TE Vwgh Erkenntnis 2019/1/29 Ra 2017/08/0084

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Veröffentlicht am 29.01.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AVG §59 Abs1;
BSVG §2 Abs1;
BSVG §33 Abs1;
BSVG §39 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27/28, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2017, G305 2004804-1/9E, betreffend Pflichtversicherung nach dem BSVG (weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Partei: G R in U, vertreten durch die Weinrauch Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Sackstraße 15), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (Nichtfeststellung der Pflichtversicherung des Mitbeteiligten nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG im Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 2. Oktober 2006) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 21. Juni 2012 stellte die revisionswerbende Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) fest, dass der Mitbeteiligte im Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2010 aufgrund der von ihm ausgeübten Tätigkeit der "Vermietung land(forst)wirtschaftlicher Betriebsmittel" sowie im Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2006 aufgrund der von ihm ausgeübten Tätigkeit der "Dienstleistungen für andere land(forst)wirtschaftliche Betriebe in Form der Betriebshilfe" der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG unterliege. In einem setzte die SVB die monatlichen Beitragsgrundlagen und Beiträge des Mitbeteiligten in der Kranken- , Pensions- und Unfallversicherung - aufgegliedert einerseits für den landwirtschaftlichen "Flächenbetrieb" und andererseits für die landwirtschaftliche "Nebentätigkeit" - in näher bezifferter Höhe fest.

2 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Einspruch an den Landeshauptmann von Steiermark, mit dem er sich gegen die Vorschreibung der Beiträge aufgrund der land(forst)wirtschaftlicher Nebentätigkeiten wandte und vorbrachte, er habe landwirtschaftliche Maschinen stets lediglich auf Basis von Selbstkosten (ÖKL-Richtwerten) vermietet.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - auf das die Zuständigkeit zur Entscheidung über den als Beschwerde zu behandelnden Einspruch übergegangen war - aus, in teilweiser Stattgebung der Beschwerde werde der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass festgestellt werde, dass der Mitbeteiligte "im Zeitraum von 3. Oktober 2006 bis 31. Dezember 2010" mit den ausgeübten Tätigkeiten der "Vermietung land(forst)wirtschaftlicher Betriebsmittel" und "Dienstleistungen für andere land(forst)wirtschaftliche Betriebe in Form der Betriebshilfe" der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG unterliege. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Begründend stellte das BVwG fest, der Mitbeteiligte führe auf eigene Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Flächenbetrieb. Der Einheitswert der bewirtschafteten Flächen übersteige die für den Eintritt der Pflichtversicherung normierten Grenzwerte. Im Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2010 sei der Mitbeteiligte für die MS eGen (einen Maschinenring) als Totengräber auf einem Friedhof im Rahmen einer (geringfügigen) Beschäftigung als Dienstnehmer tätig gewesen. Für die im Zuge von Bestattungen durchgeführten Arbeiten - insbesondere das Ausheben und Verschließen der Erdgräber - habe er diverse in seinem Eigentum befindliche land(forst)wirtschaftliche Maschinen und Geräte verwendet. Von der MS eGen habe er für jede Bestattung einen vorab festgelegten Pauschalbetrag für die Vermietung dieser Geräte erhalten. Dieser Betrag sei unter Berücksichtigung der (näher festgestellten) Maschineneinsatzzeiten über den (ebenso näher festgestellten) "ÖKL Richtwerten" (Richtwerte des Österreichischen Kuratoriums für Landtechnik und Landentwicklung) für das jeweilige Kalenderjahr und somit über den Selbstkosten des Mitbeteiligten gelegen. Der Mitbeteiligte habe über seine Tätigkeit selbst keine Aufzeichnungen geführt. Die SVB habe ihre dem Bescheid vom 21. Juni 2012 vorangegangene Prüfung der Pflichtversicherung mit einem an den Mitbeteiligten gerichteten Schreiben vom 3. Oktober 2011, in dem der Mitbeteiligte zur Vorlage von Aufzeichnungen über seine Einnahmen aus der Vermietung seiner land(forst)wirtschaftlichen Betriebsmittel aufgefordert worden sei, eingeleitet.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus, im Hinblick darauf, dass die Vermietung der land(forst)wirtschaftlichen Maschinen durch den Mitbeteiligten über den Selbstkosten erfolgt sei, habe keine Ausnahme von der Aufzeichnungspflicht gemäß § 20a BSVG bestanden (Hinweis auf VwGH 13.11.2013, 2012/08/0206; 17.12.2015, 2013/08/0242). Dies hätte der Mitbeteiligte leicht selbst feststellen können. Die SVB sei somit zu Recht von einer Pflichtversicherung (auch) aufgrund der Nebentätigkeit der "Vermietung land(forst)wirtschaftlicher Betriebsmittel" ausgegangen. Der vom Mitbeteiligten erhobene Einwand der Verjährung sei jedoch teilweise berechtigt. Unter Berücksichtigung, dass keine rechtzeitige Meldung durch den Mitbeteiligten erfolgt sei, sei von der fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 39 Abs. 1 zweiter Satz BSVG auszugehen. Der Mitbeteiligte habe jedoch erstmals mit Schreiben vom 3. Oktober 2011 von der Absicht der SVB, seine Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG festzustellen, erfahren. Für den Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 2. Oktober 2006 sei daher Verjährung eingetreten.

6 Gegen dieses Erkenntnis - und zwar soweit das BVwG keine Pflichtversicherung des Mitbeteiligten nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG im Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 2. Oktober 2006 festgestellt hat - richtet sich die Revision der SVB. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revisionswerberin bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, das BVwG habe die die Fälligkeit der Beiträge für Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG regelnde Bestimmung in den letzten beiden Sätzen des § 33 Abs. 1 BSVG nicht beachtet. Eine Verjährung der Beiträge sei nach dieser Bestimmung nicht eingetreten.

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 Den weiteren Überlegungen ist voranzustellen, dass das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis eine Feststellung der Pflichtversicherung des Mitbeteiligten nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG im Zeitraum von 3. Oktober 2006 bis 31. Dezember 2010 getroffen und mit diesem Ausspruch - unter Beachtung der Begründung hinreichend deutlich - zum Ausdruck gebracht hat, dass in Abänderung des Bescheides der SVB im Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 2. Oktober 2006 keine Pflichtversicherung des Mitbeteiligten nach diesem Tatbestand bestand. Der Abspruch über die Versicherungspflicht ist stets zeitraumbezogen zu beurteilen und insoweit auch teilbar (vgl. VwGH 14.11.2012, 2010/08/0029; 22.11.2006, 2004/08/0275). Die Revision wendet sich lediglich gegen die Nichtfeststellung der Pflichtversicherung im Zeitraum vor dem 3. Oktober 2006 und begehrt, insoweit den Bescheid der SVB vom 21. Juni 2012 "wiederherzustellen". Dadurch wird auch der Gegenstand des Revisionsverfahrens eingegrenzt.

10 Das BVwG hat schon deshalb die Rechtslage verkannt, weil sich selbst aus der von ihm angenommenen Verjährung nicht ergeben könnte, dass für diesen Zeitraum eine Feststellung der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG nicht zulässig wäre.

11 Die Bestimmung des § 39 Abs. 1 BSVG regelt nämlich ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur die Verjährung des Rechts auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen; auf die Feststellung der Pflichtversicherung ist sie nicht anzuwenden. Die Pflichtversicherung kann daher auch für Zeiträume festgestellt werden, für die das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen nach § 39 Abs. 1 BSVG (möglicherweise) verjährt ist (vgl. zum insoweit wortgleichen § 68 Abs. 1 ASVG VwGH 14.6.2017, Ra 2017/08/0059, 0060; 16.11.2011, 2008/08/0152;

jeweils mwN).

     12 § 33 Abs. 1 BSVG und § 39 Abs. 1 BSVG lauten auszugsweise

samt Überschrift:

     "Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge

§ 33. (1) Die Beiträge der (...) Pflichtversicherten sind vierteljährlich im nachhinein vorzuschreiben (Vorschreibezeitraum). Sie sind mit dem Ablauf des Monates fällig, das dem Ende des Vorschreibezeitraumes folgt. (...) Beiträge für Einnahmen auf Grund von betrieblichen Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG sind am Ende des Kalendermonates, in dem die Vorschreibung erfolgt, fällig. Die Vorschreibung der Beiträge hat spätestens mit der dritten Quartalsvorschreibung in dem dem jeweiligen Beitragsjahr folgenden Jahr zu erfolgen."

"§ 39

Verjährung der Beiträge

§ 39. (1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Pflichtversicherte die Erstattung einer Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist."

13 Die letzten beiden Sätze des § 33 Abs. 1 BSVG erhielten ihre nunmehrige Fassung durch BGBl. I Nr. 142/2002. In den Materialien (AB 1199 BlgNR 21. GP 3) wurde dazu ausgeführt, mit der zuvor vorgesehenen Vorschreibung der Beiträge für Einnahmen auf Grund von bäuerlichen Nebentätigkeiten in vier gleichen jährlichen Teilbeträgen im Nachhinein sei ein erheblicher administrativer Aufwand für die SVB verbunden. Durch "die nun vorgesehene Zahlung eines Einmalbetrages" solle dies vermieden werden. Der zeitliche Bezug zwischen der beitragsrelevanten Tätigkeit und der Fälligkeit sei im Hinblick auf die generelle Beitragsvorschreibung im Nachhinein vertretbar.

14 Nach dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 1 BSVG ist somit die Fälligkeit der Beiträge, die für Einnahmen auf Grund von betrieblichen Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG zu leisten sind, zunächst an die Vorschreibung dieser Beiträge geknüpft (vgl. in diesem Sinn VwGH 21.12.2011, 2008/08/0271) und tritt mit Ende des Monats, in den die Vorschreibung fällt, ein. In § 33 Abs. 1 letzter Satz BSVG wird jedoch ein zeitlicher Rahmen bis zur dritten Quartalsvorschreibung im folgenden Beitragsjahr festgesetzt, in dem die die Fälligkeit auslösende Vorschreibung "spätestens" zu erfolgen hat. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber - mag der Zweck der Regelung auch vorrangig eine administrative Erleichterung für die SVB gewesen sein - es nicht ermöglichen wollte, durch eine Unterlassung einer Vorschreibung die Fälligkeit der Beiträge beliebig hinauszuschieben.

15 Ausgehend davon, dass die Beiträge nach dem ersten Satz des § 33 Abs. 1 BSVG vierteljährlich im Nachhinein vorzuschreiben sind, hat die dritte Quartalsvorschreibung im Oktober zu erfolgen. Die Beiträge für Einnahmen auf Grund von betrieblichen Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG sind daher - soweit nicht davor eine Vorschreibung erfolgt - mit Ende Oktober des auf das Beitragsjahr folgenden Jahres vorzuschreiben.

16 Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass der Beginn der Verjährungsfrist hinsichtlich der Beiträge, die sich aus Einnahmen des Mitbeteiligten im Jahr 2006 aus seiner Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG ergaben, mit Ablauf des Monats Oktober 2007 eingetreten ist. Wie die Revision zutreffend aufzeigt, vermögen daher die Ausführungen des BVwG seine Annahme, das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen des Mitbeteiligten aufgrund seiner Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 letzter Satz BSVG sei - ausgehend von einer fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 39 Abs. 1 zweiter Satz BSVG (vgl. zu den Voraussetzungen etwa VwGH 15.5.2002, 97/08/0652) - für den Zeitraum von 1. Jänner 2006 bis 2. Oktober 2006 verjährt, nicht zu tragen.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 29. Jänner 2019

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017080084.L00

Im RIS seit

19.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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