TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/1 99/11/0037

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Veröffentlicht am 01.07.1999
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs3 idF 1995/162;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/11/0038

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich 1) vom 11. Dezember 1998, Zl. RU6-St-O-9806, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Verhängung einer Zwangsstrafe (hg. Zl. 99/11/0037), und 2) vom 19. Jänner 1999, Zl. RU6-St-9806/00, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung (hg. Zl. 99/11/0038), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zu 1) angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 1998 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 22. Oktober 1998, mit welchem über den Beschwerdeführer gemäß § 5 VVG eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 1.000,-- wegen Nichterfüllung der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheines auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 11. August 1998, verhängt worden war, als unzulässig zurückzuweisen.

Mit dem zu 2) angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Jänner 1999 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den (Vorstellungs-)Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 18. November 1998 betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, D, E, F und G gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 3 KFG 1967 auf die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung des Mandatsbescheides der Erstbehörde vom 11. August 1998 (somit für die Zeit vom 1. September bis 15. September 1998), keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, sie kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Bescheid der belangten Behörde vom 19. Jänner 1999:

Die belangte Behörde begründete die Entziehungsmaßnahme im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer am 12. Oktober 1996 um 23.19 Uhr einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw im Gemeindegebiet von Fahrafeld an einer näher bezeichneten Örtlichkeit mit einer Geschwindigkeit von 96 km/h gelenkt habe, obwohl dort eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h bestanden habe. Die Geschwindigkeitsübertretung sei mit einem Lasermessgerät festgestellt worden. Wegen dieser Tat sei über den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 5. März 1997, bestätigt durch den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 28. Mai 1998, eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- verhängt worden. Die Bestrafung sei daher rechtskräftig. Es liege eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 vor, im Hinblick auf die erstmalige derartige Übertretung sei gemäß § 73 Abs. 3 KFG 1967 die Entziehungsmaßnahme für die im Gesetz vorgesehene Dauer anzuordnen. Die über den Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren verhängte Geldstrafe sei von ihm erst am 10. Juni 1998 eingezahlt worden, weshalb keine Veranlassung bestehe, die bekämpfte Entziehungsmaßnahme als nicht mehr zulässig zu erachten.

Der Beschwerdeführer führt demgegenüber im Wesentlichen ins Treffen, dass die ihm angelastete Tat am 12. Oktober 1996 begangen worden sei, bis zum Bescheid der Erstbehörde vom 11. August 1998 seien fast zwei Jahre verstrichen, in denen sich der Beschwerdeführer wohlverhalten habe. Im Übrigen sei das Strafverfahren erster Instanz wegen Geschwindigkeitsüberschreitung durch den erstinstanzlichen Strafbescheid schon längst abgeschlossen gewesen, sodass die Erstbehörde bereits am 5. März 1997 die Lenkerberechtigung hätte entziehen können, was sie unterlassen habe. Die Bezahlung der Geldstrafe sei keine Voraussetzung für die Entziehungsmaßnahme. Die Entziehung sei daher verspätet und unzulässig gewesen.

Damit verkennt der Beschwerdeführer jedoch die Rechtslage:

Nach dem hier anzuwendenden § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn - unter anderem - jemand im Ortsgebiet die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten hat und die Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt worden ist. Nach § 73 Abs. 3 dritter Satz KFG 1967 ist bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i leg. cit., sofern die Übertretung nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden ist, die im Abs. 2 angeführte Zeit mit zwei Wochen festzusetzen; eine Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 66 Abs. 2 lit. i darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung im Verfahren bei der ersten Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0197, vom 25. August 1998, Zl. 97/11/0213, uva.) kommt in den Bestimmungen der §§ 73 Abs. 3 dritter Satz KFG 1967 in Verbindung mit § 66 Abs. 2 lit. i leg. cit. (in der Fassung der 18. KFG-Novelle) der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass bei einer qualifizierten Geschwindigkeitsübertretung im Sinne der letztgenannten Bestimmung die Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person als gegeben anzunehmen und eine Entziehungsmaßnahme in der im Gesetz vorgesehenen Dauer anzuordnen ist. Dem liegt der Sache nach eine vom Gesetzgeber selbst getroffene Wertung eines derartigen strafbaren Verhaltens unter dem Gesichtspunkt seiner Relevanz für die Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person und der zur Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit zu setzenden Maßnahmen zugrunde. Dies schließt eine davon abweichende eigenständige Wertung einer unter § 66 Abs. 2 lit. i fallenden Geschwindigkeitsübertretung im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 durch die belangte Behörde aus.

Was die seit der Tat (am 12. Oktober 1996) verstrichene Zeit anlangt, zu welcher sich der Beschwerdeführer darauf beruft, dass er bis zur Entziehung durch Mandatsbescheid der Erstbehörde vom 11. August 1998, somit rund ein Jahr und "acht" Monate, im Besitz der Lenkerberechtigung gewesen sei und sich in dieser Zeit wohlverhalten habe, ist ihm zu entgegnen, dass es zwar zutrifft, dass die Kraftfahrbehörde nicht die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides im Verwaltungsstrafverfahren, sondern die Rechtskraft des Straferkenntnisses durch Erlassung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 28. Mai 1998 abgewartet hat; dies lässt im vorliegenden Fall für den Standpunkt des Beschwerdeführers jedoch nichts gewinnen:

Zunächst hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0197), aus der Regelung des § 73 Abs. 3 letzter Satz KFG 1967 folge, dass der Gesetzgeber für Fälle wie den vorliegenden in Kauf genommen hat, dass die Entziehung der Lenkerberechtigung in der Regel erst nach Verstreichen einer längeren Zeit nach der Tat ausgesprochen wird. Insbesondere ist dem Beschwerdeführer jedoch zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. August 1998, Zl. 97/11/0213) auf Grund der hier noch anzuwendenden Rechtslage davon auszugehen ist, dass die gegenständliche Entziehungsmaßnahme bis zu einem Jahr ab Vollstreckung der verhängten Strafe oder Maßnahme bzw. ab Entrichtung der Geldstrafe zulässig ist. Diese Voraussetzung ist hier angesichts der vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass die Bezahlung der Geldstrafe durch ihn am 10. Juni 1998 erfolgte, gegeben.

Damit erweist sich die Beschwerde gegen den zu 2) angefochtenen Bescheid als unbegründet.

Zum angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 1998:

Mit diesem Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die mit Bescheid der Erstbehörde verhängte Zwangsstrafe zurück, weil der Beschwerdeführer keinen der im § 10 Abs. 2 VVG genannten Gründe für eine Unzulässigkeit der Vollstreckung geltend gemacht habe. Diesbezüglich kann ihr nicht mit Recht entgegengetreten werden. Vollstreckungsverfügungen unterscheiden sich nämlich von sonstigen Bescheiden dadurch, dass nur aus den in § 10 Abs. 2 leg. cit. genannten Gründen Berufung ergriffen werden kann. Eine nur aus anderen Gründen erhobene Berufung ist zurückzuweisen. Die im Berufungsverfahren allein geltend gemachte Rechtswidrigkeit des zu vollstreckenden Titelbescheides kann im Vollstreckungsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (siehe die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5 in Anmerkung 2 zu § 10 VVG zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, S 1185f). Das Vorliegen eines Grundes nach § 10 Abs. 2 VVG muss in der Berufung behauptet und begründet werden.

Der Beschwerdeführer führte in seiner Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 22. Oktober 1998 aus, er verweise zur Begründung auf das "beiliegende Aufforderungsschreiben und die Amtshaftungsklage", in der der "Sachverhalt und die Rechtslage" dargestellt seien, aus welchen Gründen "auch die Vollstreckung" unzulässig sei. In dem hier genannten "Aufforderungsschreiben" an den Bund (Finanzprokuratur) führte der Beschwerdeführer folgendes aus:

"Ing. Paul Oberwalder macht aus dem Titel der Amtshaftung die Kosten seiner bisherigen Vertretung von S 7.120,32 (darin enthalten ... USt) samt 4 % Zinsen ab Zugang dieses Aufforderungsschreiben s

und die Feststellung der Haftung des Bundes für alle künftigen Schäden geltend.

Zur Begründung wird auf den beiliegenden Entwurf der Amtshaftungsklage verwiesen, die nach Ablauf der gesetzlichen Frist von drei Monaten eingebracht wird, wenn seine Ansprüche nicht vorher anerkannt werden. Der Schadensminderungspflicht entsprechend verweise ich besonders darauf, dass der Schaden mit jedem Tag größer wird, weil Herr P. Oberwalder nicht selbst fährt, sondern wegen unzureichender öffentlicher Verkehrsmittel aus beruflichen Gründen mit dem Taxi fahren muss und einen erheblichen Verdienstentgang erleidet. Kein Grund aus der Schädigungsabsicht ist erkennbar, warum die BH Baden nicht über seine Vorstellungen unverzüglich stattgebend entscheidet, sondern den 'Entzug' der Lenkerberechtigung vorzieht."

In der angeschlossenen Amtshaftungsklage (Entwurf) wendet sich der Beschwerdeführer gleichfalls gegen den seiner Meinung nach rechtswidrigen "kalten Entzug".

Damit machte der Beschwerdeführer der Sache nach in seiner Berufung ausschließlich die Rechtswidrigkeit des Titelbescheides als Grund für die behauptete Unzulässigkeit der Zwangsstrafe geltend, somit keinen der in § 10 Abs. 2 VVG angeführten Gründe, die die Berufung gegen die Vollstreckungsverfügung zulässig gemacht hätten. Damit kann im Lichte der eingangs dargestellten Rechtslage die Zurückweisung der Berufung durch den Bescheid der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden. Derart erweist sich auch die Beschwerde gegen den zu 1) angefochtenen Bescheid als unbegründet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, im Rahmen des gestellten Begehrens.

Wien, am 1. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110037.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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