Entscheidungsdatum
24.01.2019Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W165 2170698-1/2E
W165 2170696-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidungen der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 21.08.2017, Zl. Damaskus-OB/KONS/1849/2017, aufgrund der Vorlageanträge von 1. XXXX, geb. XXXX und 2. XXXX, geb. XXXX, beide StA. Syrien, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 29.05.2017 und vom 02.06.2017, GZ: Damaskus-ÖB/KONS/1395/2017, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: 1.BF) ist die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: 2.BF).
Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehörige Syriens, stellten am 30.05.2016 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (im Folgenden: ÖB Damaskus) unter Anschluss diverser Unterlagen Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde der zum Antragszeitpunkt minderjährige Sohn der 1.BF und Bruder der 2.BF angegeben.
Der am 18.01.1999 geborenen Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 08.01.2016, Zl. 1084776900/151203514, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Zu den seitens der ÖB Damaskus an das BFA weitergeleiteten Antragsunterlagen teilte das BFA der ÖB Damaskus mit Schreiben vom 27.02.2017 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich sei. In einer Stellungnahme zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose wurde angeführt, dass die die in Österreich aufhältige Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Botschaft über die Anträge das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und es sich demnach zum prüfungsrelevanten Zeitpunkt nicht mehr um eine minderjährige Person handle. Daraus ergebe sich, dass die Anträge der BF gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 abzulehnen wären.
Mit Schreiben vom 27.02.2017, den BF zugestellt am 09.03.2017, übermittelte die ÖB Damaskus die Stellungnahme und Mitteilung des BFA vom 27.02.2017 mit der Aufforderung, den angeführten Ablehnungsgrund innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
Mit Schreiben vom 15.03.2017 brachten die BF durch ihren bevollmächtigten Vertreter eine Stellungnahme bei der ÖB Damaskus ein, in der zusammengefasst wie folgt vorgebracht wurde:
Im Schreiben der Botschaft werde angeführt, dass das BFA mitgeteilt habe, dass eine Gewährung desselben Schutzes nicht wahrscheinlich sei. Diese Einschätzung würde auf der Tatsache beruhen, dass die Bezugsperson mittlerweile volljährig sei. Der Rechtsprechung des VwGH folgend, wonach die Familienangehörigeneigenschaft nicht mehr bestehe, sei die Einreise zu verweigern. Nach der herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.01.2016, Ra 2015/21/0230, sei bei Anträgen von Familienangehörigen, die einer minderjährigen Bezugsperson nachziehen wollen würden, nicht mehr das Antrags-, sondern das Entscheidungsdatum zur Beurteilung der Minderjährigkeit relevant. Im gegenständlichen Fall sei die Bezugsperson allerdings asylberechtigt, was nicht nur zur vollen Anwendbarkeit der im zitierten Erkenntnis herangezogene RL 2003/86/EG führen könne, sondern die Anwendbarkeit begünstigender Regelungen nach sich ziehe sowie eine generelle Rücksichtnahme erfordere. Auf die Eltern minderjähriger Asylberechtigter sei somit nicht der seitens des VwGH zitierte Art. 4 Abs. 2 lit. a der RL 2003/86/EG, sondern deren Art. 10 Abs. 3 lit. a, anzuwenden, der den Nachzug der Eltern zwingend vorsehe. Dies stehe im Einklang mit Art. 5 Abs. 5 der RL, welcher vorschreibe, dass das Kindeswohl in allen Fällen zu berücksichtigen sei, sowie der Judikatur des EuGH, wonach die erfolgreiche Familienzusammenführung den Regelfall darstellen sollte und die Mitgliedstaaten ihren Spielraum nicht in einer Weise nutzen dürften, der dem Zweck der Richtlinie widerspreche. In Anbetracht der unionsrechtlichen Vorschriften erscheine eine Auslegung, wonach die Gestattung der Familienzusammenführung von der Bearbeitungsdauer durch die Behörden abhängig sei, unzulässig. Weiters sei derzeit ein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig, welches sich mit derselben Thematik wie im vorliegenden Fall beschäftige. Das gegenständliche Verfahren müsste demnach bis zur Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens ausgesetzt oder seinerseits dem EuGH vorgelegt werden. Im vorliegenden Fall sei der Asylantrag der Bezugsperson bereits am 28.08.2015, somit im Alter von 16 Jahren gestellt worden. Ein Termin zur Antragstellung betreffend die Einreiseanträge sei den BF jedoch erst für 30.05.2016 gegeben worden. Aus der Stellungnahme des BFA würden sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass an der bestehenden Familieneigenschaft gezweifelt werde. Ebensowenig führe die Behörde an, welche Verfahrensschritte gesetzt worden seien und weshalb eine Entscheidung nicht vor dem 18.01.2017 ergehen habe können. Die lange Verfahrensdauer könne den BF nicht zugerechnet werden.
Das BFA teilte der ÖB Damaskus nach Erhalt der Stellungnahme der BF vom 15.03.2017 mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festzuhalten sei.
Mit Bescheiden der ÖB Damskus vom 29.05.2017 (2.BF) und vom 02.06.2017 (1.BF) wurden die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen.
Gegen die Bescheide richten sich die am 29.06.2017 fristgerecht eingebrachten, gleichlautenden Beschwerden, in denen im Wesentlichen wie in der Stellungnahme vom 15.03.2017 vorgebracht wurde. Die Behörde hätte das Verfahren auch unter den gegebenen Umständen innerhalb der zur Verfügung stehenden sieben Monate ohne weiteres abschließen können. Zudem sei es für die Wahrung des Rechts auf Parteiengehör nicht ausreichend, dass lediglich eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt werde, sondern sei vielmehr nach Abgabe einer Stellungnahme eine Auseinandersetzung mit den angeführten Argumenten erforderlich. Diese Auseinandersetzung sei in der Begründung des Bescheides wiederzugeben. Die unterlassene Auseinandersetzung mit den in der Stellungnahme vorgebrachten Argumenten, Beweismitteln und Anträgen stelle eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör bzw. einen Begründungsmangel dar, der den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 21.08.2017 wies die ÖB Damaskus die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab:
Neben der Wiedergabe des Verfahrensganges und der vorgenommenen rechtlichen Begründung wurde ausgeführt, dass es bei antragstellenden Eltern darauf ankomme, dass die Bezugsperson in Österreich auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag noch minderjährig sei. Sei im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anträge die Volljährigkeit der Bezugsperson in Österreich bereits gegeben, sei die Einreise der Eltern und Geschwister mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern. Ein Einreisetitel gemäß § 35 AsylG 2005 erweise sich daher als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen der beschwerdeführenden Parteien auf Familienzusammenführung mit der bereits volljährigen Bezugsperson zu entsprechen. Wie im Beschluss des VwGH vom 21.2.2017, Ra 2016/18/0253 bis 0254, ausgeführt worden sei, seien diese vielmehr auf die anderen - nach NAG und FPG eröffneten - Möglichkeiten zu verweisen. Ergänzend werde angeführt, dass die 2. BF als Schwester der Bezugsperson keine Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG sei. Die Argumentation der BF mit der Verfahrensdauer sei vom Ansatz her verfehlt, da dies an der anzuwendenden Norm nichts ändern könnte. Soweit eine Verletzung des Parteiengehörs behauptet werde, sei dem entgegenzuhalten, dass das Recht auf Parteiengehör gemäß § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG lediglich dann verletzt werde, sofern dem Antragsteller vor der vollinhaltlichen Ablehnung seines Antrages von der Vertretungsbehörde keine Möglichkeit zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme eingeräumt worden sei. Im vorliegenden Fall sei eine - mit der Beschwerde nahezu deckungsgleiche - Stellungnahme abgegeben worden. Zu Fragen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung müsse kein Parteiengehör eingeräumt werden. Nicht nachvollziehbar seien die widersprüchlichen Ausführungen in der Beschwerde, wonach einerseits die Verfahrensdauer als zu lang gerügt und andererseits eine Aussetzung des Verfahrens zur Klärung einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG moniert würden. Für eine Aussetzung nach § 38 Abs. 2 AVG bestehe im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung kein Raum. Davon abgesehen sei der Beschwerdefall entscheidungsreif und stelle die Frage im Vorabentscheidungsersuchen des EuGH in der RS C-550/16 für das vorliegende Beschwerdeverfahren infolge einer anders gelagerten Fallgestaltung keine Vorfrage zur Klärung der Hauptfrage dar.
Am 06.09.2017 wurden bei der ÖB Damaskus Vorlageanträge gem. § 15 VwGVG eingebracht.
Begründend wurde auf die Beschwerden vom 29.06.2017 verwiesen. Der Behörde müsse insofern widersprochen werden, als dem Vorabentscheidungsverfahren zu Zahl C-550/16, derselbe Sachverhalt zugrunde liege, nämlich die Frage, ob die Eigenschaft als "unbegleiteter Minderjähriger" im Sinne der RL 2003/86/EG in gewissen Fällen auch nach Erreichen der Volljährigkeit erhalten bleibe und somit eine Familienzusammenführung möglich sein solle. Sollte der vorliegende Fall tatsächlich grundlegend anders gelagert sein, wäre die Frage der Minderjährigkeit zum Antrags- bzw. Entscheidungszeitpunkt dem EuGH vorzulegen.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 13.09.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 15.09.2017, wurden die Vorlageanträge samt Verwaltungsakten übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.
Eine Familienangehörigeneigenschaft der BF zur Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 kann nicht festgestellt werden.
Die am 18.01.1999 geborene Bezugsperson ist während des Verfahrens über die Einreiseanträge der BF nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 volljährig geworden. Das Geburtsdatum der Bezugsperson wurde seitens der BF niemals bestritten.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten der ÖB Damaskus, den vorgelegten Unterlagen, dem Bescheid des BFA vom 08.01.2016, Zl. 1084776900-151203514, womit der Bezugsperson der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Das unstrittige Geburtsdatum der Bezugsperson (18.01.1999) ergibt sich aus den Angaben der BF und den damit übereinstimmenden in den Akten in Kopie einliegenden Unterlagen zur Bezugsperson sowie aus dem Asylbescheid des BFA betreffend die Bezugsperson.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerden:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:
§ 34 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 87/2012:
Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.
§ 11 und 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
...
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem abweichenden Ergebnis:
Verfahrensgegenständlich wurden am 30.05.2016 Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich seit dem 08.01.2016 den Status eines Asylberechtigten genießende Sohn der 1.B F und Bruder der 2. BF namhaft gemacht.
Aus der Aktenlage und den zur Bezugsperson einliegenden Unterlagen, wie ua einer Reisepasskopie, ergibt sich zweifelsfrei, dass die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Vertretungsbehörde über die Einreiseanträge der BF mit Bescheiden vom 29.05.2017 und 02.06.2017, den BF zugestellt am 02.06.2017, bereits volljährig war. Die Bezugsperson hat ihre Volljährigkeit am 18.01.2017, erreicht, womit der Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 (Elternteil eines minderjährigen Kindes) in Bezug auf die 1. BF nicht erfüllt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 nicht mehr vor, wenn die minderjährige Bezugsperson während des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig wird (vgl. VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253-0254 und die in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung ergangenen Erkenntnisse des VwGH vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 und vom 24.05.2018, Ra 2017/01/0430, sowie jüngst VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/18/0076-0084.
Im Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10, etwa, hat der VwGH zudem festgehalten, dass sich auch aus der Entscheidung des EuGH C-550/16 vom 12.04.2018 im Hinblick auf den dortigen nicht vergleichbaren Ausgangssachverhalt, dass ein Asylwerber während seines Asylverfahrens die Volljährigkeit erreicht hat, keine abweichende Beurteilung ergibt.
War somit, wie auch im konkreten Fall, die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über die Einreiseanträge zweifellos (und unstrittig) nicht mehr minderjährig, ist die Mutter der Bezugsperson (1. BF) sohin nicht als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen.
Was die - im Übrigen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährige - Schwester der in Österreich lebenden Bezugsperson (2.BF) betrifft, so handelt es sich um kein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005, sodass auch diese vom maßgeblichen Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht erfasst wird. So hat auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10, bestätigt, dass aufgrund des - insoweit von vornherein als klar einzustufenden - Gesetzeswortlautes Geschwister nicht als Familienangehörige gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gelten.
Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zur Regelung des § 35 AsylG 2005 festgehalten, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 zielt jedoch gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen ein Einreisevisum zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen. Die Bestimmungen des § 34 und § 35 AsylG 2005 können somit Fälle erfassen, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig jedoch den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen, als es diese Richtlinie verlange. Es könne allerdings nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird (vgl. VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weiters bereits darauf hingewiesen hat, stellt die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und diesen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber - beispielsweise - nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Laufe des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, da diese bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher (etwa) in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen eines Fremden auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen. Es ist auf andere - im NAG und im Fremdenpolizeigesetz 2005 eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Erteilung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0253, 0254).
Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.09.2015 zu E 360-361/2015-21, keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft von Antragstellern nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gesehen.
Anzumerken ist, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Bei Erteilung eines Einreisetitels ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK im Allgemeinen kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land gewährt (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, newsletter 2001, 159 uva). Art. 8 EMRK gewährt auch kein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lässt den Mitgliedstaaten der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen breiten Ermessensspielraum (vgl. VfSlg 17.013/2003 und 18.613/2008). Die - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C- 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.
Zusammenfassend erweisen sich Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 im vorliegenden Fall sohin von vornherein als ungeeignetes Instrument, um dem Anliegen der BF auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn bzw. Bruder zu entsprechen. Die BF sind vielmehr auf die anderen im NAG und FPG vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung entsprechender Einreisetitel zu verweisen.
Im Hinblick darauf, dass im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels besteht, war spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Einreisetitel, Familienangehöriger, VolljährigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W165.2170698.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.03.2019