TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/13 97/09/0021

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Veröffentlicht am 13.09.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AMSG 1994 §24;
AMSG 1994 §58 Abs1;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des M K und des A S, beide in D und vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 20. Dezember 1996, Zl. 636.878/1-7/1996, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Übergang der Entscheidung in einer Angelegenheit der Ausländerbeschäftigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer erhoben am 27. März 1996 gegen den Bescheid (der regionalen Geschäftsstelle) des Arbeitsmarktservice Dornbirn vom 15. März 1996, mit dem der Antrag des Zweitbeschwerdeführers vom 7. März 1996 auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den Erstbeschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 leg. cit. abgelehnt worden war, Berufung an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg. Über diese Berufung der Beschwerdeführer ist bislang keine Entscheidung ergangen (vgl. insoweit auch bereits den Hinweis im hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 96/09/0154).

Am 3. Oktober 1996 stellten die Beschwerdeführer einen "Devolutionsantrag" an den Bundesminister für Arbeit und Soziales. Sie beantragten darin den Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 20. Dezember 1996 wurde dieser Antrag der Beschwerdeführer auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung vom 27. März 1996 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Dornbirn vom 15. März 1996 gemäß § 73 Abs. 2 AVG wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

In der Begründung dieser Entscheidung führte der Bundesminister im Wesentlichen aus, im Hinblick auf den in § 58 Abs. 2 AMSG geregelten Weisungszusammenhang sei die Bundesorganisation (der Vorstand) des Arbeitsmarktservice als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Verhältnis zur Landesorganisation des Arbeitsmarktservice anzusehen. Der Antrag auf Übergang der Entscheidungsbefugnis gemäß § 73 Abs. 2 AVG wäre daher nicht an den Bundesminister für Arbeit und Soziales, sondern an den Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich zu richten gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Beide Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Sachentscheidung bzw. auf meritorische Behandlung ihres Devolutionsantrages verletzt. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 AuslBG hat über die darin näher bezeichneten Anträge nach diesem Bundesgesetz, soweit nicht anderes bestimmt ist, die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu entscheiden.

Über Berufungen gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice entscheidet nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nach Anhörung des Landesdirektoriums. Eine weitere Berufung ist nicht zulässig.

Gemäß Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG ist das AVG, dessen § 64 jedoch nur, wenn nicht anderes ausdrücklich bestimmt ist, auf das behördliche Verfahren der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anzuwenden.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht nach Absatz 2 dieser Gesetzesstelle auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

§ 24 Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) mit der Überschrift "Behördliche Aufgaben" lautet:

"(1) Für die Besorgung behördlicher Aufgaben des Arbeitsmarktservice hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung Zuständigkeitssprengel festzulegen.

(2) Soweit der regionalen Geschäftsstelle behördliche Funktion zukommt, obliegt diese dem Leiter der regionalen Geschäftsstelle.

(3) Soweit der Landesgeschäftsstelle behördliche Funktion zukommt, obliegt diese dem Landesgeschäftsführer, in Angelegenheiten gemäß den §§ 48 Abs. 1 und 56 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609, dem Ausschuss für Leistungsangelegenheiten des Landesdirektoriums.

(4) Gegen Bescheide des Landesgeschäftsführers ist eine Berufung nicht zulässig."

§ 58 AMSG mit der Überschrift "Aufgaben des Bundesministers für Arbeit und Soziales im behördlichen Verfahren" lautet:

"(1) Soweit das Arbeitsmarktservice behördliche Aufgaben zu erfüllen hat, unterliegt es dem Weisungsrecht des Bundesministers für Arbeit und Soziales.

(2) Weisungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales in behördlichen Verfahren ergehen an den Vorstand, von diesem an den Landesgeschäftsführer und von diesem an den Leiter der regionalen Geschäftsstelle."

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ergibt sich, dass das AMSG selbst einerseits keine behördlichen Aufgaben betreffend Angelegenheiten nach dem AuslBG vorsieht und andererseits nur Organe der regionalen Geschäftsstelle und der Landesgeschäftsstelle nennt, die im Falle der Betrauung mit behördlichen Aufgaben einzuschreiten haben. Nach dem AuslBG ist keine Betrauung der Bundesorganisation mit behördlichen Aufgaben erfolgt, sondern im behördlichen Verfahren nach diesem Bundesgesetz haben die regionale Geschäftsstelle als erste Instanz und die Landesgeschäftsstelle als zweite und letzte Instanz einzuschreiten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 16. November 1995, Zl. 95/09/0163, und die darin angegebene Vorjudikatur), ist als "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG unter anderem auch die Behörde anzusehen, die durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechtes den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können.

Insoweit die belangte Behörde daraus im Zusammenhalt mit § 58 Abs. 2 AMSG ableitet, der Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich wäre "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde", ist zu erwidern, dass die Bundesorganisation nicht mit behördlichen Aufgaben der Ausländerbeschäftigung (weder im AMSG noch im AuslBG) betraut wurde. Dass der Bundesminister gemäß § 58 Abs. 2 AMSG Weisungen an die Landesgeschäftsstelle bzw. den Landesgeschäftsführer nicht unmittelbar an diese bzw. diesen sondern über den Vorstand (Bundesorganisation) richtet, sagt nichts darüber aus, ob die Bundesorganisation sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG ist. Gemäß § 58 Abs. 1 AMSG steht das Weisungsrecht bei Erfüllung von Aufgaben im behördlichen Verfahren dem Bundesminister für Arbeit und Soziales zu. Nur dieser ist daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (vgl. hiezu insofern auch das in einer Angelegenheit der Notstandshilfe ergangene hg. Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 96/08/0196). Zur Klarstellung ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass in dem Beschwerdefall zur hg. Zl. 96/09/0377 (vgl. den Beschluss vom 29. September 1998) nicht darüber zu entscheiden war, ob der Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist, sondern darüber, ob der Beschwerdeführer den Instanzenzug gegen einen Zurückweisungsbescheid des Vorstandes des Arbeitsmarktservice Österreich bereits erschöpft hatte.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage im dargelegten Sinn verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997090021.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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