TE OGH 2019/1/22 10Ob6/19h

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Veröffentlicht am 22.01.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Mag. Gerlinde Goach, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH in Liqu., *****, vertreten durch Mag. Doris Riedler, Rechtsanwältin in Haid/Ansfelden, wegen 9.299,26 EUR sA, infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 21. November 2018, GZ 22 R 337/18t-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 22. 8. 2018 wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.

Das Rekursgericht wertete die Entscheidung des Erstgerichts als Beschluss auf Zurückweisung der Klage und die dagegen von der Klägerin erhobene Berufung als Rekurs. Es wies diesen Rekurs als verspätet zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin erhob gegen diesen Beschluss fristgerecht einen – ohne Rücksicht auf den Streitwert oder das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässigen (RIS-Justiz RS0043893 [T7]) – Rekurs. Das Erstgericht verfügte nicht die Zustellung des Rekurses an die Beklagte, sondern direkt die Vorlage an den Obersten Gerichtshof.

Diese Aktenvorlage ist verfrüht.

1.1 Richtet sich nach Streitanhängigkeit ein Rekurs gegen einen Beschluss, der nicht bloß verfahrensleitend ist, so hat das Prozessgericht erster Instanz, wenn es den Rekurs nicht zurückweist, die Rekursschrift dem Gegner des Rekurswerbers zuzustellen. Der Rekursgegner kann binnen der Notfrist von 14 Tagen (einer der in § 521 Abs 1 Satz 2 ZPO genannten Fälle liegt nicht vor) ab der Zustellung der Rekursschrift bei dem Prozessgericht erster Instanz eine Rekursbeantwortung anbringen (§ 521a Abs 1 Satz 1 und 2 ZPO).

1.2 Ein Beschluss, mit dem – wie hier – ein Rechtsmittel zurückgewiesen wird, hat verfahrensbeendende Wirkung und ist daher nicht als bloß verfahrensleitend zu qualifizieren (RIS-Justiz RS0125481 [T5]). Im vorliegenden Fall ist das Rekursverfahren daher zweiseitig. Das Erstgericht wird den Rekurs der Beklagten zustellen und den Akt nach Einlangen der Rekursbeantwortung oder fruchtlosem Verstreichen der Rekursbeantwortungsfrist neuerlich im Weg des Berufungsgerichts vorlegen müssen.

2.1 Strittig im Verfahren ist unter anderem die Parteifähigkeit der Beklagten, weil diese im Firmenbuch vor Einbringung der Klage in diesem Verfahren bereits gelöscht war (FN *****). Das Rechtsmittelgericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass sich das Erstgericht in der Entscheidungsform „vergriffen“ habe. Es habe in Wahrheit nicht das Klagebegehren mit Urteil abgewiesen, sondern die Klage mangels Parteifähigkeit der Beklagten mit Beschluss zurückgewiesen. Damit geht das Rechtsmittelgericht davon aus, dass das Erstgericht die Rechtsansicht vertrat, der Beklagten fehle die Parteifähigkeit als Prozessvoraussetzung.

2.2 Einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Erstgericht diese Rechtsansicht tatsächlich vertrat, bedarf es an dieser Stelle nicht. Das Rechtsmittelgericht ließ nämlich seinerseits die Frage nach der Parteifähigkeit der Beklagten ausdrücklich unbeantwortet, sodass eine den Obersten Gerichtshof bindende Bejahung der Parteifähigkeit der Beklagten durch beide Vorinstanzen keinesfalls vorliegt (RIS-Justiz RS0035392 [T6]).

2.3 Das Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof stellt sich damit als Zwischenstreit über die Frage der Parteifähigkeit der Beklagten dar. In diesem Zwischenstreit ist die Parteifähigkeit der Beklagten zu unterstellen und dieser daher die Möglichkeit einer Rekursbeantwortung einzuräumen (RIS-Justiz RS0035392 [T7]; RS0035423 [T5]). Verbunden mit der Frage der Parteifähigkeit der Beklagten ist die Vertretungsbefugnis ihres ehemaligen Liquidators (und früheren Geschäftsführers), der der für die Beklagte einschreitenden Rechtsanwältin nach deren eigenem Vorbringen Prozessvollmacht erteilt hat. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Zwischenstreit über die Parteifähigkeit der Beklagten ist daher auch deren ehemaligem Liquidator die Vertretungsbefugnis zuzubilligen (vgl RIS-Justiz RS0035423 [T2]), sodass im Zwischenstreit zunächst auch von der – vom Rechtsmittelgericht bezweifelten – Wirksamkeit der der Beklagtenvertreterin erteilten Prozessvollmacht auszugehen ist.

Textnummer

E124082

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00006.19H.0122.000

Im RIS seit

20.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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