TE Lvwg Erkenntnis 2018/12/18 LVwG-2018/25/2504-3 und LVwG-2018/25/2505-3

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Veröffentlicht am 18.12.2018
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Entscheidungsdatum

18.12.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §26 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerden von AA, geboren X.XX.XXXX, wohnhaft in Adresse 1, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, Y, vom 20.11.2018, gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft X vom 30.10.2018, Zlen *** und ***, betreffend Verfahren gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Den Beschwerden wird Folge gegeben und AA, geboren XX.XX.XXXX in W, gemäß § 26 Abs 1 GewO die Nachsicht vom Ausschluss der Gewerbeausübung wegen gerichtlicher Verurteilungen zur Ausübung nachstehender Gewerbe erteilt:

-    Schadensdokumentation (Aufnahme und Weitergabe von Daten betreffend Schäden, soweit diese rein optisch und ohne besondere Fachkenntnisse feststellbar sind, unter Ausschluss der den Ingenieurbüros (beratende Ingenieure), einschlägigen Reparaturgewerben oder den Beratern in Versicherungsangelegenheiten vorbehaltenen Tätigkeiten)

-    Statistische Erhebungen und Auswertungen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft X AA gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung wegen gerichtlicher Verurteilungen für die Ausübung folgender Gewerbe verweigert:

a. Schadensdokumentation (Aufnahme und Weitergabe von Daten betreffend Schäden, soweit diese rein optisch und ohne besondere Fachkenntnisse feststellbar sind, unter Ausschluss der den Ingenieurbüros (beratende Ingenieure), einschlägigen Reparaturgewerben oder den Beratern in Versicherungsangelegenheiten vorbehaltenen Tätigkeiten) (***)

b. Statistische Erhebungen und Auswertungen (***)

Begründet wurden diese Entscheidungen damit, dass im inländischen Strafregister acht rechtskräftige Verurteilungen aufscheinen, wovon fünf Verurteilungen den Gewerbeausschlussgrund nach § 13 Abs 1 GewO bewirken. Im geschäftlichen Verkehr, so insbesondere mit den damit verbundenen Kontakten mit Geschäftspartnern, Kunden und weiteren im geschäftlichen Zusammenhang stehenden Personen könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller wiederum gleiche oder ähnliche Delikte, welche den Gewerbeausschluss darstellen, begehen werde.

Dagegen richten sich die fristgerechten und zulässigen Beschwerden, in welchen Herr AA durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, für die rechtsrichtige Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes entscheidungswesentliche Feststellungen zu treffen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte sie feststellen müssen, dass die beantragten Nachsichten vom Ausschluss der Gewerbeausübung wegen gerichtlicher Verurteilung zu erteilen wären. Nach § 26 Abs 1 GewO sei eine Nachsicht dann zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist. Dabei sei eine Prognoseentscheidung zu treffen, deren wesentliche Kriterien die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Verurteilten darstellen. Dabei seien alle äußeren Umstände, die auf die Persönlichkeitsentwicklung, sei es im positiven oder negativen Sinn, von Einfluss sein können, zu beurteilen. Eine derartige Prognoseentscheidung habe die belangte Behörde unterlassen und nicht schlüssig dargelegt, warum und aufgrund welcher Umstände des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers eine negative Zukunftsprognose vorliege. Auch wenn zwischen der letzten Tat und den davor hergehenden Verurteilungen ein größerer Zeitraum vergangen ist, hätte dieser Umstand berücksichtigt werden müssen. Der Beschwerdeführer sei innerhalb eines Zeitraumes von ca acht Jahren im Sinn des § 13 Abs 1 GewO 1994 nicht auffällig geworden. Die Verurteilung aus dem Jahr 2017 sei im Zusammenhang mit seiner damaligen beruflichen Tätigkeit als Türsteher zu sehen. Er übe diese Tätigkeit nicht mehr aus, sodass jedenfalls davon auszugehen sei, dass der Antragsteller gleiche oder ähnliche Straftaten nicht mehr begehen wird. Gemäß der Judikatur sei eine Nachsicht dann zu erteilen, wenn die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat mit guten Gründen ausgeschlossen werden kann. Dies liege im konkreten Fall vor, da er nicht mehr als Securityangestellter beschäftigt ist und auch sonst zu keinem Zeitpunkt hinsichtlich der Tatbestände wie Körperverletzung oder Nötigung auffällig geworden sei. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, weitere äußere Umstände, die auf die Persönlichkeitsentwicklung des Beschwerdeführers Einfluss nehmen können, zu berücksichtigen. Es wäre in keiner Weise der private bzw familiäre Werdegang in die Entscheidung eingeflossen. Der Antragsteller habe die verhängten Strafen verbüßt und Wiedergutmachung geleistet. Er habe sich im wahrsten Sinn des Wortes wieder hocharbeiten müssen, um seine wahren Berufsziele zu verfolgen. Der Antragsteller sei verheiratet und Vater von zwei Kindern und erwarte im März 2019 wieder Nachwuchs. Er genieße den Rückhalt einer Familie und gehe selbst im familiären Verbund auf. All diese Umstände habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt. Es werde deshalb beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und die Nachsicht wegen gerichtlicher Verurteilung für die Ausübung der beiden angesuchten freien Gewerbe zu erteilen.

Beweis aufgenommen wurde in der mündlichen Verhandlung am 14.12.2018 durch die Einvernahme des Beschwerdeführers sowie die Verlesung der Akten der Bezirkshauptmannschaft X und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.

Dabei führte der Rechtsmittelwerber Folgendes aus:

„Ich habe nach Absolvierung von Volks- und Hauptschule das 9. Schuljahr an der HTL V verbracht; nachdem ich gemerkt hatte, dass die HTL nicht das Richtige für mich ist, habe ich dann eine Maschinenbaulehre bei der Firma CC in X begonnen und mit der Lehrabschlussprüfung abgeschlossen. Ich habe nachher verschiedene Berufe ausgeübt, unter anderem war ich im Seilbahnbau tätig. Ungefähr 2 Jahre lang habe ich auch als Kellner im Betrieb meines Bruders gearbeitet. Ich habe auch während der Zeit, als ich wegen Eigentumsdelikten straffällig wurde, regelmäßig bei Seilbahnbetrieben gearbeitet. Dies auch im Sommer.

Zu meiner problematischen Zeit war ich Anfang 20 und habe gerne Alkohol getrunken. Die Eigentumsdelikte, für die ich vom Gericht verurteilt wurde, habe ich in 90 % der Fälle in alkoholisiertem Zustand begangen. Ich habe sämtliche Delikte allein und niemals mit anderen zusammen begangen. Bei Sachbeschädigungen, die ich unter Alkoholeinfluss begangen habe, war es dann so, dass ich nach Ausnüchterung sogar zu den Leuten hingegangen bin, mich entschuldigt und bestätigt habe, dass ich der Täter war. So hat die Polizei dann natürlich gewusst, wer der Täter und wer anzuzeigen war. Auch bei den Einbruchsdiebstählen war es so, dass ich das Einbruchswerkzeug nicht herangeschafft habe, sondern in der Nähe, das heißt meistens in irgendwelchen anderen Räumen, vorgefunden habe. Einmal war es so, dass ich nach Betriebsschluss mit der DDbahn ins Tal hinuntergefahren und dann zu Fuß wieder bis zur „EE“ in 3.210 m aufgestiegen bin, um einen Tresor aufzuschneiden. Auch da war ich alkoholisiert.

Wenn mich der Verhandlungsleiter fragt, warum mich die damaligen Verurteilungen vom Gericht nicht von der Begehung weiterer Eigentumsdelikte abhalten konnten, sehe ich dies rückblickend so, dass ich einfach ein Hitzkopf war und das einfach nicht sehen wollte, wie die „Tür hinter mir zugeht“.

Erst nach meiner letzten Verurteilung wegen des Eigentumsdelikts vom 03.02.2009 bin ich zur Besinnung gekommen und habe Bilanz über mein bisheriges Leben gezogen; da ist mir klar geworden, dass ich weder Geld noch Beruf noch Wohnung oder irgendetwas habe und dass es so mit mir einfach nicht weitergehen kann. Ich bin dann nach Hause zu meinen Eltern und die haben mich zum Glück aufgenommen und mir Unterkunft und Verpflegung gewährt. Danach habe ich die Jahre bis 2017 herauf die meiste Zeit als Türsteher gearbeitet. Nebenbei absolvierte ich die Betriebsleiterprüfung für Seilbahnen. Auch mein Vater hat (bisher 47 Jahre) als Betriebsleiter bei der DDbahn gearbeitet; er geht demnächst in Pension. Meine Prüfung als Seilbahnbetriebsleiter habe ich in den Jahren 2014/15 absolviert. 2015 habe ich die Meisterprüfung im Fach Maschinenbau absolviert. Wenn mich der Verhandlungsleiter nun fragt, warum ich aufgrund meiner Qualifikation nicht beispielsweise als Betriebsleiter einer Seilbahn arbeite, so erläutere ich dies dahingehend, dass zwar die Seilbahnunternehmer kaum nach einem Leumund fragen, der Betriebsleiter aber von der Behörde bewilligt werden muss und dort der Leumund erhoben wird. Aufgrund meiner Vorstrafen hätte ich keine Genehmigung bekommen. Als Maschinenbauer im Utal eine Arbeit zu finden ist schwierig, da die Arbeitgeber lieber billigere Gesellen anstellen.

Wenn mich der Verhandlungsleiter zu den Hintergründen der Tat vom 05.02.2017 befragt, zu der ich meine letzte Verurteilung erhielt, so möchte ich einleitend ausführen, dass ich bis dorthin die ganzen „10-er Jahre“ als Türsteher ohne irgendwelche Beanstandungen gearbeitet habe. T ist in dieser Hinsicht ein besonderer Brennpunkt. Das Lokal, für das ich an diesem Tag als Türsteher arbeitete, bestand aus 4 unterteilten Lokalen, welche insgesamt für 4.200 Besucher ausgelegt waren. Sämtliche Gäste mussten durch den Eingang durch, der von mir und einem zweiten Türsteher kontrolliert wurde. Dieses Lokal hatte von 15 Uhr bis 4 Uhr des Folgetages offen, wo ich und mein Kollege durchgehend Dienst hatten. Während eines solchen Dienstes kam es im Durchschnitt dazu, dass etwa zwischen 50 und 70 Personen von uns unter Anwendung von Körperkraft vom Lokal entfernt oder am Betreten des Lokales gehindert werden mussten. Der Vorfall, für den ich verurteilt wurde, hat sich so abgespielt, dass davor auf der Straße eine Rauferei stattgefunden hatte; der Rädelsführer dieser Rauferei wollte dann zu uns ins Lokal herein, was wir ihm verwehrten. Diese Person war relativ stark alkoholisiert. Diese Person hatte bereits aus einem anderen Lokal ein abgebrochenes Glas in der Hand und holte mit diesem auf mich aus. Dem zuvorkommend hatte ich reflexartig ihm eine kräftige Ohrfeige auf die Backe gegeben. Daraufhin fiel diese Person aufs Pflaster und schlug sich dort die Lippen auf. Auch die Verletzung unter dem Auge, die Gegenstand des Urteilsspruchs vom Gericht war, fügte er sich beim Sturz auf das Pflaster zu, da ich den Schlag nicht mit der Faust, sondern mit der offenen Hand ausführte. Die Nötigung, für die ich verurteilt wurde, wonach ich den von mir zuvor Niedergeschlagenen aufgefordert hätte, sofort zu verschwinden, widrigenfalls ich ihn umbringen würde, entspricht nicht den Tatsachen und beruht lediglich auf der Aussage dieses Betrunkenen, dem der Richter mehr Glauben schenkte als mir. Ich war während meiner Dienste als Türsteher immer völlig nüchtern. Ich könnte auch heute wieder als Türsteher zu arbeiten anfangen, will aber als Familienvater diese Tätigkeit einfach nicht mehr ausüben.

Bezüglich der Eigentumsdelikte in den Nuller-Jahren habe ich Schadensgutmachung geleistet, soweit es meine Mittel zugelassen haben. Gegen mich laufen keine Exekutionen mehr, weil meine Mutter im Jahr 2012 alle meine Schulden abgedeckt hat und ich seither gegenüber meiner Mutter diese Schulden nach Maßgabe meiner finanziellen Leistungsfähigkeit zurückgezahlt habe. Auch beim Kreditschutzverband scheint über mich seit zwei Jahren kein Eintrag mehr auf.

Wenn mich der Verhandlungsleiter fragt, ob es potenzielle Auftraggeber oder Geschäftspartner für die beiden von mir angestrebten Gewerbeberechtigungen als Schadensdokumentierer bzw statistischer Erheber gibt, so bejahe ich dies; ich könnte hinsichtlich beider Tätigkeitsbereiche für die Firma FF arbeiten. Ich habe bei der Firma FF in der Vergangenheit schon oft bei der Errichtung von Seilbahnen mitgearbeitet und absolvierte verschiedene Kurse bei diesem Unternehmen. Die Firma FF verfügt über viele Akademiker, aber relativ wenige Leute, die mit ihren eigenen Händen diese Arbeiten ausführen. Die Schadensdokumentation, die auszuüben beabsichtige, würde ausschließlich für meinen in Aussicht stehenden Vertragspartner, die Firma FF, erfolgen. Diese Dokumentationen würden teilweise vor Ort bei den Anlagen ausgeübt (meine Qualifikation als Seilbahnbetriebsleiter und Meister im Maschinenbau kommt mir da entsprechend zugute), teilweise würden diese Erhebungen auch in Büroarbeit bestehen oder im Werk in S. Ich habe sogar von der Firma FF schon einen Dienstplan für das Jahr 2019 bekommen, dass sie mich weiterbilden wollen und auch in Kundenschulungen aufnehmen würden. Es ist eine sehr konkrete und verbindliche Zusage, die nur noch daran scheitert, dass mir die Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO fehlt. Ich würde für die Firma FF auf Werkvertragsbasis arbeiten; es gibt einen Tagessatz pro Arbeitsstunde. Ich habe sogar schon die Arbeitsausrüstung alles zuhause liegen. Die Firma FF hat im Ausland ca 15.000 Anlagen errichtet und ihnen gehen langsam die Leute aus. Die Arbeit als statistischer Erheber würde hauptsächlich in Büroarbeit bestehen, die ich entweder zuhause oder auch vor Ort erledigen würde. Auch diese Tätigkeiten würde ich ausschließlich für die Firma FF machen. Ich habe auch zuhause auf meinem Computer schon die ganzen Zugangsdaten zur Firma FF, damit ich mit deren System arbeiten kann. Sämtliche Reisespesen würden natürlich auch von der Firma FF getragen.

Der Vertrag mit der Firma FF läuft bereits auf 15 Jahre und ich sehe darin eine Zukunftsperspektive, mein Berufsleben grundsätzlich neu zu ordnen und auszurichten.

Aufgrund meiner vielen - eben auch der schlechten – Erfahrungen in meinem bisherigen Leben habe ich inzwischen die Reife gewonnen, dass ich weiß, auf welchem Kurs ich mein Leben gestalten muss und wohin ich mich ja nicht mehr begeben darf. Aus diesem Grund will ich auch kein Nachtgeschäft, sondern etwas Bodenständiges haben.

Im Mai 2019 wird mein Vater mir die Bauerschaft in Z übertragen. Aus diesem Grund benötige ich eine zeitliche Flexibilität, sodass für mich die Arbeit bei der Firma FF nur im Wege eines Werkvertrages und nicht eines Dienstvertrages in Frage kommt. Wenn mich der Verhandlungsleiter fragt, wer dann die Arbeit auf der Bauerschaft macht, wenn ich auswärts für die Firma FF unterwegs bin (meine Frau wird ja im März entbinden), dann führe ich an, dass mein Vater noch so rüstig ist, dass er in der Zeit, wo meine Frau durch die Kinderbetreuung gebunden ist, als Arbeitskraft uns unterstützen wird. Im Bauernhaus meiner Eltern werden zwei Ferienwohnungen betrieben, was dann auch auf mich bzw meine Frau übergehen wird.

Wir haben heuer im Frühjahr geheiratet; das ältere 8-jährige Kind hat meine Frau in die Ehe mitgebracht.

Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass ich während meiner Berufszeit als Türsteher immer froh war, wenn alles ohne Gewalt abging und ich absolut kein Schläger bin. Ich hatte in Bezug auf Körperverletzung auch während meiner sonstigen strafbaren Tätigkeiten nie etwas zu tun. Das war im Jahr 2017 war eine Reflexhandlung, die sich so abgespielt hat, wie ich es dem Gericht vorhin geschildert habe. Ich sehe mich persönlich gereift, sodass ich mir sicher bin, weder im Hinblick auf Eigentumsdelikte noch auf Körperverletzung mich nochmals zu Fehlverhalten hinreißen zu lassen. Ich möchte auch ein guter Familienvater sein, der seinen Kindern ein Vorbild ist und einen anständigen Beruf ausüben kann. Ich war als Türsteher unzählige Male als Auskunftsperson bei der Polizei und hatte bezüglich der verschiedensten Vorfälle aussagen müssen. In meiner beabsichtigten gewerblichen Tätigkeit hafte ich auch mit dem gesamten Vermögen und muss deshalb entsprechend vorsichtig disponieren, um meinen Kindern einmal den Familienbesitz übergeben zu können.“

II.      Sachverhalt:

AA begann nach Absolvierung der Pflichtschulzeit eine Maschinenbaulehre, die er mit der Lehrabschlussprüfung abschloss. Danach übte er verschiedene Berufe aus, er war unter anderem im Seilbahnbau tätig. Zwei Jahre lang arbeitete er auch als Kellner im Betrieb seines Bruders. In den Jahren zwischen 2009 und 2017 arbeitete er als Türsteher. AA legte in den Jahren 2014/15 die Prüfung als Seilbahnbetriebsleiter ab und absolvierte im Jahr 2015 die Meisterprüfung im Fach Maschinenbau. Derzeit arbeitet er im Landwirtschaftsbetrieb seiner Eltern mit, den er im kommenden Jahr von seinem Vater übernehmen soll. Der Rechtsmittelwerber ist verheiratet; er hat mit seiner Frau zusammen ein eineinhalbjähriges Kind, seine Frau erwartet im März 2019 das nächste gemeinsame Kind. Weiters lebt in dieser Beziehung ein achtjähriges Kind, welches seine Frau in die Ehe mitgebracht hat.

Im Strafregister von Herrn AA scheinen acht rechtskräftige Verurteilungen auf, wovon fünf Verurteilungen nach § 13 Abs 1 GewO relevant sind:

-   LG X *** vom 22.08.2001 wegen Diebstahls, gewerbsmäßigen Diebstahls und Urkundenunterdrückung zu 240 Tagessätzen.

-   LG X 29 *** vom 24.03.2004 wegen Diebstahls, schweren Diebstahls und Einbruchsdiebstahls, gewerbsmäßigen Diebstahls, dauernder Sachentziehung und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten.

-   LG X 23 *** vom 21.09.2007 wegen Diebstahls, Einbruchsdiebstahls und dauernder Sachentziehung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten.

-   LG X 29 *** vom 16.09.2009 wegen Diebstahls und Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr.

-   LG X 23 *** vom 23.05.2017 wegen Körperverletzung und Nötigung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen.

AA hat für alle von ihm angerichteten Schäden volle Wiedergutmachung geleistet und ist schuldenfrei.

Die Verurteilung vom Jahr 2017 rührte von einem Vorfall am 05.02.2017, wo AA als Türsteher eines Nachtlokales in T arbeitete. Er führte damals mit einem weiteren Türsteher die Eingangskontrolle durch; ein Betrunkener, der sich davor auf der Straße eine Schlägerei mit anderen geliefert hatte, wollte dann das Lokal betreten, was die beiden Türsteher ihm verwehrten. Daraufhin holte der Betrunkene, der in einer Hand ein abgebrochenes Glas hielt, zu einem Schlag auf den Türsteher AA aus. Dieser kam dem insofern zuvor, als er ihm reflexartig mit der offenen Hand eine kräftige Ohrfeige auf die Backe gab, sodass der Betrunkene auf das Pflaster fiel und sich dabei an den Lippen und unter dem Auge blutende Verletzungen zuzog.

AA hat das Angebot der Firma FF aus S, für diese Firma auf Werksvertragsbasis als Schadensdokumentierer bzw statistischer Erheber zu arbeiten. Die Tätigkeiten, für die er die beiden Gewerbeberechtigungen anmelden will, würden ausschließlich für diese Firma geführt. Die Dokumentationen würden teilweise vor Ort bei den Anlagen, teilweise im Werk in S und teilweise in seinem Büro zuhause ausgeführt. Die Arbeit als statistischer Erheber würde entweder zuhause im Büro oder vor Ort bei den Seilbahnanlagen erfolgen. AA hat bereits verschiedene Kurse bei der Firma FF absolviert und auch schon in der Vergangenheit bei der Errichtung von Seilbahnen dieser Firma mitgearbeitet. Die Firma FF hat ihm ein konkretes und verbindliches Vertragsangebot für 15 Jahre unterbreitet; ihm wurde bereits die komplette Arbeitsausrüstung übergeben ebenso wie die Zugangsdaten in das EDV-Netz zur Firma FF, damit er mit deren System arbeiten kann. Der Vertragsabschluss scheitert bislang lediglich an der fehlenden Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO.

III.     Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der Akten der Bezirkshauptmannschaft X und des Landesverwaltungsgerichts Tirol sowie den Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Im Zuge dieser ca eineinviertel Stunden dauernden Befragung konnte das Verwaltungsgericht einen persönlichen Eindruck von AA gewinnen. Dieser sprach dabei offen und ohne Beschönigung über seine Vergangenheit. Er führte auch an, wie er nach der Verurteilung wegen des Eigentumsdelikts vom 03.02.2009 Bilanz über sein bisheriges Leben gezogen hat und dann zur Einsicht gelangt ist, dass dieser Lebensweg so nicht weiter beschritten werden kann. Weiters schilderte der Rechtsmittelwerber, wie er mit der Hilfe seiner Eltern wieder zu einem geregelten Leben finden konnte und ihm seine Eltern auch eine volle Schadenswiedergutmachung ermöglichten. Der Beschwerdeführer vermittelte glaubhaft den Eindruck, mit seiner Vergangenheit abgeschlossen zu haben und nun als Landwirt und Gewerbetreibender in Kooperation mit der Firma FF seine Rolle als Ehemann und Vater wahrnehmen zu wollen. Das Gericht hatte nicht den Eindruck, dass dieses Verhalten für die Verhandlung vorgespielt war.

IV.      Rechtslage:

Im vorliegenden Verfahren sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung maßgeblich:

㤠13

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1. von einem Gericht verurteilt worden sind

a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2. die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

(…)

§ 26

Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben

(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

(…)“

V.       Erwägungen:

In § 26 Abs 1 GewO ist die positive Persönlichkeitswertung als Nachsichtvoraussetzung vorgesehen. Es handelt sich um keine Ermessensentscheidung. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 ausgesprochen, dass diesbezüglich eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Betroffenen zu treffen ist, bei der auch auf seine Persönlichkeit bzw auf sein Wohlverhalten abzustellen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass bei Erstellung einer Zukunftsprognose die Verschaffung eines – im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gewonnenen – persönlichen Eindrucks von der betreffenden Person besondere Bedeutung zukommt. Wenn das Verwaltungsgericht eine von der Einschätzung der belangten Behörde abweichende Prognoseentscheidung vornimmt, hat eine mündliche Verhandlung vorauszugehen (vgl VwGH 18.02.2015, Ra 2014/04/0035).

Der Beschwerdeführer hat in den Jahren zwischen 2001 und 2009 eine Vielzahl von Eigentumsdelikten begangen. Seit der Tat vom 03.02.2009 ist er dahingehend nicht mehr auffällig geworden. Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit hatte er in dieser Zeit nicht begangen. Er arbeitete dann sieben Jahre als Türsteher, wo er im Jahr 2017 in einer überschießenden Abwehrhandlung einen Angreifer am Körper verletzte. Seither will er in diesem Beruf nicht mehr arbeiten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Erteilung der Nachsicht gemäß §  26 Abs 1 ausgesprochen, dass diesbezüglich eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Betroffenen zu treffen ist, bei der auch auf seine Persönlichkeit bzw auf sein Wohlverhalten abzustellen ist (VwGH 27.10.2014, 2013/04/0103). Die Schwierigkeit im gegenständlichen Fall liegt darin, dass AA nach einer Wohlverhaltenszeit von acht Jahren mit einer Körperverletzung auffällig geworden ist. Diese Tat liegt noch nicht einmal zwei Jahre zurück, was eine Problematik in sich birgt. Hinsichtlich seiner Vermögensdelikte hat der Antragsteller volle Schadenswiedergutmachung geleistet; die Arbeit als Türsteher will er seit dem Vorfall am 05.02.2017 nicht mehr ausüben.

Der Umstand, dass sich der Rechtsmittelwerber beruflich weiter entwickeln will, dokumentiert sich in der Ablegung der Prüfung als Seilbahnbetriebsleiter in den Jahren 2014/15 und in der Ablegung der Meisterprüfung im Fach Maschinenbau.

AA hat ein verbindliches Angebot zu einem Werkvertrag der renommierten Seilbahnfirma FF, wofür er die beiden gegenständlichen Gewerbeberechtigungen benötigt. Wenn eine so renommierte Firma wie FF jemandem einen Werkvertrag anbietet im Wissen, dass ein Nachsichtverfahren gemäß § 26 Abs 1 GewO im Laufen ist, kann davon ausgegangen werden, dass dieses Vertragsangebot wohlüberlegt ist und seitens des Kooperationspartners keine Bedenken bestehen, dass der Werkvertragsnehmer, der im Namen der Firma FF auftreten wird, im Zuge der Ausübung seiner Gewerbeberechtigungen gerichtlich strafbare Handlungen begehen wird. Da der Rechtsmittelwerber auch dem Verwaltungsgericht gegenüber den Eindruck vermittelte, künftig ein rechtsschaffendes Leben führen zu wollen, erkennt die Rechtsmittelinstanz bei diesen konkreten Umständen (Fa FF) keine Befürchtung, dass AA bei der Ausübung der beiden Gewerbeberechtigungen gleiche oder ähnliche Straftaten wie in der Vergangenheit begehen wird. Im Fall einer solchen positiven Persönlichkeitswertung hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Nachsicht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Zukunftsprognose zu berücksichtigen; Antragsteller hat den Eindruck hinterlassen, in ehrlicher Weise geläutert zu sein; Werkvertragspartner in Kenntnis des Nachsichtsverfahrens keine Bedenken hinsichtlich Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftaten bei der Ausübung dieser Gewerbe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.25.2504.3.und.LVwG.2018.25.2505.3

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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