TE Vwgh Erkenntnis 2014/6/11 2013/08/0266

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Veröffentlicht am 11.06.2014
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §113 Abs1 Z4;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der B GmbH in N, vertreten durch Dr. Karl-Heinz-Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl/See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 23. Oktober 2013, Zl. 6-SO-N5179/7-2013, betreffend Beitragsnachverrechnung und Beitragszuschlag nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse in 7000 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. Juni 2012 schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der beschwerdeführenden Gesellschaft Sozialversicherungsbeiträge nach dem ASVG, Sonderbeiträge und Umlagen sowie Beiträge nach dem BMSVG in der Höhe von insgesamt EUR 8.596,22 sowie einen Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 4 ASVG in der Höhe von EUR 3.268,81 vor.

Begründend führte sie aus, bei der beschwerdeführenden Gesellschaft habe für den Zeitraum 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2009 eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben stattgefunden. Im Zuge dieser Prüfung sei festgestellt worden, dass für die handels- und gesellschaftsrechtliche Geschäftsführerin ohne Beteiligung am Stammkapital, Frau C. H., für die Beitragszeiträume vom 1. Jänner 2006 bis zum 31. Jänner 2007 Sozialversicherungsbeiträge aus der Differenz zwischen der Beitragsgrundlage laut Lohnverrechnung und dem Anspruchslohn nachzuverrechnen seien. Es sei von einer Vollarbeitszeit (40 Wochenstunden) samt 43 Überstunden mit 50prozentigem Zuschlag pro Monat zuzüglich dem Arbeitslohn für die Arbeit am sechsten Tag mit 50prozentigem Zuschlag ausgegangen worden. Im gesamten Zeitraum vom 1. Jänner 2006 bis zum 31. Jänner 2007 seien mit Ausnahme der mit 20 Wochenstunden angemeldeten C. H. keine weiteren Beschäftigten durch die beschwerdeführenden Gesellschaft zur Pflichtversicherung nach dem ASVG gemeldet gewesen. Die Öffnungszeiten des von der beschwerdeführenden Gesellschaft betriebenen Pubs seien von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr und am Samstag von 8 bis 15 Uhr, als 57 Stunden pro Woche, gewesen. Es hätten keine Arbeitszeitaufzeichnungen vorgelegt werden können. Weiters seien keine Nachweise über Tätigkeiten der Gesellschafter vorgelegt worden; die Gesellschafter hätten am Ermittlungsverfahren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht mitgewirkt. Frau C. H. habe sich zu Beginn der Prüfung bereits unerreichbar im Ausland (Australien) aufgehalten; von ihrem Hauptwohnsitz in Österreich sei sie abgemeldet worden.

In der Folge legte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Einzelnen die Berechnung der Beiträge dar. Der Beitragszuschlag sei im Mindestmaß der gesetzlichen Verzugszinsen vorgeschrieben worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführenden Gesellschaft Einspruch. Sie führte aus, dass die Nachverrechnungen aus einer Vermutung hinsichtlich der Arbeitszeit von C. H. resultierten. C. H. habe erklärt, dass sie im Zeitraum 1. Jänner 2006 bis 31. August 2006 keinesfalls im Wochendurchschnitt mehr als 20 Stunden und im Zeitraum 1. September 2006 bis 31. Jänner 2007 mehr als 30 Stunden für die beschwerdeführende Gesellschaft gearbeitet habe. Ihre täglichen Arbeitszeiten seien von 1. Jänner 2006 bis 31. August 2006 von Montag bis Freitag von 11 bis 14:30 Uhr und am Samstag von 11 bis 13:30 Uhr sowie von 1. September 2006 bis 31. Jänner 2007 von Montag bis Samstag von 10 bis 15 Uhr gewesen. Außerhalb dieser Zeiten seien an Speisen nur Fertig-Snacks verabreicht worden. Für die Zubereitung dieser Fertig-Snacks und die Serviertätigkeit sei sie nicht benötigt worden. Dies könne laut Frau C. H. durchaus von einer Person bewerkstelligt werden. Während der Arbeitszeit von C. H. sei auch die Küche im Vollbetrieb gewesen und C. H. sei im Service tätig gewesen. Während der sonstigen Öffnungszeiten seien die Gesellschafter (nach der Erinnerung von C. H. insbesondere Herr T. K.) tätig gewesen. Die gegenständliche Nachverrechnung samt Beitragszuschlag sei daher nicht gerechtfertigt.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse bestritt in ihrem Vorlagebericht vom 2. August 2012 die Einspruchsbehauptungen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft wandte sich in ihrer Stellungnahme von 28. September 2012 gegen die Aussage der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im Vorlagebericht, dass der Steuerberater der beschwerdeführenden Gesellschaft während der Prüfung nicht auf die Mitarbeit der Gesellschafter hingewiesen hätte. Richtig sei allerdings, dass er keine näheren Auskünfte hätte geben können, weil er bis zum Abschluss der Prüfung keinen Kontakt zu C. H., die ausgewandert sei, gehabt habe. Im Juli 2012 habe sie sich allerdings auf Urlaub in Österreich befunden und die im Einspruch dargelegten Äußerungen getätigt. Zum Beweis dafür könnten noch weitere Zeugen und Beweismittel beigebracht werden.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2012 ersuchte die belangte Behörde die beschwerdeführenden Partei, die weiteren Beweismittel zu konkretisieren und darzulegen, wie diese zur weiteren Klärung des Sachverhalts beitragen könnten.

Die beschwerdeführende Gesellschaft legte daraufhin mit Schreiben vom 10. Jänner 2013 eine von C. H. unterfertigte Erklärung vor, in der sie das Einspruchsvorbringen hinsichtlich der Arbeitszeiten, des Ablaufs der Tätigkeiten im Lokal und der Tätigkeit der Gesellschafter ("nach meiner Erinnerung insbesondere Herr T. K.") wiederholte. In der Erklärung wies C. H. auch darauf hin, dass sie diese Aussagen bereits während ihres Österreich-Aufenthalts im Juli 2012 gegenüber dem Steuerberater der beschwerdeführenden Gesellschaft getätigt habe. Sie legte eine Kopie der Flugbelege für diesen Österreich-Aufenthalt bei und nannte Zeugen, die sie während ihres Aufenthalts getroffen habe.

In ihrer Stellungnahme vom 28. Jänner 2013 wies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse insbesondere darauf hin, dass Nachweise über eine Tätigkeit der Gesellschafter nicht vorgelegt werden hätten können. Im Einspruch und den nachfolgenden Stellungnahmen sei immer wieder von der Mitarbeit durch T. K. die Rede, der aber im Dezember 2008 verstorben sei, sodass er nicht mehr befragt werden könne. Im gesamten Prüfungsverlauf sei seitens der bevollmächtigten Steuerberatung die Mitarbeit der Gesellschafter nicht zur Sprache gekommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge.

Nach der Darstellung des Verfahrensgangs stellte sie fest, dass das von der beschwerdeführenden Gesellschaft betriebene Lokal 57 Stunden wöchentlich geöffnet gewesen sei. C. H. sei vom 1. Jänner 2006 bis zum 31. Jänner 2007 im Ausmaß von 40 Wochenstunden für die beschwerdeführende Gesellschaft tätig gewesen. Außer ihr sei von 1. Februar 2006 bis 8. Februar 2006 Frau K. S. für zwei Stunden pro Woche zur Sozialversicherung angemeldet gewesen.

Frau C. H. sei von 1. Jänner 2006 bis 31. August 2006 mit 20 Wochenstunden, von 1. September 2006 bis 31. Jänner 2007 mit 30 Wochenstunden zur Sozialversicherung angemeldet gewesen. Herr G. B. sei von 20. Juli 2004 bis 11. Februar 2006, Herr I. S. von 20. Juli 2004 bis 8. Februar 2007 und Herr T. K. von 11. Februar 2006 bis 8. Februar 2007 Gesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft gewesen.

Wenn nun die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Einspruch ausführe, dass C. H. im Zeitraum 1. Jänner 2006 bis 31. August 2006 keinesfalls im Wochendurchschnitt mehr als 20 Stunden und im Zeitraum 1. September 2006 bis 31. Jänner 2007 mehr als 30 Stunden für die beschwerdeführende Gesellschaft gearbeitet hätte, sei dem entgegen zu halten, dass es sich bei C. H. - abgesehen von der einwöchigen Beschäftigung von K. S. im Ausmaß von zwei Wochenstunden - um die einzige Dienstnehmerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum handle. Seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft seien keine Unterlagen vorgelegt worden, welche gegen die Vollbeschäftigung der C. H. sprächen. Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrer Äußerung vom 10. Jänner 2013 ausführe, dass auf Grund der Betriebsgröße nur zwei Personen, davon nur ein Dienstnehmer, für sie tätig gewesen wären, sei zu entgegnen, dass nicht vorgebracht werde, wer diese zweite Person gewesen sei. C. H. habe in ihrer Erklärung vom 10. Jänner 2013 nur angegeben, dass ihrer Erinnerung nach T. K. tätig gewesen sei. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass es sich dabei um eine Schutzbehauptung handle, weil C. H. die zweite Person nicht eindeutig nennen habe können und es lebensfremd sei, dass sie nicht genau wisse, wer an ihrer statt gearbeitet habe.

Die beschwerdeführende Partei sei mit Schreiben der belangten Behörde aufgefordert worden, weitere Beweismittel zu konkretisieren. Dieser Aufforderung sei die beschwerdeführende Partei trotz ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.

In der Folge legte die belangte Behörde - wie schon die Erstbehörde - die Berechnung der vorgeschriebenen Beiträge dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Die (unvertretene) mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat durch ihren nunmehrigen Geschäftsführer eine "Richtig- und Sachverhaltsdarstellung" vorgelegt, worauf die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wieder repliziert hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Indem die belangte Behörde die Erklärung der C. H. vom 10. Jänner 2013 als Schutzbehauptung abgetan habe, habe sie sich mit diesem Beweismittel nicht ausreichend auseinandergesetzt.

Die Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der nur insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Es kann aber nicht als unschlüssig erkannt werden, wenn die belangte Behörde dem Vorbringen der C. H. deswegen keinen Glauben geschenkt hat, weil sie nicht in der Lage war, anzugeben, wer während der Öffnungszeiten des Lokals an ihrer Stelle gearbeitet hat. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die von der Beschwerde vermisste ausführlichere Auseinandersetzung mit der Erklärung der C. H. zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

Eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung wird im Übrigen auch in der "Richtig- und Sachverhaltsdarstellung" des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht aufgezeigt. In dieser Stellungnahme wird zwar ausgeführt, dass C. H. auch bei einer Anwesenheit von 57 Stunden die Arbeit im Lokal nicht allein hätte verrichten können; dies lässt sich aber mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft im Verwaltungsverfahren und insbesondere mit der Erklärung der C. H., die eine mit ihr gemeinsam tätige Person nicht genannt hat, nicht in Einklang bringen.

2. Weiters rügt die Beschwerde, dass die belangte Behörde Feststellungen darüber unterlassen habe, ob bzw. wann die Gesellschafter im Betrieb mitgearbeitet hätten. Dazu war sie aber mangels eines substantiierten Vorbringens der beschwerdeführenden Gesellschaft betreffend eine Tätigkeit der Gesellschafter im Lokal nicht gehalten; vielmehr wäre es an der beschwerdeführenden Gesellschaft gelegen gewesen, konkret zu behaupten, welcher der Gesellschafter zu welchen Zeiten mitgearbeitet habe, und dazu im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht Beweise anzubieten. Ein entsprechendes Vorbringen ist im gesamten Verwaltungsverfahren trotz mehrfacher Gelegenheit zur Stellungnahme nicht erstattet worden und unterbleibt auch in der vorliegenden Beschwerde.

3. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts wendet sich die Beschwerde gegen die Schlussfolgerung, dass C. H. von Urlaubs- und Feiertagsruhezeiten abgesehen 30 Monate lang 57 Stunden pro Woche im Lokal gearbeitet habe; dabei übersehe die belangte Behörde, dass C. H. keine einfache Angestellte gewesen sei, sondern Geschäftsführerin, also die Chefin, sodass sie - gerade in Anbetracht des Umstands, dass sie nach den getroffenen Feststellungen die einzige Arbeitskraft gewesen sei - selbst bestimmen habe können, ob sie die der Gewerbebehörde gemeldeten Öffnungszeiten des Lokals voll ausschöpfe oder nicht. Allein aus dem Umstand, dass das Lokal 57 Stunden pro Woche zulässige Öffnungszeiten gehabt habe, lasse sich keineswegs ableiten, dass C. H. 57 Stunden pro Woche gearbeitet habe.

Soweit die Beschwerde damit behaupten möchte, das Lokal habe entgegen den - der beschwerdeführenden Gesellschaft bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Kenntnis gebrachten - behördlichen Annahme nicht 57 Stunden pro Woche geöffnet gehabt, handelt es sich um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung. Ausgehend von Öffnungszeiten im Ausmaß von 57 Stunden ist aber die Folgerung, dass die einzige Mitarbeiterin wöchentlich 57 Stunden gearbeitet habe, schlüssig.

4. Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts meint die Beschwerde schließlich, dass auch die Feststellung einer Tätigkeit im Ausmaß von 40 Wochenstunden das im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angenommene Ausmaß von 57 Wochenstunden nicht trage. Mit 40 Wochenstunden war aber ganz offensichtlich die wöchentliche Normalarbeitszeit gemeint, zu der - wie die belangte Behörde auch ausführlich begründet hat - Überstunden hinzukamen.

5. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. Juni 2014

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013080266.X00

Im RIS seit

11.07.2014

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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