TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/16 98/01/0477

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.1999
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

AVG §56;
SPG 1991 §31 Abs1;
SPG 1991 §64;
SPG 1991 §89 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des VE, geboren am 4. April 1973, vertreten durch Dr. Richard Soyer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 16. Februar 1998, Zl. UVS-02/14/00086/96, betreffend Richtlinienverletzung gemäß § 89 Abs. 4 SPG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 31. Mai 1996 erhob der Beschwerdeführer

     "wegen: § 89 SPG

     Verletzung des in § 31 SPG iVm § 5 der Richtlinienverordnung

     BGBl. 1993/266 gewährleisteten Rechts auf Achtung der

Menschenwürde

     BESCHWERDE

     wegen Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten"

     an den unabhängigen Verwaltungssenat Wien. Er sei in dem durch

§ 31 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 201/96 - SPG -, und § 5 der Richtlinienverordnung BGBl. Nr. 266/1993 gewährleisteten Recht auf Achtung der Menschenwürde durch erkennungsdienstliche Maßnahmen der Bundespolizeidirektion Wien und der Verarbeitung erkennungsdienstlicher Daten in der erkennungsdienstlichen Evidenz des Bundesministeriums für Inneres verletzt. Er brachte folgenden Sachverhalt vor:

"Der Beschwerdeführer wurde am 19.09.1995 von Organen der belangten Behörde erkennungsdienstlich behandelt und wurde von diesen sodann veranlasst, dass in der Erkennungsdienstlichen Evidenz des Bundesministeriums für Inneres folgende Vormerkung aufscheint:

'Personenbeschreibung:

NEGER + MISCHLING, 176 cm groß, MITTEL, Haare SCHWARZ, Augen

BRAUN, spricht ENGLISCH.'

Beweis: Ausdruck Erkennungsdienstliche Evidenz betr. den Bf mit Tagesdatum 19.4.1996 in Kopie."

Die Beschwerde wurde in der Folge der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde (Bundesminister für Inneres) zugeleitet.

Mit Schreiben vom 23. August 1996 antwortete die Dienstaufsichtsbehörde, dass im gegenständlichen Fall kein "Einschreiten" eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorliege, weshalb die vom Beschwerdeführer zitierten Vorschriften nicht zur Anwendung gelangten. Eine Verletzung der Richtlinien für das Einschreiten liege nicht vor.

Mit Schriftsatz vom 27. August 1996 stellte der Beschwerdeführer den Antrag gemäß § 89 Abs. 4 SPG auf Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates Wien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Februar 1998 wies die belangte Behörde die Beschwerde einerseits deshalb zurück, weil sie hinsichtlich des Tages der erkennungsdienstlichen Behandlung (19. September 1995) und der Speicherung der Daten verspätet erhoben worden sei. Andererseits sei der spätere Vorgang des Ausdruckens und Anschließens der gegenständlichen Vormerkung mit Tagesdatum 19. April 1996, welche die verfahrensgegenständliche Personenbeschreibung beinhalte, nicht als ein Organhandeln im Sinne des § 89 Abs. 2 SPG zu qualifizieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des SPG lauten:

"Richtlinien für das Einschreiten

§ 31. (1) Der Bundesminister für Inneres hat zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen.

...

Erkennungsdienst

Begriffsbestimmungen

§ 64. (1) Erkennungsdienst ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen sowie das Verarbeiten, Benützen, Übermitteln, Überlassen und Löschen dieser Daten.

(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind technische Verfahren zur Feststellung von Merkmalen eines Menschen, die seine Wiedererkennung ermöglichen und die nicht mit einem Eingriff in die körperliche Integrität verbunden sind, wie insbesondere die Abnahme von Papillarlinienabdrücken, die Herstellung von Abbildungen, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale, die Vornahme von Messungen oder die Erhebung von Stimm- oder Schriftproben.

(3) Erkennungsdienstliche Behandlung ist das Ermitteln personenbezogener Daten durch erkennungsdienstliche Maßnahmen, an dem der Betroffene mitzuwirken hat.

(4) Erkennungsdienstliche Daten sind personenbezogene Daten, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen ermittelt worden sind.

(5) Personsfeststellung ist eine abgesicherte und plausible Zuordnung erkennungsdienstlicher Daten zu Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort und Namen der Eltern eines Menschen.

...

Beschwerden wegen Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten

§ 89. (1) ...

(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat (Abs. 1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, dass ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkt als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.

..."

Im Falle einer an den unabhängigen Verwaltungssenat erhobenen Richtlinienbeschwerde ist diese zunächst der Dienstaufsichtsbehörde zuzuleiten. Diese hat die maßgeblichen Fakten zu ermitteln und dem Beschwerdeführer binnen drei Monaten schriftlich mitzuteilen, welchen Sachverhalt sie als erwiesen angenommen hat und ob sie eine Richtlinienverletzung als gegeben erachtet. Bei dieser Mitteilung handelt es sich nicht um einen Bescheid, sondern um eine schlicht-hoheitliche Wissensäußerung, der das normative Element fehlt (vgl. Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht, 1998, Rz 751 mwN.). Teilt die Dienstaufsichtsbehörde mit, dass eine Verletzung von Richtlinien nicht vorliegt, so kann der Beschwerdeführer die Entscheidung des zuständigen unabhängigen Verwaltungssenates verlangen. Damit letzterer in der Sache entscheiden kann, hat er die Prozessvoraussetzungen, somit unter anderem auch die Zulässigkeit der Beschwerde, unabhängig von der Meinung der Dienstaufsichtsbehörde zu prüfen. Eine der Voraussetzungen ist, dass der Beschwerdeführer durch das seiner Auffassung nach richtlinienwidrige Einschreiten des Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes subjektiv betroffen ist (vgl. Wiederin, aaO, Rz 755).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt die von ihm dargetane Eintragung des Ergebnisses seiner erkennungsdienstlichen Behandlung, die folgende Speicherung der gewonnen Daten und deren Weiterverwendung gemäß den im vierten Teil, dritten Hauptstück enthaltenen § 64 SPG, der die für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Begriffsbestimmungen enthält, kein "Einschreiten" im Sinne des § 31 Abs. 1 SPG dar, von dem der Beschwerdeführer betroffen sein konnte, weil es sich dabei nicht um ein unmittelbares ihm gegenüber gerichtetes oder sonst außenwirksames Amtshandeln handelte. Dies ergibt sich auch aus dem Zweck des § 31 Abs. 1 SPG, Konflikte zwischen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und Betroffenen zu mindern. Im Übrigen wären erkennungsdienstliche Daten im gegenständlichen Fall der Akteneinsicht entzogen gewesen (§ 99 Abs. 2 SPG) und es hätte gemäß § 80 SPG auch keine Auskunftspflicht bestanden. Deshalb mangelt es auch am Recht, hiegegen eine auf § 89 Abs. 2 SPG gestützte Richtlinienbeschwerde zu erheben. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 5 Abs. 3 SPG kann daran nichts ändern. Denn die letztgenannte Norm regelt zwar, woraus der sicherheitspolizeiliche Exekutivdienst besteht, enthält aber keinen Hinweis zur Stützung der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen in dem von ihm dargetanen Umfang ein "Einschreiten" im Sinne des § 89 iVm § 31 Abs. 1 SPG seien.

Da die Richtlinienbeschwerde schon mangels Vorliegens eines "Einschreitens", von dem der Beschwerdeführer betroffen sein konnte, zurückzuweisen war, erübrigt es sich darauf einzugehen, ob sie im Hinblick auf die am 19. September 1995 erfolgten Handlungen (auch) verspätet gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Juni 1999

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010477.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten