannte Mauer der Erstmitbeteiligten angebaut und soll auf insgesamt zwei Geschosse aufgestockt werden.

Im vorliegenden Fall sind folgende Bestimmungen des Stmk. Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59, relevant:

"§ 13

Abstände

(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

(3) Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

...

(8) Die Behörde kann geringere Abstände von den Nachbargrundgrenzen und Nachbargebäuden zulassen - für Nebengebäude oder - wenn dies im Interesse des Ortsbildschutzes, der Altstadterhaltung, des Denkmalschutzes oder der Erhaltung einer baukulturell bemerkenswerten Bausubstanz (Ensemble) liegt.

(9) Der Gebäudeabstand hat, sofern ein geringerer Abstand als nach Abs.1 zulässig ist, mindestens 2,0 m zu betragen."

Zu den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des bekämpften Bescheides, wonach die Beschwerdeführerin der Aufforderung zur Abänderung des Bauvorhabens entsprechend den Bauvorschriften nicht nachgekommen sei, ist Folgendes zu sagen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (siehe zB das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, Zl. 93/05/0117), ist die Baubehörde - auch die Berufungsbehörde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1999, Zl. 97/06/0172) - verpflichtet, dem Bauwerber bei Widerspruch seines Vorhabens zu gesetzlichen Bestimmungen nahe zu legen, sein Projekt entsprechend abzuändern, um einen Versagungsgrund zu beseitigen. Mit einer Abweisung des Bauantrages darf erst dann vorgegangen werden, wenn der Antragsteller sich weigert, eine Änderung des Projektes vorzunehmen.

Des Weiteren ist zu beachten, dass die Möglichkeit der Änderung von Bauvorhaben in Berufungsverfahren insoweit durch § 66 Abs. 4 AVG beschränkt ist, als es sich noch um dieselbe Sache handeln muss. Die Modifikation darf nicht das Wesen (den Charakter) des Vorhabens treffen (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1996, Zl. 96/05/0207).

Die belangte Behörde hat nun zwar mit Schreiben vom 1. April 1998 die Beschwerdeführerin aufgefordert, zu der Tatsache, dass die Mauer der erstmitbeteiligten Partei, die an das Grundstück der Beschwerdeführerin grenze, Öffnungen aufweise und der bauordnungsgemäße Abstand der Gebäude untereinander nicht eingehalten werde, Stellung zu nehmen.

Mit einer derartigen Mitteilung wird jedoch einem Bauwerber noch nicht im Sinne der genannten Judikatur eine den Bestimmungen des Baurechts entsprechende Änderung seines Projektes nahe gelegt, zumal damit nicht zum Ausdruck gebracht wird, dass die Baubehörde davon ausgehe, dass der mitgeteilte Sachverhalt das Projekt nicht genehmigungsfähig erscheinen lasse.

Insbesondere ergibt sich aus der Stellungnahme der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, dass diese - wenn auch in Verkennung der Rechtslage - vermeinte, dass das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), die Bauführung ungeachtet des von der Behörde mitgeteilten Sachverhaltes zulasse. Der bloße Hinweis auf den von der Behörde festgestellten Sachverhalt kann unter diesen Umständen nicht als allenfalls konkludente Aufforderung zur Projektsänderung verstanden werden.

Im vorliegenden Zusammenhang kommt noch hinzu, dass es entscheidend darauf ankommt, ob die in Rede stehenden Fenster konsentiert sind oder nicht. In dem Schreiben vom 1. April 1998, in dem der Beschwerdeführerin mitgeteilt wurde, dass das an der Nachbargrundgrenze stehende Gebäude Öffnungen in der Feuermauer aufweise, wird nicht darauf hingewiesen, dass es sich dabei um bewilligte Öffnungen handle (auch nach den Ausführungen in der Gegenschrift der erstmitbeteiligten Partei ist hinsichtlich der gegenständlichen Fenster im Hinblick auf § 40 Stmk. Baugesetz von einem Konsens auszugehen; das Vorliegen einer ausdrücklichen Baubewilligung wurde im Verfahren nicht festgestellt). Durch die bloße Mitteilung, dass Öffnungen vorhanden seien, wurde der Beschwerdeführerin somit kein Sachverhalt mitgeteilt, der zwingend zu einer Projektsänderung zur Vermeidung einer Abweisung des Antrages führen müsste. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die in der Rechtsprechung geforderte Einräumung der Möglichkeit zu einer Projektsänderung auch in einer derart konkludenten Weise erfolgen kann, wie sie die belangte Behörde nun vertritt. Selbst wenn man eine solche Möglichkeit nach den Umständen des Einzelfalles nicht ausschließen möchte, kann in der Mitteilung eines Sachverhaltes, der für sich allein noch nicht zwingend die Abweisung des Antrags nach sich zieht, keinesfalls die Aufforderung zur Projektsänderung gesehen werden. Die belangte Behörde hat somit die Beschwerdeführerin nicht auf die Notwendigkeit einer Projektänderung hingewiesen.

Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit des Projekts im Hinblick auf den Seitenabstand zum Grundstück der erstmitbeteiligten Partei hätte die belangte Behörde auch die genaue Position der Fenster in der Feuermauer des Gebäudes der erstmitbeteiligten Partei feststellen müssen. Zwar geht aus dem städtebaulichen Gutachten des Stadtplanungsamtes G, welches von der belangten Behörde eingeholt wurde, hervor, dass sich 2 m nach dem Mauerknick drei Fenster mit den Maßen 0,80 x 1,30 m in der Höhe vom Boden von ca. 4 m, ca. 7 m und ca. 9 m sowie 3 m weiter nochmals zwei Fenster in der Feuermauer der Erstmitbeteiligten befinden, jedoch werden diese Werte nicht in Relation zu dem beantragten Projekt der Beschwerdeführerin und dessen Situierung gesetzt.

§ 13 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59, kann nämlich nicht dahingehend verstanden werden, dass das Bestehen von Fenstern in einem Teil einer an einer Grundstücksgrenze befindlichen Mauer das Anbauen eines anderen Gebäudes an diese Mauer zur Gänze ausschließe. Vielmehr kann in einem solchen Fall ein Anbau außerhalb des Bereiches der betreffenden Fenster zulässig sein, da nicht anzunehmen ist, dass die vorliegende Ausnahmebestimmung zu Lasten des Eigentümers des Nachbargrundstücks dahingehend zu interpretieren ist, dass die Existenz von Fenstern in einem Bereich der Mauer das Anbauen über die ganze Länge der Mauer verhindern solle.

Insbesondere käme grundsätzlich eine Aufstockung eines bestehenden Gebäudes an einer derartigen Feuermauer mit Fenstern in Betracht, wenn die Fenster derart situiert wären, dass sie durch die Aufstockung nicht maßgeblich betroffen würden, was im Beschwerdefall insbesondere hinsichtlich des Hoftraktes (der sich nördlich der bestehenden Fenster befindet) der Fall sein könnte. Die belangte Behörde hat aber auch keine genaue Feststellungen betreffend die Lage der übrigen Fenster, die offenbar durch den straßenseitigen Trakt tatsächlich "verbaut" würden, getroffen (die Fenster sollen sich in 9 m und 12 m Höhe befinden; ob ein Anbauen darunter möglich wäre, wurde nicht festgestellt).

Es wird im fortgesetzten Verfahren weiters zu prüfen sein, ob - wenn auch das unmittelbare Anbauen mit dem straßenseitigen Trakt auf Grund der Lage der Fenster nicht zulässig sein sollte - die Anwendung des § 13 Abs. 8 Stmk. BauG in Frage käme. Wohl wäre im Hinblick auf § 13 Abs. 9 Stmk. BauG jedenfalls ein Abstand von 2,0 m einzuhalten, doch könnte im Hinblick auf die im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten eine derartige Vorgangsweise aus städtebaulichen Gründen (Abs. 8 enthält ua das Kriterium des Ortsbildschutzes) zulässig sein. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 13 Abs. 8 Stmk. Baugesetz wäre daher zu prüfen.

Schließlich wäre die Frage der Trennbarkeit des eingereichten Projektes, also des Neubaues des straßenseitigen Gebäudes und der Aufstockung des hofseitigen, eingeschossigen Bestandes, je nach Situierung der Fenster in der Feuermauer im Hinblick auf den geplanten Anbau, zu erwägen gewesen.

Da sich die städtebaulichen Gutachter sowohl im Bauverfahren erster Instanz als auch im Berufungsverfahren im Sinne des Ortsbildschutzes für eine geschlossene Verbauung ausgesprochen haben, kommt die Anwendung des § 13 Abs. 8 Stmk. Baugesetz 1995, der eine Ausnahme im Interesse des Ortsbildschutzes zulässt, in Verbindung mit § 13 Abs. 9 leg. cit. grundsätzlich in Betracht, weil damit nicht ausgeschlossen ist, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 8 Stmk. Baugesetz 1995 vorliegen könnten.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die belangte Behörde den Sachverhalt insoweit mangelhaft ermittelt hat, als sie nicht geprüft hat, ob die Positionierung der Fenster in der Feuermauer jegliches Anbauen an diese ausschließt und, ob für den Fall der unterschiedlichen Beurteilung des straßenseitigen und des hofseitigen Gebäudes der Beschwerdeführerin eine Trennung des Projektes zulässig wäre.

Die Bescheidbegründung hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1981, Zl. 3518/80). Sofern eine Begründungslücke die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit hindert, hat die belangte Behörde durch die unzulängliche Begründung Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. März 1984, Zl. 85/08/0202, oder vom 9. Dezember 1992, Zl. 92/13/0077).

Der angefochtene Bescheid war daher im Hinblick auf die aufgezeigten Verfahrensmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im BerufungsverfahrenBaubewilligung BauRallg6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Berufungsverfahren BauRallg11/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998060138.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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