TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/6 W166 2207696-2

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Veröffentlicht am 06.11.2018
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Entscheidungsdatum

06.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §10

Spruch

W166 2207696-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich, vom 14.12.2017, betreffend die Abweisung des Antrages vom 06.09.2017 auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form der Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 06.09.2017 einen Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld sowie Gewährung von Heilfürsorge (Psychotherapeutische Krankenbehandlung, Übernahme von Selbstbehalten für Krankenhausaufenthalte und Rezeptgebühren) nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Antragsbegründend gab er an, am 16.10.2014 Opfer eines sexuellen Missbrauches mit Betäubung durch einen damals noch unbekannten Täter während seines Auslandaufenthaltes in Moskau geworden zu sein.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 14.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 06.09.2017 auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer den Antrag erst zwei Jahre nach der am 16.10.2014 zugefügten Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung gestellt hätte und sei die im § 10 VOG normierte Zweijahresfrist damit verstrichen gewesen, weshalb sein Antrag dahingehend zurückzuweisen sei.

Mit (weiterem) Bescheid vom 14.12.2017 wurde der (weitere) Antrag des Beschwerdeführers vom 06.09.2017 auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Heilfürsorge abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe es, mangels Anzeigenerstattung in Moskau, schuldhaft unterlassen zur Aufklärung der Tat und zur Ausforschung des Täters beizutragen, wobei der Begriff "schuldhaft" auch ein fahrlässiges Verhalten umfasse. Es sei daher der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Z 4 VOG verwirklicht, weshalb der gegenständliche Antrag ohne Prüfung des Vorliegens der übrigen Anspruchsvoraussetzungen abzuweisen gewesen sei.

Am 29.12.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die ihm am 21.12.2017 zugestellten und damit erlassenen Bescheide und führte darin aus, dass es ihm aufgrund seiner Traumafolgestörung und einer komplexen schizophreniformen Psychose zum Tatzeitpunkt im Oktober 2014 in Moskau bis zum Sommer 2017 nicht möglich gewesen sei, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Erst durch den Krankenhausaufenthalt im LKH XXXX im Sommer 2017 habe er mit Hilfe seiner Therapeutin die Traumafolgestörung aufarbeiten können. Er wolle nochmals zu bedenken geben, dass die Tat in Moskau stattgefunden habe, er dort auf sich allein gestellt gewesen sei und er bis zur Aufarbeitung im Sommer 2017 nicht genau gewusst hätte, was dort mit ihm passiert sei.

Das Beschwerdeverfahren zum abgewiesenen Antrag betreffend die Hilfeleistungen in Form von Heilfürsorge wird getrennt vom gegenständlichen Verfahren unter der Aktenzahl W166 2181714-1 bzw. nach einer Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes unter der Aktenzahl W166 2207696-1 geführt.

Die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 04.01.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger.

Der Beschwerdeführer stellte am 06.09.2017 einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen in Form von Heilfürsorge und Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz und begründete seinen Antrag mit einem während seines Auslandaufenthaltes in Moskau am 16.10.2014 erlittenen sexuellen Missbrauch mit Betäubung.

Zwischen dem Tatzeitpunkt, welcher als Zeitpunkt der Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung gilt, und dem Zeitpunkt der Antragstellung liegen mehr als zwei Jahre.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich der österreichischen Staatsbürgerschaft beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 06.09.2017, welche mit einem von Amts wegen eingeholten Auszug des Zentralen Melderegisters übereinstimmen.

Dem Verwaltungsakt liegt der Antrag des Beschwerdeführers vom 21.08.2017, welcher laut dem darauf befindlichen Eingangsstempel am 06.09.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, eingelangt ist, ein. Diesem sind die übrigen Feststellungen zum Antragszeitpunkt und der Antragsbegründung zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 9d Abs. 1

VOG.

Zu Spruchpunkt A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes (VOG) lauten:

"Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1 Abs. 1

Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.

Hilfeleistungen

§ 2

Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

...

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.

Pauschalentschädigung für Schmerzengeld

§ 6a Abs. 1

Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert.

Beginn und Ende der Hilfeleistungen, Rückersatz und Ruhen

§ 10 Abs. 1

Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf der Frist gestellt, so sind Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist.

Inkrafttreten

§ 16 Abs. 13

Die §§ 1 Abs. 1 Z 1 bis 3 und Abs. 7, 2 Z 2a, 3 Abs. 1 erster Satz, 3a zweiter Satz, 4 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 2 Z 1, Abs. 2a, Abs. 4 und Abs. 5 erster Satz, 4a samt Überschrift, 5 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 3 und Abs. 4, 5a Abs. 1, 6 erster und zweiter Satz, 6a, 7 erster und zweiter Satz, 7a Abs. 1 zweiter Satz, 8 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und 2 und Abs. 5, 9 Abs. 4 zweiter Satz, 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 und § 14b samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 treten mit 1. April 2013 in Kraft. Die §§ 4a, 6a und 7 erster und zweiter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 sind auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden. § 10 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist hinsichtlich § 2 Z 1, 7 und 9 auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden, und hinsichtlich § 2 Z 10 mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Anträge auf Grund der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt der Fristenlauf mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beginnt."

Der Beschwerdeführer hat, einlangend beim Sozialministeriumservice, am 06.09.2017 einen Antrag auf Hilfeleistungen unter anderem in Form einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 2 Z 10 VOG gestellt. Anspruchsbegründend führte er eine am 16.10.2014 vorgefallene strafbare Handlung an.

Die rechtliche Beurteilung der Behörde, wonach der Antrag als verfristet gelte, weil er am 06.09.2017 im Sozialministeriumservice einlangte, laut den Angaben des Beschwerdeführers der sexuelle Missbrauch jedoch am 16.10.2014 stattgefunden habe und somit die Zweijahresfrist verstrichen sei, ist entsprechend der Bestimmung des § 10 Abs. 1 VOG korrekt erfolgt.

Gemäß § 10 Abs. 1 VOG sind Anträge auf Leistungen nach § 2 VOG binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung zu stellen.

Im gegenständlichen Fall begann die Zwei-Jahres-Frist mit Eintritt der dargelegten Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung am 16.10.2014 und endete folglich am 14.10.2016.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde, wonach es ihm aufgrund einer Traumafolgestörung und einer komplexen schizophreniformen Psychose bis zum Sommer 2017 nicht möglich gewesen sei zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten ist für die Erlangung des Anspruches auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nicht zielführend, da das Gesetz dahingehend keine Differenzierung vornimmt.

Eine Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen (tatsächliches Vorliegen einer strafbaren Handlung, kausale Gesundheitsschädigung, schwere Körperverletzung) kann infolge der verstrichenen Zweijahresfrist unterbleiben. Es kann sohin - zumindest in dem gegenständlichen Verfahren - dahingestellt bleiben, ob die strafbare Handlung auch tatsächlich stattgefunden hat.

Der Vollständigkeitshalber ist festzuhalten, dass das Beschwerdeverfahren zum von der belangten Behörde abgewiesenen Antrag betreffend die Hilfeleistungen in Form von Heilfürsorge derzeit noch beim Bundesverwaltungsgericht (Aktenzahl W166 2207696-1) anhängig ist.

Zum Absehen einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erklärt werden.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung war die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Antragstellung. Der Beschwerdeführer hat hierzu bereits im Antrag alle erforderlichen Angaben gemacht, weshalb eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und der entscheidungsrelevante Sachverhalt als geklärt anzusehen ist. Weiters stehen einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fristablauf, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W166.2207696.2.00

Zuletzt aktualisiert am

10.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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