TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/9 W124 2141867-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.01.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §57
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W124 2141867-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , StA.: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am XXXX in Österreich einen Asylantrag.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom XXXX , gem. §§ 3 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf sein Heimatland Indien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde diesem gemäß § 57 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist und ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt III. und IV.).

Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX abgewiesen und erwuchs in der Folge in Rechtskraft.

1.2. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer Verkehrskontrolle angehalten und konnte der Beschwerdeführer keinen aufrechten Aufenthaltstitel vorweisen.

1.3. Im Zuge der mit dem BF am XXXX aufgenommenen Niederschrift führte dieser auf Befragung aus, dass er in ca. eineinhalb Monaten freiwillig nach Indien ausreisen würde. Er sei bei der Botschaft gewesen und habe man ihm geraten zur Caritas zu gehen. Bei der Botschaft habe der BF einen neuen Reisepass beantragt, wofür er aber keine Bestätigung haben würde. Auf Vorhalt, dass der BF im Zuge der Einvernahme am XXXX auf Nachfrage seiner Dokumente bzw. Beweismittel seinen indischen Führerschein nicht erwähnt habe, gab dieser an, einen solchen erst später erhalten zu haben. Der Führerschein sei dem BF schon früher in Indien ausgestellt worden. Dieser sei ihm von seinem Vater mit der Post übermittelt worden.

Seinen nunmehrigen Lebensunterhalt würde er als Zeitungszusteller bestreiten und damit ca. 600 Euro monatlich verdienen. Seine Angehörigen (Eltern und Bruder) würden in Indien leben. Mit diesen habe er einmal pro Woche telefonischen Kontakt.

Die Formulare zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes würde er selbständig ausfüllen und nach Indien ausreisen.

1.4. Am XXXX wurde der den BF vertretene Verein vom BFA aufgefordert bekannt zu geben, welche Vorbereitungen in Bezugnahme auf die Ausreise des BF bereits getroffen worden seien. Dieser teilte dem BFA am XXXX mit, dass dieser einer Ladung am XXXX Folge geleistet habe. In der Niederschrift sei ersichtlich, dass er bereits eigenständig mit der indischen Botschaft und Caritas Kontakt aufgenommen habe.

Der BF habe dem ihn vertretenen Verein überdies mitgeteilt noch einmal Kontakt mit der indischen Botschaft aufzunehmen und hätte man diesem mitgeteilt, dass die Ausstellung des Dokuments noch etwas dauern würde. Der BF würde sich dem Verfahren des BFA nicht entziehen.

1.5. Am XXXX teilte das Stadtpolizeikommando XXXX dem BFA mit, dass im Zuge einer Priorierung herausgefunden werden habe können, dass sich der BF illegal im Bundesgebiet aufhalten würde und keine Meldeadresse im Zentralmelderegister aufscheinen würde, der BF aber eigenen Angaben des öfteres im 12. Bezirk schlafen würde. Gegen den BF wurde ein Organmandat wegen des illegalen Aufenthaltes in Österreich in der Höhe von 500-, Euro verhängt.

1.6. Mit Mandatsbescheid vom XXXX , wurde dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle XXXX , zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen.

1.7. Gegen diesen am XXXX zugestellten Bescheid erhob der BF durch seinen Vertreter am XXXX fristgerecht Vorstellung.

1.8. Dem Vertreter des BF wurde mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom XXXX mitgeteilt, dass diesem mit Mandatsbescheid vom XXXX aufgetragen worden sei, bis zu seiner Ausreise durchgängig in der Betreuungseinrichtung XXXX , Unterkunft zu nehmen. Es würde nunmehr ein ordentlicher Bescheid ergehen und würde dem BF im Zuge der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme dem BF die Möglichkeit eingeräumt werden sich zu dem Sachverhalt zu äußern und eine Stellungnahme abzugeben.

Der BF wurde im Zuge dessen belehrt, dass das Verfahren ohne nochmalige Anhörung auf Grund der Aktenlage fortgeführt werden würde, sollte der BF zur beabsichtigten Vorgangsweise der Behörde keine Stellungnahme abgeben.

1.9. Mit dem nunmehr angefochtenen (Vorstellungs-)Bescheid vom XXXX , wurde dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle Tirol, XXXX , zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

3.5. Gegen diesen am XXXX zugestellten Bescheid wurde Beschwerde erhoben.

3.6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 02.01.2018 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1 Der BF ist Staatsangehöriger von Indien. Die Identität des BF steht nicht fest.

1.2. Der unter I. dargestellte Verfahrensgang wird als Feststellung dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zur Person des BF stützen sich auf den Inhalt der Akten des BFA sowie des BVwG. Mangels Vorliegens eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes oder eines sonstigen unbedenklichen Bescheinigungsmittels im Original steht die Identität des BF nicht fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides

3.1.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob

der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der

Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des

Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen,

wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur

Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

§ 46 FPG lautet auszugsweise:

"[...]

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

[...]"

3.1.2. Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der

Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt.

Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer

Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies

bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000,

2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird.

Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels

Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Die belangte Behörde weist im angefochtenen Bescheid wiederholt darauf hin, dass gegen den BF eine rechtskräftige Ausweisung bzw. Rückkehrentscheidung besteht, er die Frist zur freiwilligen Ausreise ungenützt ließ und sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet befindet. Dass dieses Verhalten alleine ausreicht, eine Wohnsitzauflage zu erlassen, ergibt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den oben dargestellten Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG. Zur Erlassung einer Wohnsitzauflage als ultima ratio bedarf es konkreter Umstände des Einzelfalles, die zur Annahme führen, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

3.1.3.1. Die belangte Behörde trifft im angefochtenen Bescheid die Feststellungen (Unterpunkt "Voraussetzungen für die Erlassung einer Wohnsitzauflage"), dass gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt und keine Duldung gem. § 46a FPG vorliegt. Zudem wird festgestellt, dass der BF der seit XXXX bestehenden Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen ist. Festgestellt wird schließlich, dass der BF nicht bemüht war bzw. bemüht ist sich bei seiner Vertretungsbehörde ein Reisedokument ausstellen zu lassen oder ein solches zu beantragen.

In der Beweiswürdigung bezieht sich das BFA darauf, dass das gesamte bisher einbezogene Verhalten deutlich zeigen würde, dass der BF nicht zur Mitwirkung willens und nicht ausreisewillig sei, das Bundesgebiet nicht nur bisher nicht freiwillig verlassen habe, sondern auch in Zukunft keine freiwillige Ausreise zu erwarten sei. Die Verfahrenschronologie verdeutliche auch, dass er mit allen Mitteln rechtswidrig in Österreich verbleiben wolle und die gegenständliche Entscheidung daher notwendig sei.

In der rechtlichen Beurteilung beschränkt sich die belangte Behörde auf die Wiedergabe des Gesetzestextes der Abs. 1 und 2 Ziffer 1-5 des § 57 FPG, wobei die Ziffer 3 leg.cit. in Fettdruck hervorgehoben ist. Dem folgt eine Interessenabwägung zum Eingriff in nach Art. 8 EMRK geschützte Rechte.

Die belangte Behörde legt damit im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar dar, zu welchem Ermittlungsergebnis sie gelangt sei, worauf sich dieses stütze und welche bestimmten Tatsachen im Sinne des § 57 FPG die Annahme rechtfertigen, der BF werde seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen.

Die Ziffer 3 des Gesetzestextes fett zu setzen und von den übrigen zitierten Ziffern damit optisch abzugrenzen, kann eine Begründung nicht ersetzen.

Unter der Annahme, dass die belangte Behörde das fett gesetzte Tatbestandsmerkmal des § 57 Abs. 2 FPG als erfüllt sieht, ist zu Z 3 leg. cit. festzuhalten, dass die belangte Behörde nicht einmal ansatzweise darlegt, wann und bei welcher konkreten Gelegenheit der BF an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlung im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a FPG nicht mitgewirkt haben soll. In der Beweiswürdigung wird pauschal sein gesamtes bisheriges Verhalten gewürdigt bzw. einbezogen.

Zwar wird allgemein angeführt, dass der BF zur Mitwirkung nicht willens und auch nicht ausreisewillig sei, doch werden diese ohne konkrete Ermittlungsergebnisse angeführt - die vom BFA getroffenen Feststellungen ergeben sich entgegen diesem nicht ohne weiteres aus dem Akteninhalt. So wird etwa beim Unterpunkt "Zu ihrem bisherigen Verfahren" angeführt, dass der BF keine Bemühungen angestellt hat sich bei seiner Vertretungsbehörde ein Reisedokument zu besorgen bzw. zu beantragen, doch stehen diesbezüglich die Angaben des BF in der Niederschrift vom XXXX entgegen. Darüber hinaus wurde im Schreiben des Vertreters des BF vom XXXX nach entsprechender Aufforderung des BFA vom XXXX bestätigt, dass der BF bei der indischen Botschaft gewesen sei. Zudem wurde mitgeteilt, dass der BF noch einmal Kontakt aufnehmen würde bzw. die Ausstellung des Dokumentes noch etwas länger dauern würde. Ob in der Zeit zwischen XXXX von Seiten des BF tatsächlich Schritte unternommen worden sind, sich ein entsprechendes Dokument von der indischen Botschaft zu besorgen, lässt sich dem vorliegenden Inhalt des Aktes nicht entnehmen.

Inwieweit das BFA in der Folge zwischenzeitig Kontakt zur indischen Botschaft aufgenommen bzw. anderweitig ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, welches die vom BFA getroffene Feststellung bzw. diesbezügliche Beweiswürdigung, dass der BF an der Erlangung der Dokumente nicht mitgewirkt haben soll, nachvollziehbar erscheinen lassen, lässt sich dem gegenständlichen Akteninhalt nicht entnehmen. Vielmehr hat der BF in der mit ihm zuletzt am XXXX aufgenommenen Niederschrift noch ausgeführt, dass er in eineinhalb Monaten freiwillig nach Indien zurückkehren würde und wäre daher im gegenständlichen Fall ebenso zu ermitteln gewesen, ob bzw. welche konkreten Gründe einer tatsächlichen Ausreise entgegengestanden sind.

Insofern ist den Annahmen in der Beweiswürdigung nicht ersichtlich, auf welches Ermittlungsergebnis diese gestützt wurden, sodass hier der wesentliche Sachverhalt nicht ermittelt wurde. Die "Verfahrenschronologie", auf die sich das BFA pauschal stützt, ist aus den vorgelegten Aktenteilen vielmehr nur ansatzweise nachvollziehbar, sodass auch hier die notwendigen Sachverhaltsermittlungen unterblieben sind.

3.1.3.2. Die Interessenabwägung zu Art. 8 EMRK nimmt das BFA unter Bezugnahme auf die Ausweisungsentscheidung vom XXXX , welche in der Folge mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX bestätigt wurde und hält fest, dass seither keine Änderungen bekannt geworden seien, sondern der BF um seinen unsicheren Aufenthaltsstatus und seine Ausreiseverpflichtung gewusst hätte.

Die belangte Behörde verabsäumte es aber auch hier, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Soweit sie sich auf frühere Entscheidungen zum BFA bzw. BVwG stützt, ist festzuhalten, dass seither beinahe zwei Jahre vergangen sind, sodass die gebotene Aktualität nicht mehr gegeben ist. Auch wenn der Aufenthalt des BF seither weiter unrechtmäßig ist, kann daraus nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass er seinem allenfalls seither entwickelten Privatleben keine Bedeutung zukommt.

Die belangte Behörde hat zusammenschauend auch hier den Sachverhalt nicht ermittelt und es insbesondere verabsäumt, in einer Einvernahme einen persönlichen Eindruck vom BF zu gewinnen, um seine tatsächlichen Lebensverhältnisse aktuell beurteilen zu können.

3.1.4. Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. E 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).

Die ersatzlose Behebung eines Bescheides setzt voraus, dass dieser nicht hätte ergehen dürfen und der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation hergestellt werden kann. Dabei handelt es sich um eine "negative" Sachentscheidung (vgl zB Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 97, mwN). Eine solche Entscheidung ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache selbst, welche eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich ausschließt (vgl VwGH vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 108 f), (VwGH Ra 2015/17/0082 vom 28.06.2016).

Da es kein Ermittlungsergebnis und damit keinen festgestellten Sachverhalt gibt, aufgrund dessen das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Wohnsitzauflage als gegeben angenommen werden kann sowie ferner die

Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme und die Interessenabwägung zum Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte beurteilt werden kann, war der angefochtene Bescheid zu beheben.

3.1.5. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden diese Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den

Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Mangels festgestellter Verwirklichung der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage und der dieser immanenten "Gefahr im Verzug" (vgl. oben 3.1.3.) war der angefochtene Bescheid auch im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II.) zu beheben.

3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine

mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde

angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht

die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als

uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Beweiswürdigung, Voraussetzungen,
Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W124.2141867.2.00

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten