TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/13 98/09/0168

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Veröffentlicht am 13.09.1999
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
MRK Art6 Abs1;
VStG §51e Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/09/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über 1. die zur hg. Zl. 98/09/0168 protokollierte Beschwerde des HW (geboren am 15. März 1962) in B, vertreten durch Dr. Karl Nöbauer, Rechtsanwalt in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 17, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 2. April 1998, Zl. VwSen-250681/2/KON/FB, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, und über 2. die zur hg. Zl. 98/09/0169 protokollierte Beschwerde des HW (geboren am 13. August 1934) in B, ebenfalls vertreten durch Dr. Karl Nöbauer, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 2. April 1998, Zl. VwSen-250623/2/KON/FB, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (in beiden Beschwerdeverfahren weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 22. Juli 1997 und vom 24. Juli 1997 wurden die Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) und gemäß § 9 Abs. 1 VStG jeweils mit einer Geldstrafe von S 10.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, bestraft, weil sie es als handelsrechtliche Geschäftsführer der Doppler & Co Ges.m.b.H. zu verantworten hätten, dass diese im Zeitraum vom 7. März 1996 bis zum 29. Juli 1996 eine namentlich genannte kroatische Staatsangehörige beschäftigt habe, obwohl sie für diesen Zeitraum nicht im Besitz einer gültigen Beschäftigungsbewilligung gewesen sei und auch die Ausländerin selbst nicht über eine gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügt hätte. Diese Entscheidungen wurden jeweils damit begründet, dass die genannte Ausländerin vor dem angeführten Zeitraum aufgrund einer gültigen Beschäftigungsbewilligung von der Ges.m.b.H. der Beschwerdeführer beschäftigt gewesen sei. Erst mehrere Monate, nachdem die Beschäftigungsbewilligung abgelaufen gewesen sei, habe sich die genannte Ausländerin um die Erteilung einer Arbeitserlaubnis bemüht. Es wäre an den Beschwerdeführern gelegen, rechtzeitig eine neuerliche Beschäftigungsbewilligung zu erwirken. Der Einwand der Beschwerdeführer, die Ausländerin selbst hätte auf das Auslaufen ihrer Beschäftigungsbewilligung hinweisen müssen, sei nicht geeignet, das Verschulden der Beschwerdeführer an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung in Frage zu ziehen.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer jeweils Berufungen, in welchen sie zwar die Tatsache, dass die genannte Ausländerin im angeführten Zeitraum von der Doppler & Co Ges.m.b.H. beschäftigt gewesen sei, nicht bestritten, im Übrigen aber sowohl eine unrichtige Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, als auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung in den Bescheiden der Behörde erster Instanz geltend machten. Die belangte Behörde sah von der Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen im Gegenstand ab und wies mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 2. April 1998 die Berufungen der Beschwerdeführer hinsichtlich des Schuldspruches ab. Hinsichtlich des Strafausspruches wurde den Berufungen insoweit Folge gegeben, als die verhängte gesetzliche Mindeststrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG auf den Betrag von S 7.000,--, sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf die Dauer von 24 Stunden und der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auf den Betrag von S 700,-- herabgesetzt wurden. Diese Entscheidungen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass der objektive Tatbestand der von den Beschwerdeführern gesetzten Verwaltungsübertretungen als unstrittig erwiesen zu erachten sei. Es sei Sache des Arbeitgebers, den Ablauf der Beschäftigungsbewilligung wahrzunehmen und bei beabsichtigter Weiterbeschäftigung des Ausländers rechtzeitig vor Ablauf der Beschäftigungsbewilligung um deren Verlängerung anzusuchen; das AuslBG sehe keine Bestimmung vor, wonach der beschäftigte ausländische Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber den Ablauf der für ihn erteilten Beschäftigungsbewilligung anzuzeigen hätte. In Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG seien Strafen von jeweils bloß S 7.000,-- zu verhängen gewesen, weil die Beschwerdeführer ihren sozialrechtlichen Verpflichtungen insoferne ordnungsgemäß nachgekommen seien, als die Ausländerin auch im Tatzeitraum zur Sozialversicherung angemeldet gewesen sei und den Verwaltungsübertretungen doch mehr der Charakter eines bloßen "Bürodeliktes" mit vergleichsweise geringeren Unrechtsgehalt gegenüber sonst begangenen Übertretungen gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG zuzuerkennen sei. Eine Anwendung des § 21 VStG sei deswegen nicht möglich, weil die in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen, nämlich Geringfügigkeit des Verschuldens und unbedeutende Folgen der Übertretung, nicht vorlägen. Die Verwirklichung des Tatbestandes hätte nämlich bei entsprechender und durchaus zumutbarer administrativer Sorgfalt hintangehalten werden können.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, mit welchen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt werden. Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen geltend, dass die belangte Behörde ihr Verschulden zu Unrecht nicht als geringfügig angesehen habe.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor, erstattete Gegenschriften und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über beide Beschwerden erwogen:

Im Beschwerdefall sind die maßgebenden Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1979 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 895/1995, anzuwenden.

Als Beschäftigung gilt gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG die Verwendung

a) in einem Arbeitsverhältnis, b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird, c) in einem Ausbildungsverhältnis, d) nach den Bestimmungen des § 18 oder

e) überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des AÜG, BGBl. Nr. 196/1988.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde, ... bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 60.000,--.

Zwar ist der belangten Behörde insofern kein Vorwurf zu machen, als sie - auf Grund des von ihr festgestellten Sachverhaltes - von der Verhängung einer Strafe im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG nicht absah. Dies wäre angesichts der doch beträchtlichen Dauer der unerlaubten Beschäftigung der Ausländerin sowie auch im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführer im gesamten Verfahren keine Hinweise dahingehend, durch welches wirksame Kontrollsystem in ihrem Betrieb für die Einhaltung der hinsichtlich die Beschäftigung von Ausländern geltenden Bestimmungen gesorgt wird (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1994, Zl. 94/09/0049, und vom 1. Juli 1998, Zl. 97/09/0004), gegeben haben.

Dennoch sind die Beschwerden im Ergebnis begründet. Gemäß § 51e Abs. 1 VStG in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 hat nämlich der unabhängige Verwaltungssenat, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage oder aufgrund ergänzender Erhebungen ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Gemäß § 51e Abs. 2 VStG kann eine öffentliche mündliche Verhandlung nur dann unterbleiben, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, es sei denn, dass eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Im Beschwerdefall lag keiner dieser Ausnahmsfälle vor. Die Beschwerdeführer haben auch nicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet - in welchem Falle die belangte Behörde von deren Durchführung gemäß § 51e Abs. 3 VStG hätte absehen dürfen.

Die Beschwerdeführer hätten bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, auf deren Durchführung sie gemäß § 51e VStG ein Recht hatten, jedes zweckdienliche Vorbringen erstatten können. Die belangte Behörde hätte sich damit auseinander setzen müssen, zumal die Beschwerdeführer gemäß § 51g Abs. 2 und 4 VStG an jede hiebei vernommene Person hätte Fragen stellen und sich zu allen Beweismitteln hätten äußern können, und die belangte Behörde hätte gemäß § 51i VStG nach Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung bei Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist; sie hätte auch auf Aktenstücke nur insoweit Rücksicht nehmen dürfen, als sie bei der Verhandlung zulässigerweise verlesen worden wären (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/09/0231, mit weiteren Nachweisen, sowie vom 6. März 1997, Zl. 95/09/0316).

Die belangte Behörde hat somit entgegen § 51e VStG die Durchführung der nach Lage der Beschwerdefälle erforderlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung unterlassen und sie hätte bei deren Durchführung zu einem anderen Ergebnis kommen können. Dieser - im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK - wesentliche Verfahrensmangel führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998090168.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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