TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/15 99/04/0025

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Veröffentlicht am 15.09.1999
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §81 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der E N in S, vertreten durch den zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt Dr. H in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 16. Oktober 1998, Zl. 5/02-1227/2-1998, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: E & S

Gesellschaft m.b.H. & Co. KG in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 16. Oktober 1998 wurde der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug nach § 66 Abs. 4 AVG die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung ihrer näher bezeichneten Betriebsanlage in Form einer Erweiterung des bestehenden Schlossereibetriebes durch Zubau von Lager- und Garagenflächen, Personalräumen sowie Einbau einer Lackierbox unter Vorschreibung diverser Auflagen gemäß § 74 Abs. 2 und § 81 Abs. 1 GewO 1994 in Verbindung mit § 93 Abs. 3 ASchG erteilt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann im Wesentlichen aus, die im (erstbehördlichen) Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen hätten zusammengefasst ausgeführt, unter Zugrundelegung einer vorgelegten Immissionsberechnung der Lackerzeugerfirma und des Emissionsmessberichtes unterschritten die Emissionen sowohl bei den organischen Lösemitteln als auch bei den staubförmigen Emissionen aus der gegenständlichen Lackieranlage bei weitem die als Stand der Technik zu bewertenden Grenzwerte der Lackieranlagenverordnung. Dort seien als Emissionsgrenzwerte für die Dämpfe organischer Lösemittel 100 mg/m3 und für staubförmige Emissionen 3 mg/m3 festgesetzt. Bei der gegenständlichen Lackieranlage betrügen unter Zugrundelegung einer Ausblasgeschwindigkeit von 13 m/sek. diese Werte im Spritzbetrieb 69,8 mg/m3 und im Trockenprozess 52,7 mg/m3 Dämpfe organischer Lösemittel in der Abluft, für das Grundiersystem betrügen diese Werte im Spritzbetrieb 51,9 mg/m3 und im Trocknungsbetrieb 56,9 mg/m3. Der Anteil an staubförmigen Emissionen betrage für beide Systeme 1 mg/m3. Obgleich sich wegen des zusätzlich erforderlichen Schalldämpfers zur Reduzierung der Lärmimmissionen aus der Lüftungsanlage die Ausblasgeschwindigkeit entgegen der Annahme von 13 auf 9,5 m/sek. reduziert habe, bewegten sich die Emissionswerte im Emissionsmessbericht vom 1. April 1998 im Rahmen der wiedergegebenen Werte und sohin weit unterhalb der Grenzwerte der Lackieranlagenverordnung. Vom chemisch-technischen Amtssachverständigen sei aus diesen Umständen die Schlussfolgerung gezogen worden, es sei eine Geruchswahrnehmung bei den Nachbarn ausgeschlossen. Zur Frage einer möglichen Lärmemission habe der gewerbetechnische Amtssachverständige unter Zugrundelegung eines schalltechnischen Messgutachtens ausgeführt, mit dem Betrieb der Lüftungsanlage werde der Grundgeräuschpegel des Umgebungslärms um 6,5 bzw. 7 dB angehoben. Der energieäquivalente Dauerschallpegel des Umgebungslärms bleibe im Wesentlichen unverändert. Wegen des informationshaltigen Charakters des Störgeräusches der Lüftungsanlage müsse jedoch ein Zuschlag von 3 dB hinzugerechnet werden, weshalb der Grundgeräuschpegel durch das betriebskausale Störgeräusch aus der Lüftungsanlage unzulässig um 10 dB angehoben werde. Deshalb seien zur Reduzierung des Immissionspegels um 10 dB sowohl bei der Frischluftansaugung als auch Fortluftabführung Schalldämpfer einzubauen. Wie eine subjektive Hörprobe beim Augenschein am 1. April 1998 - damals seien die Schalldämpfer bereits eingebaut gewesen - ergeben habe, seien die Störgeräusche gegenüber der Umgebungsgeräuschsituation deutlich in den Hintergrund getreten und seien nur mehr an der Grundstücksgrenze leicht wahrnehmbar gewesen. Vom medizinischen Amtssachverständigen sei unter Zugrundelegung der chemisch-technischen bzw. gewerbetechnischen Amtssachverständigenaussagen sowohl eine Gesundheitsgefährdung als auch eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn durch Lärm als auch durch Staub und Geruch ausgeschlossen worden, da mit dem Einbau von Schalldämpfern der Grundgeräuschpegel des Umgebungslärmes kaum angehoben und der energieäquivalente Dauerschallpegel im Wesentlichen gleich bleibe und hinsichtlich der Emissionen an Staub und organischen Lösungsmitteln die Emissionsgrenzwerte der Lackieranlagenverordnung weit unterschritten würden. Die Erstbehörde habe sich bei ihrer Annahme, es träten keine Gesundheitsgefährdungen bzw. unzumutbare Belästigungen für die Nachbarn auf, auf schlüssige und nachvollziehbare Gutachten gestützt, denen die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei. An der Schlüssigkeit des zu Grunde gelegten chemisch-technischen und medizinischen Amtssachverständigengutachtens zur Frage einer allfälligen Geruchs- und Staubbelästigung vermöge die Berufungsbehörde schon deshalb keine Zweifel zu hegen, da die Emissionsgrenzwerte in der als Stand der Technik zu wertenden Lackieranlagenverordnung weit unterschritten würden und - wie beim Augenschein am 1. April 1998 festgestellt worden sei - auch eine geruchliche Wahrnehmung ausgeschlossen sei. Es sei daher entbehrlich, ein weiteres meteorologisches Gutachten zur Frage einzuholen, inwieweit Änderungen der Windverhältnisse einen Einfluss auf die Geruchsimmissionen bei der Beschwerdeführerin hätten, da eine geruchliche Wahrnehmung bereits bei den nächstgelegenen Nachbarn ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, dass keine Betriebsanlage genehmigt werde, die mit Gefährdungen oder unzumutbaren Belästigungen für die Nachbarschaft verbunden ist. Sie fühlt sich weiter in dem Recht auf Schutz der körperlichen Unversehrtheit sowie vor gesundheitsgefährdenden und belästigenden Emissionen verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes rügt sie zunächst, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Berufungsvorbringen nicht auseinander gesetzt. Die belangte Behörde hätte ferner nicht nur die Auswirkungen der verfahrensgegenständlichen Änderung der in Rede stehenden Betriebsanlage, sondern die Gesamtemissionen der geänderten Betriebsanlage ihrer Beurteilung zugrunde zu legen gehabt. Die Beschwerdeführerin wohne in einem erweiterten Wohngebiet und brauche mit den beanstandeten erheblichen Belästigungen durch Geruch und Lärm nicht zu rechnen. Sie leide an Atmungsstörungen und habe sich bereits mehrere Male einer operativen Entfernung der Polypen unterziehen müssen. Der chemisch-technische Amtssachverständige habe eingeräumt, dass bei ungünstigen meteorologischen Bedingungen eine Geruchswahrnehmung der organischen Lösungsmitteln gegeben sei, die Häufigkeit einer solchen Wahrnehmung jedoch unter dem Schwellenwert von 8 % der Jahresstunden liege, welcher von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften als Richtwert für die Zumutbarkeit von Geruchswahrnehmungen vorgeschlagen worden sei. Solche Richtwerte hätten keine verbindliche Kraft für das vorliegende Verfahren. Demgegenüber gehe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon aus, dass eine Geruchswahrnehmung bei den Nachbarn ausgeschlossen sei. Der Amtsarzt habe zu den im Zuge des Verfahrens wiederholt geltend gemachten Geruchsbelästigungen erklärt, dass diese von anderen Anlagenteilen ausgehen müssten. Die belangte Behörde habe diese Frage aber nicht mit ausreichender Sicherheit abgeklärt. Die belangte Behörde habe auch keine ergänzenden Untersuchungen dahin gehend durchgeführt, wie sich die von der Lackieranlage ausgehenden Lösemittelemissionen in medizinischer Hinsicht einerseits gesundheitsschädlich und andererseits gesundheitsbeeinträchtigend auf das Wohlbefinden der Nachbarn bzw. auf jenes der Beschwerdeführerin auswirkten. Im Zeitpunkt des Probebetriebes habe Windstille geherrscht. Obwohl die Beschwerdeführerin dies wiederholt gefordert habe, habe es die belangte Behörde unterlassen, Messungen auch während anderer meteorologischer Gegebenheiten durchzuführen. Der chemisch-technische Sachverständige habe anlässlich des Ortsaugenscheines am 1. April 1998 festgehalten, dass eine ordnungsgemäße Lüftung nur durch Schaffung einer neuen Lüftungsöffnung oder durch das Öffnen eines Kippfensters hergestellt werden könne. Zum Zeitpunkt der Messungen sei eine weitere Lüftungsöffnung noch nicht vorhanden gewesen bzw. sei keine Geruchsemissionsmessung bei geöffnetem Kippfenster durchgeführt worden. Zu den Lärmemissionen habe sich die belangte Behörde mit einer subjektiven Hörprobe des ärztlichen Amtssachverständigen begnügt, ohne entsprechende Messungen durchzuführen. Hätte sie in einem ergänzenden Ermittlungsverfahren eine repräsentative Lärmmessung an mehreren Wochentagen zu unterschiedlichen Zeiten und vor allem auch an einem Samstag Vormittag durchgeführt, so hätte sie zu einem anderen Ergebnis gelangen können. Schließlich habe sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie werde durch Rauch- und Staubemissionen sowie durch Erschütterungen, welche von der Betriebsliegenschaft ausgingen, gestört, überhaupt nicht auseinander gesetzt.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof hiezu in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle, dass Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens nach dieser Gesetzesstelle primär nur die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, nicht jedoch schlechterdings die geänderte Betriebsanlage insgesamt zu sein hat. Nur dann, wenn die geplante Änderung auch zu einer Änderung der von der Altanlage ausgehenden Emissionen in einem die im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen beeinträchtigenden Maß kommen kann, hat die Genehmigung nach § 81 Abs. 1 leg. cit. auch die bereits genehmigte Anlage zu erfassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10.Februar 1998, Zl. 97/04/0165). Dass letzteres im vorliegenden Fall zuträfe, wird auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet, weshalb der Verwaltungsgerichtshof in der Unterlassung der belangten Behörde, in ihre Betrachtung auch die von der bestehenden Betriebsanlage ausgehenden Immissionen einzubeziehen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erblicken kann.

Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin allerdings eine Unschlüssigkeit des chemisch-technischen Amtssachverständigengutachtens deshalb, weil dieser Sachverständige in seinem anlässlich des Probebetriebes am 1. April 1998 abgegebenen Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen hat, im Zeitpunkt des Probebetriebes würden die oberen Lüftungsöffnungen des Lackmisch- und Lacklagerraumes als Fortluftführung für die Lackiergeräte-Reinigungsbehälter verwendet. Diese funktioniere nur bei geschlossenem Deckel des Reinigungsgerätes. Dadurch sei die obere Entlüftung des Raumes derzeit nicht mehr verfügbar, Abhilfe könne durch Schaffung einer neuen Lüftungsöffnung oder durch Arretierung des Kippfensters in Offenstellung geschaffen werden.

Aus diesen Ausführungen ist ersichtlich, dass im Zeitpunkt der Messung bzw. Prüfung der Geruchsemissionen aus der Lackieranlage andere Bedingungen für die Ausbreitung der maßgeblichen Gerüche herrschten, als sie bei Betrieb der geänderten Betriebsanlage zu erwarten sind, weil damals eine obere Entlüftung des Lackmisch- und Lagerraumes nicht vorhanden war. Ob und welche Auswirkungen das Vorhandensein einer derartigen Lüftungsöffnung auf die Gesamtimmissionen an Gerüchen auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin haben könnten, ist dem Gutachten des chemisch-technischen Amtssachverständigen nicht zu entnehmen.

Dazu kommt, dass der angefochtene Bescheid im Zusammenhang mit der Frage der Geruchsbelästigung auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin insofern eine aktenwidrige Aussage trifft, als der chemisch-technische Sachverständige in seinem Gutachten vom 4. Mai 1998 unter bestimmten meteorologischen Bedingungen derartige Geruchswahrnehmungen auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin für möglich erklärte, während im angefochtenen Bescheid Derartiges als ausgeschlossen angesehen wird.

Von dieser aktenwidrigen Annahme ausgehend hat es die belangte Behörde unterlassen, die vom chemisch-technischen Sachverständigen für möglich erklärten Geruchsimmissionen durch einen ärztlichen Sachverständigen auf ihre Eignung zur Gefährdung der Gesundheit bzw. zu einer unzumutbaren Belästigung der Beschwerdeführerin prüfen zu lassen.

Da der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war, erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999040025.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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