TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/20 93/13/0312

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.07.1999
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §250 Abs1 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der P-Gesellschaft m.b.H.(in Liquidation) in W, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 21. Oktober 1993, Zl. 6/2 - 2324/88-08, betreffend Zurücknahmeerklärung gemäß § 275 BAO (Umsatzsteuer 1986), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden GmbH fand eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend Umsatzsteuer (Voranmeldungszeiträume März bis Dezember 1986) und eine für das zweite Kalendervierteljahr 1986 geltend gemachte Investitionsprämie (S 40,000.000,--) statt. Gegenstand der Prüfung war im Wesentlichen die steuerliche Anerkennung eines Kaufvertrages, mit dem von der Beschwerdeführerin das Recht zur freien Verwertung eines Franchise-Systems um einen Kaufpreis S 500,000.000,-- erworben worden war. Nach Abschluss der Prüfung (Schlussbesprechung am 22. Juli 1987 - Niederschrift hierüber vom 10. September 1987) erließ das Finanzamt u.a. den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1986 (Zustellung am 6. Oktober 1987). In der Begründung wurde auf den Prüfungsbericht verwiesen; diesem wiederum ist zu entnehmen, dass der Prüfer von den Umsatzsteuervoranmeldungen der Beschwerdeführerin ausgegangen war.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung "wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes ... wie auch wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften". Bekämpft wurde die Beurteilung des erwähnten Kaufvertrages als Scheingeschäft; eine nähere Begründung wurde in Aussicht gestellt. Berufungsanträge wurden nicht gestellt.

Das Finanzamt erließ mit Datum 18. November 1987 einen Mängelbehebungsauftrag gemäß § 275 BAO. Es möge mitgeteilt werden, in welchen Punkten der Bescheid angefochten werde und welche Änderung beantragt werde; auch sei die Begründung der Berufung zu ergänzen. Auf die Rechtsfolge der Unterlassung der Mängelbehebung, wonach die Berufung als zurückgenommen gelte, wurde hingewiesen.

Innerhalb offener Frist brachte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin eine "Ergänzung" zur Berufung ein (Eingangsdatum: 3. Dezember 1987), in der auf den Mängelbehebungsauftrag Bezug genommen wurde. Angefochten werde die "rechtswidrige Unterstellung des Scheingeschäftes gemäß § 23 BAO". Verwiesen werde auf die ausführliche Begründung "im Anhang an dieses Schreiben", beantragt werde "die erklärungsgemäße Veranlagung der Umsatzsteuer 1986".

Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1986 gemäß § 275 BAO als zurückgenommen, weil dem Mängelbehebungsauftrag seinerzeit nicht vollinhaltlich entsprochen worden sei. Mit dem Hinweis auf die "rechtswidrige Unterstellung des Scheingeschäftes gemäß § 23 BAO" sei dem Erfordernis des § 250 Abs. 1 lit. b BAO (Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird) entsprochen worden. Nicht jedoch könne das Erfordernis des § 250 Abs. 1 lit. c BAO als erfüllt angesehen werden, wonach die Berufung eine Erklärung zu enthalten habe, welche Änderungen beantragt werden. Das Begehren, eine "erklärungsgemäße Veranlagung der Umsatzsteuer 1986" vorzunehmen, sei deswegen nicht zielführend, weil "bis heute" keine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1986 eingereicht worden sei.

     In der Beschwerde wird die Behauptung aufgestellt, es seien

"alle Steuererklärungen ... von der steuerlichen Vertretung der

Beschwerdeführerin ... eingebracht" worden. Zu diesem Vorbringen

ist der Beschwerde ein Schriftverkehr mit dem (seinerzeitigen) steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin angeschlossen, aus dem Folgendes hervorgeht:

1. Aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 3. Jänner 1994 an deren steuerlichen Vertreter:

"... Wie der Berufungsergänzung vom 26. November 1987 zu entnehmen ist, wurde eine erklärungsgemäße Veranlagung der Umsatzsteuer 1986 beantragt. Wenn nunmehr von der FLD die Behauptung erhoben wird, die Berufungswerberin hätte es bis heute unterlassen, eine Umsatzsteuererklärung 1986 vorzulegen, so mutet dies aus mehreren Gründen seltsam an.

Zum einen ist davon auszugehen, dass Sie sich als steuerlicher Vertreter der Gesellschaft wohl nicht auf eine Umsatzsteuererklärung bezogen hätten, die Sie dem Finanzamt nie vorgelegt haben, sodass hier die Vermutung vorliegt, dass diese Umsatzsteuererklärung 1986 dem Finanzamt zwar vorgelegt wurde, unter Umständen jedoch dort in Verstoß geraten ist.

Zum anderen wäre das Finanzamt im Sinne des § 115 BAO gesetzlich verpflichtet gewesen, im Falle des festgestellten Mangels einer derartigen Umsatzsteuererklärung Sie als steuerlichen Vertreter unserer Gesellschaft auf diesen Mangel hinzuweisen und aufzufordern, einen Zustellnachweis für die Übermittlung dieser Erklärung vorzulegen oder zumindest eine Kopie dieser Erklärung noch einmal vorzulegen, bevor hier eine Berufungsentscheidung ergeht.

Die Abgabenbehörden sind jedoch weder ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht noch ihrer Entscheidungsfrist von längstens sechs Monaten ordnungsgemäß nachgekommen. Der angebliche Mangel einer Umsatzsteuererklärung 1986 wurde vom Finanzamt vielmehr vor der Berufungsentscheidung nie urgiert und die gesetzliche Entscheidungsfrist von längstens sechs Monaten um das Zehnfache überschritten.

Eine entsprechende Nachweisführung kann dem Steuerpflichtigen bzw. seinem steuerlichen Vertreter bei einer derartigen Fristverletzung der Finanzbehörden nunmehr sieben Jahre später (Umsatzsteuer 1986!!) mangels dementsprechender Aufbewahrungsfristen nicht mehr zugemutet werden. ..."

2. Aus dem Antwortschreiben des steuerlichen Vertreters vom 12. Dezember 1994 an die Beschwerdeführerin:

"...

1. Wir selbst verfügen in unserer Kanzlei über keinerlei Bezug habende Unterlagen, sodass mir eine persönliche Recherche unmöglich ist. Immerhin wurde unsere Berufung (wie sie mir jetzt in Kopie vorliegt) am 30. Oktober 1987 eingebracht.

2.

Unsere Steuervollmacht ist seit Jahren nicht mehr aufrecht.

3.

Die Begründung, mit der Ihre Berufung abgewiesen wird, verwundert mich. Jedenfalls ist eine sechsjährige Behandlungszeit mit der jetzigen Begründung nicht stimmig und ungewöhnlich. Diese Begründung - wäre sie zutreffend - hätte man bereits nach wenigen Wochen abfertigen können. Haben Sie vielleicht zwischenzeitig zugegangene Schriftstücke übersehen?

              4.              Natürlich gehe ich davon aus, dass eine Umsatzsteuererklärung 1986 eingereicht wurde (wie wohl wir das nicht beweisen können), wenn wir in unserer Berufung den Antrag auf erklärungsgemäße Veranlagung gestellt haben. Jedenfalls hat meiner Erinnerung nach die Finanzbehörde bei uns diese nicht urgiert, was eine verständliche Vorgangsweise wäre, wenn die Erklärung bei der Behörde in Verstoß geriet. Wurde bei Ihnen die Einreichung niemals urgiert?

An Ihre 15-seitige - von Ihnen persönlich verfasste - Begründung erinnere ich mich noch im Detail. Wie hat die Finanzbehörde hierauf reagiert?

Nochmals bedaure ich, Ihnen in Ermangelung irgendwelcher Unterlagen keine näheren Angaben machen zu können. ..."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 250 Abs. 1 lit. c BAO hat eine Berufung u.a. die Erklärung zu enthalten, welche Änderungen beantragt werden. Es muss sich also der Berufung, allenfalls im Zusammenhalt mit dem bekämpften Bescheid oder mit anderen aktenkundigen Erklärungen des Abgabepflichtigen entnehmen lassen, welchen normativen Inhalt die von ihm angestrebte Berufungsentscheidung haben soll. Beantragt der Abgabepflichtige, so wie die Beschwerdeführerin, er möge "erklärungsgemäß" veranlagt werden, so kann dies nur dann als Erklärung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. c BAO gewertet werden, wenn tatsächlich eine solche Abgabenerklärung eingereicht wurde. Andernfalls bleibt die Erklärung inhaltslos. Entscheidend ist somit im Beschwerdefall, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, dass die Beschwerdeführerin keine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1986 eingereicht hat. Dies ist aus folgenden Gründen zu bejahen:

              1.              Im Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung wird ausschließlich auf die Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 1986 Bezug genommen. Wäre den Prüfungsorganen des Finanzamtes eine Umsatzsteuerjahreserklärung für dieses Jahr vorgelegen, so hätten sie mit größter Wahrscheinlichkeit auf diese Erklärung und nicht auf die Umsatzsteuervoranmeldungen Bezug genommen.

              2.              Für das Jahr 1986 wurden keine Abgabenerklärungen betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer eingereicht. In den Verwaltungsakten finden sich nachstehende Fristverlängerungsansuchen betreffend die Steuererklärungen 1986:

     2. Mai 1988:  "Wir ersuchen um letztmalige Verlängerung der

Frist zur Einreichung der noch offenen Steuererklärungen 1986 ..."

     31. Mai 1988:  "... ersuchen wir letztmalig um Verlängerung

der Frist zur Abgabe der Steuererklärungen 1986 ..."

     30. Juni 1988:  "... ersuchen wir um Verlängerung der Frist

zur Abgabe der Steuererklärungen für 1986 ..."

     1. August 1988: "... ersuchen wir um Verlängerung der Frist

zur Abgabe der Steuererklärungen 1986 ..."

Zwei Erinnerungen des Finanzamtes mit der Androhung von Zwangsstrafen vom 16. August 1988 und vom 23. November 1989 blieben ohne Erfolg; beide angedrohten Zwangsstrafen wurden daher festgesetzt.

Wenn es auch zutrifft, dass die Erinnerungen nur die Körperschaftsteuer- und die Gewerbesteuererklärung für 1986 betrafen (offensichtlich, weil der Umsatzsteuerbescheid 1986 bereits auf Grund der Prüfungsfeststellungen im Oktober 1987 ergangen war und das Finanzamt daher diesbezüglich keine Jahreserklärungen mehr benötigte), lässt das aufgezeigte Verhalten der Beschwerdeführerin bzw. ihrer steuerlichen Vertretung doch den Schluss zu, bei der Abgabe von Steuererklärungen wenig verlässlich gewesen zu sein.

              3.              Aus dem oben erwähnten Schriftverkehr zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem (seinerzeitigen) steuerlichen Vertreter geht hervor, dass weder dieser noch die Beschwerdeführerin über eine Zweitschrift der Umsatzsteuererklärung 1986 verfügen. Da es wohl kaum als üblich bezeichnet werden kann, eine eingereichte Umsatzsteuererklärung während der Dauer eines diesbezüglichen Rechtsmittelverfahrens (auch wenn es jahrelang dauert) zu vernichten, legt auch das Fehlen einer Zweitschrift der Umsatzsteuererklärung 1986 den Schluss nahe, dass eine solche Erklärung nie eingereicht wurde.

Da die belangte Behörde somit den Berufungsantrag auf "erklärungsgemäße Veranlagung" mangels Vorliegens einer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1986 zu Recht als inhaltlos und damit den Mängelbehebungsauftrag als nicht vollständig erfüllt ansehen konnte, hat sie mit dem angefochtenen Bescheid auch zu Recht die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1986 als gemäß § 275 BAO zurückgenommen erklärt. Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1993130312.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten