TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/15 99/05/0038

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Veröffentlicht am 15.06.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs6;
AVG §18 Abs3;
AVG §62 Abs1;
AVG §63 Abs1;
VwRallg;
ZustG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte

Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der Wohnpark Hohe Warte Liegenschaftsverwertungs Gesellschaft m.b.H. und 2. der 3 V Vermittlungs-, Verwaltungs- und Vermietungs Gesellschaft m.b.H., beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien VIII, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 16. Dezember 1998, Zl. MD-VfR - B XIX - 62/98, betreffend Bescheidzustellung in einer Grundabteilungssache,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Wohnpark Hohe Warte Liegenschaftsverwertungs Gesellschaft m.b.H. wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Auf Grund der Beschwerde der 3 V Vermittlungs-, Verwaltungs- und Vermietungs Gesellschaft m.b.H. wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Wohnpark Hohe Warte Liegenschaftsverwertungs Gesellschaft m.b.H. hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der 3 V Vermittlungs-, Verwaltungs- und Vermietungs Gesellschaft m.b.H. Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 22. April 1997, Zl. MA 64 - GA 19/228/93, hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, die Abteilung mehrerer näher bezeichneter Grundstücke nach den Teilungsplänen des Ing. Kons. f. Verm.Wesen D.I. J.A. vom 30. Juli 1993 mit den violetten Änderungen vom 15. Jänner 1996 auf einen Bauplatz einschließlich der im Teilungsplan mit dieser Abteilung vorgesehenen Ab- und Zuschreibungen gemäß § 13 Abs. 2 lit. b der Bauordnung für Wien (BO) genehmigt. In der Zustellverfügung sind fünf Bescheidadressaten genannt, darunter unter 3. die Zweitbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin scheint als Bescheidadressatin nicht auf. An die Zweitbeschwerdeführerin wurde zunächst ein Zustellversuch unter der Adresse Wien IV, Favoritenstraße 7, vorgenommen, die Sendung kam mit dem Vermerk des Zustellers "Unbek 2.5.97" zurück. Auf Grund eines zweiten Zustellversuches unter der Adresse Wien IV, Kolschitzkygasse 30/24, kam die Sendung mit dem Vermerk des Zustellorgans "Empf. Urlaubsfach bis Juni" zurück an die Behörde. Ein weiterer Zustellversuch an die Zweitbeschwerdeführerin erfolgte laut Aktenlage nicht. Allerdings langte am 2. Juni 1997 bei der Magistratsabteilung 64 ein Fax (abgefertigt vom Gerät einer anderen Firma) mit Datum vom 22. Mai 1997 ein, das im Kopf die Zweitbeschwerdeführerin anführt, und unter Anführung des Namens des Geschäftsführers der Zweitbeschwerdeführerin unterfertigt ist. In diesem Schreiben wurde erklärt, auf den Bescheid der MA 64, GA 19/228/93, Bezug zu nehmen und hiemit den Verzicht auf jegliches Rechtsmittel zu erklären, gleichzeitig wurde um Erteilung der Rechtskraftbestätigung für den genannten Bescheid ersucht.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 1997, eingelangt bei der Magistratsabteilung 64 am 7. Oktober 1997, zeigte der Beschwerdevertreter an, dass er die Zweitbeschwerdeführerin sowie die Erstbeschwerdeführerin rechtsfreundlich vertrete. Namens seiner Mandantschaft beantrage er, den Bescheid der MA 64 vom 22. April 1997, MA 64, GA/19/228/93, zuzustellen. Weiters wurde beantragt, über ein Ansuchen seiner Mandantschaft vom 28. Juli 1997, betreffend die Aufhebung der Rechtskraft des Abteilungsbescheides, abzusprechen.

In der Folge übermittelte die Behörde erster Instanz dem Beschwerdevertreter ein an die Erst- und Zweitbeschwerdeführerin gerichtetes Schreiben vom 4. August 1997, worin zum Ausdruck kam, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht Partei des Grundabteilungsverfahrens gewesen sei und die Zweitbeschwerdeführerin einen Rechtsmittelverzicht abgegeben habe. Der Beschwerdevertreter erklärte dazu nur er beantrage weiterhin, das Ansuchen vom 28. Juli 1997 zu erledigen und die Bescheide zuzustellen.

Mit Bescheid vom 10. Juni 1998 hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, das am 6. Oktober 1997 vom Beschwerdevertreter eingebrachte Ansuchen, soweit es die Erstbeschwerdeführerin betraf, auf Grund fehlender Antragslegitimation zurückgewiesen, soweit es die Zweitbeschwerdeführerin betraf, abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Erstbeschwerdeführerin sei nicht Partei des Abteilungsverfahrens gewesen, die Zweitbeschwerdeführerin habe einen Rechtsmittelverzicht abgegeben; da wohl nicht anzunehmen sei, dass eine Partei auf einen Bescheid Bezug nimmt (dessen Geschäftszahl anführe) und einen Rechtsmittelverzicht abgebe, ohne dass ihr dieser Bescheid je zugekommen sei, sei das Ansuchen, den Bescheid vom 22. April 1997, der längst in Rechtskraft erwachsen sei, neuerlich zuzustellen, abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid (der den Beschwerdeführerinnen zu Handen des Beschwerdevertreters zugestellt wurde) brachte nur die Zweitbeschwerdeführerin (ohne Befassung des Rechtsvertreters) Berufung ein. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 16. Dezember 1998 hat die belangte Behörde die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Zweitbeschwerdeführerin habe einen Rechtsmittelverzicht abgegeben, dass dieses Schreiben über ein Telefaxgerät einer anderen Firma an den Magistrat weitergeleitet wurde, ändere nichts daran, dass die im genannten Schreiben abgegebenen Erklärungen der Zweitbeschwerdeführerin selbst zuzurechnen seien. Da der Bescheid vom 22. April 1997 nach Zustellung an andere Verfahrensparteien zu diesem Zeitpunkt bereits dem Rechtsbestand angehörte und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einem solchen Fall schon vor Zustellung des Bescheides berufen werden könne, sei der von der Zweitbeschwerdeführerin erklärte Rechtsmittelverzicht rechtswirksam; es schließe ein solcher Verfahrensschritt, der wohl in Kenntnis des Bescheidinhaltes erfolgte, einen späteren Antrag auf Bescheidzustellung definitiv aus. Habe eine Partei, wie im vorliegenden Fall, einen Rechtsmittelverzicht abgegeben, um die Ausstellung einer Rechtskraftbestätigung zu erlangen und sei daraufhin die Rechtskraft des Bescheides antragsgemäß bestätigt worden, so müsste eine spätere, nach Zustellung des Bescheides dennoch erhobene Berufung dieser Partei als unzulässig zurückgewiesen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin die Zurückweisung der Beschwerde, in Bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da die Erstbeschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Berufung erhoben hat, war ihre Beschwerde mangels Erschöpfung des Instanzenzuges als unzulässig zurückzuweisen.

2. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde: Den Antrag vom 6. Oktober 1997 hat der einschreitende Beschwerdevertreter für beide Beschwerdeführerinnen eingebracht. Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte auch an beide Beschwerdeführerinnen zu Handen des Beschwerdevertreters. Auch wenn die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid von der Zweitbeschwerdeführerin ohne Befassung des Rechtsvertreters eingebracht wurde, musste die belangte Behörde dennoch nicht davon ausgehen, dass die erteilte Vollmacht an den Anwalt zurückgezogen worden sei, weil der Umstand, dass die Berufung von einer Vollmachtgeberin selbst eingebracht wurde, allein die Behörde noch nicht zur Annahme berechtigt, die Vollmacht sei gekündigt worden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0309). An die Zweitbeschwerdeführerin erfolgte die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 5. Jänner 1999. Diese Zustellung konnte aber, da sie nicht zu Handen des im Verwaltungsverfahren eingeschrittenen Rechtsfreundes erfolgte, die sechswöchige Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht in Gang setzen. Da die Aktenlage keinen Hinweis darauf erlaubt, dass der angefochtene Bescheid dem Beschwerdevertreter vor dem von ihm angegebenen Tag, nämlich dem 11. Jänner 1999, zugekommen sei, erweisen sich die Beschwerden als rechtzeitig.

3. Die Zweitbeschwerdeführerin hat einen Antrag auf Zustellung des Bescheides vom 22. April 1997 eingebracht. Zufolge der im Verwaltungsakt ausgewiesenen Zustellvorgänge ist davon auszugehen, dass dieser Bescheid an die Zweitbeschwerdeführerin bis zur Erlassung des nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides noch nicht zugestellt worden war.

Die Zweitbeschwerdeführerin war Partei des Abteilungsverfahrens. Gemäß § 18 Abs. 3 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. 158/1998, ist eine schriftliche Ausfertigung der Erledigung jedenfalls auszufolgen oder zuzustellen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von der Partei verlangt wird. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung gilt der III. Teil (des AVG) für Bescheide. Dazu bestimmt § 62 Abs. 1 AVG, dass Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden können, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Schriftliche Bescheide sind nach den Vorschriften des Zustellgesetzes zuzustellen bzw. auszufolgen. Nach § 6 des Zustellgesetzes ist, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt wird, die erste Zustellung maßgebend.

Ein Recht auf neuerliche Zustellung eines Bescheides besteht nicht. Die Abweisung eines Begehrens auf Bescheidzustellung, wenn diese bereits rechtswirksam erfolgt ist, ist nicht rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1989, Zl. 89/02/0112). Aus der Zusammenschau der §§ 18 Abs. 3, 62 Abs. 1 AVG und § 6 des Zustellgesetzes ergibt sich, dass eine Partei eines Verfahrens einen Anspruch auf gültige Zustellung eines Bescheides hat.

Da im Beschwerdefall die Aktenlage keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass der Zweitbeschwerdeführerin vor Einbringung ihres Antrages vom 6. Oktober 1997 bzw. bis zur Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides der Bescheid vom 22. April 1997 zugestellt worden sei, weil nur die tatsächliche Empfangnahme des Schriftstückes durch den Adressaten, nicht aber die bloße Kenntnisnahme desselben vom Vorhandensein oder dem Inhalt des Schriftstückes den Zustellmangel heilt (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, S. 1903, E 31 ff zu § 7 ZustG zitierte hg. Judikatur), hätte das Ansuchen der Zweitbeschwerdeführerin auf Zustellung des Bescheides nicht abgewiesen werden dürfen. Die Frage, ob die Zweitbeschwerdeführerin einen Rechtsmittelverzicht abgegeben hat, ist erst dann zu klären, wenn die Zweitbeschwerdeführerin nach Zustellung des Bescheides vom 22. April 1997 tatsächlich ein Rechtsmittel einbringt. Das Recht auf Zustellung eines Bescheides an die Partei des Verwaltungsverfahrens ist nämlich unabhängig davon gegeben, ob die Partei beabsichtigt, ein Rechtsmittel einzubringen oder nicht.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Juni 1999

Schlagworte

Ende VertretungsbefugnisIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999050038.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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