TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/1 99/18/0071

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.1999
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
20/02 Familienrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §48 Z1;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der D R in Wien, geboren am 25. Oktober 1950, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Dezember 1998, Zl. SD 549/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Dezember 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin befinde sich seit Jänner 1991 in Österreich. Sie habe zunächst nach Vorlage von Verpflichtungserklärungen Sichtvermerke, zuletzt gültig bis 10. Juli 1993, erhalten. Im Anschluss daran sei ihr eine bis 11. März 1994 gültige Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des privaten Aufenthaltes erteilt worden. Am 21. Jänner 1994 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. In der Folge habe sie eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft, gültig bis 12. März 1996, erhalten. Ihr Verlängerungsantrag sei jedoch mit Bescheid vom 7. Mai 1996 wegen des Eingehens einer Scheinehe abgewiesen worden.

Die Beschwerdeführerin habe am 19. März 1996 selbst angegeben, mit ihrem Gatten nie gemeinsam gelebt zu haben. Dieser hätte bei seiner Schwester gewohnt, wo sie ihn allerdings nie besucht hätte. Sie hätte dann zu arbeiten begonnen, weil sie aufgrund der Ehe keinen Befreiungsschein benötigt hätte. Die Schwester des Ehegatten der Beschwerdeführerin habe am 11. März 1996 zu Protokoll gegeben, gar nicht zu wissen, dass ihr Bruder verheiratet sei. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei schwer alkoholkrank und lebe in einer von der Heilsarmee zur Verfügung gestellten Wohnung. Er habe am 5. April 1998 ausgesagt, für die Eheschließung von einem Verwandten seiner Gattin einen Betrag von S 10.000,-- erhalten zu haben. Ein gemeinsamer Wohnsitz hätte nie bestanden. Einmal im Monat bekäme er von seiner Gattin ca. S 200,--, ansonsten lebte er von der Notstandshilfe. Die Beschwerdeführerin habe mit diesen Aussagen konfrontiert ausgeführt, es wäre nicht richtig, dass ein Verwandter für die Eheschließung ÖS 10.000,-- bezahlt hätte; alle anderen Angaben ihres Gatten entsprächen aber der Wahrheit. In der Berufung habe die Beschwerdeführerin dann bestritten, dass eine Scheinehe vorliege, dies hätte ihr Mann in einer eidesstättigen Erklärung dargelegt. Diese eidesstättige Erklärung befinde sich allerdings nicht beim Akt. Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben die von ihr angestrebte Arbeitsaufnahme erst durch die Heirat ermöglicht worden sei und sie selbst zugegeben habe dass nie ein gemeinsamer Wohnsitz mit ihrem Gatten bestanden hätte, liege keine Veranlassung vor, den Angaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin keinen Glauben zu schenken. Es stehe somit fest, dass die Beschwerdeführerin eine von der Rechtsordnung verpönte Scheinehe geschlossen habe. Sie habe sich zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung auf diese Ehe berufen, ohne ein gemeinsames Familienleben geführt zu haben. Für die Eheschließung sei auch ein Vermögensvorteil geleistet worden. Ein solches Verhalten gefährde die öffentliche Ordnung, sodass der Tatbestand des § 36 Abs. 1 FrG verwirklicht sei. Aufgrund des nunmehr siebenjährigen Aufenthaltes in Österreich sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin verbunden. Dieser Eingriff sei aber zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Beschwerdeführerin den Zugang zum Arbeitsmarkt und die Verfestigung ihres Aufenthaltes nur durch das verpönte Verhalten habe erlangen können. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes seien keineswegs derart gestaltet, dass demgegenüber die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des Ermessens in Kauf genommen werden könnten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 36 Abs. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 9) eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.

2.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und eines Befreiungsscheines auf die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger berufen zu haben, bringt jedoch vor, dass für die Eheschließung kein Vermögensvorteil geleistet worden sei. Da die Aussage ihres schwer alkoholkranken Gatten nur "bedingt verwertbar" sei, liege kein gegenteiliges Beweisergebnis vor.

Dem ist zu entgegnen, dass die Verwertung der Aussage eines dem Alkoholmissbrauch verfallenen Zeugen nicht unzulässig ist. Dass der Gatte der Beschwerdeführerin in der von § 48 Z. 1 AVG umschriebenen Weise betroffen wäre, bringt die Beschwerde nicht vor. Im Übrigen begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2.2. Die festgestellten monatlichen Zahlungen der Beschwerdeführerin an ihren Gatten von jeweils etwa S 200,-- - in der Beschwerde als "Unterhaltszahlungen" bezeichnet - können nicht dazu führen, die Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Gatten als "gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" zu qualifizieren.

2.3. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, ihre Ehe sei nach wie vor aufrecht (und nicht für nichtig erklärt worden), ist sie darauf zu verweisen, dass die Nichtigerklärung der Ehe keine Voraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 99/18/0044).

2.4. Aus all diesen Gründen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG erfüllt sei, keinem Einwand.

Da ein derartiges Verhalten die öffentliche Ordnung (konkret: das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen) erheblich beeinträchtigt, bestehen auch gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass vorliegend die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keine Bedenken (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 99/18/0044).

3. Die - in der Beschwerde nicht konkret bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehe, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die belangte Behörde hat aufgrund des fast achtjährigen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin - zutreffend - einen mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes verbundenen Eingriff in deren Privatleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Das Gewicht des inländischen Aufenthaltes und der Berufstätigkeit wird - von der Behörde richtig erkannt - dadurch gemindert, dass die Berechtigungen hiezu zum Großteil auf die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zurückzuführen sind. Unter Bedachtnahme auf diese somit nicht schwer ins Gewicht fallende persönliche Interessenlage hat die belangte Behörde zutreffend den Standpunkt vertreten, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist und die privaten Interessen der Beschwerdeführerin die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht überwiegen, hat doch die Beschwerdeführerin durch ihr Fehlverhalten das große öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen erheblich beeinträchtigt.

4.1. Soweit die Beschwerde eine Verletzung der Verpflichtung zur Einräumung des Parteiengehörs rügt, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführerin bei der niederschriftlichen Vernehmung durch die Erstbehörde am 21. April 1998 die Angaben ihres Gatten, auf welche die Feststellungen im angefochtenen Bescheid wesentlich gestützt werden, vorgehalten worden sind. Im Übrigen hatte die Beschwerdeführerin jedenfalls in der Berufung Gelegenheit, sich zu den bereits im Bescheid der Behörde erster Instanz enthaltenen wesentlichen Feststellungen zu äußern.

4.2. Die Feststellung der belangten Behörde, dass sich die in der Berufung erwähnte eidesstättige Erklärung des Gatten der Beschwerdeführerin nicht bei den Verwaltungsakten befinde, ist nicht aktenwidrig, weil sich nach Durchsicht der Akten durch den Verwaltungsgerichtshof darin tatsächlich keine solche Erklärung befindet. Im Übrigen hat es die Beschwerdeführerin unterlassen, im vorliegenden Beschwerdeverfahren eine Kopie dieser - laut Berufungsvorbringen vor einem Notar abgegebenen - eidesstättigen Erklärung vorzulegen bzw. den Inhalt dieser Erklärung näher darzulegen.

5. Die Beschwerdeführerin bringt auch vor, dass "zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz eine Aufenthaltsverfestigung gegeben" gewesen sei.

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre. Die Erlassung einer Ausweisung - und somit auch einer solchen gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG - ist (u.a.) in den Fällen des mit "Aufenthaltsverfestigung bei Fremden mit Niederlassungsbewilligung" überschriebenen § 35 FrG unzulässig. Dessen - sachverhaltsbezogen noch am ehesten in Betracht kommender - Abs. 2 lautet:

"(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde."

Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 35 Abs. 2 FrG ist zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war (vgl. den hg. Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 95/18/1168 mwN). Da die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstandes, das ist die rechtsmissbräuchliche Eingehung der Ehe am 21. Jänner 1994, sich erst etwa drei Jahre in Österreich befand, steht § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.

6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 1. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999180071.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten