TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/30 99/03/0106

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Veröffentlicht am 30.06.1999
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;
StVO 1960 §5 Abs4 idF 1994/518;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1994/518;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der AM in Innsbruck, vertreten durch Dr. Roland Kometer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Tempelstraße 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 25. Jänner 1999, Zl. uvs-1998/3/21-2, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin folgender Tat schuldig erkannt:

"Sie weigerten sich am 04.04.1998 um 19.51 Uhr am Gendarmerieposten Zirl trotz Aufforderung durch ein beeidetes Organ der öffentlichen Straßenaufsicht, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, indem Sie sich weigerten zur Durchführung des Alkomattestes zum Gendarmerieposten Kematen (nächstgelegener Alkomat) zu fahren, obwohl Sie am 04.04.1998 um 19.18 Uhr den Kombi auf dem Dorfplatz von östlicher Richtung kommend in westlicher Richtung im Ortsgebiet von Zirl bis auf Höhe Dorfplatz 8 lenkten, wobei es zu einem Zusammenstoß mit einem Motorradfahrer kam, der dadurch verletzt wurde und vermutet werden konnte, dass Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben."

Dadurch habe die Beschwerdeführerin "§ 99 Abs. 1 lit. b StVO i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO" verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über sie gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 eine Geldstrafe von S 12.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) verhängt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 5 Abs. 2 StVO 1960 in der Fassung der im Beschwerdefall anzuwendenden 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, lautet:

"Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu Lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtigt sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.

ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.

als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen."

§ 5 Abs. 4 leg. cit. hat folgenden Wortlaut:

"Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben."

Das Beschwerdevorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, die Beschwerdeführerin sei vom Unfallort zum Gendarmerieposten Zirl gebracht worden, wo sich herausgestellt habe, dass sich dort kein Atemalkoholmessgerät befunden habe. Sie habe sich nicht gegen die Atemalkoholkontrolle gewehrt, sondern lediglich gegen die (weitere) Mitfahrt zum 4,4 km entfernten Gendarmerieposten Kematen. Wie sich herausgestellt habe, sei die nächstgelegene Dienststelle (bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befunden habe) nicht der Gendarmerieposten Kematen gewesen, sondern jene beim Landesgendarmeriekommando in Zirl. Auch sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben und eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt worden.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Weigerung, sich zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle (bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet) bringen zu lassen, im Ergebnis eine Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt darstellt (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1997, Zl. 97/03/0238, und die dort angegebenen Vorjudikatur).

Weiters schließt es das Gesetz nicht aus, einen Probanden zu einer anderen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, wenn sich herausstellt, dass sich bei der Dienststelle, zu der er zunächst gebracht wurde, kein derartiges Gerät befindet; dies ist jedoch - unter dem Blickwinkel, dass die Einschränkung der persönlichen Freiheit des zu Untersuchenden möglichst gering gehalten werden soll - nur unter der Voraussetzung zulässig, dass dabei der Rahmen der Zumutbarkeit nicht überschritten wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1998, Zl. 97/03/0244).

Wenn die Beschwerdeführerin als inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht, die nächstgelegene Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befunden habe, sei nicht beim Gendarmerieposten Kematen, sondern beim Landesgendarmeriekommando für Tirol in Zirl gewesen, so verstößt dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Wohl aber ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht, wenn sie im Hinblick auf den vorgenannten Aspekt eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung rügt. Die Beschwerdeführerin verweist offenkundig auch zur Dartuung der Wesentlichkeit der behaupteten Verfahrensmängel auf den - mit der Beschwerde vorgelegten - Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 8. Oktober 1998, mit dem in einem Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkerberechtigung der erstinstanzliche Bescheid behoben wurde. Nach den Begründungsdarlegungen sei der Gendarmerieposten Kematen eine erheblich weiter entfernte Dienststelle gewesen als die Außenstelle Zirl des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, bei dem sich auch zum damaligen Zeitpunkt ein Atemalkoholmessgerät befunden habe ("Die Entfernung des GP Kematen beträgt etwa das Vierfache als die Entfernung zur Verkehrsabteilung in Zirl."). Im Hinblick darauf kann jedenfalls nicht von vornherein eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze ausgeschlossen werden. Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 30. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999030106.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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