TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/5 VGW-131/054/15803/2017

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Veröffentlicht am 05.11.2018
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Entscheidungsdatum

05.11.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §34 Abs1
AVG §34 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Konecny über die Beschwerde des Herrn A. B., geboren 1986, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 25.09.2017, Zahl ..., betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenem Bescheid vom 25.09.2017 zur
Zl. ... wurde über den Beschwerdeführer wegen Verletzung des Anstandes durch ungeziemendes Benehmen eine Ordnungsstrafe im Ausmaß von 500,-- Euro verhängt.

Begründet wurde dies damit, dass der nunmehrige Beschwerdeführer anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der zuständigen Referentin am 15.09.2017, nachdem ihm mitgeteilt worden war, Platz zu nehmen und den Aufruf in seiner Sache abzuwarten, seinen Unmut mit äußerst aggressiver, beleidigender und bedrohlicher Ausdrucksweise gegenüber der Beamtin unter Verwendung der Wortwahl „Geh in Arsch, du scheiß verschissene Hure, was willst du …. Ich ficke dich da draußen“, geäußert hat. Diese Schimpftiraden seien mehrmals wiederholt worden. Durch dieses Verhalten sei der weitere Ablauf der Amtshandlung erheblich gestört, als auch der weitere Parteienverkehr der anderen Bediensteten behindert gewesen. Er sei sofort angewiesen worden, sein Verhalten unverzüglich einzustellen bzw. sich einer gesitteten und sachlichen Ausdrucksweise zu bedienen. Dieser Ermahnung sei jedoch nicht entsprochen worden, vielmehr sei der nunmehrige Beschwerdeführer erneut in sein Verhaltensmuster verfallen und habe „Du scheiß Hure, fick dich“ geschimpft, wobei er der Referentin direkt in das Gesicht (Auge) gespuckt habe. In Negierung der weiteren Abmahnung sei die Verhängung einer Ordnungsstrafe angekündigt worden.

In seiner frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde führt der Beschwerdeführer aus wie folgt:

„Ich Heiße B. A. Geb. am ...1986, Wohnsitz C.-gasse WIEN. Am 15.9.2017 wollte ich EINE Zettel abgeben bei die Referentin Zimmer Nr. .... Bin rauf gegangen habe mich ganz ruhig hingesetzt und auf die Referentin gewartet. Vor mir waren 3 Leute, Es war ein Freitag 11:20 ca. Die Dame war 20 min. nicht da dann ist sie gekommen. Sie war alleine im Zimmer. Die andere Kollegin meine Referentin die Dame war Leider nicht da. Dann ist Sie gekommen hat die 3 Leute vor mir bedient ich war ganz zeit ruhig und habe auf meine reihe gewartet. Wo ich dran gekommen war, Bin ich aufgestanden zum Tür gegangen und habe SIE Höfflich gegrüßt. Und habe zu ihr gesagt dass ich nur eine Zettel abgeben muss von der Fahrschule. Sie hat mich kurz angeschaut nicht mal zurück gegrüßt und hat weg geschaut und dir Türe zu gesperrt. und sie hat mir gesagt dass sie dann kommt…und sie hat sich nicht einmal denn Zettel angeschaut. Sie hat mich so unfreundlich rassistisch behandelt. Vielleicht weil ich aus der Türkei komme oder lange Barte habe .. Ich weiss es nicht, dann wurde ich Leider aggressiv und habe zu ihr gesagt, Sie waren eh 20min vorhin weg und jetzt gehen sie wieder weg ??? und ich musste nur zettel abgeben keine antrag rein geben… dass hatte ich schon hinter mir. Leider habe ich sie dann geschimpft und angeschpuckt weil sie mich so Rassistisch behandelt hat. Und bin weggegangen von der Verkehrsamt, und habe die weitere (Parteienverkehr der anderen Bediensteten NICHT Behindert) ich würde sie bitten denn ordnungsstrafe zu mindern.

mit freundlichen Grüßen

B. A.“

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 AVG hat das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.

Gemäß § 34 Abs. 2 AVG sind Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

Die im § 34 Abs. 2 AVG normierten Maßnahmen der Sitzungspolizei sollen den ordnungsgemäßen und störungsfreien Ablauf von Verwaltungsverfahren gewährleisten. Dieser Zweck gebietet es, Störungen der Ordnung bzw. des Anstandes bei Amtshandlungen unmittelbar mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen (s. VwGH 30.05.1994, 92/10/0469 mwH).

Die Verhängung einer Ordnungsstrafe nach § 34 Abs. 2 AVG setzt voraus, dass die betreffende Person zunächst ermahnt wurde, dass die Verhängung einer Ordnungsstrafe angedroht wurde und, dass diese Maßnahmen erfolglos blieben. (vgl. VwGH vom 29.02.2012, Zl. 2010/03/0122)

Die vom Gesetz geforderte Achtung vor der Behörde setzt voraus, dass sich die Kritik an ihr auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (vgl. VwGH 11.1.2.1985 84/03/0155). Ein diese Grundsätze außer Acht lassendes Vorgehen bei der Formulierung der Kritik an der Behörde kann auch nicht durch ein vermeintlich oder tatsächlich rechtswidriges Verhalten jener Behörde gerechtfertigt werden, an der Kritik geübt wird (VwGH 8.11.1996, 96/02/0463), wobei auch die Überzeugung der Partei, ihre Kritik sei berechtigt, eine beleidigende Schreibweise nicht zu entschuldigen vermag.

 

Eine, wenn auch unberechtigte, Kritik am behördlichen Handeln ist in dem Rahmen zulässig, in dem sich die Kritik auf die Sache beschränkt und eine den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird. Diese Grenze wird jedenfalls dann überschritten, wenn Organe einer Behörde allgemein oder einzelne Organwalter in einem Schriftsatz beleidigt oder diffamiert werden (vgl. VwGH 16.11.1993, 91/07/0084).

Dieselben Maßstäbe sind auch für ungeziemendes Benehmen, welches den Anstand verletzt, anzuwenden.

Der Beschwerdeführer hat sich – dies unbestritten - anlässlich seiner persönlichen Vorsprache am Verkehrsamt, um ein Schriftstück abzugeben, gegenüber einem Verwaltungsorgan der Behörde aggressiv und beleidigend verhalten, indem er dieses beschimpft sowie bespuckt hat. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zu Recht ausgeführt, dass ein solches Verhalten eindeutig den Boden sachlicher Kritik verlässt und in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes und den Anstand verletzendes Verhalten gegenüber dem Verwaltungsorgan darstellt. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass dieses über das Ausmaß einer zulässigen (also sachlichen) Kritik an der Behörde bzw. der Beamtin weit hinaus reichende aggressive Verhalten – selbst wenn sich der Beschwerdeführer von der Referentin allenfalls zu Recht als unfreundlich behandelt gefühlt hätte - zu rechtfertigen ist. Der Beschwerdeführer hat trotz Aufforderung sein Verhalten nicht eingestellt und eine Abmahnung negiert.

Trotzdem der Beschwerdeführer sohin im vorliegenden Fall ohne Zweifel durch ungeziemendes Benehmen gegenüber dem Verwaltungsorgan den Anstand verletzt hat, erweist sich die Verhängung einer Ordnungsstrafe gegen ihn mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.09.2017 als nicht rechtens, gebietet doch der Zweck der im § 34 Abs. 2 AVG normierten Maßnahmen der Sitzungspolizei Störungen der Ordnung bzw. des Anstandes bei Amtshandlungen „unmittelbar“ mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen. Die Ordnungsstrafe als sitzungspolizeiliche Maßnahme ist sofort nach erfolgter Störung oder Anstandsverletzung und somit vor Schluss der Amtshandlung zu verhängen (s. VwGH 30.05.1994, 92/10/0469; Hengstschläger/Leeb, AVG, 2. Auflage, § 34 Rz 7; Walter – Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, (1998), S. 472, E. 19).

Die belangte Behörde hat hingegen den bekämpften Bescheid, womit die Ordnungsstrafe gegen den Beschwerdeführer verhängt worden ist, erst zehn Tage nach dem vom Beschwerdeführer gesetzten verwerflichen Verhalten erlassen. Die Ordnungsstrafe nach § 34 Abs. 2 AVG wäre als Disziplinarmittel sofort zu verkünden und nicht erst nachträglich zu verhängen gewesen (s. VwGH 03.10.1963, 1670/62).

Auf die Frage, ob der Verhängung der Ordnungsstrafe als Voraussetzung auch die Androhung der Verhängung einer solchen vorausgegangen ist – solches lässt sich dem von der betroffenen Referentin angefertigten und im Verwaltungsakt befindlichen Aktenvermerk vom 15.09.2017 nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen – brauchte daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Die nachträgliche Verhängung einer Ordnungsstrafe erweist sich aus den genannten Gründen als nicht von der Rechtslage gedeckt, weshalb der Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ordnungsstrafe; Disziplinarmittel; Sitzungspolizei; Anstandsverletzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.131.054.15803.2017

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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