TE OGH 2018/12/19 7Ob227/18k

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Veröffentlicht am 19.12.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* S*, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. August 2018, GZ 1 R 79/18s-12, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 31. Jänner 2018, GZ 8 C 185/17i-6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Zwischen den Streitteilen besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2008) zugrunde liegen, die auszugsweise wie folgt lauten:

Art 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

Es besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

1. in ursächlichem Zusammenhang

[…]

1.6 mit der Anlage von Vermögen in Finanzinstrumenten gemäß § 48a Z 3 BörseG und der damit zusammenhängenden Beratung, Vermittlung und Verwaltung.

[…]

Art 9

Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen? Was hat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die Art der Vorgangsweise und die Erfolgsaussichten zu geschehen? (Schiedsgutachterverfahren)

[…]

2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis, […]

2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.

[...]“

Am 15. 10. 1998 beantragte die Klägerin bei der N* AG (in Hinkunft Lebensversicherer) eine Kapitalversicherung auf den Er- und Ablebensfall. Die Versicherungspolizze enthielt folgende Rücktrittsbelehrung „(…) der Rücktritt bedarf zu seiner Rechtswirksamkeit jeweils der Schriftform. Es genügt, wenn die Erklärung innerhalb der genannten Frist abgesendet wird. Gemäß § 165a VersVG ist der Versicherungsnehmer berechtigt, binnen zweier Wochen nach dem Zustandekommen eines Lebensversicherungsvertrags von diesem zurückzutreten.“

Am 1. 4. 2000 wurde der gegenständliche Versicherungsvertrag in eine fondsgebundene Lebensversicherung geändert. Zum 1. 5. 2008 erfolgte – auf Wunsch der Klägerin – eine neuerliche Änderung auf den aktuellen Tarif der fondsgebundenen Lebensversicherung. Die einbezahlten Prämien aus der Lebensversicherung belaufen sich auf die Summe von 6.100,52 EUR. Daraus erhielt die Klägerin, aufgrund der am 6. 6. 2011 erklärten Kündigung, den Rücktrittskaufwert in Höhe von 611 EUR ausbezahlt.

Am 25. 10. 2016 forderte die Klägerin mittels anwaltlichem Schreiben gegenüber dem Lebensversicherer die Zusendung von Informationen betreffend die fondsgebundene Lebensversicherung. Zudem wurde im Namen der Klägerin erklärt:

„[…] Hiermit wird namens unserer Mandantschaft die Erklärung abgegeben, dass sämtliche bei Ihnen bestehenden fonds- oder indexgebundenen Versicherungsverträge aufgrund sämtlicher in Betracht kommender gesetzlicher Bestimmungen, insbesondere Täuschung, Irreführung, Arglist, culpa in contrahendo unabhängig davon, ob sie noch im Bestand, rückgekauft, prämienfreigestellt sind, angefochten werden. Weiters wird ein Kränkungsgeld und hilfsweise Schadenersatzansprüche geltend gemacht.

Wir fordern Sie hiermit auf, binnen vier Wochen die einbezahlten Beträge zuzüglich 12 % Zinsen ab dem Tag der jeweiligen Einzahlung, abzüglich allfälliger Auszahlungen (kontokorrentmäßig), abzüglich einer nachvollziehbaren Prämie für den Risikoanteil auf eines unserer unten stehenden Geschäftskonten zu zahlen.

Weiters stellen wir ein Kränkungsgeld in Höhe von 10 % der Versicherungssumme mit der Begründung fällig, dass Sie unter Ausnützung Ihres damals guten Rufes Heerscharen von gutgläubigen Versicherungsnehmern bewusst und systematisch hinsichtlich deren Renditeerwartungen in die Irre geführt haben. […].“

Am 14. 3. 2017 übermittelte der Lebensversicherer die geforderten Unterlagen. Den übrigen Forderungen kam er nicht nach.

Mit Schreiben vom 10. 4. und 4. 5. 2017 begehrte die Klägerin von der Beklagten Rechtsschutzdeckung für eine gegen den Lebensversicherer einzubringende Klage, worin ausgeführt wird, dass die Klägerin mit dem Lebensversicherer im Jahr 1998 eine Lebensversicherung abgeschlossen habe, die im Jahr 2000 in eine fondsgebundene Lebensversicherung umgestellt worden sei. Der Klägerin stehe aufgrund falscher Belehrungen ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu. Darüber hinaus sei die Klägerin bei Vertragsabschluss arglistig in die Irre geführt worden.

Die Beklagte lehnte die Deckung insbesondere mit der Begründung ab, dass kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im ursächlichen Zusammenhang mit der Anlage von Vermögen in Finanzinstrumente bestehe.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr die Beklagte für die klageweise Geltendmachung von „Ersatzansprüchen im Zusammenhang mit der beim Lebensversicherer abgeschlossenen Lebensversicherung“ Deckung zu gewähren habe.

Ihr sei ein zumindest mit 6.000 EUR zu beziffernder Schaden aus der Lebensversicherung entstanden, da sie vom Lebensversicherer unzureichend über die mit der Versicherung verbundenen Kosten und Risiken aufgeklärt worden sei. Dabei stütze sie sich vor allem auf die Rechtsgründe der ungenügenden Aufklärung über die mit der Versicherung verbundenen Kosten und Risiken, Schadenersatz und arglistige Irreführung. Zudem stehe ihr aufgrund einer fehlerhaften Rücktrittsbelehrung ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu, da sie auf eine einwöchige Rücktrittsfrist verwiesen worden sei.

Der in Art 7.1.6 ARB 2008 geregelte Ausschluss sei nicht gegeben. Darüber hinaus sei die Prozessführung der Klägerin weder mutwillig noch aussichtslos. Es lägen überdurchschnittliche Erfolgsaussichten vor, da ein unbefristetes Rücktrittsrecht zustehe, wenn die Rücktrittsbelehrung im Versicherungsvertrag unrichtig erfolgt sei. Da die Klägerin zudem bei Abschluss der Lebensversicherung nicht über die damit verbundenen Risiken und Kosten aufgeklärt, sondern vielmehr darüber getäuscht worden sei, dass tatsächlich kein Produkt vorliege, mit dem sie einen Gewinn erzielen könne, seien die Anfechtungsgründe des Irrtums, der Arglist, der culpa in contrahendo und des Schadenersatzes gegeben.

Die Beklagte bestreitet das Klagebegehren. Art 7.1.6 ARB 2008 sehe vor, dass kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im ursächlichen Zusammenhang mit der Anlage von Vermögen in Finanzinstrumente gemäß § 48a Z 3 BörseG bestehe. Die fondsgebundene Lebensversicherung sei als ein „Vermögensveranlagungsgeschäft“ zu qualifizieren, da in verschiedene Fonds und Aktien, also in Finanzinstrumente, investiert werde. Weiters sei der Ablehnungsgrund gemäß Art 9.2.3 ARB 2008 gegeben. Es bestünden keine Erfolgsaussichten, da die Klägerin den Lebensversicherungsvertrag bereits gekündigt und damit den Rückkaufswert erhalten habe. Zudem seien die übrigen verfolgten Ansprüche nicht nachvollziehbar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Voraussetzungen des Ausschlusses nach Art 7.1.6 ARB 2008 seien nicht erfüllt. Fondsgebundene Lebensversicherungen würden nicht explizit ausgeschlossen. Der Risikoausschluss komme aber nur dann zur Anwendung, wenn sich die typische Risikoerhöhung, die zur Aufnahme gerade dieses Ausschlusses geführt habe, verwirkliche. Ein Rücktritt von der fondsgebundenen Lebensversicherung stehe mit den eingezahlten Prämien, welche in das Finanzinstrument investiert worden seien, aber in keiner solchen Verbindung, sodass der herangezogene Ausschlusstatbestand nicht greife. Nach § 165a VersVG unrichtige Rücktrittsbelehrungen würden zum unbefristeten Rücktritt vom Vertrag berechtigen, sodass Aussichtslosigkeit konkret nicht vorliege. Ebenso könnten bei einer unzureichenden oder nicht vorliegenden Aufklärung über die mit der fondsgebundenen Lebensversicherung verbundenen Risiken und Kosten, die anderen von der Klägerin vorgebrachten Anspruchsgrundlagen wie beispielsweise arglistige Irreführung nicht bereits ohne nähere Prüfung als erfolglos oder mutwillig qualifiziert werden.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Die abgeänderte Lebensversicherungspolizze sei eine Fondspolizze mit primärem Veranlagungscharakter und nur sekundär eine echte Ablebensversicherung. Der Versicherungsantrag auf Abänderung in eine fondsgebundene Lebensversicherung enthalte den Hinweis, dass diese eine Kombination aus einer Kapitalanlage in Investmentfonds und einer Lebensversicherung darstelle und dass die Veranlagung in Investmentfonds attraktive Renditechancen, verbunden mit dem Risiko der Kapitalmarktentwicklung biete. Die fehlerhafte Aufklärung über Rücktrittsmöglichkeiten und -fristen könne also unter „im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten stehende Beratung“ iSd Art 7.1.6 ARB 2008 subsumiert werden, sodass der von der Beklagten herangezogene Ausschlusstatbestand erfüllt sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Bedeutung der gegenständlichen Rechtsfrage über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1.1 Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RIS-Justiz RS0050063 [T71], RS0112256 [T10], RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0008901 [insbes T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RIS-Justiz RS0050063 [T3]).

1.2 Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RIS-Justiz RS0080166 [T10]; RS0080068).

1.3 Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (RIS-Justiz RS0107031).

2.1 Nach Art 7.1.6 ARB 2008 besteht unter anderem kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im ursächlichen Zusammenhang „mit der Anlage von Vermögen in Finanzinstrumenten gemäß § 48a Z 3 BörseG und der damit zusammenhängenden Beratung, Vermittlung und Verwaltung“. Die Beklagte beruft sich
– unbestritten – darauf, dass den hier anzuwendenden ARB 2008 § 48a (richtig) Abs 1 Z 3 BörseG idF BGBl I 22/2009 (in Hinkunft BörseG) zugrunde liegt.

Nach dieser Bestimmung sind Finanzinstrumente

a. Wertpapiere im Sinne von § 1 Z 4 WAG 2007,

b. Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren,

c. Geldmarktinstrumente,

d. Finanzterminkontrakte (Futures) einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente,

e. Zinsausgleichsvereinbarungen (Forward Rate Agreement),

f. Zins- und Devisenswaps sowie Swaps auf Aktien oder Aktienindexbasis (Equity-Swaps),

g. Kauf- und Verkaufsoptionen auf alle unter lit a. bis f. fallenden Instrumente einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente; dazu gehören insbesondere Devisen- oder Zinsoptionen,

h. Warenderivate,

i. alle sonstigen Instrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde.

2.2 Bei der Todfalls- oder Ablebensversicherung tritt die Leistungspflicht des Versicherers ein, wenn der Versicherte stirbt. Bei der Erlebensfallversicherung besteht die Leistungspflicht des Versicherers, sofern der Versicherungsnehmer einen bestimmten Zeitpunkt erlebt. Meist sind die Lebensversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall kombiniert. Die Parteien vereinbaren bei der klassischen Lebensversicherung, dass die Zahlung des Versicherers fällig wird, wenn die versicherte Person den vereinbarten Ablauftermin erlebt oder vor diesem Termin stirbt. Die wirtschaftliche Bedeutung liegt einerseits in der Risikovorsorge und andererseits in der Kapitalbildung. Die fondsgebundene Lebensversicherung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Leistung des Versicherers überwiegend nach der Entwicklung eines Investmentfonds oder eines aus Wertpapieren bestehenden Anlagestocks richtet. Der Versicherungsnehmer trägt das bei Wertpapieren immanente Risiko des Wertverlusts, hat aber auch die Chance auf eine positive Wertentwicklung des Anlagestocks. Er erhält damit nicht (zumindest nicht überwiegend) eine der Höhe nach garantierte, sondern eine kurs- und kapitalmarktabhängige Leistung. Die Höhe wird durch den Wert der auf die Versicherung entfallenden Anteileinheiten des Anlagestocks zu einem in den Versicherungsbedingungen festgelegten Zeitpunkt errechnet (7 Ob 251/10b mwN). In der fondsgebundenen Lebensversicherung verpflichtet sich demnach der Versicherer, die vom Versicherungsnehmer bezahlten Prämien in Anteilseinheiten – jeweils vereinbarter – Fonds umzurechnen und dem Kunden bei Vertragsablauf und im Ablebensfall sowie insbesondere auch im Rückkaufsfall die insgesamt angesammelten Fondsanteile entweder zu übertragen oder mit ihren aktuellen Kurswerten abzulösen (7 Ob 23/07v). Abweichend von sonstigen Wertpapiergeschäften wird bei den fondsgebundenen Lebensversicherungen dem Versicherungsnehmer eine Mindestleistung für den Todesfall garantiert (7 Ob 251/10b).

2.3 Die Beklagte geht zu Recht selbst davon aus, dass es sich bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung um kein in § 48a Abs 1 Z 3 BörseG explizit angeführtes Finanzinstrument handelt. Sie argumentiert aber, dass es sich bei dieser um eine „Sonderform“ einer gemischten Kapital-Lebensversicherung handle, bei der der Sparanteil des zu leistenden Versicherungsbetrags in Finanzinstrumente, etwa Aktien, Aktienfonds und Investmentanteile, investiert werde, weshalb es sich um die Anlage von Vermögen in Finanzinstrumente gemäß § 48a Abs 1 Z 3 BörseG handle.

2.4 Der Ausschlusstatbestand enthält den ausdrücklichen Verweis auf die Anlage von Vermögen „in Finanzinstrumenten gemäß § 48 Z 3 (richtig § 48 Abs 1 Z 3) BörseG“. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer kann diese Wortfolge nur dahin verstehen, dass unmittelbar von ihm selbst in ein explizit in § 48a Abs 1 Z 3 BörseG angeführtes Finanzinstrument getätigte Vermögensanlagen gemeint sind, nicht aber ein – in § 48a Abs 1 Z 3 BörseG gerade nicht genannter – Lebensversicherungsvertrag, zumal dieser auch eine Ablebensversicherung umfasst.

2.5 Der von der Beklagten herangezogene Ausschluss des Art 7.1.6 ARB 2008 gelangt damit aufgrund seines Wortlauts und der gebotenen engen Auslegung nicht zur Anwendung.

3.1 In der Rechtsschutzversicherung ist bei Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0081929). Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren. „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann, insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand (RIS-Justiz RS0116448, RS0117144). Die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist aufgrund einer Prognose – im Fall eines bereits laufenden Haftpflichtprozesses aufgrund einer nachträglichen Prognose – nach dem im Zeitpunkt vor Einleitung des Haftpflichtprozesses vorliegenden Erhebungsmaterial vorzunehmen, weil eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0124256). Ist der Sachverhaltsvortrag des Versicherungsnehmers nicht von vornherein unschlüssig oder offensichtlich unrichtig, so kann der Versicherer Versicherungsschutz nur ablehnen, wenn die Wahrnehmung des rechtlichen Interesses des Versicherungsnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (RIS-Justiz RS0082253).

3.2 Ob die Beklagte die Kostenübernahme nach Art 9.2.3 ARB 2008 – allenfalls auch für die Geltendmachung einzelner Ansprüche – ablehnen kann, weil keine Aussicht auf Erfolg besteht, kann aber derzeit nicht beurteilt werden. Abgesehen davon, dass bereits das gegenständliche unpräzise Klagebegehren „Rechtsschutzdeckung für die klageweise Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Zusammenhang mit der Lebensversicherung“ nicht erkennen lässt, für die beabsichtigte Geltendmachung welcher konkreten und bereits bezifferbaren Leistungsansprüche gegenüber dem Lebensversicherer die Beklagte Rechtsschutzdeckung gewähren soll, erhellt sich dies auch nicht aus der, tatsächlich gar nicht vorhandenen, Klagserzählung. Die bloß schlagwortartige Anführung von (einander auch noch teilweise ausschließenden) Rechtsinstituten, die dem Rechtsschutzversicherer keine Prüfung ermöglicht, reicht jedenfalls nicht. Die Ansicht, dass ihr Vorbringen zu der von ihr gegenüber dem Lebensversicherer beabsichtigten Klagsführung nicht ausreicht, wurde mit der Klägerin aber nicht erörtert, weshalb sie damit auch nicht überrascht werden darf (RIS-Justiz RS0037300), sodass insoweit derzeit noch keine Spruchreife gegeben ist.

3.3 Demgemäß sind die Entscheidungen beider Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E123980

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:E123980

Im RIS seit

12.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.08.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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