TE Vfgh Erkenntnis 2018/9/24 A5/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2018
beobachten
merken

Index

34/01 Monopole

Norm

B-VG Art137 / Allg
VwGVG §28 Abs5
GlücksspielG §52
RATG §7, §23, §23a

Leitsatz

Abweisung des Begehrens auf Zahlung von Zinsen auf Grund Nichtausfolgung von Glücksspielautomaten durch die Landespolizeidirektion Wien; Möglichkeit der Forderung von gesetzlichen Zinsen nur in Bezug auf Geldschulden; Ersatz der Prozesskosten mangels Ausfolgung der Glücksspielautomaten bei erster Gelegenheit

Spruch

I. Das Begehren auf Zahlung von 4 % Zinsen aus € 9.000,– seit 20. Juni 2017 bis 8. Juni 2018 wird abgewiesen.

II. Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der klagenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 1.446,62 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

III. Das Mehrbegehren an Prozesskosten wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Klage und Vorverfahren

1.       Mit ihrer auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund begehrt die klagende Partei die Erlassung folgenden Urteils:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 20.04.2018, GZ: VGW-002/069/12982/2017-23 und VGW-002/V/069/12982/2017-23 aufgehobenen Bescheid der LPD Wien vom 07.08.2017; GZ: A2/39390/2017 beschlagnahmten und eingezogenen Spielautomaten mit der Bezeichnung 'ACT', Typenbezeichnung 'Skill Memory', Seriennummer UG-DB033-216, mit der Finanzamtskontrollnummer '1', Ein- und Auszahlungsgerät, ohne Seriennummer, mit der Finanzamtskontrollnummer '2', 'WORLD GAMES', Typenbezeichnung 'Skill Memory' Seriennummer UG-M0131-2016, mit der Finanzamtskontrollnummer '3', ohne Gehäusebezeichnung, Typenbezeichnung 'Skill Memory', Seriennummer UG-M0722-2016, mit der Finanzamtskontrollnummer '4', Ein- und Auszahlungsgerät, ohne Seriennummer, mit der Finanzamtskontrollnummer '5', Ohne Gehäusebezeichnung, Typenbezeichnung 'Skill Memory', Seriennummer UG-M0637-2016, mit der Finanzamtskontrollnummer '6' samt Geldinhalt der Gerätekassen binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution auszufolgen.

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei 4% Zinsen aus EUR 9.000,00 seit 20.06.2017 zu bezahlen und deren Prozesskosten zu Handen des Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."

2.       Begründend führt die klagende Partei hiezu aus, die Landespolizeidirektion Wien habe mit Bescheid vom 7. August 2017 sechs (am 20. Juni 2017 vorläufig beschlagnahmte) Eingriffsgegenstände gemäß §53 Abs1 GSpG und den noch festzustellenden allfälligen Geldinhalt der Gerätekassen beschlagnahmt und fünf der Eingriffsgegenstände gemäß §54 Abs1 GSpG eingezogen. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 20. April 2018 habe das Verwaltungsgericht Wien der von der klagenden Partei erhobenen Beschwerde stattgegeben und den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 7. August 2017 aufgehoben. Mit Schreiben vom 24. April 2018 habe die klagende Partei die Landespolizeidirektion Wien aufgefordert, binnen sieben Tagen bekanntzugeben, wo die sechs Eingriffsgegenstände abgeholt werden könnten. Mit Schreiben vom 27. April 2018 habe die Landespolizeidirektion Wien mitgeteilt, dass eine entsprechende Bekanntgabe nach Eintritt der formellen Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung erfolgen werde. Mit Schreiben vom 27. April 2018 habe die klagende Partei die Landespolizeidirektion Wien unter Hinweis auf §28 Abs5 VwGVG nochmals aufgefordert, bekanntzugeben, wann und wo die Geräte abgeholt werden könnten. Da die Landespolizeidirektion Wien auf dieses Urgenzschreiben der klagenden Partei nicht reagiert und die Eingriffsgegenstände nicht an die klagende Partei ausgefolgt habe, sei die klagende Partei zur Klagsführung genötigt.

3.       Mit Eingabe vom 14. Juni 2018 erstattete die beklagte Partei eine Gegenschrift. Hinsichtlich des Ausfolgungsbegehrens bringt die beklagte Partei vor, die sechs Eingriffsgegenstände seien nach Aufhebung des Bescheides der Landespolizeidirektion Wien durch das mündlich verkündete Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20. April 2018 entsprechend der Verpflichtung des §28 Abs5 VwGVG am 11. Juni 2018 an die klagende Partei ausgefolgt worden. Da die Eingriffsgegenstände nicht geöffnet worden seien, sei allfällig in den Gerätekassen befindliches Geld mitausgefolgt worden. Durch die Ausfolgung der Eingriffsgegenstände sei Klaglosstellung eingetreten. Das Zinsenbegehren sei nicht berechtigt, weil gesetzliche Zinsen nur für Geldschulden gebührten. Darüber hinaus sei keine Fälligkeit des Ausfolgungsanspruches eingetreten, weil vor Ablauf der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20. April 2018 keine Leistungspflicht bestanden habe. Weiters werde die Höhe der Zinsenberechnungsgrundlage bestritten. Auch das Begehren der klagenden Partei auf Ersatz der Prozesskosten sei nicht berechtigt, weil die beklagte Partei im Sinne des §41 und 35 Abs1 VfGG iVm §45 ZPO durch ihr Verhalten keinen Anlass zur Erhebung der Klage gegeben habe und den in der Klage erhobenen Anspruch nicht nur anerkannt, sondern auch bei erster Gelegenheit erfüllt habe. Die Frist zur Erhebung einer (letztlich nach Prüfung durch den Bundesminister für Finanzen nicht erhobenen) Amtsrevision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20. April 2018 sei im Zeitpunkt der Ausfolgung der Eingriffsgegenstände am 11. Juni 2018 noch offen gewesen. Die Ausfolgung der Eingriffsgegenstände sei – nach der Entscheidung des Bundesministers für Finanzen und auch der Landespolizeidirektion Wien, keine Revision zu erheben – unverzüglich erfolgt. Nach Ansicht der beklagten Partei bestehe vor Ablauf der Revisionsfrist keine mit einer Klage nach Art137 B-VG durchsetzbare Verpflichtung zur Ausfolgung. Darüber hinaus könne einer Revision auf Antrag aufschiebende Wirkung gemäß §30 Abs2 VwGG zuerkannt werden. Diese sei auch geboten, weil andernfalls die Gefahr bestehe, dass der Zweck der Beschlagnahme – bei erfolgreicher Bekämpfung der Aufhebung der Beschlagnahme vor dem Verwaltungsgerichtshof – vereitelt werde. Die beklagte Partei habe aus diesem Grund die Klage verfrüht eingebracht, weshalb diese zum Ersatz der Prozesskosten zu verpflichten sei. Im Übrigen werde die Höhe des Streitwertes im Sinne des §7 RATG bestritten, der sich aus dem von der klagenden Partei behaupteten Wiederbeschaffungswert für die sechs Eingriffsgegenstände ergebe. Auf der von der klagenden Partei vorgelegten Rechnung seien weder Seriennummern noch Typenbezeichnungen vermerkt, weshalb weder eine Zuordnung vorgenommen, noch eine Aussage über den Wert von vergleichbaren Geräten entnommen werden könne. Zudem könnten die beschlagnahmten bzw eingezogenen Geräte nicht den auf der Rechnung vorhandenen Kategorien (unterschiedlich hohen Wertes) zugeordnet werden. Die Lieferadresse auf der Rechnung sei auch nicht die Adresse des Lokals, in dem die Geräte beschlagnahmt worden seien. Die auf der Rechnung genannte rechnungslegende Gesellschaft sei amtsbekannt keine Geräteherstellerin, sondern "Selbstverwenderin", weshalb es sich um gebrauchte Geräte handeln müsse. Der Wert der Geräte könne je nach Alter und Zustand auch bei null bzw wenigen hundert Euro liegen.

4.       Mit Eingabe vom 20. Juni 2018 schränkte die klagende Partei – nach Mitteilung der Landespolizeidirektion Wien vom 8. Juni 2018 über die sofortige Ausfolgung der sechs Eingriffsgegenstände – unter (nicht näher ausgeführter) vollinhaltlicher Bestreitung des Vorbringens der beklagten Partei die Klage auf die Erlassung folgenden Urteils ein:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 4% Zinsen aus EUR 9.000,00 seit 20.06.2017 bis 08.06.2018 und deren Prozesskosten zu Handen des Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

II.      Rechtslage

1.       §1333 und §1334 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, JGS 946/1811, idF BGBl I 120/2005 lauten:

"Besonders durch die Verzögerung der Zahlung.

Gesetzliche Zinsen und weitere Schäden

§1333. (1) Der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung zugefügt hat, wird durch die gesetzlichen Zinsen (§1000 Abs1) vergütet.

(2) Der Gläubiger kann außer den gesetzlichen Zinsen auch den Ersatz anderer, vom Schuldner verschuldeter und ihm erwachsener Schäden geltend machen, insbesondere die notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

§1334. Eine Verzögerung fällt einem Schuldner zur Last, wenn er den durch Gesetz oder Vertrag bestimmten Zahlungstag nicht einhält. Sofern die Parteien nicht anderes vereinbart haben, hat der Schuldner seine Leistung bei vertragsgemäßer Erbringung der Gegenleistung ohne unnötigen Aufschub nach der Erfüllung durch den Gläubiger oder, wenn die Parteien ein solches Verfahren vereinbart haben, nach der Abnahme oder Überprüfung der Leistung des Gläubigers oder, wenn die Forderung der Höhe nach noch nicht feststeht, nach dem Eingang der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung zu erbringen. Ist die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt, so trägt der Schuldner die Folgen der Zahlungsverzögerung, wenn er sich nach dem Tag der gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat."

2.       §41 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 – VfGG, BGBl 85/1953, idF BGBl I 33/2013 lautet:

"§41. Dem unterliegenden Teil kann auf Antrag der Ersatz der Prozesskosten auferlegt werden. Der Ersatz von Kosten kann auf Antrag auch der klagenden Partei auferlegt werden, wenn sie die von ihr eingebrachte Klage vor Beginn der öffentlichen mündlichen Verhandlung zurückzieht und der beklagten Partei bereits Kosten erwachsen sind."

3.       §41, §43 und §45 des Gesetzes vom 1. August 1895, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung – ZPO), RGBl. 113/1895, idF BGBl 501/1984 lauten:

"§. 41.

(1) Die in dem Rechtsstreite vollständig unterliegende Partei hat ihrem Gegner, sowie dem diesem beigetretenen Nebenintervenienten alle durch die Processführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung nothwendigen Kosten zu ersetzen. Welche Kosten als nothwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei Feststellung des Kostenbetrages ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem von sorgfältiger Würdigung aller Umstände geleiteten Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit das Maß der Entlohnung des Rechtsanwalts oder sonst die Höhe der Kosten durch Tarife geregelt ist, hat die Feststellung des Kostenbetrages nach diesen Tarifen zu geschehen.

(3) Die Vorschriften des ersten Absatzes gelten insbesondere auch hinsichtlich der Kosten, welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitze des Processgerichtes oder des ersuchten Richters wohnenden Rechtsanwalts entstanden sind. Die Kosten, welche dadurch verursacht wurden, dass für die nämliche Partei mehrere Rechtsanwälte beigezogen wurden, sind jedenfalls nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten der Beiziehung eines Rechtsanwalts nicht übersteigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste.

[...]

§. 43.

(1) Wenn jede Partei theils obsiegt, theils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu theilen. Der zu ersetzende Theil kann ziffermäßig oder im Verhältnis zum Ganzen bestimmt werden. Die von der Partei getragenen Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren, Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichtes, Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer, Kosten der notwendigen Verlautbarungen sowie Kosten eines Kurators, die die Partei nach §10 zu bestreiten hatte, sind ihr dabei verhältnismäßig mit dem Teil zuzusprechen, der dem Ausmaß ihres Obsiegens entspricht.

(2) Das Gericht kann jedoch auch bei solchem Ausgange des Rechtsstreites der einen Partei den Ersatz der gesammten, dem Gegner und dessen Nebenintervenienten entstandenen Kosten auferlegen, wenn der Gegner nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Theile seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlasst hat, unterlegen ist, oder wenn der Betrag der von ihm erhobenen Forderung von der Feststellung durch richterliches Ermessen, von der Ausmittlung durch Sachverständige, oder von einer gegenseitigen Abrechnung abhängig war.

[...]

§. 45.

Hat der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage nicht Veranlassung gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort bei erster Gelegenheit anerkannt, so fallen die Processkosten dem Kläger zur Last. Er hat auch die dem Beklagten durch das eingeleitete gerichtliche Verfahren verursachten Kosten zu ersetzen."

4.       §7 Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG), BGBl 189/1969, idF BGBl I 113/2003 lautet:

"§7. (1) Findet der Beklagte die Bewertung des Streitgegenstandes nach den §§56 oder 59 der Jurisdiktionsnorm durch den Kläger zu hoch oder zu niedrig, so kann er spätestens bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung die Bewertung bemängeln. Wird der Wert des Verfahrensgegenstandes im außerstreitigen Verfahren von den Parteien unterschiedlich bezeichnet, so ist dies einer Bemängelung der Bewertung gleichzuhalten.

(2) Mangels einer Einigung der Parteien hat das Gericht möglichst ohne weitere Erhebungen und ohne die Erledigung wesentlich zu verzögern oder Kosten zu verursachen, den Streitgegenstand für die Anwendung dieses Bundesgesetzes im Rahmen der von den Parteien behaupteten Beträge zu bewerten. Gleiches gilt im außerstreitigen Verfahren für die Bewertung des Verfahrensgegenstandes. Dieser Beschluss kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden."

III.    Erwägungen

1.       Zur Zulässigkeit der Klage

Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage als zulässig.

2.       In der Sache

Die – eingeschränkte – Klage ist teilweise begründet.

2.1.    Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

2.1.1.  Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 20. April 2018 gab das Verwaltungsgericht Wien der von der klagenden Partei erhobenen Beschwerde gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 7. August 2017, mit welchem die Landespolizeidirektion Wien gemäß §53 Abs1 GSpG sechs näher bezeichnete Eingriffsgegenstände wegen des Verdachtes eines fortgesetzten Verstoßes gegen eine oder mehrere Bestimmungen des §52 Abs1 GSpG beschlagnahmte und fünf der Eingriffsgegenstände gemäß §54 Abs1 GSpG einzog, Folge und hob den angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Wien auf. Die Landespolizeidirektion Wien beantragte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am 20. April 2018 die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

2.1.2.  Mit E-Mail vom 24. April 2018 forderte die klagende Partei die Landespolizeidirektion Wien unter Setzung einer Frist von sieben Tagen auf, bekannt zu geben, wann und wo die sechs Eingriffsgegenstände abgeholt werden könnten. Mit E-Mail vom 27. April 2018 teilte die Landespolizeidirektion Wien der klagenden Partei mit, dass eine Benachrichtigung über den Ort der Abholung der sechs Eingriffsgegenstände erst nach Eintritt der formellen Rechtskraft erfolgen werde. Mit E-Mail vom 27. April 2018 forderte die klagende Partei die Landespolizeidirektion Wien unter Bezugnahme auf §28 Abs5 VwGVG abermals auf, Ort und Zeitpunkt der Ausfolgung der sechs Eingriffsgegenstände bekannt zu geben.

2.1.3.  Das Verwaltungsgericht Wien stellte dem Bundesminister für Finanzen am 2. Mai 2018 die Verhandlungsschrift vom 20. April 2018 zu, die Spruch und wesentliche Entscheidungsgründe des mündlich verkündeten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien enthielt.

2.1.4.  Mit der auf Art137 B-VG gestützten Klage vom 11. Mai 2018 (eingelangt beim Verfassungsgerichtshof am selben Tag) begehrte die klagende Partei, den Bund zur Ausfolgung der sechs Eingriffsgegenstände und zur Zahlung von 4 % Zinsen aus € 9.000,– (dem von der klagenden Partei angegebenen und von der beklagten Partei bestrittenen Wiederbeschaffungswert für die beschlagnahmten bzw eingezogenen Eingriffsgegenstände) seit 20. Juni 2017 sowie zum Ersatz der Prozesskosten zu Handen des Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu verurteilen. Diese Klage wurde der beklagten Partei am 22. Mai 2018 zugestellt.

2.1.5.  Mit E-Mail vom 8. Juni 2018 teilte die Landespolizeidirektion Wien der klagenden Partei mit, die sechs Eingriffsgegenstände könnten mit sofortiger Wirkung unter einer näher bezeichneten Adresse abgeholt werden. Am 11. Juni 2018 fand die Ausfolgung der sechs beschlagnahmten bzw eingezogenen Eingriffsgegenstände der klagenden Partei statt.

2.1.6.  Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2018 schränkte die klagende Partei das Klagebegehren auf die Zahlung der Zinsen von 4 % aus € 9.000,– und den Ersatz der Prozesskosten ein. Die Zustellung der Klagseinschränkung an die beklagte Partei erfolgte am 27. Juni 2018.

2.2.    Auf Grund der Einschränkung des Klagebegehrens durch die klagende Partei hat der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Fall nur mehr über die von der klagenden Partei für den Zeitraum von 20. Juni 2017 bis 8. Juni 2018 begehrte Zahlung der Zinsen in Höhe von 4 % aus € 9.000,– (dem von der klagenden Partei angegebenen und von der beklagten Partei bestrittenen Wiederbeschaffungswert für die beschlagnahmten bzw eingezogenen Eingriffsgegenstände) und den Ersatz der Prozesskosten abzusprechen.

2.3.    Zu den begehrten Zinsen

Wie die beklagte Partei hinsichtlich der von der klagenden Partei begehrten Zinsen zu Recht vorbringt, können gesetzliche Zinsen im Sinne des §1333 und §1334 ABGB nur in Bezug auf Geldschulden – und nicht im Zusammenhang mit dem im vorliegenden Fall geltend gemachten Ausfolgungsanspruch – gefordert werden. Damit erweist sich das (eingeschränkte) Klagebegehren der klagenden Partei auf Zahlung von 4 % Zinsen aus € 9.000,– seit 20. Juni 2017 bis 8. Juni 2018 als unbegründet.

2.4.    Zu den begehrten Prozesskosten

2.4.1.  Die klagende Partei bewertete den Streitgegenstand mit dem von ihr ins Treffen geführten Wiederbeschaffungswert der beschlagnahmten bzw eingezogenen Eingriffsgegenstände in Höhe von € 9.000,–. Darauf basierend bemaß die klagende Partei ihre Kosten für die Klage gemäß TP 3C RATG (€ 433,–), zuzüglich des doppelten Einheitssatzes in Höhe von 120 % (€ 519,60), eines ERV-Zuschlages (€ 4,10), für den weiteren Schriftsatz betreffend die Klagseinschränkung gemäß TP 3A RATG (€ 288,80), zuzüglich des einfachen Einheitssatzes in Höhe von 60 % (€ 173,28), eines ERV-Zuschlages (€ 2,10), der Umsatzsteuer in Höhe von 20 % (€ 284,18) sowie der Eingabegebühr (€ 240,–).

2.4.2.  Die beklagte Partei verzeichnete auf Basis der – von ihr bestrittenen –Bewertung des Streitgegenstandes durch die klagende Partei Kosten für die Gegenschrift gemäß TP 3C RATG (€ 433,–), zuzüglich des doppelten Einheitssatzes (€ 519,60) und des ERV-Zuschlages (€ 2,10).

2.4.3.  Der Verfassungsgerichtshofes hat in seinem Erkenntnis VfSlg 7182/1973 aus einer Zusammenschau mehrerer die Prozesskosten regelnden Bestimmungen den Grundsatz abgeleitet, dass in einem streitigen Verfahren über Parteienansprüche die unterliegende Partei der obsiegenden Partei die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen hat. Dieser Grundsatz ist nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes auch Inhalt des §41 VfGG, wonach im Verfahren nach Art137 B-VG dem unterliegenden Teil der Ersatz der Prozesskosten auferlegt werden kann (VfSlg 9507/1982). Zur Beurteilung des Kostenersatzanspruches wendet der Verfassungsgerichtshof nach §35 VfGG – sinngemäß – auch die Bestimmungen der Zivilprozessordnung an (vgl VfSlg 4399/1963, 17.533/2005).

Das (eingeschränkte) Klagebegehren auf Ersatz der Prozesskosten ist begründet:

2.4.4.  Die beklagte Partei bringt vor, die klagende Partei habe die Klage verfrüht eingebracht, weshalb diese zum Ersatz der Prozesskosten zu verpflichten sei. Mit der vor Ablauf der Revisionsfrist erfolgten Ausfolgung der Eingriffsgegenstände habe die beklagte Partei im Sinne des §41 und 35 Abs1 VfGG iVm §45 ZPO keinen Anlass zur Erhebung der Klage gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch nicht nur anerkannt, sondern auch sofort bei erster Gelegenheit erfüllt. Die Ausfolgung der Eingriffsgegenstände sei – nach der Entscheidung des Bundesministers für Finanzen und der Landespolizeidirektion Wien, keine Revision zu erheben – unverzüglich erfolgt. Vor Ablauf der Revisionsfrist bestehe keine mit einer Klage nach Art137 B-VG durchsetzbare Verpflichtung zur Ausfolgung. Darüber hinaus könne einer Revision auf Antrag aufschiebende Wirkung gemäß §30 Abs2 VwGG zuerkannt werden.

2.4.5.  Damit ist die beklagte Partei nicht im Recht.

Der Rechtsgrund, auf welchen sich die Beschlagnahme bzw Einziehung der Eingriffsgegenstände stützte, besteht seit der Erlassung des die Beschlagnahme bzw die Einziehung der Eingriffsgegenstände aufhebenden mündlich verkündeten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20. April 2018 nicht mehr. Indes befanden sich die Eingriffsgegenstände zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage gemäß Art137 B-VG am 11. Mai 2018 – entgegen der Rechtsvorschrift des §28 Abs5 VwGVG, der eine unverzügliche Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustandes durch die Behörden vorsieht – nach wie vor im Gewahrsam der Landespolizeidirektion Wien. Vor diesem Hintergrund hätte die klagende Partei mit ihrem Begehren auf Ausfolgung der Eingriffsgegenstände obsiegt, wenn die beklagte Partei diesem nach Einbringung der Klage nicht entsprochen hätte.

Gemäß §45 ZPO fallen die Prozesskosten (und die der beklagten Partei durch das eingeleitete gerichtliche Verfahren verursachten Kosten) der klagenden Partei zur Last, wenn die beklagte Partei durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage nicht Veranlassung gegeben und den in der Klage erhobenen Anspruch sofort bei erster Gelegenheit anerkannt hat.

Im vorliegenden Fall gab jedoch die beklagte Partei der klagenden Partei – mit der am 27. April 2018 an die klagende Partei ergangenen Mitteilung, die beschlagnahmten bzw eingezogenen Eingriffsgegenstände erst "nach Eintritt der (formellen) Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung" herauszugeben und der nicht erfolgten Reaktion auf eine weitere Aufforderung zur Herausgabe der Eingriffsgegenstände durch die klagende Partei am selben Tag – Veranlassung zur Erhebung der (zwei Wochen später eingebrachten) Klage gemäß Art137 B-VG. Entgegen der Auffassung der beklagen Partei erfolgte auch das Anerkenntnis im Rahmen der Mitteilung der beklagten Partei über Ort und Zeitpunkt der Ausfolgung der Eingriffsgegenstände am 8. Juni 2018 – sohin sieben Wochen nach Erlassung des mündlich verkündeten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien – nicht bei erster Gelegenheit.

Die klagende Partei hat der Entsprechung ihres Begehrens auf Ausfolgung der Eingriffsgegenstände durch die Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten gemäß §235 Abs4 ZPO Rechnung getragen. Da die Klage begründet erhoben wurde, ist auch die Kostenersatzforderung der klagenden Partei gerechtfertigt (vgl auch VfSlg 10.533/1985, 10.938/1986; VfGH 21.2.2013, A6/12).

Da die klagende Partei überdies gemäß §43 Abs2 ZPO nur zu einem verhältnismäßig geringfügigen Teil ihres Anspruches – der Nebenforderung von 4 % Zinsen aus € 9.000,– (dem von der klagenden Partei angegebenen Streitwert) seit 20. Juni 2017 bis 8. Juni 2018 – unterlegen ist, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlasst hat, ist der beklagten Partei (dem Grunde nach) der Ersatz der gesamten der klagenden Partei entstandenen Kosten aufzuerlegen.

2.4.6.  Die beklagte Partei bestreitet in ihrer Äußerung zudem die Höhe des (für die Bestimmung der zu ersetzenden Prozesskosten maßgeblichen) Streitwertes im Sinne des §7 RATG, der sich aus dem von der klagenden Partei behaupteten Wiederbeschaffungswert für die sechs Eingriffsgegenstände ergebe. Auf der von der klagenden Partei zu diesem Zweck vorgelegten Rechnung seien weder Seriennummern noch Typenbezeichnungen vermerkt, weshalb weder eine Zuordnung vorgenommen noch eine Aussage über den Wert von vergleichbaren Geräten entnommen werden könne. Zudem könnten die beschlagnahmten bzw eingezogenen Geräte nicht den auf der Rechnung vorhandenen Kategorien (unterschiedlich hohen Wertes) zugeordnet werden. Die Lieferadresse auf der Rechnung sei auch nicht die Adresse des Lokals, in dem die Geräte beschlagnahmt worden seien. Die auf der Rechnung genannte rechnungslegende Gesellschaft sei amtsbekannt keine Geräteherstellerin, sondern "Selbstverwenderin", weshalb es sich um gebrauchte Geräte handeln müsse. Der Wert der Geräte könne je nach Alter und Zustand auch bei null bzw wenigen hundert Euro liegen.

2.4.7.  Der Verfassungsgerichtshof geht unter (nach §35 VfGG sinngemäßer) Anwendung des §41 Abs2 ZPO iVm §7 Abs2 RATG (vgl VfSlg 10.938/1986, 11.039/1986, 11.040/1986, 11.262/1987) auf Grund der einerseits von der klagenden Partei dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Rechnung und der andererseits von der beklagten Partei nicht (durch entsprechende Bescheinigungsmittel) ausreichend substantiierten Bestreitung des Streitwertes davon aus, dass der Streitwert von der klagenden Partei in Höhe von € 9.000,– nicht zu hoch bewertet wurde.

IV.      Ergebnis

1.       Das Begehren auf Zahlung von 4 % Zinsen aus € 9.000,– seit 20. Juni 2017 bis 8. Juni 2018 ist abzuweisen.

2.       Die klagende Partei hat die Klage zu Recht erhoben und das Klagebegehren nach Ausfolgung der beschlagnahmten bzw eingezogenen Eingriffsgegenstände rechtzeitig eingeschränkt. Dem Begehren auf Ersatz der Prozesskosten ist daher stattzugeben.

3.       Das Mehrbegehren an Prozesskosten ist abzuweisen.

4.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5.       Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 iVm §35 Abs1 VfGG und §41 Abs2, §43 und §45 ZPO:

Die der klagenden Partei zustehenden Kosten sind nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz auszumessen. Für die Abfassung der Klage steht der klagenden Partei bei einer Bewertung des Streitgegenstands mit € 9.000,– der Betrag gemäß TP 3C RATG von € 433,– zu. Die Klagseinschränkung ist – entgegen der Auffassung der klagenden Partei – als kurzer Schriftsatz iSd TP 1 RATG zu qualifizieren (zB VfSlg 15.839/2000), wofür der klagenden Partei ein Betrag von € 29,20 zusteht. In den zugesprochenen Kosten sind die Erhöhung für die Einbringung im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs in Höhe von € 4,10 bzw € 2,10 (§23a RATG), doppelter Einheitssatz für die Klage in Höhe von € 519,60 (§23 Abs3 iVm Abs6 RATG) und einfacher Einheitssatz für die Klagseinschränkung in Höhe von € 17,52 (§23 Abs3 RATG), ferner Umsatzsteuer in Höhe von € 191,34 bzw € 9,76 und der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Glücksspiel, Beschlagnahme, Prozesskosten, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:A5.2018

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten