Entscheidungsdatum
28.11.2018Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W185 2180157-1/3E
W185 2180155-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidungen der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 17.11.2017, Damaskus-OB/KONS/2345/2017, aufgrund der Vorlageanträge von 1. XXXX, geb. XXXX und 2. XXXX, geb. XXXX, alle StA. Syrien, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz LV Salzburg, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 31.08.2017, Damaskus-ÖB/KONS/2238/2017, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 35 AsylG 2005 idgF als unbegründet
abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind (angeblich) Ehegatten und stellten am 11.10.2016 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (im Folgenden: ÖB Damaskus) unter Anschluss diverser Unterlagen Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde der zum Antragszeitpunkt minderjährige (angebliche) Sohn der Beschwerdeführer, XXXX, angegeben.
Der amXXXX geborenen Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 08.07.2016 Zl. 1087583505-151373681 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Am 18.10.2016 übermittelte die ÖB Damaskus die Einreisanträge inkl. der Beilagen an das Bundesamt zur weiteren Veranlassung. Es wurde insbesondere auf die Anmerkungen und den beiliegenden Bericht des Dokumentenberaters hingewiesen. In der entsprechenden "Checkliste für Dokumente" hält der Dokumentenberater an der ÖB Beirut fest, dass "nahezu alle vorgelegten Urkunden Fälschungen" seien und die "Identität und Familienzusammengehörigkeit der Antragsteller ungeklärt" sei. Die Urkunden, außer den Geburtsurkunden, seien gefälscht. Hintergrunddruck ist als Tintenstrahldruck ausgeführt. Unrechtmäßige Ausstellung; Alter des Sohnes in Österreich nicht erwiesen. Identität und Familienangehörigkeit seien nicht geklärt. Er empfahl, die beantragten Visa nicht zu erteilen. Angehängt war ein Bericht mit dem Titel: "Gefälschte syrische Urkunden" vom 13.05.2016.
Zu den seitens der ÖB Damaskus am 18.10.2016 übermittelten Antragsunterlagen der Beschwerdeführer teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 25.07.2017 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich sei, da die Volljährigkeit der Bezugsperson bereits gegeben sei, sodass die Einreise der antragstellenden Eltern mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern sei. Zudem handle es sich bei sämtlichen von den Antragstellern vorgelegten Dokumenten (Personenstandsregisterauszüge, Auszug aus dem Familienregister und Heiratsurkunde) laut Bericht der Österreichischen Botschaft in Beirut um gefälschte Urkunden.
In der bezughabenden Stellungnahme des Bundesamtes wurde zunächst dargelegt, dass der Bezugsperson mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.07.2016, rechtskräftig seit 10.08.2016, der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden und kein Aberkennungsverfahren anhängig sei. Die Bezugsperson sei am XXXX geboren und daher bereits volljährig. In der Folge wurde allgemein ausgeführt, dass es bei antragstellenden Elternteilen darauf ankomme, dass die Bezugsperson in Österreich auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag noch minderjährig sei und wurde diesbezüglich auf die Entscheidung des VwGH vom 28.01.2016, Ra 2015/21/0230 verwiesen. Sofern im Zeitpunkt der Entscheidung bereits die Volljährigkeit der Bezugsperson in Österreich gegeben sei, sei die Einreise der Eltern mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern. Im vorliegenden Fall habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass die Eigenschaft der Antragsteller als Familienangehörige im Sinne von § 35 AsylG gar nicht bestehe, weil die Volljährigkeit der Bezugsperson zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag bereits gegeben sei, sodass die Einreise der antragstellenden Elternteile mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern und somit eine Statusgewährung nicht wahrscheinlich sei. Abgesehen davon bestehe die Eigenschaft der einreisewilligen Antragsteller als Familienangehörige im Sinne von § 35 AsylG auch deshalb nicht, weil diese nicht als Eltern der Bezugsperson hätten identifiziert werden können. Die von den Verfahrensparteien vorgelegten Dokumente hätten sich nämlich als gefälschte Urkunden herausgestellt.
Mit Schreiben vom 28.07.2017, zugestellt am 09.08.2017, übermittelte die ÖB Damaskus die Stellungnahme sowie die Mitteilung des Bundesamtes vom 25.07.2017 mit der Aufforderung an die Beschwerdeführer, die darin angeführten Ablehnungsgründe innerhalb einer Woche durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
Am 10.08.2017 erstatteten die Beschwerdeführer eine Stellungnahme. Darin wurde zunächst ausgeführt, dass XXXX der Sohn der Antragsteller sei, welchem mit Bescheid des Bundesamtes der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Die Beschwerdeführer, die Eltern der Bezugsperson, hätten am 11.10.2016 persönlich bei der ÖB Damaskus Anträge auf Einreise gestellt, um in Österreich das gemeinsame Familienleben mit ihrem Sohn weiterführen zu können. Weiters wurde vorgebracht, dass die Behörde ihre ablehnende Entscheidung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.01.2016 zur Zahl Ra 2015/21/0230 stütze, wonach bei Anträgen von Familienangehörigen, die einer minderjährigen Bezugsperson nachziehen wollen würden, nicht mehr das Antrags-, sondern das Entscheidungsdatum für die Bewertung der Minderjährigkeit relevant sei. Dieses Erkenntnis könne jedoch nicht ohne weiteres auf den gegenständlichen Fall umgelegt werden. In dem genannten Erkenntnis stütze der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung auf die in den Materialien zum FNG-Anpassungsgesetz verankerte Anwendbarkeit der RL 2003/86/EG. Die RL selbst sehe den Nachzug von Eltern nach Art. 4 Abs. 2 lit. a nur optional vor und der Gesetzgeber lasse eine restriktive Tendenz insofern erkennen, dass der zu erfassende Personenkreis nicht über das seitens der RL geforderte Maß hinausgehen solle. Im gegenständlichen Fall sei die Bezugsperson allerdings asylberechtigt, was nicht nur zur vollen Anwendbarkeit der RL führe, sondern auch begünstigende Regeln nach sich ziehe sowie eine generelle Rücksichtnahme erfordern würde. Auf Eltern von minderjährigen Asylberechtigten sei somit nicht der seitens des VwGH zitierte Art. 4 Abs. 2 lit. a anzuwenden, sondern Art. 10 Abs. 3 lit. a., welcher den Nachzug der Eltern zwingend vorsehe. Dies stehe im Einklang mit Art. 5 Abs. 5 der RL, welcher vorschreibe, dass das Kindeswohl in allen Fällen berücksichtigt werden müsse sowie der Judikatur des EuGH, wonach die erfolgreiche Familienzusammenführung den Regelfall darstellen sollte und die Mitgliedstaaten ihren Spielraum nicht in einer Weise nutzen dürfen, der dem Zweck der Richtlinie widerspreche. Es müsse weiters darauf aufmerksam gemacht werden, dass momentan ein Vorabentscheidungsersuchen am Gerichtshof der Europäischen Union anhängig sei, welches sich mit derselben Thematik wie im vorliegenden Fall beschäftige (Rs C-550/2016). Das gegenständliche Verfahren müsse demnach bis zur Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens ausgesetzt oder seinerseits dem EuGH vorgelegt werden. Obwohl das seitens des Bundesamtes zitierte Erkenntnis des VwGH keiner weiteren Auslegung bedürfe, könne dieses nicht derart verstanden werden, dass das Erreichen der Volljährigkeit unabhängig vom jeweiligen Fall dazu führe, dass ein Antrag auf Einreise gem. § 35 AsylG abzulehnen sei. In diesem Fall wäre es nämlich allein der Behörde und ihrer Arbeitsgeschwindigkeit überlassen, ob Asylberechtigte ihr Recht auf Privat- und Familienleben wahrnehmen könnten. Die Verfahrensdauer habe etwa zehn Monate betragen; erst nach mehrmaliger Urgenz habe das Bundesamt die Wahrscheinlichkeitsprognose dann am 25.07.2017 übermittelt. Zum Vorwurf gefälschter Dokumente wurde kritisiert, dass es das Bundesamt und die Botschaft verabsäumt hätten, der Aufforderung zur Stellungnahme den Bericht der Österreich Botschaft Beirut vom 13.05.2016 beizulegen oder dessen Ergebnisse zu konkretisieren. Somit lasse sich nicht nachvollziehen, wer die genannten Dokumente geprüft habe, über welche Qualifikationen diese Person verfüge und anhand welcher Anhaltspunkte die Dokumente als gefälscht erachtet werden würden. Dies stelle eine schwerwiegende Verletzung des Rechts auf Parteiengehör dar. Selbst wenn die eingereichten Dokumente nicht ausreichen würden, um die Familieneigenschaft nachzuweisen, wäre dies für sich kein tauglicher Grund, den Antrag abzuweisen, sondern wären sonstige Beweismittel zu prüfen, etwa eine Einvernahme der Bezugsperson.
Mit Schreiben des Bundesamtes vom 31.08.2017 wurde mitgeteilt, dass - nach Einsicht in die o.a. Stellungnahme - die negative Prognose aufrecht bleibe. Diesbezüglich wurde u.a. auf das Urteil des VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253 bis 0254-7 verwiesen, in dem die Rechtsansicht des Bundesamtes bestätigt würde. Der Sachverhalt bleibe für das Bundesamt unverändert und könne aufgrund der Volljährigkeit der Bezugsperson nicht vom Bestehen des behaupteten und (im Sinne von § 35 Abs. 5 AsylG 2005) relevanten Familienverhältnisses ausgegangen werden.
Mit Bescheiden der ÖB Damaskus vom 31.08.2017, zugestellt am 11.09.2017, wurden die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen.
Gegen die Bescheide richten sich die am 20.09.2017 fristgerecht eingebrachten gleichlautenden Beschwerden, in denen zunächst die Ausführungen der Stellungnahme vom 10.08.2017 wiederholt werden und die Tatsache bekräftigt wurde, dass die Bezugsperson während des behördlichen Verfahrens, nämlich am XXXX, volljährig geworden sei. Das Verfahren habe über 9 Monate und somit überlang gedauert. Sodann wurde bemängelt, dass es das Bundesamt und die Botschaft unterlassen hätten, sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer in deren Stellungnahme auseinanderzusetzen. Dies stelle eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör bzw. einen Begründungsmangel dar, der nicht nur eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, sondern sogar ein willkürliches Verhalten der Behörde darstelle und den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belaste.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 17.11.2017 wies die ÖB Damaskus die Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab:
Nach der Wiedergabe des Verfahrensganges wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde die Ansicht des Bundesamtes teile, wonach eine Familienangehörigeneigenschaft iSd AsylG nicht vorliege, da die Bezugsperson unbestrittenerweise bereits die Volljährigkeit erreicht habe. Diesbezüglich wurde auf die Entscheidung des VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253 bis 0254 verwiesen und ausgeführt, dass die Beschwerdeführer, da die Bezugsperson bereits volljährig sei, auf die anderen - nach NAG und FPG eröffneten - Möglichkeiten zu verweisen seien. Soweit in der Beschwerde eine Aussetzung des Verfahrens nach § 38 Abs. 2 AVG angesprochen werde, sei dafür im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung kein Raum. Davon abgesehen sei der Beschwerdefall entscheidungsreif und stelle die Frage im Vorabentscheidungsersuchen des EuGH C-550/16 für das vorliegende Beschwerdeverfahren - wegen der anders gelagerten Fallgestaltung - keine Vorfrage zur Klärung der Hauptfrage dar. Auf den in der Beschwerde erhobenen Vorwurf der "Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die RL 2003/86/EG" sei zu bemerken, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.01.2016, Ra 2015/21/0230, unter anderem mit dem Begriff "Familienangehöriger" nach § 35 Abs. 5 AsylG näher auseinandergesetzt und insbesondere dargelegt habe, dass aus den Erläuterungen zur Regierungsvereinbarung zum FNG-Anpassungsgesetz 2014 eine restriktive Tendenz in Bezug auf den zu erfassenden Personenkreis zu erkennen sei und auch die Richtlinie 2003/86/EG den Nachzug von Aszendenten (insbesondere den Eltern) in ihrem Art. 4 Abs. 2 lit. a nur optional vorsehe. Ferner habe der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausgeführt, dass in diesem Zusammenhang grundsätzlich die Verhältnisse im Entscheidungszeitpunkt maßgeblich seien, dies allgemeinen Grundsätzen entspreche und etwa bezüglich des Status der Ankerperson schon deshalb unmittelbar einsichtig sei, weil ein im Verfahren eintretender Verlust von deren Asylberechtigung oder von deren subsidiärer Schutzberechtigung von vornherein den Zweck des Antrags nach § 35 AsylG 2005 hinfällig machen würde, da es für einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes dann keine Basis mehr gebe. Für die Stellung als "Familienangehöriger" könne grundsätzlich nichts anderes gelten, auch sie müsse im Entscheidungszeitpunkt gegeben sein. In diesem Zusammenhang sei noch hervorzuheben, dass auch der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 18.09.2015, E 360/2015-21 keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft des (dortigen) Beschwerdeführers im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gesehen habe und diese Judikatur vom Verwaltungsgerichtshof auch in seinen jüngsten Erkenntnissen vom 26.01.2017, Ra 2016/20/0231 und vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253 bestätigt worden sei. Soweit die Beschwerdeführer damit argumentieren würden, dass im Sinne des Kindeswohls das Asylverfahren der Bezugsperson hätte schneller durchgeführt werden müssen, sei festzuhalten, dass dies keinesfalls etwas an der Anwendbarkeit der einschlägigen Norm ändern würde und dieses Argument somit ins Leere gehe. Darüber hinaus entbehre die Verfahrensrüge, wonach sich die Behörde nicht im erforderlichen Ausmaß mit den Argumenten der Beschwerdeführer befasst habe und somit Willkür vorliege, jeglicher Grundlage, zumal sie nach umfangreicher Würdigung des gesamten Vorbringens zu dem berechtigten Schluss gekommen sei, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Einreisetiteln nicht vorliegen würden.
Am 25.11.2017 wurden bei der ÖB Damaskus Vorlageanträge der Beschwerdeführer gem. § 15 VwGVG eingebracht. Zur Begründung wurde auf die Beschwerden vom 20.09.2017 verwiesen.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 15.12.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 19.12.2017, wurden die Vorlageanträge samt Verwaltungsakten übermittelt.
Mit Eingabe vom 03.05.2018 langten "Beschwerdeergänzungen" beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde darin ausgeführt, dass der Gerichtshof der Europäischen Union nunmehr mit Urteil vom 12.04.2018 (Rs C-550/2016) festgestellt habe, dass unter den Begriff "unbegleiteter Minderjähriger" iSd RL 2003/86/EG auch eine Person falle, welche zum Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig gewesen sei, im Laufe des Asylverfahrens volljährig geworden sei und der nach Erreichen der Volljährigkeit Asyl gewährt worden sei. Somit sei es der genannten Zielgruppe auch bei Asylgewährung nach Erreichen der Volljährigkeit möglich, ihr Recht auf Familienzusammenführung zu verwirklichen. Der Antrag auf Familienzusammenführung müsse jedoch innerhalb einer angemessenen Frist nach Asylgewährung erfolgen, wobei der EuGH hier grundsätzlich eine dreimonatige Frist vorschlage. Aufgrund der Wortwahl des EuGH ("angemessene" Frist, "grundsätzlich") könne davon ausgegangen werden, dass bei Antragstellung nach Ablauf dieser Frist der Antrag nicht ohne weiteres abgewiesen werden könne, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Das genannte Urteil des EuGH sei auch im vorliegenden Verfahren gem. § 35 AsylG (Einreiseverfahren) anwendbar und für die Behörde bindend. Das Verfahren nach § 35 AsylG stelle die einzige Möglichkeit für (ehemals) minderjährige Bezugspersonen auf Nachzug ihrer Eltern dar; eine ähnliche Möglichkeit würde sowohl im NAG als auch im FPG fehlen. Im gegenständlichen Fall sei die Bezugsperson am Tag des Antrages auf internationalen Schutz 16 Jahre alt und somit minderjährig gewesen. Zum Zeitpunkt der Asylgewährung am 08.07.2016 sei die Bezugsperson 16 Jahre alt gewesen. Der Einreiseantrag der Beschwerdeführer sei am 11.10.2016 gestellt worden. Die Bezugsperson sei somit trotz Erreichen der Volljährigkeit als "unbegleiteter Minderjähriger" iSd RL 2003/86/EG anzusehen und den Antragstellern sei daher die Einreise zu gewähren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer stellten am 11.10.2016 persönlich bei der ÖB Damaskus jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde XXXX, geb. XXXX, welcher der (angebliche) Sohn Beschwerdeführer sei, genannt. Diesem wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.07.2016, rechtskräftig seit 10.08.2016, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
Die Bezugsperson wurde am XXXX volljährig.
Eine Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführer zur Bezugsperson im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 kann nicht festgestellt werden, da die am XXXX geborene Bezugsperson während des Verfahrens über die Einreiseanträge der Beschwerdeführer nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 volljährig geworden ist. Das Geburtsdatum der Bezugsperson wurde seitens der Beschwerdeführer angeführt und auch im Verfahren zu keiner Zeit bestritten.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten der ÖB Damaskus, den vorgelegten Unterlagen und dem Bescheid des Bundesamtes vom 08.07.2016 Zl. 1087583505-151373681, womit der Bezugsperson der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Das unstrittige Geburtsdatum der Bezugsperson (XXXX) ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführer und aus dem Bescheid des Bundesamtes betreffend die Bezugsperson.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerden:
Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF lauten:
Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind."
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
§ 75 Abs 24 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 24/2016 lautet:
(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs 1 Z 15, 3 Abs 4 bis 4b, 7 Abs 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs 6 und 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde.
§ 22 Abs 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005
§ 26
Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; 30.6.2016, Ra 2015/21/0068 u.a.).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002; 30.6.2016, Ra 2015/21/0068), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem abweichenden Ergebnis, da die Prognose des Bundesamtes zutreffend ist:
Verfahrensgegenständlich wurden am 11.10.2016 Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich asylberechtigte XXXX (bzw XXXX), geb. XXXX, welcher (angeblich) der Sohn der Beschwerdeführer ist. Die gegenständlichen Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels wurden am 11.10.2016 und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 24/2016 (Anm: 01.06.2016) eingebracht, weshalb § 35 AsylG in der Fassung nach dem 01.06.2016 anzuwenden ist.
Die Vertretungsbehörde hat die Einreiseanträge der Beschwerdeführer, gestützt auf die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes, wonach die Bezugsperson im Entscheidungszeitpunkt bereits volljährig gewesen sei, abgewiesen.
Die Vorgangsweise der Vertretungsbehörde ist unter Zugrundelegung der zu ihrem Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht zu bemängeln.
Wie nachstehend dargelegt wird, ist die Abweisung der Anträge durch die Vertretungsbehörde jedenfalls zu Recht erfolgt:
Aus den vorliegenden Akten und Unterlagen ergibt sich zweifelsfrei, dass die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Vertretungsbehörde über die Einreiseanträge der Beschwerdeführer nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 bereits volljährig war. Die unbestrittener Maßen am XXXX geborene Bezugsperson hat die Volljährigkeit am XXXX, somit zwar nach Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, jedoch vor Entscheidung über die Einreiseanträge der Beschwerdeführer, erreicht, womit der Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 in Bezug auf den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin nicht erfüllt ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 nicht mehr vor, wenn die minderjährige Bezugsperson während des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig wird (vgl. VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0253-0254 und die in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung jüngst ergangenen Erkenntnisse des VwGH vom 03.05.2018, Ra 2017/19/0609 bis 0611-10 und vom 24.05.2018, Ra 2017/01/0430). In den beiden zuletzt zitierten Erkenntnissen hat der VwGH zudem festgehalten, dass sich auch aus der Entscheidung des EuGH in der Rs C-550/16 vom 12.04.2018 im Hinblick auf den dortigen nicht vergleichbaren Ausgangssachverhalt, dass der Asylwerber während des Asylverfahrens die Volljährigkeit erreicht hat, keine abweichende Beurteilung ergibt.
War somit, wie im konkreten Fall, die Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über die Einreiseanträge zweifellos (und unstrittig) nicht mehr minderjährig, sind die Eltern der Bezugsperson (dh gegenständlich der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin) sohin nicht als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen.
Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach zur Regelung des § 35 AsylG 2005 festgehalten, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 zielt jedoch gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen ein Einreisevisum zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen. Die Bestimmungen des § 34 und § 35 AsylG 2005 können somit Fälle erfassen, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig jedoch den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen, als es diese Richtlinie verlange. Es könne allerdings nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird (vgl. VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weiters bereits darauf hingewiesen hat, stellt die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und diesen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber - beispielsweise - nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Lauf des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, da diese bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher (etwa) in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen eines Fremden auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen. Es ist auf andere - im NAG und im Fremdenpolizeigesetz 2005 eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Erteilung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0253, 0254).
Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.09.2015 zu E 360-361/2015-21, keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft der Beschwerdeführer als Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gesehen.
Anzumerken ist, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet wurden, im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. Bei Erteilung eines Einreisetitels ist zu berücksichtigen, dass Art. 8 EMRK im Allgemeinen kein Recht auf Einreise in ein bestimmtes Land gewährt (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00, newsletter 2001, 159 uva). Art. 8 EMRK gewährt auch kein unmittelbares Zuwanderungsrecht und lässt den Mitgliedstaaten der EMRK bei der Regelung der Einwanderungspolitik einen breiten Ermessensspielraum (vgl. VfSlg 17.013/2003 und 18.613/2008). Die - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen). Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.
Zusammenfassend erweisen sich die Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 im vorliegenden Fall sohin von vornherein als ungeeignetes Instrument, um dem Anliegen der Beschwerdeführer auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (zwischenzeitig volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen. Die Beschwerdeführer sind vielmehr auf die anderen im NAG und FPG vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung entsprechender Einreisetitel zu verweisen.
Wie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, wurde die Entscheidung der Vertretungsbehörde (Anm: Verneinung der Familienangehörigeneigenschaft des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin) zu Recht mit der während des Einreiseverfahrens nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 eingetretenen Volljährigkeit der Bezugsperson begründet.
Nach dem Gesagten war auf die vom Dokumentenberater festgestellte Fälschung diverser vorgelegter Urkunden (siehe hiezu oben) nicht mehr einzugehen. Auch war die Einvernahme der Bezugsperson als Zeuge im Einreiseverfahren der Beschwerdeführer - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - nicht erforderlich und kann darin ein Verfahrensmangel nicht erkannt werden, zumal das entscheidungswesentliche Kriterium (Alter der Bezugsperson bzw. Datum der Erreichung der Volljährigkeit) zweifelsfrei feststeht. Den Akten ist nicht zu entnehmen, das - wie in der Beschwerde moniert wurde - das Bundesamt die Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 10.08.2017 nicht beachtet hätte.
Im Hinblick darauf, dass im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels besteht, war spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Einreisetitel, Familienangehöriger, VolljährigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W185.2180155.1.00Zuletzt aktualisiert am
29.01.2019