TE Vwgh Erkenntnis 1999/8/24 98/11/0218

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Veröffentlicht am 24.08.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
KFG 1967 §64 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des E S in W, vertreten durch Dr. Karl Zach, Rechtsanwalt in Wien XXIII, Haeckelstraße 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. Juli 1998, Zl. MA 65-8/452/97, betreffend Versagung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 64 Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die bekämpfte Entscheidung beruht auf der Annahme, der Beschwerdeführer besitze wegen des Mangels der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit nicht die zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B nötige gesundheitliche Eignung. Diese Beurteilung fußt auf dem von der belangten Behörde als schlüssig und nachvollziehbar erachteten Gutachten einer medizinischen Amtssachverständigen vom 16. März 1998 (samt Ergänzungsgutachten vom 3. Juni 1998). Hiebei stützte sich die Amtssachverständige auf einen an der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien erstellten Befund vom 20. November 1997, der auch eine Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers unter besonderer Berücksichtigung der Determinanten Beobachtungs-, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit sowie Psychomotorik enthält. Laut Befund seien zum Untersuchungszeitpunkt (29. Oktober 1997) an den Prüfgeräten global reduzierte Scores erhebbar gewesen, die aus der Sicht des gegenständlichen Fachgebietes ein reaktionssicheres Verhalten im Straßenverkehr nicht erwarten ließen. Diese pauschale Leistungsqualifikation ergebe sich auf der Basis folgender Teilleistungen und Richtwerte des Labors: Die Reaktionsfähigkeit auf einfache optische und akustische Signale sei reduziert, wobei eine Verzögerung sowohl der kognitiven Reizverarbeitung als auch des motorischen Vollzugs auffalle. Die Reaktionssicherheit bei komplexer Reizabfolge (Mehrfachreaktionen) sei reduziert; eine Verlangsamung des Reaktionsverhaltens und eine Erhöhung der Fehlreaktionen sei fassbar. Die Belastbarkeit der Reaktionssicherheit bei komplexer Reizabfolge unter erhöhtem Zeitdruck sei reduziert. Die Prüfung der Vigilanz mittels einfacher optischer Signale unter Monotonie-Bedingung über die Dauer von acht Minuten ergebe eine diskrete Beeinträchtigung; die Kurve der Reizverarbeitungszeiten lasse auf eine erhöhte Ermüdbarkeit schließen. Die Konzentrationsfähigkeit bei kognitiver Belastung über 21 Minuten sei nicht entsprechend; die Arbeitskurve weise auf eine Störung der Tenazität und des Antriebes hin.

Dieser Befund stellt keine taugliche Grundlage für die Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers dar. Bei den vorhin wiedergegebenen Ausführungen handelt es sich bereits um die zusammenfassende Beurteilung der betreffenden Komponenten der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers. Aus dem Befund sind jedoch wesentliche Grundlagen für diese Beurteilung nicht ersichtlich, nämlich die angewendeten Testverfahren, der dabei jeweils erzielten Ergebnisse und die der Beurteilung zugrunde gelegten, nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte. Damit ist auch nicht ersichtlich, ob diese Grenzwerte erreicht oder verfehlt wurden (und in welchem Ausmaß). Der Befund ist daher nicht nachvollziehbar. Dieser Mangel wurde im Gutachten der ärztlichen Amtssachverständigen nicht behoben, weshalb auch dieses Gutachten entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht nachvollziehbar ist.

Der angefochtene Bescheid ist aus diesem Grund mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, der zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führen musste.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. August 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998110218.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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