TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/12 W101 2186247-1

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Veröffentlicht am 12.12.2018
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Entscheidungsdatum

12.12.2018

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W101 2186247-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gesetzlich vertreten durch seine Mutter XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, diese vertreten durch Österreichisches Rotes Kreuz, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Nairobi vom 20.10.2017, GZ. Nairobi-ÖB/KONS/0743/2017, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat wie folgt:

"Der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels wird gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der mj. Beschwerdeführer, StA. Somalia, stellte am 28.04.2017 bei der Österreichischen Botschaft Nairobi (im Folgenden: ÖB Nairobi) unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (in der Folge AsylG). Begründend führte er aus, XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, sei seine Mutter. Die Bezugsperson sei seit 24.03.2015 in Österreich aufhältig und habe mit Bescheid vom 10.03.2016 (rechtskräftig seit 26.03.2016), Zl. 1054406502 - 150304525, den Status der subsidiär Schutzberechtigten erhalten.

2. Daraufhin führte das BFA in seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG vom 09.10.2017 aus, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Bezugsperson weniger als drei Jahre über den Status einer subsidiär Schutzberechtigten verfüge (§ 35 Abs. 2 AsylG).

Begründend führte es in seiner Stellungnahme vom 09.10.2017 dazu Folgendes aus: Der Beschwerdeführer würde vorbringen, der mj. Sohn der in Österreich aufhältigen Bezugsperson zu sein. Die Bezugsperson habe mit Bescheid vom 10.03.2016 (rechtskräftig seit 26.03.2016), Zl. 1054406502 - 150304525, den Status der subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung würden nicht vorliegen, da seit Zuerkennung der befristeten Aufenthaltsberechtigung iSd § 8 Abs. 4 AsylG der in Österreich aufhältigen Bezugsperson noch keine drei Jahre abgelaufen seien und eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose erst nach drei Jahren ab rechtskräftiger Zuerkennung erteilt werden könne und deshalb die formellen Voraussetzungen nicht vorgelegen seien.

3. Mit Schreiben vom 10.10.2017 (übernommen am selben Tag) war dem mj. Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb der Frist von einer Woche eingeräumt worden. Er war davon in Kenntnis gesetzt worden, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der Mitteilung des BFA vom 09.10.2017 nicht wahrscheinlich sei. Die oben beschriebene Stellungnahme des BFA lag dem Schreiben bei.

4. Am 11.10.2017 brachte der mj. Beschwerdeführer fristgerecht eine Stellungnahme durch seinen Rechtsvertreter ein und führte darin im Wesentlichen Folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei der mj. ledige Sohn der Bezugsperson. Er leide an Autismus und wohne derzeit ohne seine leiblichen Eltern bei der Mutter der Bezugsperson in Somalia. Würde die Familie die Frist von drei Jahren abwarten, wäre die psychische und körperliche Integrität sowie das Kindeswohl des mj. Beschwerdeführers massiv gefährdet. Eine Familienzusammenführung mit seiner Mutter stehe daher eindeutig im Kindeswohl sowie iSd Art. 8 EMRK. Im vorliegenden Fall sei seitens der Behörde nicht geprüft worden, ob eine Einreise nach Art. 8 EMRK geboten erscheine. Mit BGBl. I Nr. 24/2016 seien für das Einreiseverfahren gemäß § 35 AsylG die angesprochene Frist von drei Jahren sowie das Erfordernis des Nachweises der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 AsylG festgelegt worden. Während hinsichtlich der Erteilungsvoraussetzungen mit § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG eine Ausnahmeregelung im Hinblick auf das Recht auf Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geschaffen worden sei, gelte die Wartefrist ausnahmslos in sämtlichen Konstellationen. Dies erscheine verfassungswidrig, da die Familienzusammenführung von subsidiär Schutzberechtigten dadurch generell um drei Jahre (exklusive Verfahrensdauer) verzögert werde, was den Forderungen des EGMR nach einer raschen und effektiven Verfahrensführung widerspreche.

Hinzu komme eine Verletzung von Art. 14 EMRK und Art. 1 Abs. 1 BVG-Rassendiskrimierung: Familienangehörige von Asylberechtigten könnten unverzüglich nach Gewährung des Status einen Antrag auf Einreise stellen, hingegen müssten Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten drei Jahre mit dem Antrag zuwarten, obwohl sich subsidiär Schutzberechtigte in einer ähnlichen Lage wie Asylberechtigte befänden. Diese massive Ungleichbehandlung werde seitens des Gesetzgebers nicht ausreichend sachlich begründet. Der Verweis darauf, dass die Familienzusammenführungs-Richtlinie auf subsidiär Schutzberechtigte nicht anzuwenden wäre, vermöge diese Differenzierung nicht ausreichend zu begründen. Die verfassungskonforme Interpretation des § 35 Abs. 2 AsylG könne also nur darin bestehen, dass die Ausnahmebestimmung des § 36 Abs. 4 Z 3 AsylG auch auf die Wartefrist von 3 Jahren anwendbar sei. Andernfalls müsse die Wortfolge "frühestens drei Jahre" des § 35 Abs. 2 AsylG als verfassungswidrig aufgehoben werden. Gleichzeitig waren diverse Unterlagen angeschlossen worden.

5. Diese Stellungnahme war dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung weitergeleitet worden. Daraufhin teilte dieses mit, durch die Stellungnahme der Partei würden sich keine weiteren/anderen Argumente ergeben, welche für eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose sprechen würden. Es werde daher weiterhin davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose nicht vorliegen würden.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.10.2017 (am selben Tag zugestellt), GZ. Nairobi-ÖB/KONS/0743/2017, verweigerte die ÖB Nairobi dem mj. Beschwerdeführer die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005.

Begründend führte die ÖB Nairobi im Wesentlichen aus: Das BFA habe nach Prüfung mitgeteilt, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Bezugsperson weniger als drei Jahre über den Status einer subsidiär Schutzberechtigten verfüge (§ 35 Abs. 2 AsylG). Mit Schreiben der ÖB Nairobi vom 10.10.2017 hätte der mj. Beschwerdeführer Gelegenheit erhalten, den angeführten Ablehnungsgrund durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen. Das BFA habe nach Prüfung mitgeteilt, dass durch das Vorbringen des mj. Beschwerdeführers nicht unter Beweis gestellt werden habe können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten entgegen der seinerzeitigen Mitteilung wahrscheinlich sei.

7. Gegen diesen Bescheid richtete sich die am 16.11.2017 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher der Rechtsvertreter des mj. Beschwerdeführers im Wesentlichen die Ausführungen der Stellungnahme vom 11.10.2017 wiederholte. Ergänzend war vorgebracht worden, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben sowie des Kindeswohls durch die Trennung des mj. Beschwerdeführers von seiner Mutter aufgrund der dreijährigen Wartefrist zu prüfen und sich mit der Erkrankung des mj. Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Zu diesen Fragen gebe es weder im Bescheid noch in der Mitteilung des BFA Aufschluss. Die unterlassene Auseinandersetzung mit den in der Stellungnahme vorgebrachten Argumenten und Anträgen stelle eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör bzw. einen Begründungsmangel dar, der wie oben ausgeführt nicht nur eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, sondern sogar ein willkürliches Verhalten der Behörde darstelle und den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste. Gleichzeitig waren diverse Unterlagen angeschlossen worden.

8. Mit Verbesserungsauftrag vom 20.11.2017 forderte die ÖB Nairobi den mj. Beschwerdeführer auf, die vorgelegten Unterlagen unter Anschluss einer Übersetzung in deutscher Sprache innerhalb der Frist von einer Woche vorzulegen, widrigenfalls die Beschwerde zurückgewiesen werde. Diesem Verbesserungsauftrag leistete der mj. Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter Folge.

9. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.01.2018, GZ. Nairobi-ÖB/KONS/0043/2018, wies die ÖB Nairobi die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.

Am 26.01.2018 brachte der einschreitende Rechtsvertreter dagegen bei der ÖB Nairobi einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein.

(Anmerkung der zuständigen Einzelrichterin: Da diese Beschwerdevorentscheidung nicht innerhalb der dafür vorgesehenen gesetzlichen Frist von zwei Monaten erlassen worden war, entfaltet sie keine Rechtswirkungen.)

10. Mit Schreiben vom 13.02.2018 legte das Bundesministerium für Inneres dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt den bezughabenden Verwaltungsakten zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im gegenständlichen Verfahren wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, als Bezugsperson genannt. Der Bescheid, mit dem die Bezugsperson den Status einer subsidiär Schutzberechtigten erlangt hat, ist am 26.03.2016 in Rechtskraft erwachsen.

Als maßgeblich wird festgestellt, dass der mj. Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels am 28.04.2017 - sohin vor Ablauf der (gesetzlich vorgesehenen) dreijährigen Wartefrist - gestellt hat und sich dieser daher als unzulässig erweist.

2. Beweiswürdigung:

Dass der Bezugsperson der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Bescheid des BFA vom 10.03.2016 (rechtskräftig seit 26.03.2016), Zl. 1054406502 - 150304525. Dass dieser Bescheid am 26.03.2016 in Rechtskraft erwachsen ist, wird auch vom mj. Beschwerdeführer nicht bestritten.

Im Falle eines subsidiär Schutzberechtigten als Bezugsperson kann ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 2 AsylG idgF frühestens - nach Ablauf der dreijährigen Wartefrist - am 26.03.2019 gestellt werden.

Die maßgebende Feststellung ist folglich ebenfalls unstrittig und ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2.2. § 35 Abs. 2 und Abs. 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 35. (...)

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(...)

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."

§ 11 Abs. 1 bis 3 und § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen."

"Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

"§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

3.2.3. Da der gegenständliche Antrag auf Erteilung von Einreisetiteln am 28.04.2017 und damit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016 eingebracht wurde, waren gemäß § 75 Abs. 24 AsylG fallbezogen keine Übergangsbestimmungen, sondern § 35 Abs. 1 bis 4 idF BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden.

§ 35 Abs. 2 AsylG idF BGBl. I Nr. 56/2018 bestimmt, dass der Familienangehörige (gemäß Abs. 5 leg. cit.) eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stellen kann.

Im vorliegenden Fall ist der Bescheid, mit welchem der Bezugsperson der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, am 26.03.2016 in Rechtskraft erwachsen. Da die dreijährige Wartefrist nach § 35 Abs. 2 AsylG idgF somit am 26.03.2016 zu laufen begonnen hat, könnte der mj. Beschwerdeführer frühestens am 26.03.2019 den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels stellen.

Wie oben festgestellt, hat der mj. Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels jedoch bereits am 28.04.2017 - sohin weit vor Ablauf der dreijährigen Wartefrist - gestellt, sodass sich dieser Antrag gemäß § 35 Abs. 2 AsylG idgF als unzulässig erweist.

Den seitens des mj. Beschwerdeführers dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken, wonach die durch BGBl. I Nr. 24/2016 in § 35 Abs. 2 AsylG eingeführte dreijährige Wartefrist, im Sinne einer "verfassungskonformen Interpretation" so zu lesen wäre, als von einer zwingenden Erfüllung dieses Erfordernisses dann abzusehen sei, wenn den privaten und familiären Interessen der beteiligten Personen höheres Gewicht beizumessen wäre, ist entgegen zu halten, dass diese Argumentation im Gegensatz zum klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmung steht und es sich bei der dreijährigen Frist im Falle eines subsidiär Schutzberechtigten als Bezugsperson um eine zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung für die Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels handelt, welche der Gesetzgeber bewusst eingeführt hat.

Dass die Bestimmung des § 35 Abs. 2 AsylG idgF weder verfassungsnoch europarechtlichen Bedenken begegnet, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 10.10.2018, E 4248-4251/2017-2010, bestätigt. Begründend war dazu im Hinblick auf Art. 8 EMRK und Art. 14 iVm Art. 8 EMRK sowie das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander im Wesentlichen Folgendes ausgeführt worden (vgl. insb. Rz 48 ff):

"Bei der vom Gesetzgeber gewählten Frist von drei Jahren ab rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kann davon ausgegangen werden, dass der provisorische Charakter des Aufenthalts nach Ablauf dieser Zeitspanne nicht mehr vorliegt und eine gewisse Verfestigung des Aufenthalts bereits eingetreten ist. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Umstand, dass die dreijährige Wartefrist generell und unter Ausschluss einer Abwägung der Umstände im Einzelfall angeordnet ist, als verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Gesetzgeber ist - auch unter dem Gesichtspunkt, dass diese Frist einen Eingriff in das Recht auf Familienleben (und zwar regelmäßig von Kindern) nach Art. 8 EMRK bedeutet, weshalb der Gesetzgeber insoweit über einen geringeren Spielraum verfügt - nicht entgegenzutreten, wenn er angesichts des provisorischen Charakters des Aufenthalts subsidiär Schutzberechtigter für den Fall des Familiennachzugs deren Angehöriger in diesen drei Jahren von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erst für die Zeit nach Ablauf dieses begrenzten Zeitraums vorsieht. (...)

Der Verfassungsgerichtshof kann in der Differenzierung zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten keine unsachliche Ungleichbehandlung erblicken, zumal zwischen diesen Gruppen im ausreichenden Maße Unterschiede bestehen, die eine Differenzierung zu rechtfertigen vermögen. Beiden Personengruppen - Asylberechtigten einerseits, subsidiär Schutzberechtigten andererseits - ist zwar gemeinsam, dass eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, den sie aus unterschiedlichen Gründen verlassen haben, (derzeit) nicht möglich ist und sie sich diesbezüglich in im Wesentlichen vergleichbaren Lebenssituationen befinden. Im Gegensatz zu Asylberechtigten erhalten subsidiär Schutzberechtigte jedoch von vornherein nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht von einem Jahr, welches bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen verlängert werden kann, weil davon ausgegangen wird, dass jene Umstände, die typischerweise subsidiären Schutz rechtfertigen, eher vorübergehenden Charakter haben und rascher beendet sein können, als dies im Allgemeinen von systematischen Verfolgungen iSd Genfer Flüchtlingskonvention angenommen werden kann. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Asylberechtigte seit der Asylrechtsnovelle 2016, BGBl. I 24/2016, zunächst nur eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung erhalten, zumal diese nach Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer ex lege zu einer unbefristeten Berechtigung wird, sofern nicht ein Aberkennungsverfahren eingeleitet wird (§ 3 Abs. 4 AsylG, vgl. RV 996 BlgNR 25. GP, 1). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung von der Einhaltung allfälliger Fristen iSv Art. 8 der Richtlinie, in denen ein Antrag auf Familien-zusammenführung gestellt bzw. der Aufenthaltstitel ausgestellt werden darf (zwei bzw. drei Jahre), entbindet, weil von Flüchtlingen nicht verlangt werden kann, dass sie sich während eines bestimmten Zeitraums in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, bevor ihre Familienangehörigen nachreisen. Subsidiär Schutzberechtigte sind dagegen gemäß Art. 3 Abs. 2 vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Vor diesem Hintergrund ist daher auch im Fall des Familiennachzugs das Vorliegen vergleichbarer Sachverhalte zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten zu verneinen, (...)."

Aus den in der Beschwerde vorgebrachten Einwänden ist daher aufgrund der obigen Erwägungen für den mj. Beschwerdeführer nichts gewonnen. Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, werden auch die zur Fristberechnung maßgeblichen Daten und die sich daraus berechnete Nichterfüllung der dreijährigen Wartefrist von dem mj. Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt bestritten.

Da es dem gegenständlichen Antrag aufgrund obiger Ausführungen gemäß § 35 Abs. 2 AsylG idgF an einer zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt, hätte die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels mit dem angefochtenen Bescheid nicht ab- sondern zurückweisen müssen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides war daher mit der spruchgemäßen Maßgabe abzuändern und die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 abzuweisen.

3.2.3. Der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung steht der klare Wortlaut des § 11a Abs. 2 FPG entgegen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einreisetitel, Familienzusammenführung, Minderjährige, Versehen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W101.2186247.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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