TE Vwgh Beschluss 2014/9/24 Ra 2014/03/0012

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Veröffentlicht am 24.09.2014
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
GütbefG 1995 §23 Abs1;
GütbefG 1995 §23 Abs4;
VStG §21;
VStG §45 Abs1 Z4 idF 2013/I/033;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei T K in D, vertreten durch Dr. Anton Schäfer, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Montfortstrasse 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 14. März 2014, Zl LVwG-1- 737/E3-2013, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 17. Juli 2013 wurde der Revisionswerber als gewerberechtlicher Geschäftsführer des Unternehmens T GmbH dreier Übertretungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl Nr 593/1995 (GütbefG), für schuldig erkannt und über ihn - für jede dieser Übertretungen auf Grundlage des § 23 Abs 1 und Abs 4 GütbefG - eine Geldstrafe von EUR 363,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 16 Stunden) verhängt.

2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der vom Revisionswerber gegen dieses Straferkenntnis eingebrachten Berufung von dem gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51, in das Verfahren eingetretene Landesverwaltungsgericht keine Folge gegeben, und vom Landesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass die Erhebung einer (ordentlichen) Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig sei.

Begründend wurde vom Verwaltungsgericht insbesondere (zusammengefasst) festgehalten, dass der Revisionswerber gewerberechtlicher Geschäftsführer des genannten Unternehmens sei. Anlässlich einer Kontrolle am 2. Mai 2013 sei festgestellt worden, dass der Fahrer eines von diesem Unternehmen gemieteten Kraftfahrzeuges, mit dem Pakete zugestellt werden sollten, bei der gegenständlichen Fahrt weder den Beschäftigungsvertrag (aus dem der Name des Arbeitgebers, das Datum und die Laufzeit des Beschäftigungsverhältnisses hervorgehen) noch eine beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde bzw einen beglaubigten Auszug aus dem Gewerberegister im Fahrzeug mitgeführt habe. Auch habe der mitgeführte Vertrag über die Vermietung des Fahrzeuges nicht den korrekten Namen des Mieters enthalten. Dies habe auch jener Polizeibeamte, der die gegenständliche Anzeige gelegt habe, in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht bestätigt. Der Fahrer des gegenständlichen Fahrzeuges habe in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht glaubwürdig erklärt, dass er vor der gegenständlichen Fahrt nicht gewusst habe, welche Papiere bei einer derartigen Fahrt mitzuführen seien, ihm sei auch nicht bewusst gewesen, dass er die gegenständlichen Papiere mitzuführen gehabt hätte. Erst nach dem Tatzeitpunkt habe er vom Revisionswerber eine rote Mappe mit den entsprechenden Dokumenten erhalten.

3. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 5. Juni 2014,

E 317/2014-8, ablehnte, und diese gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Behandlung und Entscheidung abtrat.

In seiner dem Verwaltungsgerichtshof vom Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegten außerordentlichen Revision begehrt der Revisionswerber die ersatzlose Behebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Zurückverweisung des Verfahrens zur neuerlichen Verhandlung an das Landesverwaltungsgericht, in eventu die Höhe der Verwaltungsstrafe dem Einkommen des Revisionswerbers entsprechend zu bemessen und zu reduzieren.

Zur Frage der Zulässigkeit der gegenständlichen Revision wurde ins Treffen geführt, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, wie die Lage zu beurteilen sei, wenn Unterlagen verloren gingen oder "in der Aufregung der Kontrolle" vom Fahrzeuglenker nicht aufgefunden werden könnten. Auch habe sich das Landesverwaltungsgericht mit der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der besonders mildernden Umstände (Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 23. April 1996, 94/11/0006) nicht auseinandergesetzt. Schließlich sei das angefochtene Erkenntnis für die Rechtsgemeinschaft "derart stoßend", dass die außerordentliche Revision jedenfalls gerechtfertigt sei.

4. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art 133 Abs 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art 133 Abs 9 B-VG).

Gemäß § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen. Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung hat (VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/05/0004, mwH).

5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgezeigt, denen gemäß Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

5.1. Vorauszuschicken ist, dass § 25a Abs 4 VwGG der Zulässigkeit der gegenständlichen Revision nicht entgegensteht, weil § 23 Abs 1 GütbefG die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von bis zu EUR 7.267,-- vorsieht (vgl dazu VwGH vom heutigen Tag, Ra 2014/03/0014).

5.2. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wurde bereits festgehalten, dass die Frage, ob sich die - gemäß dem GütbefG bei einer Fahrt mitzuführenden - Dokumente tatsächlich im Fahrzeug befunden haben (und bloß nicht aufgefunden werden konnten) eine Frage der Beweiswürdigung darstellt (vgl VwGH vom 29. Februar 2012, 2009/03/0116). Von einem Fehlen einer diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann entgegen der Revision insofern nicht gesprochen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dem gemäß § 17 VwGVG auch von den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 45 Abs 2 AVG (vgl VwGH vom 18. Juni 2014, Ra 2014/01/0032) ausgesprochen, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht bedeutet, dass der in der Begründung der (nunmehr verwaltungsgerichtlichen) Entscheidung niederzulegende Denkvorgang der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, dh sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl dazu etwa VwGH vom 19. Mai 2014, Ro 2014/09/0003; VwGH vom 19. März 2014, Ro 2014/09/0029; VwGH vom 19. Dezember 2013, 2013/03/0036; VwGH vom 21. Dezember 2010, 2007/05/0231; VwGH (verstärkter Senat) vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053). Die Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der nur insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs handelt bzw darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind; die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH vom 11. Juni 2014, 2013/08/0266).

Es kann im vorliegenden Fall nicht gesehen werden, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes einer derartigen Schlüssigkeitskontrolle nicht standhalten würde, zumal sich das Verwaltungsgericht in der Begründung seines Erkenntnisses insbesondere auf die übereinstimmenden glaubwürdigen Aussagen des Fahrzeuglenkers und des anzeigelegenden Polizeibeamten gestützt hat. Somit wird eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit der bloß den Einzelfall betreffenden Beweiswürdigung nicht dargelegt (vgl VwGH vom 24. April 2014, Ro 2014/09/0030). Derart ist das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, weswegen unter diesem Blickwinkel keine Rechtsfrage aufgezeigt wird, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

5.3. Auch hinsichtlich der Rüge des Revisionswerbers betreffend das Vorliegen besonders mildernder Umstände ist nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorgegebenen Leitlinien verlassen hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 45 Abs 1 Z 4 und dem Schlusssatz des § 45 Abs 1 VStG idF der Novelle BGBl I Nr 33/2013 unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien (RV 2009 Blg NR XXIV. GP, 19) festgehalten, dass diese Bestimmung im Wesentlichen § 21 VStG idF vor der Novelle BGBl I Nr 33/2013 entspricht, weswegen auf die zu § 21 VStG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (vgl VwGH vom 5. Mai 2014, Ro 2014/03/0052).

Zu § 21 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass dann, wenn es - wie im vorliegenden Fall nachvollziehbar - nicht gelingt, ein funktionierendes Kontrollsystem, durch welches die Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften jederzeit sichergestellt werden kann, glaubhaft zu machen, von einem geringfügigen Verschulden im Sinne des § 21 VStG nicht gesprochen werden kann (VwGH vom 22. Oktober 2012, 2012/03/0139).

Zur Anwendbarkeit des § 20 VStG hat das Verwaltungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, dass von einem Überwiegen der Milderungsgründe hinsichtlich des Revisionswerbers - angesichts von vier von ihm auch nicht in Zweifel gezogenen einschlägigen Vorstrafen - nicht ausgegangen werden kann, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, dass auch das Vorliegen des Milderungsgrundes der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit (selbst wenn Erschwerungsgründe fehlen) für sich genommen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinn des § 20 VStG bewirken kann (vgl VwGH vom 20. Dezember 2010, 2009/03/0155 mwH).

Aus dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1996, 94/11/0006, ist für seinen Standpunkt weiters schon deshalb nichts zu gewinnen, weil das Verwaltungsgericht - anders als die belangte Behörde in dem dem genannten Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall - nicht in rechtlich verfehlter Weise die Wissentlichkeit der Begehung als erschwerend und die Unbescholtenheit nicht als mildernd gewertet hat, zumal es nicht von einer "wissentlichen Tatbegehung" durch den Revisionswerber ausgegangen ist, und ferner der Revisionswerber, anders als der Beschwerdeführer in dem dem eben erwähnten Erkenntnis vom 23. April 1996 zu Grunde liegenden Fall, nicht unbescholten ist.

5.4. Mit dem pauschalen Hinweis, wonach das angefochtene Erkenntnis für die Rechtsgemeinschaft derart stoßend sei, dass die außerordentliche Revision jedenfalls gerechtfertigt sei, vermag der Revisionswerber schließlich schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzutun, weil ein derart allgemein gehaltenes Vorbringen nicht konkret aufzeigt, weshalb die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegen würden (vgl VwGH vom 19. März 2014, Ro 2014/09/0028).

6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich ferner - auch im Hinblick auf den zitierten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Juni 2014 - nicht veranlasst, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, die §§ 6 Abs 2 und 23 Abs 5 GütbefG als verfassungswidrig aufzuheben.

7. Die Revision war somit gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. September 2014

Schlagworte

freie BeweiswürdigungAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:RA2014030012.L00

Im RIS seit

28.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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