TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/6 W118 2198005-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2018
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Entscheidungsdatum

06.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
INVEKOS-CC-V 2010 §11 Abs1
INVEKOS-CC-V 2010 §4 Abs2
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §19 Abs7
MOG 2007 §6
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2 Z2
VwGVG §28 Abs5
ZustG §7

Spruch

W118 2198005-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. ECKHARDT über die Beschwerde von XXXX, BNr. XXXX, gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 28.08.2014, AZ II/7-EBP/11-121644389, nach Beschwerdevorentscheidung vom 27.07.2017, AZ II/7-EBP/11-7194605010, betreffend Einheitliche Betriebsprämie 2011 zu Recht:

A)

I. Der Bescheid der AMA vom 27.07.2017, AZ II/7-EBP/11-7194605010, wird ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG mit der Maßgabe teilweise stattgegeben, dass der Berechnung der Einheitlichen Betriebsprämie für das Antragsjahr 2011 auf Basis von 34,58 vorhandenen Zahlungsansprüchen und einer beantragten Fläche im Ausmaß von 56,07 ha eine ermittelte Fläche im Ausmaß von 30,20 ha und eine Differenzfläche im Ausmaß von 0,00 ha zugrunde zu legen ist.

III. Gemäß § 19 Abs. 3 MOG 2007 wird der AMA aufgetragen, die entsprechenden Berechnungen gemäß Spruchpunkt II. durchzuführen und das Ergebnis dem Beschwerdeführer bescheidmäßig mitzuteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Datum vom 16.03.2011 stellte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2011 und beantragte u.a. die Gewährung der Einheitlichen Betriebsprämie für in den Beilagen Flächenbogen und Flächennutzung näher konkretisierte Flächen.

Darüber hinaus trieb der BF Tiere auf die Alm/Gemeinschaftsweide mit der BNr. XXXX (Interessentschaftsweide XXXX) auf. Im Antragsjahr 2011 wurden auf dieser Weide Futterflächen im Gesamtausmaß von 172,05 ha beantragt.

2. Mit Bescheid vom 30.12.2011 gewährte die AMA dem BF für das Antragsjahr 2011 eine Betriebsprämie in Höhe von EUR 6.234,72. Dabei wurden 34,58 Zahlungsansprüche (ZA), eine beantragte Fläche im Ausmaß von 56,07 ha, davon 38,55 ha Almfläche, ein Minimum Fläche/ZA von 34,58 und eine ermittelte Fläche im Ausmaß von 34,58 ha zugrunde gelegt. In der Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass für beihilfefähige Flächen, die die Mindestschlagfläche von 0,10 ha nicht erfüllen, keine Zahlung gewährt werden könne.

3. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle der Flächen der Interessentschaftsweide XXXX am 28.10. und 30.10.2013, wurden betreffend das Antragsjahr 2011 Abweichungen der beantragten von der ermittelten Fläche im Ausmaß von insgesamt 115,39 ha festgestellt (anteilige Differenz: 25,85 ha).

4. Mit angefochtenem Bescheid der AMA vom 28.08.2014 wurde dem BF eine Betriebsprämie in Höhe von EUR 3.941,33 gewährt; ein Betrag in Höhe von EUR 2.293,39 wurde rückgefordert. Dabei wurden 34,58 Zahlungsansprüche, eine beantragte Fläche im Ausmaß von 56,07 ha, davon 38,55 ha Almfläche, ein Minimum Fläche/ZA von 34,58 und eine ermittelte Fläche im Ausmaß von 30,20 ha, davon 12,70 ha Almfläche, zugrunde gelegt. In einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung unter Verweis auf Art. 9 VO 1290/2005 i.V.m. Art. 5b VO 885/2006 ausgeschlossen.

Der Begründung ist zu entnehmen, dass anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle am 30.10.2013 Flächenabweichungen von über 3 % oder über 2 ha und bis höchstens 20 % festgestellt worden seien. Der Beihilfebetrag habe daher um das Doppelte der Differenzfläche (4,38 ha) gekürzt werden müssen.

Die belangte Behörde wies überdies darauf hin, dass für beihilfefähige Flächen, die die Mindestschlagfläche von 0,10 ha nicht erfüllen, keine Zahlung gewährt werden könne ("VWK ohne Sanktion" in der Flächentabelle).

5. Mit Datum vom 08.06.2016 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.08.2014 und führte zur Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels aus, er habe den Bescheid per Post nicht erhalten und sei zum ePostkasten der AMA nicht angemeldet. Am 08.06.2016 habe er den Posteingang im ePostkasten erstmals eingesehen und den Bescheid auf diesem Wege erhalten.

Der BF erstattete Vorbringen zur Zuweisung der Zahlungsansprüche im Jahr 2005 und beantragte:

1. die Abänderung des Bescheides in der Weise, dass

a) die Berechnung der Einheitlichen Betriebsprämie nach Maßgabe der Beschwerdegründe erfolge,

b) jedenfalls keine Kürzungen und Ausschlüsse verfügt würden, andernfalls

c) Kürzungen und Ausschlüsse nur nach Maßgabe der Beschwerdegründe verhängt würden;

2. den angefochtenen Bescheid in der Weise abzuändern, dass die Zahlungsansprüche im beantragten Umfang ausbezahlt und genützt würden;

3. eine mündliche Verhandlung durchzuführen;

4. den offensichtlichen Irrtum entsprechend dem Beschwerdepunkt anzuerkennen und die Berichtigung des Beihilfenantrages zuzulassen;

5. der Beschwerde als fristgerecht anzuerkennen, da der BF den Bescheid nicht per Post erhalten habe und den Posteingang - zu dem er nicht angemeldet sei - am 08.06.2016 erstmals eingesehen habe.

Der BF führte begründend im Wesentlichen aus, die beihilfefähige Fläche sei immer sorgfältig nach den örtlichen Verhältnissen beantragt worden. Der BF beantragte die Zustellung des Prüfberichtes zur Vor-Ort-Kontrolle sowie einen Augenschein an Ort und Stelle.

Die behördlichen Feststellungen zum Ausmaß der beihilfenfähigen Fläche seien falsch. Die Ergebnisse früherer amtlicher Erhebungen auf der Alm mit der BNr. XXXX würden im Bescheid unberücksichtigt bleiben und habe sich der BF bei der Antragstellung am Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle 2009 orientiert.

Es sei zu Unrecht keine Verrechnung von Unter- mit Übererklärungen erfolgt und treffe den BF an einer allfällig falschen Beantragung kein Verschulden, zumal sich die Antragstellung am Ergebnis der alten Vor-Ort-Kontrolle orientiert habe. Bei den Digitalisierungen der nachfolgenden Jahre habe sich die Antragsfläche verringert, weil die Almaußengrenze teilweise verändert wurde, Überschirmungsstufen auf einzelnen Schlägen geändert wurden bzw. teilweise eine Neubildung von Schlägen mit unterschiedlichen NLN- und Überschirmungsstufen erfolgt sei.

Seit 2011 und 2012 sei medial und in Fachzeitschriften von teilweise massiven Problemen mit Almfutterflächen bei Vor-Ort-Kontrollen berichtet worden. Die AMA habe im Winter 2012/2013 allein aus den Luftbildern ein vorläufiges Ausmaß an Almfutterfläche ermittelt und dem Almbewirtschafter zur Kenntnis gebracht, welches jedoch in Anbetracht eines viel zu geringen Ausmaßes unmöglich mit dem tatsächlichen Ausmaß an vorhandenen Futterflächen übereinstimmen hätte können. Aus dieser sich vor allem seit 2012 verbreitenden Unsicherheit sei trotz der vollen Überzeugung von der Richtigkeit der in der Vergangenheit beantragten Fläche die Almfutterfläche aus reiner Vorsicht reduziert worden.

Die Ergebnisse der früheren amtlichen Erhebungen fänden ohne jegliche Begründung im angefochtenen Bescheid keine Berücksichtigung, sondern würden die Ergebnisse der letzten Vor-Ort-Kontrolle ungeprüft auf frühere Wirtschaftsjahre übertragen. Diese Vorgangsweise sei unsachlich. Die ungeprüfte Annahme, dass die Fläche stetig aufgrund der Zunahme der Überschirmung um 5 % abnehme, widerspreche dem Unmittelbarkeitsgrundsatz und habe die belangte Behörde es jedenfalls unterlassen, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt für die vor 2012/2013 liegenden Wirtschaftsjahre zu erheben. An dieser Vorgangsweise hafte der Mangel der Behördenwillkür.

Nach Art. 73 Abs. 4 VO (EG) 796/2004 für die Wirtschaftsjahre vor 2010 und Art. 80 Abs. 3 VO (EG) 1122/2009 für die Wirtschaftsjahre 2010 und Folgende bestünde keine Rückzahlungsverpflichtung, wenn eine Zahlung auf einem Irrtum der zuständigen Behörde zurückzuführen sei, den der Betriebsinhaber billigerwiese nicht erkennen konnte. Im Rahmen von aufeinander folgenden Vor-Ort-Kontrolle liege ein Irrtum der Behörde vor, wenn unterschiedliche Flächenmaße festgestellt würden, wobei sich die Abweichung der Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrollen durch geänderte Verhältnisse in der Natur nicht erklären ließen. Überdies sei das unzutreffende Flächenmaß, das für die Fördergewährung maßgeblich gewesen sei, im Rahmen der zumutbaren Sorgfalt für den Almbewirtschafter nicht erkennbar gewesen. Im Rahmen der Digitalisierung liege ein Irrtum der Behörde vor, wenn die Abweichung der gemäß Almleitfaden vorgenommenen Digitalisierung sich zu den tatsächlichen Verhältnissen in der Natur nicht erklären lasse und trotz gehöriger Sorgfalt des Almbewirtschafters (insbesondere im Rahmen der Mitwirkung anlässlich der Digitalisierung) die Fehlerhaftigkeit nicht habe erkannt werden können.

Da der für den BF nicht erkennbare Irrtum mehr als zwölf Monate zurückliege, bestünde keine Verpflichtung diesen Betrag zurückzuzahlen. Die Förderungsbeiträge seien gutgläubig verbraucht worden und deswegen wäre die Rückforderung auch unzulässig (siehe "Rechtsgutachten zu Aspekten der Rückforderung von Agrarbeihilfen in Bezug auf Almfutterflächen", Prof. Arno Kahl und Prof. Thomas Müller, Universität Innsbruck, August 2013).

Bei Änderung der Berechnungsmethoden bzw. Mess-Systeme treffe die beschwerdeführende Partei kein Verschulden an einem ex-nunc unrichtigen Förderungsantrag, wenn der sorgfältige Beschwerdeführer beantragt habe, was er für richtig hält und nicht nur, was tatsächlich richtig wäre (vgl. VG Augsburg Au 3 K 08.837, juris, RN. 46; VG Göttingen 2 A 156/08, Juris, Rn. 29). Es hätten sich die Messsysteme bzw. die Messgenauigkeit geändert und damit auch die berechnungsrelevanten Tatsachen. Die Feststellungen der Behörde zu den Wirtschaftsjahren vor 2010 seien mit unzuverlässigen Messmethoden erfolgt und läge auch deswegen ein Irrtum der Behörde vor. Die Partei könne nicht über genauere Messmethoden verfügen als die Behörde. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 04.09.2009, Rs T 368/05, festgestellt, dass das österreichische Flächenidentifikationssystem nicht den EU-Vorschriften entspreche. Allein durch diese Änderung der Messmethoden (zB Ermittlung nach Almleitfaden 2000, Digitalisierung 2009-2010) habe sich die Futterfläche geändert, obwohl keine Veränderungen in der Natur stattgefunden hätten.

Weiters bestehe ein Irrtum bei der prozentuellen Berücksichtigung von Landschaftselementen (6 %). Die 6 %-Hürde müsse bei jeder Abstufung der 10 %-Stufe berücksichtigt werden. Dies ergäbe eine andere Abstufung als die von der Behörde praktizierte. Der Vorhalt, der Antragsteller habe den Irrtum selbst in den Antrag aufgenommen, sei zurückzuweisen, da im GIS eine andere Berücksichtigung nicht möglich gewesen sei.

Die Behörde habe bei der Vor-Ort-Kontrolle vor dem Jahr 2010 die Futterfläche nach dem Almleitfaden in Schritten von 100 %, 70 %, 30 % und 0 % beurteilt. Flächen, die nicht als Futterfläche anzuerkennen seien, seien ohne genaue prozentuelle Schätzung pauschal geschätzt und ausgeschieden worden.

Im Jahr 2010 seien von der Agrarmarkt Austria neue Flächenbeurteilungskriterien (NLN-Faktoren) eingeführt worden, mittels die Nicht-Futterflächen in 10% Schritten zu ermitteln seien. Durch diese genaueren Kontrollen würde deutlich weniger Futterfläche festgestellt werden als bei früheren amtlichen Erhebungen. Die Behörde wende diesen neuen Maßstab nunmehr aber auch auf frühere Wirtschaftsjahre vor 2010 und verhänge Sanktionen. Die beschwerdeführende Partei habe auf die jahrelange und im Almleitfaden festgelegte Behördenpraxis als fachlich einwandfrei vertrauen dürfen. Ein Verschulden könne dem BF daher nicht angelastet werden und sei die Verhängung von Sanktionen rechtswidrig.

Der Hutweide-N-Faktor sei erst 2011 eingeführt worden und könne daher keine Rückrechnung bis zum Jahr 2009 erfolgen.

Die verhängte Sanktion sei überdies unangemessen hoch und daher nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gleichheitswidrig.

Der BF beantrage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Erörterung von Befund und Gutachten des Amtssachverständigen der Behörde im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle, da schlagbezogene Ausführungen erst seit der flächendeckenden Digitalisierung der Behörde möglich seien und bei früheren Vor-Ort-Kontrollen die Beurteilung nur über die gesamte Almfläche habe erfolgen können.

Der Beschwerde wurden Stellungnahmen des BF als Obmann der Interessentschaftsweide XXXX zu den Vor-Ort-Kontrollen 2013 und 2015 beigeschlossen und zum Inhalt der gegenständlichen Beschwerde erhoben. In dem Schreiben betreffend die Vor-Ort-Kontrolle 2013 wird darauf hingewiesen, dass dem erhaltenen Prüfbericht lediglich eine Weidefläche im Ausmaß von 56,39 ha zu entnehmen ist, bei der Vor-Ort-Kontrolle 2009 allerdings eine Futterfläche im Ausmaß von 172,26 ha festgestellt worden sei. Das damalige Ergebnis sei bis auf wenige Ar Abweichung in den darauffolgenden Jahren beantragt worden. Die Gesamtflächen und die Bewirtschaftungsweise der Weide seien seit Jahrzehnten gleich und seien im Sommer 2013 184,8 Großvieheinheiten aufgetrieben worden, denen die Weidefläche als Futtergrundlage gedient habe. Lediglich den Milchkühen werde im Heimstall zur leistungsgerechten Fütterung eine Kraftfutterzugabe gegeben. Änderungen der technischen Möglichkeiten zur Futterflächenerhebung bzw. der Auffassung im Rahmen der Vor-Ort-Kontrollen dürften nicht zu Lasten der Auftreiber und Bewirtschafter erfolgten. Da die Angaben des Obmannes immer nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt und die Flächenabweichungen nicht erkennbar gewesen seien, fordere er die Behörde auf, von Rückforderungen und Sanktionen abzusehen.

6. Mit Bescheid vom 22.08.2016, AZ 16231Inv/1/1/1/Ho, wurde einem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.08.2014 stattgegeben.

Der Begründung ist zu entnehmen, seitens der Behörde das Vorbringen des BF hinsichtlich des per Post nicht erhaltenen Bescheides vom 28.08.2014 als Wiedereinsetzungsantrag gewertet wurde. Die AMA ging davon aus, dass der BF den ohne Zustellnachweis per Post übermittelten Bescheid vom 28.08.2014 nicht erhalten habe. Der BF sei nicht zum ePostkasten der AMA angemeldet und habe daher auf diesem Wege keine rechtmäßige Zustellung erfolgen können. Der BF sei erst am 08.06.2016 auf den Bescheid aufmerksam geworden und habe am selben Tag Beschwerde erhoben. Dem Antrag habe daher stattgegeben werden können und würde der Bescheid überdies nochmals postalisch zugestellt, da keine rechtmäßige Zustellung erfolgt sei.

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.07.2017 gewährte die AMA dem BF auf Basis von 30,20 ha ermittelter Fläche eine Betriebsprämie in Höhe von EUR 5.406,74. Die belangte Behörde ging nunmehr von einer Differenzfläche von 0,00 ha aus und brachte keine Flächensanktion in Abzug, da vom BF der Nachweis erbracht worden sei, dass ihn an der verfehlten Flächenbeantragung hinsichtlich der Alm/Weide BNr. XXXX keine Schuld treffe.

8. Mit Datum vom 08.08.2017 beantragte der BF die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde ausgeführt, dass nunmehr zwar die Sanktionen aufgehoben worden seien, jedoch dadurch, dass vor allem in Bezug auf die Feldstücksbildung bei Kontrollen von Gemeinschaftsweiden eine geänderte Vorgehensweise zum Nachteil der Landwirte während der Förderperiode erkennbar gewesen sei, erscheine dem BF die Aufhebung der Rückforderungen aufgrund des Behördenirrtums als gerechtfertigt. Einen beifügten Einspruch betreffend ÖPUL 2008-2014 erhebe er zum Inhalt des Vorlageantrages.

9. Im Rahmen der Beschwerdevorlage am 12.06.2018 wies die AMA betreffend die Beschwerdevorentscheidung vom 27.07.2017 darauf hin, dass von Sanktionen Abstand genommen werden konnte, das der BF annähernd das Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle 2009 beantragt habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):

Mit Datum vom 16.03.2011 stellte der BF einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2011 und beantragte die Gewährung der Einheitlichen Betriebsprämie für in den Beilagen Flächenbogen und Flächennutzung näher konkretisierte Flächen. Darüber hinaus nutzte der BF anteilige Weideflächen der Alm/Gemeinschaftsweide mit der BNr. XXXX (Interessentschaftsweide XXXX). In Summe wurde vom BF eine Fläche im Ausmaß von 56,07 ha, davon 38,55 ha Almfläche, beantragt. Dem BF standen in diesem Jahr 34,58 Zahlungsansprüche zur Antragstellung zur Verfügung.

Von der beantragten Fläche erreichte auf dem Feldstück 19 eine Fläche im Ausmaß von 0,02 ha nicht die Mindestgröße der landwirtschaftlichen Parzellen, für die ein Antrag gestellt werden kann (0,10 ha).

Die Interessentschaftsweide XXXX wurde im Antragsjahr 2011 vom BF als deren Obmann mit einer Futterfläche von insgesamt 172,05 ha beantragt. Tatsächlich war in diesem Jahr auf der Weide nur eine beihilfefähige landwirtschaftliche Nutzfläche im Ausmaß von 56,66 ha vorhanden. Nach Maßgabe der vom BF aufgetrieben Tiere (38,00 von insgesamt 169,60 GVE) beträgt der auf den BF entfallende Anteil der Überbeantragung 25,85 ha.

Bei der Beantragung der Futterflächen der Gemeinschaftsweide mit der BNr. XXXX hat sich der BF am Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle 2009 orientiert und auf dessen Richtigkeit vertraut. Für den BF war nicht erkennbar, dass sich die Futterfläche seit der Vor-Ort-Kontrolle 2009 in einem relevanten Ausmaß verringert hat.

Nach Abzug der anteiligen Überbeantragung auf der genannten Gemeinschaftsweide und unter Berücksichtigung der Mindestgröße der landwirtschaftlichen Parzellen, für die ein Antrag gestellt werden kann, ergibt sich für die Einheitliche Betriebsprämie für das Antragsjahr 2011 eine ermittelte Fläche im Ausmaß von 30,20 ha.

Der angefochtene Bescheid der AMA vom 28.08.2014 wurde per Post ohne Zustellnachweis an den BF gesendet, der BF hat diesen allerdings nie erhalten. Der BF war für das elektronische Kommunikationssystem der Behörde ("ePostkasten") nicht angemeldet, hat aber am 08.06.2016 von einer auf diesem Wege vorgenommenen Zustellung des genannten Bescheides Kenntnis erlangt und den Bescheid an diesem Tag erhalten.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurden von keiner Verfahrenspartei substantiiert bestritten. Auch sonst haben sich keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit des von der belangten Behörde ermittelten Sachverhaltes ergeben.

Die festgestellten Flächenabweichungen auf der Alm/Gemeinschaftsweide mit der BNr. XXXX beruhen auf den Ergebnissen der Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2013, denen der BF nicht hinreichend konkret entgegengetreten ist; der BF hat insbesondere nicht dargetan, inwiefern die Beurteilung durch die Prüforgane der AMA unzutreffend wäre bzw. zu welchem anderen Ergebnis die Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten hätte führen können (vgl. VwGH 07.10.2013, 2012/17/0165).

Auch mit den der Beschwerde beigefügten Stellungnahmen des BF als Obmann der Interessentschaftsweide XXXX wird dem Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle am 28.10. und 30.10.2013 nicht substantiiert entgegengetreten und im Wesentlichen lediglich vorgebracht, die Weide sei unverändert genutzt worden und habe sich vielmehr die Beurteilung der AMA geändert. Darauf gestützt wurde ein Absehen von der Verhängung von Sanktionen bzw. aufgrund eines Behördenirrtums die Abstandnahme von einer Rückforderung gefordert; konkretes Vorbringen zu einer beihilfefähigen Fläche, die das Ausmaß der bei der Vor-Ort-Kontrolle ermittelten Futterfläche übersteigt, wurde nicht erstattet.

Das Vorbringen betreffend ein mangelndes Verschulden des BF aufgrund der Zugrundelegung der amtlichen Feststellungen (Vor-Ort-Kontrolle 2009) bei der Antragstellung wurde von der belangten Behörde im Rahmen der (verspäteten) Beschwerdevorentscheidung vom 27.07.2017 berücksichtigt und kann dieser Beurteilung auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes gefolgt werden. Kürzungen- oder Ausschlüsse waren daher nicht vorzunehmen, sondern lediglich die Futterflächen entsprechend den Ergebnissen der Vor-Ort-Kontrolle anzupassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon in seinem Erkenntnis vom 15.09.2011, Zl. 2011/17/0123, unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht der Parteien im Verfahren nach dem AVG bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes ausgesprochen, dass die belangte Behörde ohne konkrete nähere Angaben des Berufungswerbers nicht gehalten ist, das Ergebnis der fachlich kompetenten Überprüfung vor Ort in Zweifel zu ziehen. Die Behörde ist insbesondere nicht gehalten, auf Grund bloßer Vermutungen ohne weitere konkrete Anhaltspunkte, in welcher Hinsicht die Beurteilung im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle unzutreffend wäre, eine neuerliche Überprüfung durchzuführen (vgl. VwGH 07.10.2013, 2013/17/0541).

Die Feststellungen zur Zustellung des Bescheides vom 28.08.2014 beruhen auf dem Vorbringen des BF im Rahmen der Beschwerde sowie der AMA in der Begründung des Bescheides betreffend einen Antrag auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand vom 22.08.2016.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit und zum Verfahren:

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992 iVm § 6 MOG 2007 erfolgt die Abwicklung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

3.2. Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009, ABl. L 30 vom 31.01.2009, S. 16, im Folgenden VO (EG) 73/2009:

"Artikel 33

Zahlungsansprüche

(1) Betriebsinhaber können die Betriebsprämienregelung in Anspruch nehmen, wenn sie

a) Zahlungsansprüche besitzen, die sie gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 erhalten haben;

b) Zahlungsansprüche im Rahmen der vorliegenden Verordnung

[...],

erhalten haben.

[...].

Artikel 34

Aktivierung von Zahlungsansprüchen je beihilfefähige Hektarfläche

(1) Eine Stützung im Rahmen der Betriebsprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die Zahlung der darin festgesetzten Beträge.

(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Ausdruck "beihilfefähige Hektarfläche"

a) jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs und jede Fläche mit Niederwald mit Kurzumtrieb (KN-Code ex060290 41), die für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird, oder, wenn die Fläche auch für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt wird, hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird,

[...].

Artikel 35

Meldung der beihilfefähigen Hektarflächen

(1) Der Betriebsinhaber meldet die Parzellen an, die der beihilfefähigen Hektarfläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände müssen diese Parzellen dem Betriebsinhaber zu einem vom Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen, der jedoch nicht nach dem in demselben Mitgliedstaat für die Änderung des Beihilfeantrags festgesetzten Zeitpunkt liegen darf.

(2) Die Mitgliedstaaten können unter ordnungsgemäß begründeten Umständen den Betriebsinhaber ermächtigen, seine Anmeldung zu ändern, sofern er die seinen Zahlungsansprüchen und den Bedingungen für die Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie für die betreffende Fläche entsprechende Hektarzahl einhält."

Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009, ABl. L 316 vom 02.12.2009, S. 65, im Folgenden VO (EG) 1122/2009:

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Rahmen dieser Verordnung gelten die Begriffsbestimmungen von

Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009.

Es gelten auch folgende Begriffsbestimmungen:

1. "landwirtschaftliche Parzelle": zusammenhängende Fläche, auf der von einem bestimmten Betriebsinhaber nur eine bestimmte Kulturgruppe angebaut wird; muss im Rahmen dieser Verordnung die Nutzung einer Fläche innerhalb einer Kulturgruppe getrennt angegeben werden, so wird die landwirtschaftliche Parzelle durch diese besondere Nutzung weiter eingegrenzt; die Mitgliedstaaten können zusätzliche Kriterien für eine weitere Abgrenzung einer landwirtschaftlichen Parzelle festlegen;

[...];

23. "ermittelte Fläche": Fläche, die allen in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen genügt; im Rahmen der Betriebsprämienregelung ist die beantragte Fläche nur zusammen mit der entsprechenden Zahl von Zahlungsansprüchen als ermittelte Fläche zu betrachten;

[...]."

"Artikel 11

Termin für die Einreichung des Sammelantrags

(1) Ein Betriebsinhaber kann im Rahmen der flächenbezogenen Beihilferegelungen nur einen Sammelantrag pro Jahr einreichen.

[...].

(2) Der Sammelantrag ist bis zu einem von den Mitgliedstaaten auf spätestens 15. Mai festzusetzenden Termin einzureichen. Estland, Lettland, Litauen, Finnland und Schweden können den Termin jedoch auf spätestens 15. Juni festsetzen.

[...].

Artikel 12

Inhalt des Sammelantrags

(1) Der Sammelantrag muss alle zur Feststellung der Beihilfefähigkeit erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere

a) die Identifizierung des Betriebsinhabers;

b) die betreffende(n) Beihilferegelung(en);

c) die Identifizierung der Zahlungsansprüche entsprechend dem Identifizierungs- und Registrierungssystem gemäß Artikel 7 im Rahmen der Betriebsprämienregelung;

d) die zweckdienlichen Angaben zur Identifizierung aller landwirtschaftlichen Parzellen des Betriebs, ihre Fläche ausgedrückt in Hektar mit zwei Dezimalstellen, ihre Lage und gegebenenfalls ihre Nutzung mit dem Hinweis, ob die Parzelle bewässert wird;

e) eine Erklärung des Betriebsinhabers, dass er von den Voraussetzungen für die Gewährung der betreffenden Beihilfen Kenntnis genommen hat."

Gemäß Art. 13 Abs. 9 VO (EG) 1122/2009 setzen die Mitgliedstaaten die Mindestgröße der landwirtschaftlichen Parzellen fest, für die ein Antrag gestellt werden kann. Diese Mindestgröße darf jedoch nicht über 0,3 ha liegen.

"Artikel 34

Bestimmung der Flächen

[...].

(2) Die Gesamtfläche einer landwirtschaftlichen Parzelle kann berücksichtigt werden, sofern sie nach den gebräuchlichen Normen des Mitgliedstaats oder der betreffenden Region ganz genutzt wird. Andernfalls wird die tatsächlich genutzte Fläche berücksichtigt.

[...].

(5) Werden Flächen gemeinsam genutzt, so teilen die zuständigen Behörden diese fiktiv entsprechend dem Umfang der Nutzung durch die einzelnen Betriebsinhaber oder entsprechend deren Nutzungsrechten auf diese auf.

[...]."

"Artikel 57

Berechnungsgrundlage in Bezug auf die angemeldeten Flächen

(1) Liegt im Fall von Beihilfeanträgen im Rahmen der flächenbezogenen Beihilferegelungen, ausgenommen die Beihilfen für Stärkekartoffeln und Saatgut gemäß Titel IV Kapitel 1 Abschnitte 2 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009, die ermittelte Fläche einer Kulturgruppe über der im Beihilfeantrag angemeldeten Fläche, so wird bei der Berechnung des Beihilfebetrags die angemeldete Fläche berücksichtigt.

(2) Bei einem Beihilfeantrag im Rahmen der Betriebsprämienregelung gilt Folgendes:

-

ergibt sich eine Abweichung zwischen den angemeldeten Zahlungsansprüchen und der angemeldeten Fläche, so wird für die Berechnung der Zahlung die niedrigere der beiden Größen zugrunde gelegt;

-

liegt die Anzahl der angemeldeten Zahlungsansprüche über der Anzahl der dem Betriebsinhaber zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche, so werden die angemeldeten Zahlungsansprüche auf die Anzahl der dem Betriebsinhaber zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche gesenkt.

(3) Liegt im Fall von Beihilfeanträgen im Rahmen der flächenbezogenen Beihilferegelungen, ausgenommen die Beihilfen für Stärkekartoffeln und Saatgut gemäß Titel IV Kapitel 1 Abschnitte 2 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009, die im Sammelantrag angemeldete Fläche über der ermittelten Fläche derselben Kulturgruppe, so wird die Beihilfe, unbeschadet der gemäß den Artikeln 58 und 60 der vorliegenden Verordnung vorzunehmenden Kürzungen und Ausschlüsse, auf der Grundlage der für diese Kulturgruppe ermittelten Fläche berechnet.

[...]."

"Artikel 73

Ausnahmen von der Anwendung der Kürzungen und Ausschlüsse

(1) Die in den Kapiteln I und II vorgesehenen Kürzungen und Ausschlüsse finden keine Anwendung, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Angaben vorgelegt hat oder auf andere Weise belegen kann, dass ihn keine Schuld trifft.

[...]."

"Artikel 80

Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge

(1) Bei zu Unrecht gezahlten Beträgen ist der Betriebsinhaber zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich der gemäß Absatz 2 berechneten Zinsen verpflichtet.

[...].

(3) Die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß Absatz 1 gilt nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnte.

Bezieht sich der Irrtum auf Tatsachen, die für die Berechnung der betreffenden Zahlung relevant sind, so gilt Unterabsatz 1 nur, wenn der Rückforderungsbescheid nicht innerhalb von zwölf Monaten nach der Zahlung übermittelt worden ist."

Gemäß § 4 Abs. 2 INVEKOS-CC-V 2010, BGBl. II Nr. 492/2009, muss die Mindestgröße der beihilfefähigen Fläche, die eine Kulturgruppe im Sinne des Art. 56 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 umfasst und für die Direktzahlungen beantragt werden, 0,1 ha betragen.

Gemäß § 11 Abs. 1 INVEKOS-CC-V 2010 kann die AMA unter Anwendung der Art. 32 Abs. 6 lit. a und 33 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 in Verbindung mit Art. 5a der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 von der Wiedereinziehung eines Betrags von höchstens 100 Euro (Zinsen nicht inkludiert) pro Begünstigten und Einzelzahlung Abstand nehmen, wenn der behördliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zur Höhe des rückzufordernden Betrags steht.

Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über eine auf ein geographisches Informationssystem gestützte Flächenidentifizierung (INVEKOS-GIS-V 2009), BGBl. II Nr. 338/2009:

"Sammelantrag

§ 2. Angaben im Sammelantrag (Mehrfachantrag-Flächen) zu Lage, Ausmaß, Nutzungsart und Nutzung aller landwirtschaftlichen Flächen eines Betriebes, insbesondere im Flächenbogen, sowie sonstige damit im Zusammenhang stehende Flächenangaben erfolgen nach den Bestimmungen dieses Abschnitts.

Begriffsbestimmungen

§ 3. Im Sinne dieser Verordnung bedeuten:

1. Feldstück: eine eindeutig abgrenzbare und in der Natur erkennbare Bewirtschaftungseinheit mit nur einer Nutzungsart gemäß § 7, die zur Gänze innerhalb oder außerhalb des benachteiligten Gebietes liegt;

[...].

4. Schlag: eine zusammenhängende Fläche auf einem Feldstück, die für eine Vegetationsperiode mit nur einer Kultur bewirtschaftet oder aber lediglich in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 erhalten wird;

[...]."

"Mitwirkung des Antragstellers

§ 9. (1) Lage, Ausmaß und Nutzungsart der Referenzparzelle sind durch die Agrarmarkt Austria oder beauftragte Stellen unter verpflichtender Mitwirkung des Antragstellers digital zu ermitteln.

(2) Stimmt das gemäß §§ 4 und 5 identifizierte Flächenausmaß nicht mit dem Flächenausmaß überein, das bei der Vor-Ort-Kontrolle ermittelt wird, kann sich der Antragsteller unter Bezug auf Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 nicht auf die Verbindlichkeit der Daten der identifizierten Fläche berufen, es sei denn, er kann belegen, dass ihn an der unrichtigen Identifizierung keine Schuld trifft.

Verwendung

§ 10. (1) Die digitalen Daten der Hofkarte dienen dem Antragsteller und der Zahlstelle als Grundlage bei der Ermittlung von Lage und Ausmaß beihilferelevanter Flächen.

(2) Die digitalen Daten der Hofkarte sind von der Zahlstelle für die Verwaltungskontrolle und für Vor-Ort-Kontrolle heranzuziehen.

(3) Die Orthophotodaten dienen jedenfalls als Hilfsmittel.

Zugriff

§ 11. (1) Die Agrarmarkt Austria übermittelt allen Antragstellern, die zum letzten vor der Erstellung der Hofkarte liegenden Antragstermin einen Sammelantrag (Mehrfachantrag-Flächen) gestellt haben, einen Ausdruck der Hofkarte. Dabei kann sie sich beauftragter Stellen bedienen. Betriebsinhabern, die zu diesem Zeitpunkt keinen Sammelantrag (Mehrfachantrag-Flächen) gestellt haben, wird erstmals nach der nächsten von ihnen durchgeführten Antragstellung die Hofkarte übermittelt.

(2) Ein elektronischer Zugriff des Antragstellers auf die Daten der Hofkarte samt Internetapplikation ist sicherzustellen."

3.3. Rechtliche Würdigung:

Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der ohne Zustellnachweis per Post an den BF gesendete Bescheid vom 28.08.2014 nicht gültig zugestellt wurde (vgl. VwGH 20.12.2007, 2007/16/0175).

Ein mangelhafter und dementsprechend gesetzwidriger Zustellvorgang steht einer rechtswirksamen Zustellung entgegen. Er löst den Beginn der Rechtsmittelfrist nicht aus und steht somit deren Versäumung, die wiederum gemäß § 71 Abs. 1 AVG Voraussetzung für einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ist, entgegen. Bei einem derartigen Zustellungsmangel handelt es sich nicht um einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund (VwGH 29.10.2015, 2013/07/0102).

Eine Zustellung des Bescheides gemäß § 37 ZustG über das elektronische Kommunikationssystem der Behörde war mangels Anmeldung des BF nicht zulässig und damit nicht rechtswirksam (vgl. Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 37 K 15).

Die auf diesem Wege vorgenommene Zustellung des Bescheides vom 28.08.2014 ist allerdings gemäß § 7 ZustG geheilt, da der Bescheid dem BF am 08.06.2016 tatsächlich zugekommen ist (vgl. Bumberger/Schmid, Praxiskommentar zum Zustellgesetz § 37 K 24).

Die Beschwerdefrist hat daher erst am 08.06.2016 zu laufen begonnen und die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben. Der BF versäumte keine Frist und lag somit auch kein Wiedereinsetzungsgrund vor (vgl. VwGH 17.09.2012, 2011/23/0506).

Zu Spruchpunkt I.:

Die AMA hat mit Bescheid vom 27.07.2017, AZ II/7-EBP/11-7194605010, den Bescheid vom 28.08.2014, AZ II/7-EBP/11-121644389, abgeändert. Aus der Begründung und der Rechtsmittelbelehrung des "Abänderungsbescheides", in der auf die Möglichkeit eines Vorlageantrages hingewiesen wird, geht klar hervor, dass die Behörde eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen wollte.

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

Abweichend von § 14 VwGVG beträgt die Frist für eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 19 Abs. 7 MOG 2007 idF BGBl. I Nr. 189/2013 vier Monate.

Die Beschwerde gegen den Bescheid der AMA vom 28.08.2014 ist am 08.06.2016 bei der Behörde eingelangt. Die Zuständigkeit der AMA zur Erlassung einer Vorentscheidung ist mit Ablauf der viermonatigen Frist des § 19 Abs. 7 MOG 2007 untergegangen und die am 08.08.2017 dem BF zugestellte Beschwerdevorentscheidung wurde daher von einer unzuständigen Behörde erlassen und ist schon aus diesem Grunde rechtswidrig (vgl. VwGH 04.11.1996, 96/10/0109; Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a Rz 8; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 14 K7).

Die Unzuständigkeit der Behörde ist nach § 27 VwGVG in jeder Lage des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 K1).

Der angefochtene Bescheid der AMA vom 27.07.2017 war daher nach § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II.:

Im vorliegenden Fall ist der BF im Rahmen der Beschwerde insbesondere der Verhängung von Kürzungen und Ausschlüssen ("Sanktionen") entgegengetreten und wendet mangelndes Verschulden an einer fehlerhaften Beantragung ein.

Wenn sich die beschwerdeführende Partei hinsichtlich der festgestellten Flächenabweichungen auf Ergebnisse früherer amtlicher Ermittlungen beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Verhängung von Sanktionen Abstand genommen werden kann, wenn sich der Antragsteller auf das Ergebnis einer vorangegangenen Vor-Ort-Kontrolle verlassen konnte (vgl. VwGH 16.11.2011, 2011/17/0147).

Aus den Feststellungen geht hervor, dass sich der BF bei seiner Antragstellung im Wesentlichen an dem Ergebnis der amtlichen Flächenermittlung im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle des Jahres 2009 orientiert hat und auf dessen Richtigkeit vertrauen durfte. Den BF trifft an der festgestellten Überbeantragung daher keine Schuld und gemäß Art. 73 Abs. 1 VO (EG) 1122/2009 konnte von einer Verhängung von Sanktionen Abstand genommen werden.

Soweit der BF das Vorliegen eines Irrtums der Behörde iSd Art. 80 Abs. 3 VO (EG) 1122/2009 behauptet, der ihm nicht hätte auffallen müssen und der ihn gegebenenfalls von der Rückzahlungsverpflichtung befreien würde, ist Folgendes festzuhalten:

Ausgehend von dem Grundsatz, dass den Antragsteller die Verantwortung für die Richtigkeit der von ihm beantragten Flächenausmaße trifft, ist es an ihm gelegen, in Zweifelsfällen die beihilfefähige Fläche selbst oder durch Beauftragte, allenfalls auch unter Beiziehung von Sachverständigen zu ermitteln (vgl. VwGH 29.05.2015, 2012/17/0198).

Dass der BF dahingehende besondere Anstrengungen unternommen hat, wurde von ihm nicht behauptet. Da sich auch sonst keine diesbezüglichen Hinweise ergeben haben, ist gegenständlich nicht vom Vorliegen eines Behördenirrtums iSd Art. 80 Abs. 3 VO (EG) 1122/2009 auszugehen und waren die zu Unrecht ausgezahlten Beträge gemäß Art. 80 Abs. 1 VO (EG) 1122/2009 rückzufordern.

Der BF hat im Rahmen der Beschwerde überdies den Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge "den offensichtlichen Irrtum entsprechend dem eigenen Beschwerdepunkt anerkennen und die Berichtigung meines Beihilfenantrages zulassen". Da darüber hinaus jedoch keinerlei weiteres Vorbringen zu einem offensichtlichen Irrtum erstattet wurde, keine dahingehenden Anhaltspunkte hervorgekommen sind, und der BF auch kein konkretes Begehren hinsichtlich Berichtigung seines Antrages geäußert hat, ist auf die Voraussetzungen für die Anerkennung eines offensichtlichen Irrtums iSd Art. 21 VO (EG) 1122/2009 nicht weiter einzugehen.

Zu dem Beweisantrag, dem BF möge der Prüfberichte zur Vor-Ort-Kontrolle zur Stellungnahme übermittelt werden, ist festzuhalten, dass dem BF - als Obmann der von den Flächenabweichungen betroffenen Gemeinschaftsweide - ohnehin der Kontrollbericht von der belangten Behörde zugestellt wurde, wie auch aus den mit der Beschwerde übermittelten Stellungnahmen hervorgeht. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass sämtliche Daten und Unterlagen, die Grundlage für die Gewährung der Beihilfe darstellen, der BF bzw. dem jeweiligen Almobmann als Vertreter online im Rahmen der Internet-Applikation INVEKOS-GIS zur Verfügung stehen, soweit diese nicht ohnehin persönlich zugestellt werden (§ 10 INVEKOS-GIS-Verordnung).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und eines Lokalaugenscheins konnte abgesehen werden, da eine weitere Klärung der Rechtssache aus den oben beschriebenen Gründen nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des EGMR keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen; vgl. dazu mwN Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523 (534) sowie aktuell VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117. Der BF ist den dem Bescheid zugrunde gelegten Feststellungen der belangten Behörde nicht konkret entgegengetreten und der entscheidungsrelevante Sachverhalt hat sich vor dem Hintergrund der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als geklärt erwiesen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zu Rückforderungen im Rahmen des INVEKOS in Zusammenhang mit Almen liegen mittlerweile zahlreiche Entscheidungen des VwGH vor; vgl. zusammenfassend VwGH 09.09.2013, 2011/17/0215.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, beihilfefähige Fläche, Beihilfefähigkeit,
Berechnung, Bescheidabänderung, Beschwerdevorentscheidung,
Direktzahlung, einheitliche Betriebsprämie, Entscheidungsfrist,
ersatzlose Behebung, Flächenabweichung, Fristablauf,
Fristüberschreitung, Fristversäumung, gutgläubiger Verbrauch,
Gutgläubigkeit, INVEKOS, Irrtum, Kassation, konkrete Darlegung,
Konkretisierung, Kontrolle, Kürzung, Mehrfachantrag-Flächen,
Mitteilung, Prämienfähigkeit, Prämiengewährung, Rechtzeitigkeit,
Rückforderung, unzuständige Behörde, Unzuständigkeit, Verschulden,
verspätete Entscheidung, Verspätung, Vorlageantrag,
Zahlungsansprüche, Zuständigkeit, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W118.2198005.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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