TE OGH 2018/12/12 15Os127/18t

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Veröffentlicht am 12.12.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Gsellmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Zouahir H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten H***** sowie die Berufungen des Angeklagten I***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 18. Juli 2018, GZ 41 Hv 26/18g-68, ferner über die Beschwerden des Angeklagten I***** und der Staatsanwaltschaft gegen unter einem gefasste Beschlüsse nach § 494a Abs 1 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, der Angeklagten H***** und I***** und ihrer Verteidiger, Dr. Wolff und Dr. Hofer, zu Recht erkannt:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten H***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie demzufolge auch der ihn betreffende Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und in der Sache selbst

I.) erkannt:

Zouahir H***** wird unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. Februar 2018, AZ 61 Hv 145/17b, nach § 143 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von

acht Jahren und neun Monaten

verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Der Angeklagte H***** wird mit seiner Berufung ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer diesen Angeklagten betreffenden Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten I***** und der diesen Angeklagten betreffenden Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

II.) der

Beschluss

gefasst:

Spruch

Vom Widerruf der zu AZ 13 BE 238/11v des Landesgerichts Ried im Innkreis gewährten bedingten Entlassung des H***** wird abgesehen. Darauf wird die Staatsanwaltschaft mit ihrer diesen Angeklagten betreffenden Beschwerde verwiesen.

Der Beschwerde des Angeklagten I***** und der ihn betreffenden Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Den Angeklagten H***** und I***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden

Zouahir H***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./) und des Vergehens des durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall StGB, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, (B./) sowie

Abdul I***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./) und des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (B./III./) schuldig erkannt.

Danach haben

A./ Zouahir H***** und Abdul I***** am 18. Jänner 2018 in S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter der Güldane C***** als Gewahrsamsträgerin des Schmuckgeschäfts „A*****“ durch Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von 6.721,60 Euro mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht, indem I***** der C***** einen nach vorne spitz zulaufenden Kartoffelschäler an den Hals hielt, sie in die Toilette drängte und dort zu fesseln versuchte, wobei er mehrfach in englischer Sprache Geld von ihr forderte, während H***** im Verkaufsraum des Juweliergeschäfts Schmuckstücke und Uhren einpackte, wobei die Tat infolge Einschreitens der Exekutivbeamten letztlich beim Versuch blieb;

B./ zu nachgenannten Zeiten in S***** anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei H***** gewerbsmäßig handelte, und zwar

I./ Zouahir H***** und weitere unbekannte Mittäter am 15. Jänner 2018 in zwei Angriffen Gewahrsamsträgern des Drogeriemarkts M***** Parfums im Gesamtwert von 250 Euro;

II./ Zouahir H***** am 20. Dezember 2017 Mag. Johanna W***** und Dipl.-Ing. Elisabeth N***** aus deren offenstehendem Haus diverse Schmuckstücke, Silberbesteck und Bilder in unbekanntem Wert und

III./ Abdul I***** am 16. Jänner 2018 dem Juwelier B***** zwölf Armbanduhren der Marke Giorgio Armani im Gesamtwert von 1.784 Euro durch Einschlagen von drei Vitrinen mit einem mitgeführten Hammer, wobei H***** zu der strafbaren Handlung beitrug, indem er Aufpasserdienste leistete.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*****.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider bedurfte die Passage aus der Aussage des Angeklagten H*****, wonach er weder vom Einsatz des Kartoffelschälers noch vom Klebeband (vorher) gewusst habe (ON 67 S 7), keiner gesonderten Erörterung. Im Hinblick auf dessen weitere Angaben, er habe während der Tatbegehung gemerkt, dass I***** den Kartoffelschäler in der Hand hatte, selbst aber weiter Gold eingepackt (ON 67 S 8 f), stand sie nämlich den kritisierten Urteilsfeststellungen (US 5 letzter Absatz) nicht entgegen (RIS-Justiz RS0098646; zur Zurechnung eines zuvor nicht abgesprochenen Waffeneinsatzes bei konkludenter Billigung während der Tatausführung vgl Eder-Rieder in WK² StGB § 143 Rz 14; Fabrizy, StGB12 § 143 Rz 9).

Dies gilt auch für die Angaben des Angeklagten I*****, der Beschwerdeführer habe vor dem Raub bzw beim Betreten des Tatorts nicht gewusst, dass er (I*****) einen Kartoffelschäler mit sich führte (ON 67 S 4 ff), sowie für die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, wonach die Idee zur Tatausführung vom Mitangeklagten stammte.

Zutreffend zeigt die Rüge (Z 11 erster Fall) hingegen in Ansehung der rechtlichen Annahme einer Strafbefugnis im Sinn des § 39 StGB (vgl US 9 zweiter Absatz) einen Rechtsfehler mangels Feststellungen auf. Die hiezu getroffenen Feststellungen, wonach die Strafregisterauskunft des Angeklagten vier (nicht weiter konkretisierte) einschlägige Vorstrafen zuzüglich einer Verurteilung in Italien wegen Raubes aufweise (US 5 erster Absatz), lassen nämlich den rechtlichen Schluss auf die Erfüllung der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nicht zu.

Solcherart leidet der Strafausspruch an einer Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO, welche dessen Aufhebung zur Folge hat. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11) erübrigt sich.

Der Strafneubemessung vorauszuschicken ist, dass der Angeklagte H***** (unter anderem) zwei einschlägige Vorverurteilungen zu Freiheitsstrafen aufweist (Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 13. Juni 2013, AZ 31 Hv 77/13a: acht Monate Freiheitsstrafe ua wegen §§ 127, 130 StGB; Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 11. August 2014, AZ 39 Hv 76/14i: 13 Monate Freiheitsstrafe wegen § 28 Abs 1 und 2 SMG), die er tatsächlich verbüßt hat. Die Voraussetzungen der Strafschärfung nach § 39 StGB liegen somit vor.

Erschwerend waren die einschlägigen Vorstrafen, die Mehrfachqualifikation beim Diebstahl und – unter Bedachtnahme auf die Verurteilung zu AZ 61 Hv 145/17b des Landesgerichts Salzburg (§§ 31, 40 StGB) – das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen, mildernd hingegen das (teilweise) Geständnis, die untergeordnete Beteiligung bei (einem) Einbruchsdiebstahl und die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Die Delinquenz während eines anhängigen Verfahrens bildet zwar keinen eigenen besonderen Erschwerungsgrund, war aber im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0119271). Nicht mildernd kann sich die von der Berufung des Angeklagten ins Treffen geführte, durch Drogenkonsum bewirkte „eingeschränkte Schuldfähigkeit“ auswirken (vgl § 35 StGB), für eine schuldmindernde Einwirkung eines Dritten oder eine weitergehende untergeordnete Tatbeteiligung (§ 34 Abs 1 Z 4 und 6) sowie eine drückende Notlage (§ 34 Abs 1 Z 10) gibt es – der Berufung zuwider – keine Anhaltspunkte.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe und unter Zugrundelegung des nach § 39 StGB gegebenen Strafrahmens von einem bis zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe war die aus dem Spruch ersichtliche Zusatzstrafe tat- und schuldangemessen.

In Anbetracht dieser fühlbaren Sanktion ist der Widerruf der zu AZ 13 BE 238/11v des Landesgerichts Ried im Innkreis gewährten bedingten Entlassung spezialpräventiv nicht zusätzlich notwendig.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen, letztere auch mit ihrer Beschwerde.

Zum Angeklagten I*****:

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 143 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten.

Als erschwerend wertete es drei einschlägige Vorstrafen, den raschen Rückfall, das Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen und die Tatbegehung vor Strafantritt, mildernd hingegen das Geständnis und die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Dagegen richten sich die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, die eine Herabsetzung bzw eine Erhöhung der Freiheitsstrafe anstreben.

Dass der – zutreffend als erschwerend gewertete (vgl Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 11) – rasche Rückfall auch bei der Entscheidung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht in Anschlag gebracht wurde, verstößt – dem Einwand der Berufung zuwider – nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 74). Hingegen war die „Tatbegehung vor Strafantritt“, für die sich kein Sachverhaltssubstrat findet, nicht als besonderer Erschwerungsgrund zu werten.

Bei Abwägung dieser – modifizierten – Strafzu-messungsgründe und unter Bedachtnahme auf das umfassende, zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis einerseits, die – wie die Staatsanwaltschaft zu Recht anmerkt – erhöhte Gewalt bei der Tatbegehung andererseits, erweist sich die vom Erstgericht gefundene Sanktion als tat- und schuldangemessen.

Weiters sah das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der in den Verfahren AZ 61 Hv 26/16a und AZ 61 Hv 109/16a des Landesgerichts Salzburg gewährten bedingten Strafnachsichten ab, widerrief jedoch gemäß Z 4 leg cit die im Verfahren AZ 63 Hv 131/16g des Landesgerichts Salzburg gewährte bedingte Nachsicht eines Teils der Strafe.

Gegen den Widerruf richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, gegen das Absehen vom Widerruf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft.

Im Hinblick auf die bisherige Erfolgslosigkeit der dem Angeklagten angediehenen Resozialisierungshilfen ist es nunmehr spezialpräventiv erforderlich, zumindest die im Verfahren AZ 63 Hv 131/16g des Landesgerichts Salzburg gewährte Nachsicht eines Strafteils von elf Monaten zu widerrufen. Einer darüber hinausgehenden Aktualisierung bislang in Schwebe gehaltener Sanktionen bedarf es hingegen nicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E123702

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00127.18T.1212.000

Im RIS seit

14.01.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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