TE Bvwg Beschluss 2018/7/16 L516 2200555-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.07.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §12a Abs6
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L516 2200555-2/2E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2018, Zahl IFA: XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG nicht rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 24.10.2010 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 13.10.2017, L519 2123378-1/28, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach Pakistan für zulässig erklärt und zwei Wochen für die freiwillige Ausreise gewährt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft am 19.10.2017.

2. Am 26.06.2018 stellte der Beschwerdeführer den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden zweiten Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er an jenem Tag aus Großbritannien nach Österreich in Anwendung der Dublin III-VO rücküberstellt worden war. Zu diesem Antrag wurde er am 04.05.2018 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 10.07.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

3. Das BFA hob mit dem im Zuge der Einvernahme am 10.07.2018 nach der Befragung des Beschwerdeführers mündlich verkündeten Bescheid gemäß § 12a Abs 2 AsylG den faktischen Abschiebeschutz auf.

4. Das BFA informierte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 10.07.2018 darüber, dass im gegenständlichem Verfahren der faktische Abschiebeschutz aufgehoben worden sei und übermittelte gleichzeitig dem Bundesverwaltunsgericht die Verwaltungsakten der Behörde.

5. Die Verwaltungsakten des BFA langten am 13.07.2018 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein, wovon das BFA am selben Tag verständigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer wurde zum verfahrensgegenständlichen Antrag am 10.07.2018 vom BFA niederschriftlich einvernommen (AS 73 ff). Er gab dabei unter anderem an, dass es ihm psychisch nicht gut gehe, er sogar einmal einen Selbstmordversuch gemacht habe, er sich in ärztlicher Behandlung befinde, ihm der "Arzt aus Traiskirchen" Medikamente verschrieben habe, deren Namen er nicht wisse und die er bei einem Freund habe liegen lassen, und er auf jeden Fall eine Hälfte einer Tablette in der Früh und eine Hälfte am Abend nehme (AS 77, 79).

1.2. Das BFA traf im mündlich verkündeten Bescheid vom 10.07.2018, den das BFA dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat, zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers die folgende Feststellung (AS 111):

"Bis zur Bescheiderlassung ergaben sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch ergab sich eine schwere psychische Störung, die bei einer Überstellung/Abschiebung nach Mazedonien (sic!) eine unzumutbare Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes bewirken würde.

1.3. Die Beweiswürdigung des BFA zum Gesundheitszustand gestaltet sich wie folgt (AS 198):

"Bezüglich Ihrer selbst angegebenen psychischen Erkrankung, wird angemerkt, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen."

1.4. Das BFA hat den Beschwerdeführer in der Einvernahme am 10.07.2018 zwar gefragt, was für Medikamente der Beschwerdeführer zu sich nehme, nicht jedoch, für welche Erkrankung er diese Medikamente erhalten habe (AS 79). Das BFA hat den Beschwerdeführer nicht dazu aufgefordert, jene Medikamente sowie eine ärztliche Bescheinigung nachzureichen. Das BFA hat schließlich weder mit Zustimmung des Beschwerdeführers selbst eine Auskunft beim behandelnden Arzt eingeholt noch eine ärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers veranlasst. Es ist daher nicht festzustellen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich an einer Erkrankung leidet und gegebenenfalls an welcher, ob und welche Medikamente er benötigt und erhalten hat.

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktseiten des Verwaltungsverfahrensaktes (AS) angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Unrechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Rechtsgrundlagen

3.1. Gemäß § 12a Abs 2 AsylG kann das Bundesamt, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs 1 Z 23) gestellt hat und kein Fall des Abs 1 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn 1.) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.) der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und 3.) die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2. Gemäß § 12a Abs 6 AsylG bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.

Zum gegenständlichen Beschwerdeverfahren

3.3. Das BFA hat seinem Bescheid vom 10.07.2018 die Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegt, dass sich beim Beschwerdeführer bis zur Bescheiderlassung weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit noch eine schwere psychische Störung ergeben habe, die bei einer Überstellung/Abschiebung nach "Mazedonien" (gemeint wohl: Pakistan) eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde. Das BFA hat es jedoch unterlassen darzulegen, worauf das BFA trotz der protokollierten Antworten des Beschwerdeführers diese Feststellung, dass der Beschwerdeführer an keiner solchen Erkrankung leidet, stützt, sondern in der Beweiswürdigung im Wesentlichen lediglich ausgeführt, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung der Abschiebung durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen habe (siehe oben, II.1.1.-1.3). Es fehlt somit an einer tragfähigen Begründung für die getroffene Feststellung.

3.4. Das BFA hat den Beschwerdeführer in der Einvernahme am 10.07.2018 zwar gefragt, was für Medikamente der Beschwerdeführer zu sich nehme, nicht jedoch, für welche Erkrankung er diese Medikamente erhalten habe (AS 79). Das BFA hat den Beschwerdeführer nicht dazu aufgefordert, jene Medikamente sowie eine ärztliche Bescheinigung nachzureichen. Das BFA hat schließlich weder mit Zustimmung des Beschwerdeführers selbst eine Auskunft beim behandelnden Arzt eingeholt noch eine ärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers veranlasst. Es ist daher nicht festzustellen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich an einer Erkrankung leidet und gegebenenfalls an welcher, ob und welche Medikamente er benötigt und erhalten hat. Damit konnte aber das BFA zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK bedeutet.

3.5. Da daher die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht vorliegen, ist der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 10.07.2018 nicht rechtmäßig.

3.6. Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B)

Revision

3.7. Da die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053), ist die Revision nicht zulässig.

3.8. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
Folgeantrag, gesundheitliche Beeinträchtigung, Gesundheitszustand,
gesundhitliche Gründe, Identität der Sache, real risk, reale Gefahr,
Verschlechterung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2200555.2.00

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten