Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht hat durch den Richter VPräs. Mag. Peter Weiß als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Martin Weiländer und die Richterin Mag. Susanna Kießwetter in der Rechtssache des Klägers *****, vertreten durch Frysak & Frysak Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1220 Wien, wider die beklagten Parteien 1. *****, 2. *****, und 3. *****, alle vertreten durch Mag.Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in 1080 Wien, wegen EUR 560,- s.A., infolge Berufung der beklagten Parteien und Kostenrekurses des Klägers gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20.3.2018, GZ 36 C 739/17w-12, in nichtöffentlicher Sitzung
1. zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig dem Kläger die mit EUR 202,34 (darin enthalten EUR 33,72 USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig. (§ 502 Abs 2 ZPO)
2. und den Beschluss gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass sie lautet:
„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig dem Kläger die mit EUR 986,16 (darin enthalten EUR 103,39 USt. und EUR 365,84 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig dem Kläger die mit EUR 258,43 (darin enthalten EUR 43,07 USt.) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 1 und 3 ZPO).
Text
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Am 20.7.2017 ereignete sich in 1110 Wien, *****, ein Verkehrsunfall, an dem der vom Kläger gelenkte und gehaltene Klein-Lkw mit dem Kennzeichen W-44868A und der vom Erstbeklagten gelenkte, vom Zweitbeklagten gehaltene und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherte Pkw mit dem Kennzeichen W-51548F beteiligt waren. Aufgrund dieses Unfalls entstand am Klagsfahrzeug eine objektive Wertminderung von EUR 250,-. Der Kläger rief im Juli bei der drittbeklagten Partei an und meldete in deren Servicecenter den Schaden samt Daten der Unfallbeteiligten. Er erhielt daraufhin eine Schadennummer. Mit E-Mail vom 23.8.2017 forderte der Klagevertreter die drittbeklagte Partei auf, dem Grunde nach in den gegenständlichen Schadensfall einzutreten und ein diesbezügliches Anerkenntnis abzugeben. Die Teamleiterin der Schadenabteilung Leistung der drittbeklagten Partei forderte daraufhin mit Schreiben vom 25.8.2017 den Zweitbeklagten auf, eine Schadenmeldung abzugeben. Der Zweitbeklagte erstattete keine schriftliche Schadenmeldung an die drittbeklagte Partei. Mit E-Mail vom 11.9.2017 übermittelte die Teamleiterin der Schadenabteilung Leistung der drittbeklagten Partei dem Klagevertreter den von dieser in Auftrag gegebenen Besichtigungsbericht zum unfallbedingten Schaden am Klagsfahrzeug und teilte mit, dass der Schaden dem Grunde nach in Ordnung geht. Eine Schadenmeldung samt Unfalldarstellung des Zweitbeklagten lag der drittbeklagten Partei zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Nach Eintreffen einer solchen am 2.11.2017 teilte die Teamleiterin dem Klagevertreter mit E-Mail vom 3.11.2017 mit, dass die drittbeklagte Partei zu diesem Schadenfall zwar dem Grunde nach anerkannt habe, sie jedoch aufgrund neuerer Informationen diese Zusage revidieren müsse. Die Haftpflichtversicherung des Klägers setzte diesen nicht davon in Kenntnis, dass sie den Schaden des Unfallgegners bezahlte.
Der Kläger begehrte von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 560,- samt Anhang und brachte dazu, soweit im Rechtsmittelverfahren relevant, vor, dass die drittbeklagte Partei ihre Haftung gegenüber dem Kläger anerkannt habe. Das Klagebegehren setze sich zusammen aus EUR 500,- an unfallbedingter objektiver Wertminderung und EUR 60,- vorfallbedingten Nebenspesen.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten zum vorgebrachten Anerkenntnis ein, dass die Bestätigung der Haftung dem Grunde nach im Vertrauen auf die Angaben des Klägers geschehen sei. Aufgrund der Informationen des Erstbeklagten und des Zweitbeklagten, welche die Drittbeklagte Partei erst im Nachhinein erhalten habe, und der Zahlung durch die Haftpflichtversicherung des Klägers sei die drittbeklagte parteiberechtigt gewesen ihre bisherige Bestätigung zurückzunehmen. Sollte von einem konstitutiven Anerkenntnis ausgegangen werden, werde dieses wegen Irrtums angefochten.
Mit der angefochtenen Entscheidung verpflichtete das Erstgericht die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 310,- samt Anhang und wies das Mehrbegehren von EUR 250,- ab. Dabei ging es vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus. Rechtlich folgerte es, dass die Mitteilung der drittbeklagten Partei vom 11.9.2017 als konstitutives Anerkenntnis zu werten sei. Dieses Anerkenntnis könne nur wegen Irrtums über die Anerkenntnisgrundlage oder Arglist angefochten werden. Beides liege nicht vor. Gleichzeitig verpflichtete das Erstgericht die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zum Kostenersatz von EUR 36,80, wobei es diesbezüglich einerseits auf § 43 Abs 1 ZPO und den Ersatz der Hälfte der Pauschalgebühren verwies, andererseits in der Begründung § 43 Abs 2 ZPO heranzog und einen Kostenersatzbetrag von EUR 1.011,81 nannte.
Gegen dieses Urteil im klagsstattgebenden Teil richtet sich die Berufung der beklagten Parteien aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger bekämpft die Kostenentscheidung, soweit ihm EUR 949,36 nicht zuerkannt wurden, mit Kostenrekurs aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand verpflichtet werden, dem Kläger insgesamt EUR 986,16 an Verfahrenskosten 1. Instanz zu ersetzen.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die beklagten Parteien beantragen, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt, der Rekurs ist berechtigt.
1. Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt der Berufungswerber aus, dass Feststellungen als auch rechtliche Ausführungen des Erstgerichts fehlen würden, aus welchen Gründen bei einem Anerkenntnis der drittbeklagten Partei auch der Erstbeklagte und der Zweitbeklagte haften sollten. Es habe dazu auch keinerlei Vorbringen des Klägers gegeben. Das Klagebegehren hätte, selbst ausgehend von einem konstitutiven Anerkenntnis, gegenüber dem Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten abgewiesen werden müssen. Weiters hätte das Erstgericht berücksichtigen müssen, dass aufgrund des geleisteten Schadenersatzes durch die Haftpflichtversicherung des Klägers von einem allfälligen Anerkenntnis einvernehmlich abgegangen worden sei. Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 11.9.2017 hätte die drittbeklagte Partei noch keine weiteren Informationen zum Unfallhergang gehabt, weshalb mangels eines Streits die Abgabe eines Anerkenntnisses nicht möglich gewesen wäre. Da sich das Schreiben der drittbeklagten Partei nicht auf die Höhe des Schadens beziehe, liege die Voraussetzung, dass die Verpflichtung, ohne Einschränkung für sämtliche Unfallschäden voll und ganz aufzukommen, enthalten sei, nicht vor. Die drittbeklagte Partei sei bei Verfassung des Schreibens vom 11.9.2017 aufgrund der Angaben des Klägers von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, wobei dieser Irrtum vom Kläger veranlasst worden sei. In diesem Fall sei eine Irrtumsanfechtung entgegen der Ansicht des Erstgerichts möglich.
Soweit die Berufungswerber meinen, das von der drittbeklagten Partei abgegebene konstitutive Anerkenntnis binde nicht den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten, kann auf Art 16 AKHB verwiesen werden, wonach der Versicherer bevollmächtigt ist, die ihm zur Befriedigung oder zur Abwehr der Entschädigungsansprüche des geschädigten Dritten zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers und der mitversicherten Personen im Rahmen der Versicherungssumme und der übernommenen Gefahr abzugeben. Damit wirkt ein von der Haftpflichtversicherung abgegebenes konstitutives Anerkenntnis auch gegenüber dem Lenker und dem Halter eines Kraftfahrzeugs im Rahmen der Versicherungssumme.
Das konstitutive Anerkenntnis ist ein Feststellungsvertrag, mit dem der Schuldner die aufgrund einer ernstlichen Rechtsbehauptung des Gläubigers entstandene Unsicherheit durch die Erklärung beseitigt, die Verpflichtung auch für den Fall, dass sie bisher nicht bestanden haben sollte, zu begründen (1 Ob 27/01d). Ob ein deklaratorisches (unechtes) Anerkenntnis, eine durch Gegenbeweis widerlegbare Wissenserklärung oder ein konstitutives (echtes) Anerkenntnis und damit eine höchstens anfechtbare rechtsgeschäftliche Willenserklärung vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln (RS0032666). Je mehr bei den Parteien das Bewusstsein der Unsicherheit der Rechtslage hervortritt, umso eher wird ein konstitutives Anerkenntnis angenommen (9 ObA 79/11z). Erforderlich ist aber, dass der Anerkennende seine Zweifel am Bestehen des vom Gläubiger behaupteten Rechts durch dessen Zugeständnis beseitigt. Liegen dagegen keine Zweifel des Schuldners am Bestand der Forderung vor, die durch den Willen beseitigt werden sollten, eine eigene Hauptschuld auch für den Fall zu begründen, dass eine solche bisher nicht bestanden haben sollte, so ist das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses zu verneinen. Liegt ein solcher Streit oder Zweifel nicht vor, so kann das Anerkenntnis nicht dazu verwendet werden, durch die Schaffung einer abstrakten Verbindlichkeit Zweifel und Streit präventiv auszuschließen. Das konstitutive Anerkenntnis des österreichischen Rechts ist ein Kausalvertrag, dessen Rechtsgrund die Streitbereinigung ist. Ein Anerkenntnis kann daher keine konstitutive Wirkung entfalten, wenn die anerkannte Forderung nicht zuvor vom Anerkennenden ernsthaft bestritten oder bezweifelt wurde (1 Ob 27/01d ua). Nach den Feststellungen des Erstgerichts war der drittbeklagten Partei der Unfall seit dem 20.7.2017 bekannt und wurde von ihr dafür auch eine Schadennummer vergeben. Auf das Anspruchsschreiben des Klagevertreters vom 23.8.2017 reagierte sie mit Mitteilung vom 11.9.2017 unter gleichzeitiger Übersendung des Besichtigungsberichts, der von ihr in Auftrag gegeben worden war, dass der Schaden dem Grunde nach in Ordnung gehe. Durch die Bearbeitungszeit vom 20.7.2017 bis 11.9.2017 und die Tatsache, dass das Klagsfahrzeug im Auftrag der drittbeklagten Partei besichtigt wurde, ist klar, dass sie Zweifel am Zurechtbestehen der Forderungen des Klägers hatte. Durch die Übermittlung eines Schreibens, in dem bestätigt wird, dass der Schaden dem Grunde nach in Ordnung gehe, kann der Erklärungsempfänger zwanglos davon ausgehen, dass dieser Zweifel aus der Welt geschaffen und ein Leistungsanspruch für ihn begründet werden soll. Die oben genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses liegen somit vor. Ein solches kann sich zulässigerweise auch bloß auf den Grund eines Anspruchs beziehen und die Höhe desselben noch offen lassen. Schließlich wird damit die Haftung für alle kausal verursachten Schäden ohne Einschränkung voll und ganz übernommen. Im konkreten Fall könnte man jedoch sogar von einem Anerkenntnis dem Grunde und der Höhe nach ausgehen, da sogar ein Besichtigungsbericht, aus dem sich die Schadenshöhe ergibt und der aus der Sphäre des Versicherungsunternehmen stammt, dem Schreiben angeschlossen war. Hinsichtlich der Anfechtungsmöglichkeit eines solchen konstitutiven Anerkenntnisses kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden. Arglist des Klägers wurde von den beklagten Parteien weder vorgebracht noch ergibt sich eine solche aus den erstgerichtlichen Feststellungen. Ein einvernehmliches Abgehen von dem abgegebenen Anerkenntnis ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen, zumal der Kläger an der Zahlung seiner Haftpflichtversicherung nicht beteiligt und von dieser auch nicht informiert war.
Der Berufung der beklagten Parteien war somit ein Erfolg zu versagen.
2. Im Kostenrekurs führt der Rekurswerber aus, dass gemäß § 43 Abs 2 ZPO die gesamten Verfahrenskosten auf Basis des obsiegten Betrages zuerkannt hätten werden müssen. Unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Bemessungsgrundlage von EUR 310,- ergebe sich somit ein Zuspruch von EUR 986,16. Es werde daher die Korrektur Kostenentscheidung um EUR 949,36 zugunsten des Klägers beantragt.
Die Begründung des Erstgerichts zur Kostenentscheidung ist in sich widersprüchlich, da sie zunächst auf § 43 Abs 1 ZPO und einen Kostenzuspruch von EUR 36,80 verweist, in weiterer Folge jedoch § 43 Abs 2 ZPO anführt und von einem Zuspruch von EUR 1.011,81 ausgeht. Richtigerweise liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO vor, da die Höhe der objektiven Wertminderung am Klagsfahrzeug durch einen Sachverständigen auszumitteln war und 50 % des klagsweise geltend gemachten Anspruchs ergab. Dem Kläger waren daher richtigerweise die gesamten Verfahrenskosten auf Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 310,- zuzuerkennen. Er hat somit Anspruch auf Kostenersatz im Ausmaß von jedenfalls EUR 986,16.
Dem Kostenrekurs war deswegen Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung antragsgemäß abzuändern.
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren gründet auf § 50 Abs 1 iVm § 41 ZPO.
Bei der Kostenentscheidung im Kostenrekursverfahren ist zu berücksichtigen, dass bei verkündeten Urteilen der Kostenrekurs keiner Anmeldung bedarf, weil § 461 Abs 2 ZPO im Rekursverfahren nicht gilt (Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.92). Für die Rekursanmeldung sind daher mangels Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung keine Kosten zu zu erkennen. Weiters handelt es sich bei einem Kostenrekurs nicht um einen verfahrenseinleitenden Schriftsatz (Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 3.30), weshalb der ERV-Zuschlag lediglich im Ausmaß von EUR 2,10 zusteht. Darüber hinaus beruht die Kostenentscheidung im Rekursverfahren auf § 50 Abs 1 iVm § 41 ZPO.
Textnummer
EWZ0000207European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00003:2018:03600R00158.18D.1213.000Im RIS seit
13.02.2019Zuletzt aktualisiert am
13.02.2019