TE Vfgh Erkenntnis 2018/11/26 V113/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2018
beobachten
merken

Index

L9480 Bestattung, Friedhof, Leichenbestattung, Totenbeschau

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
F-VG 1948 §7 Abs5
FAG 2008 §15 Abs3 Z4
FriedhofsgebührenO Innsbruck vom 04.12.1997 §2, Abschnitt2

Leitsatz

Keine Überschreitung der finanzverfassungs- und ausgleichsrechtlichen Ermächtigung des Verordnungsgebers durch Einhebung einer Erneuerungsgebühr bei Verlängerung eines "auf Friedhofsdauer" eingeräumten Grabbenützungsrechtes; hinlängliche Berücksichtigung der bereits geleisteten Gebühr durch Festlegung der Erneuerungsgebühr mit 10% der zehnjährigen Benützungsgebühr

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten (Haupt-)Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, die Wortfolge "nach Ablauf von jeweils 10 Jahren bei sonstigen Gräbern" in §2 Abs1 litb der Friedhofsgebührenordnung für die städtischen Friedhöfe in Innsbruck vom 4. Dezember 1997 (in der Folge: Friedhofsgebührenordnung) in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 3. Dezember 1998 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 10.12.1998 bis 28.12.1998) sowie die Wortfolge "bei sonstigen Benützungsrechten nach jeweils 10 Jahren anteilig von der betreffenden Grabbenützungsgebühr" und die Zeichenfolge "10%" in der Spalte "2016" in Punkt 1.7.3 des Abschnittes II der Friedhofsgebührenordnung in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 3. Dezember 2015 (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 9.12.2015 bis 28.12.2015) als gesetzwidrig aufzuheben.

II.      Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1.       §15 Finanzausgleichsgesetz 2008, BGBl I 103/2007 idF BGBl I 118/2015, lautet auszugsweise:

"D. Gemeindeabgaben auf Grund freien Beschlussrechtes

§15. […]

(3) Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

[…]

4. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."

2.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Tir Gemeindesanitätsdienstgesetzes, LGBl 33/1952 idF LGBl 13/1968, lauten:

"2. ABSCHNITT

FRIEDHÖFE

§33

(1) Die Errichtung und Erhaltung der Friedhöfe obliegen den Gemeinden. Dies gilt auch für Friedhöfe im Eigentum einer Religionsgemeinschaft (konfessionelle Friedhöfe), wenn der Friedhofseigentümer die nötige Erweiterung oder Instandhaltung des Friedhofes nicht durchführt. Im Fall einer Erweiterung verbleibt der erweiterte Teil des Friedhofes im Eigentum der Gemeinde.

(2) Die Beisetzung von Leichen, Leichenteilen oder Aschenurnen außerhalb eines Friedhofes, auch in Grüften, ist nicht zulässig; in besonders begründeten Fällen kann die Bezirksverwaltungsbehörde hievon eine Ausnahme gestatten.

(3) Für jeden Friedhof ist eine Friedhofsordnung zu erlassen, die nähere Bestimmungen über die Einteilung, Ausgestaltung und Erhaltung von Grabstätten und Grabmälern, über die Benützungsrechte an Grabstätten, sanitätspolizeiliche Vorschriften im Zusammenhang mit der Beerdigung, ortspolizeiliche Vorschriften über das Verhalten auf Friedhöfen sowie Bestimmungen über die Verwaltung des Friedhofes zu enthalten hat. Die Benützungsrechte an Grabstätten sind so zu regeln, daß Beerdigungsplätze in ausreichender Anzahl am Friedhof verfügbar bleiben, wobei auf die aus gesundheitspolizeilichen Gründen vorgesehenen Ruhefristen Bedacht zu nehmen ist. In neuerlassenen Friedhofsordnungen dürfen Benützungsrechte an Grabstätten auf unbegrenzte Zeit nicht mehr eingeräumt werden.

§34

Die näheren Bestimmungen über die Anlage des Friedhofes, die Beisetzung und die Benützungsdauer werden von der Landesregierung im Verordnungsweg erlassen."

3.       Die maßgeblichen Bestimmungen der Friedhofsordnung für die städtischen und nichtstädtischen Friedhöfe vom 3. Dezember 1998 in der Fassung vom 15. Juli 2010 (in der Folge: Friedhofsordnung) lauten:

"§13

Verlängerung des Benützungsrechtes

(1) Das Benützungsrecht an Erd- und Urnengräbern ist über Antrag des Benützungsberechtigten gegen Entrichtung der Grabbenützungsgebühr um jeweils 5 oder 10 Jahre zu verlängern, das Benützungsrecht an Grüften um jeweils 25 Jahre, sofern keine öffentlichen Interessen entgegenstehen.

(2) Die Verlängerung des Benutzungsrechtes ist vor Ablauf des Zeitraumes, für den eine Grabbenützungsgebühr bezahlt wurde, vom Benützungsberechtigten zu beantragen. Einem solchen Antrag ist die fristgerechte Einzahlung der Grabbenützungsgebühr gleichzuhalten.

(3) Der bevorstehende Ablauf der Benützungsdauer ist vom Stadtmagistrat in geeigneter Weise dem Benützungsberechtigten bekannt zu geben.

(4) Jedes Benützungsrecht, das vor dem 1. Jänner 1968 auf Friedhofsdauer eingeräumt wurde, ist durch schriftliche Erklärung des Benützungsberechtigten periodisch zu erneuern. Diese Erklärung ist vor Ablauf von jeweils zehn Jahren, bei Grüften vor Ablauf von jeweils 25 Jahren, ausgehend vom Zeitpunkt des Erwerbes des Benützungsrechtes, abzugeben.

[…]

§15

Erlöschen des Benützungsrechtes

(1) Das Benützungsrecht erlischt

1. mit Ablauf des Zeitraumes, für den eine Grabbenützungsgebühr bezahlt wurde, sofern keine Verlängerung beantragt (§13) oder ein Rechtsnachfolger (§14) bekannt gegeben wurde,

2. bei Widerruf durch den Stadtmagistrat (§11 Abs3 Ziff. 2)

3. bei Verzicht durch den Benützungsberechtigten, sofern binnen 3 Monaten keine eintrittsberechtigte Person das Nachfolgerecht schriftlich geltend macht,

4. im Falle der Auflassung des Friedhofes.

[…]"

4.       Die maßgeblichen Bestimmungen der Friedhofsgebührenordnung für die städtischen Friedhöfe in Innsbruck vom 4. Dezember 1997 in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 3. Dezember 1998 bzw vom 3. Dezember 2015 lauten:

"I. A B S C H N I T T

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

§1

Anwendungsbereich

(1) Gebühren nach dieser Friedhofsgebührenordnung werden für die Benützung der städtischen Friedhöfe und die Inanspruchnahme der Friedhofseinrichtungen erhoben.

(2) Die in Klammer beigefügten Paragraphen verweisen auf die entsprechenden materiellen Bestimmungen in der Innsbrucker Friedhofsordnung vom 1.1.1999 in der geltenden Fassung.

(3) Die in Klammern beigefügten Ziffern beziehen sich auf die im II. Abschnitt dieser Verordnung geregelten Gebührenansätze.

§2

Gebührenpflicht

(1) Die Gebührenpflicht entsteht

a) für die Zuweisung von Grabstätten (§12) mit dem Zeitpunkt des Erwerbes des Benützungsrechtes (Zuweisung der Grabstätte). Dies gilt auch für die Verlängerung des Benützungsrechtes (§13),

b) für die Erneuerung des Grabbenützungsrechtes, das vor dem 1. Jänner 1968 auf Friedhofsdauer eingeräumt worden ist (§13 Abs4), nach Ablauf von jeweils 50 Jahren bei Grüften, nach Ablauf von jeweils 10 Jahren bei sonstigen Gräbern, beginnend mit dem Zeitpunkt des Erwerbes des Benützungsrechtes (lita),

c) für die Übertragung des Benützungsrechtes unter Lebenden mit dem Zeit-punkt der Übertragung des Benützungsrechtes (§14 Abs1),

d) für die Erteilung sonstiger Bewilligungen mit Erlassung des Bewilligungsbescheides,

e) in allen übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Friedhofseinrichtungen.

(2) Gebührenschuldner ist

a) in den Fällen des Abs1 lita und b der Benützungsberechtigte,

b) im Falle des Abs1 litc der neue Benützungsberechtigte,

c) in allen übrigen Fällen die Partei, die die Inanspruchnahme veranlaßt hat.

§3

Grabgebühren

(1) Für die erstmalige Einräumung des Benützungsrechtes (§12) an einer Grabstätte bzw für die Verlängerung desselben (§13) wird jeweils sowohl

1. eine Grabbenützungsgebühr (1.0.0) als auch

2. eine Friedhofsbenützungsgebühr (2.0.0) eingehoben.

(2) Weicht im Einzelfall der gebührenpflichtige Benützungszeitraum von den im II. Abschnitt festgelegten Zeiten (1.1.0 bis 1.4.0) ab, ist der entsprechende Anteil bzw das entsprechende Vielfache der Grabgebühren zu berechnen.

(3) Wenn zum Zeitpunkt einer Beisetzung (Erstbelegung oder Nachbelegung) der bereits bezahlte Benützungszeitraum noch nicht verstrichen ist, sind die Grabbenützungsgebühr und die Friedhofsbenützungsgebühr nur anteilsmäßig für jenen Zeitraum vorzuschreiben, der für die Wahrung der neu entstandenen gesetzlichen Ruhefrist notwendig ist.

(4) Die Friedhofsbenützungsgebühr wird für die Zurverfügungstellung der all-gemeinen Friedhofseinrichtungen wie Wasser- und Stromversorgung, Müllentsorgung, Toiletten, Wege und Bänke eingehoben. Die Vorschreibung erfolgt gleichzeitig mit der Grabbenützungsgebühr bzw mit der Erneuerungsgebühr und zwar jeweils für den diesen Gebühren zugrundeliegenden Zeitraum.

(5) Für die Beisetzung im Urnensammelgrab ist eine einmalige Benützungs-gebühr (1.5.0), für die Inanspruchnahme der Notgruft (1.6.0) eine Benützungsgebühr für jeden angefangenen Monat und eine Sicherstellungsgebühr in der Höhe der zweifachen Grabbenützungsgebühr für ein Reihengrab zu entrichten.

[…]

§15

Inkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt mit 1.1.1998 in Kraft.

(2) Mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Gebührenordnung tritt die Friedhofsgebührenordnung vom 14.12.1989 außer Kraft.

II. A B S C H N I T T

GEBÜHREN

Die Friedhofsgebühren werden ab 01.01.2016 wie folgt festgelegt:

Grab-benützungsgebühr für Erdgräber und Urnen-nischen

Grab-benützungsgebühr

Friedhofsbenützungsgebühr

Gemeinde-verwaltungsabgabe

Gesamt für 10 Jahre

Gesamt für 20 Jahre

Wandgrab

einfach

doppelt

491,60

983,20

153,60

230,00

15,00

15,00

660,20

1.228,20

1.305,40

2.441,40

1.0.0

GRABBENÜTZUNGSGEBÜHREN

2015

[EUR]

2016

[EUR]

[…]

[…]

[…]

[…]

1.7.0

Erneuerungsgebühr für Grabbenützungsrechte, die vor dem Inkrafttreten der Gemeindesanitätsdienstgesetznovelle (LGBl Nr 13/1968) auf Friedhofsdauer eingeräumt wurden

 

 

1.7.1

bei Grüften juristischer Personen nach jeweils 50 Jahren

457,70

487,00

1.7.2

bei Grüften natürlicher Personen nach jeweils 50 Jahren

228,70

243,30

1.7.3

bei sonstigen Benützungsrechten nach jeweils 10 Jahren anteilig von der betreffenden Grabbenützungsgebühr

10%

10%"

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführerin vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol steht für ein Doppelwandgrab auf dem Friedhof Arzl in Innsbruck ein auf Friedhofsdauer eingeräumtes Benützungsrecht zu.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Innsbruck vom 21. November 2016 wurden der Beschwerdeführerin vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine Friedhofsbenützungsgebühr iHv € 230,–, Gemeindeverwaltungsabgaben iHv € 15,– und eine "Erneuerungsgebühr" für ein "Wandgrab doppelt" iHv € 98,32 vorgeschrieben.

Gegen die Vorschreibung (nur) der "Erneuerungsgebühr" hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben. Mit Beschwerdevorentscheidung des Magistrates der Stadt Innsbruck vom 29. November 2016 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen; in der Folge beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol.

Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Landesverwaltungsgericht Tirol Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen der Friedhofsgebührenordnung für die städtischen Friedhöfe in Innsbruck entstanden.

2.       Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

2.1.    Bis zum Inkrafttreten des Tir Gemeindesanitätsdienstgesetzes, LGBl 13/1968, mit 1. Jänner 1968 hätten Benützungsrechte an Grabstätten nicht nur befristet, sondern auch auf Friedhofsdauer eingeräumt werden können. Für diese sei bereits bei Einräumung des Rechts einmalig eine – im Vergleich zu befristeten Grabbenützungsrechten – erhöhte Abgabe zu leisten gewesen. Ein Grabbenützungsberechtigter einer auf Friedhofsdauer bestehenden Grabstätte habe davon ausgehen können, keine weitere Abgabe entrichten zu müssen.

Mit der Novelle der Friedhofsgebührenordnung für die städtischen Friedhöfe in Innsbruck vom 4. Dezember 1997 habe der Gemeinderat der Stadtgemeinde Innsbruck als verordnungserlassende Behörde eine Erneuerungsgebühr in Höhe von 10% für Grabbenützungsrechte, die vor Inkrafttreten der Tir Gemeindesanitätsdienstgesetzesnovelle auf Friedhofsdauer eingeräumt wurden, eingeführt. §13 Abs4 der Friedhofsordnung für die städtischen und nichtstädtischen Friedhöfe normiere korrespondierend dazu, dass jedes vor dem 1. Jänner 1968 auf Friedhofsdauer eingeräumte Benützungsrecht durch schriftliche Erklärung des Benützungsberechtigten periodisch zu erneuern sei. Diese Erklärung sei – ausgehend vom Zeitpunkt des Erwerbes des Benützungsrechtes – vor Ablauf von jeweils zehn Jahren, bei Grüften vor Ablauf von jeweils 25 Jahren abzugeben.

Die Gemeinde könne auf Grund ihres freien Beschlussrechtes Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen vorschreiben, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben würden, sei dabei jedoch an verfassungsrechtliche Schranken gebunden: Die Gebührenhöhe müsse so ausgestaltet sein, dass ihre Festsetzung in einer sachgerechten Beziehung zu Art und Ausmaß der Benützung stehe. Zudem sei bei der Vorschreibung von Gebühren und Beiträgen dem Grundsatz der "Einmalbesteuerung" Rechnung zu tragen.

2.2.    Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hegt das Landesverwaltungsgericht Tirol im Wesentlichen das Bedenken, dass die Vorschreibung der Erneuerungsgebühr gegen den Grundsatz der "Einmalbesteuerung" verstoße und §15 Abs3 Z4 FAG 2008 widerspreche:

2.2.1.  Im Beschwerdefall vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol werde mit der Vorschreibung der Erneuerungsgebühr das auf Friedhofsdauer eingeräumte Grabbenützungsrecht weder in irgendeiner Form erweitert, noch eine Gebühr für ein zusätzliches bzw erweitertes Benützungsrecht vorgeschrieben, sondern es werde lediglich das auf Friedhofsdauer eingeräumte Benützungsrecht einer Überprüfung im Hinblick auf seine faktische Ausübung unterzogen. Dafür werde eine neuerliche Grabbenützungsgebühr vorgeschrieben, obwohl eine solche bereits bei Einräumung des Grabbenützungsrechtes "auf Friedhofdauer" entrichtet worden sei. Die Vorschreibung stehe insoweit im Widerspruch zum Gebot der "Einmalbesteuerung". Daran vermöge auch der Umstand nichts zu verändern, dass die Höhe der Erneuerungsgebühr nur 10% der Grabbenützungsgebühr für sonstige Gräber (mit Ausnahme von Grüften) betrage. Für die anteilige Gebührenvorschreibung mangle es an einer sachlichen Rechtfertigung.

2.2.2.  Die Vorschreibung könne – entgegen der von der verordnungserlassenden Behörde im Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol vertretenen Ansicht – auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass damit garantiert werden solle, "dass die Rechte, die vor dem 1. Jänner 1968 auf Friedhofsdauer eingeräumt wurden, auch tatsächlich ausgeübt werden und dadurch sichergestellt ist, dass Beerdigungsplätze in ausreichender Anzahl am Friedhof verfügbar bleiben". Diesem Anliegen könne nämlich auch allein durch die Erklärung entsprochen werden; einer darüber hinausgehenden Vorschreibung einer Grabbenützungsgebühr bedürfe es nicht. Nach §15 Abs3 Z4 FAG 2008 dürften Gebühren nur für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, eingehoben werden, nicht aber dazu, um dem dem Tir Gemeindesanitätsdienstgesetz zugrunde liegenden Interesse an ausreichenden Beerdigungsstätten zu entsprechen.

3.       Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken mit näherer Begründung entgegengetreten wird.

4.       Die Tiroler Landesregierung hat von der Erstattung einer Stellungnahme abgesehen.

IV.      Erwägungen

1.       Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1.    Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2.    Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen zweifeln ließe. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat sowohl §2 Abs1 litb als auch den Punkt 1.7.3 in Abschnitt II der Friedhofsgebührenordnung für die städtischen Friedhöfe in Innsbruck vom 4. Dezember 1997 (in der jeweils angefochtenen Fassung) anzuwenden. Der (Haupt-)Antrag erweist sich daher als zulässig. Auf die Eventualanträge ist vor diesem Hintergrund nicht näher einzugehen.

2.       In der Sache

2.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2.    Der Antrag ist nicht begründet.

2.2.1.  Das Landesverwaltungsgericht Tirol hegt Bedenken gegen die Gebührenpflicht in Form der "Erneuerungsgebühr", die gemäß §2 Abs1 litb der Friedhofsgebührenordnung bei der Erneuerung des Grabbenützungsrechts, das vor dem 1. Jänner 1968 auf Friedhofsdauer eingeräumt worden ist, entsteht. Die Bedenken gehen dahin, dass bei Vorschreibung der Erneuerungsgebühr das ursprünglich auf Friedhofsdauer eingeräumte Grabbenützungsrecht nicht erweitert werde, sondern dieses Recht lediglich einer Überprüfung auf seine faktische Ausübung unterzogen und damit eine neuerliche Grabbenützungsgebühr vorgeschrieben werde, obwohl eine solche bereits "auf Friedhofsdauer" zu entrichten gewesen sei. Darin sei nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes ein Verstoß gegen das Gebot der "Einmalbesteuerung" zu erblicken, der auch nicht dadurch beseitigt werde, dass die Erneuerungsgebühr nur 10% der Grabbenützungsgebühr betrage.

Hingegen hegt das antragstellende Gericht keine Bedenken gegen die Verpflichtung zur Erneuerung des Grabbenützungsrechts durch Erklärung. Bedenken bestehen auch nicht hinsichtlich der für die Zurverfügungstellung der allgemeinen Friedhofseinrichtungen eingehobenen Friedhofsbenützungsgebühr (§3 Abs4 Friedhofsgebührenordnung).

2.2.2.  Bis zum Inkrafttreten der Novelle zum Tir Gemeindesanitätsdienstgesetz, LGBl 13/1968, am 1. Jänner 1968 konnten Benützungsrechte an Grabstätten auf Friedhofsdauer eingeräumt werden. Ab diesem Zeitpunkt dürfen in neuerlassenen Friedhofsordnungen Benützungsrechte auf unbegrenzte Zeit nicht mehr eingeräumt werden (vgl §33 Abs3 Tir Gemeindesanitätsdienstgesetz).

§13 Abs1 der Friedhofsordnung für die städtischen und nichtstädtischen Friedhöfe vom 3. Dezember 1998 in der Fassung vom 15. Juli 2010 sieht demgemäß vor, dass das Benützungsrecht an Erd- und Urnengräbern nach erstmaliger Zuweisung einer Grabstätte über Antrag des Benützungsberechtigten gegen Entrichtung der Grabbenützungsgebühr um jeweils fünf oder zehn Jahre zu verlängern ist. Benützungsrechte, die vor dem 1. Jänner 1968 auf Friedhofsdauer eingeräumt wurden, sind gemäß §13 Abs4 der Friedhofsordnung durch schriftliche Erklärung des Benützungsberechtigten periodisch zu erneuern, wobei diese Erklärung vor Ablauf von zehn Jahren ausgehend vom Erwerb des Benützungsrechtes abzugeben ist. Das Benützungsrecht erlischt, wenn keine Verlängerung iSd §13 der Friedhofsordnung beantragt wurde (vgl §15 Abs1 Z1 Friedhofsordnung).

Nach §2 Abs1 litb der Friedhofsgebührenordnung entsteht die Gebührenpflicht für die Erneuerung des Grabbenützungsrechtes, das vor dem 1. Jänner 1968 auf Friedhofsdauer eingeräumt wurde, in den hier maßgeblichen Fällen sonstiger Gräber nach Ablauf von jeweils zehn Jahren, beginnend mit dem Zeitpunkt des Erwerbs des Benützungsrechts. Die Erneuerungsgebühr bei sonstigen Benützungsrechten beträgt dabei 10% jener Grabbenützungsgebühr, die bei erstmaliger Zuweisung nach dem 1. Jänner 1968 für einen Zehnjahreszeitraum zu entrichten ist.

2.3.    Der Verfassungsgerichtshof vermag die Bedenken des antragstellenden Gerichts nicht zu teilen:

2.3.1.  Wie das antragstellende Gericht zutreffend erkennt, ist die Grabbenützungsgebühr eine Gebühr für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden (vgl §15 Abs3 Z4 FAG 2008).

2.3.2.  Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Höhe der Benützungsgebühren entspricht es den Vorgaben des Gleichheitssatzes, wenn die Gebühr für den einzelnen Benützer so ausgestaltet ist, dass ihre Festsetzung in einer sachgerechten Beziehung zu Art und Ausmaß der Benützung steht. Es kommt nicht darauf an, dass die Benützungsgebühr auf das tatsächliche Ausmaß der Benützung abstellt, weil Kosten nicht nur für die tatsächliche Leistung der Gemeinde entstehen, sondern auch für das Bereithalten der Gemeindeanlage. Der Verordnungsgeber kann daher im Rahmen des bestehenden Spielraumes von einer Durchschnittbetrachtung ausgehen und die Benützungsgebühren typisierend festlegen (vgl zB VfSlg 10.791/1986, 10.947/1986, 13.310/1992, 20.173/2017).

2.3.3.  Nach §15 Abs1 Z1 iVm §13 Abs4 der Friedhofsordnung bewirkt die Erklärung zur Erneuerung des Grabbenützungsrechts, dass dieses verlängert wird; zumal dieses erlischt, wenn keine Erklärung zur Erneuerung abgegeben wird. Damit geht die Regelung betreffend das Benützungsrecht aber – entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts – über eine "Überprüfung im Hinblick auf seine faktische Ausübung" hinaus.

Dem Verordnungsgeber kann dabei nicht entgegengetreten werden, wenn anlässlich einer solchen Verlängerung eine Benützungsgebühr für Kosten eingehoben wird, die bei Abschluss des Benützungsrechtes auf Friedhofsdauer noch nicht zum Ansatz gelangt sind, wie etwa zusätzliche Kosten der Benützung aus einer im Rahmen der Vorschreibung der Einmalgebühr noch nicht berücksichtigten Erweiterung einer Friedhofsanlage.

Insofern überschreitet der Verordnungsgeber die ihm gemäß §7 Abs5 F-VG iVm §15 Abs3 Z4 FAG 2008 eingeräumte Ermächtigung nicht, wenn er anlässlich einer Verlängerung eines auf Friedhofsdauer eingeräumten Benützungsrechtes für den Zeitraum der Verlängerung anfallende Kosten im Rahmen einer Erneuerungsgebühr zum Ansatz bringt, soweit diese anlässlich der erstmaligen Zuweisung des Benützungsrechtes noch keine Berücksichtigung finden konnten. Es ist nicht zu erkennen, dass der vom antragstellenden Gericht ins Treffen geführte Grundsatz der "Einmalbesteuerung" insoweit verletzt wäre.

2.3.4.  Indem das antragstellende Gericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Vorschreibung einer Erneuerungsgebühr gegen den Grundsatz der "Einmalbesteuerung" verstoße, gehen seine Bedenken ins Leere. Dies umso mehr, als die Erneuerungsgebühr mit lediglich 10% jener Benützungsgebühr zum Ansatz gebracht wird, die für eine zehnjährige Nutzung zu entrichten wäre. Damit beträgt die Erneuerungsgebühr pro Jahr nur 1% der Grabbenützungsgebühr, womit der Verordnungsgeber in einer Durchschnittsbetrachtung hinsichtlich der Pflicht zur Entrichtung einer Erneuerungsgebühr hinlänglich berücksichtigt hat, dass bereits eine Gebühr "auf Friedhofsdauer" geleistet wurde.

V.       Ergebnis

1.       Die ob der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen der Friedhofsgebührenordnung für die städtischen Friedhöfe in Innsbruck vom 4. Dezember 1997 in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 3. Dezember 1998 bzw vom 3. Dezember 2015 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Leichen- und Bestattungswesen, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Abgaben Gemeinde-, Gebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:V113.2017

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten