TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/15 98/13/0153

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Veröffentlicht am 15.09.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
BAO §260 Abs2;
BAO §263;
BAO §270;
BAO §271 Abs1 idF 1993/012 ;
FinStrG §66;
FinStrG §68;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Beachte

Besprechung in: ÖStZ 1999, S 592;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der B GesmbH in E, vertreten durch Dr. Robert Briem, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat X, vom 10. Juli 1998, GZ RV/088-17/04/98, RV/532-17/04/98, betreffend Körperschaftsteuer für 1995, Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1997 und Folgejahre, Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1998 und Folgejahre, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH betreibt eine Kabelfernseh-Anlage. Gegen die bescheidmäßige Festsetzung der Körperschaftsteuer für 1995 und der Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1997 und Folgejahre wurde von der Beschwerdeführerin Berufung erhoben und darin beantragt, die Verminderung der Baukostenzuschüsse in Höhe von S 11,702.857,-- in der außerbilanzmäßigen Mehr-/Weniger-Rechnung abzuziehen, da der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Dezember 1996, 94/15/0148, ausgesprochen habe, dass einmalige Anschlussgebühren für die Errichtung von Kabel-TV-Anschlüssen sofort ertragswirksam zu erfassen seien. Die Baukostenzuschüsse seien aber ebenfalls auf Grund von einmaligen Anschlussgebühren zur Abdeckung der Aufwendungen für die Errichtung eines Kabel-TV-Anschlusses im handelsrechtlichen Jahresabschluss passiv abgegrenzt worden. In Anwendung dieses Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes wären diese passiv abgegrenzten Anschlussgebühren nunmehr als versteuerte Rücklagen anzusehen, deren Auflösung steuerneutral zu erfolgen habe. Da die Auflösungen alter Jahre (in Höhe von S 17,948.553,10) handelsrechtlich als Umsatzerlöse erfasst worden seien, seien sie außerbilanzmässig wieder abzuziehen und nur die Zuführungen des laufenden Jahres (in Höhe von S 6,245.696,10) wieder hinzuzuzählen, sodass sich die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um S 11,702.857,-- verringerten.

Nach Abweisung der Berufung mit Berufungsvorentscheidung wurde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. In dieser Eingabe wurde ausgeführt, die ertragswirksame Erfassung der Anschlussgebühren sei bisher mittels passiver Rechnungsabgrenzungsposten über zehn Jahre verteilt worden. Da sich die Bilanz durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nachträglich als objektiv unrichtig herausgestellt habe, sei eine Bilanzberichtigung im Sinne des § 4 Abs 2 EStG vorzunehmen. Diese Bilanzberichtigung sei unabhängig davon, ob auch die Veranlagung noch berichtigt werden könne. Gegen die zusammen mit der Berufungsvorentscheidung erfolgte Festsetzung von Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1998 und Folgejahre wurde ebenfalls Berufung erhoben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung hinsichtlich Körperschaftsteuer 1995 abgewiesen, während die Festsetzung der Vorauszahlungen abgeändert wurde. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die für die Errichtung von Kabelfernsehanschlüssen erhaltenen einmaligen Anschlussgebühren seien von der Beschwerdeführerin zunächst nicht im Jahr des Zuflusses besteuert worden, sondern es seien die Erträge durch Bildung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten entsprechend der Nutzungsdauer der Anlagen auf zehn Jahre verteilt worden. Zum 1. April 1994 (Beginn des Wirtschaftsjahres 1994/1995) seien nicht versteuerte Baukostenzuschüsse von ca. S 82,700.000,-- bilanziert worden. Eine Bilanzberichtigung komme immer dann nicht in Frage, wenn die Bilanz mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes erstellt wurde. In Anbetracht der unklaren Rechtslage und der gängigen Verwaltungspraxis sei die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Verteilung der Baukostenzuschüsse mittels passiver Rechnungsabgrenzung als durchaus vertretbare Rechtsansicht zu beurteilen. Die Beschwerdeführerin habe daher bei der Bilanzerstellung die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes angewendet. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 30. Jänner 1980, B 29/77, dürfe eine jahrelang in vertretbarer Weise - in Übereinstimmung zwischen Abgabenbehörde und Steuerpflichtigen - erfolgte Beurteilung einer bestimmten Vorgangsweise durch den Wechsel zu einer anderen Vorgangsweise nicht zu einer Doppelbesteuerung führen. Ebenso wenig dürfe das Abgehen von der über Jahrzehnte gehandhabten Passivierung der Baukostenzuschüsse nicht zu einer "doppelten Nichtbesteuerung" führen. Es sei daher im Beschwerdefall eine steuerneutrale Bilanzberichtigung nicht zulässig; vielmehr müssten die bereits passivierten Baukostenzuschüsse nach bisherigem Vorbild mit Verteilung über zehn Jahre aufgelöst werden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie die Geschäftsverteilung der Berufungssenate und der Berufungskommissionen für die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland vor. Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 263 und 270 BAO lauten:

"§ 263. (1) Für den Bereich jedes Bundeslandes ist eine Berufungskommission zu bilden, deren Geschäfte der Präsident der Finanzlandesdirektion leitet.

(2) Die Berufungskommission besteht aus zwei Gruppen von Mitgliedern, welche in je einer Liste zu vereinigen sind. Die erste Gruppe setzt sich aus den von den gesetzlichen Berufsvertretungen entsendeten, im jeweiligen Bundesland wohnhaften Mitgliedern zusammen, wobei das Bundesministerium für Finanzen die Zahl der von den einzelnen Berufsvertretungen zu entsendenden Mitglieder unter Berücksichtigung der Bedeutung der Berufsgruppen für die Steuerleistung im Bundesland bestimmt. Die Mitglieder der zweiten Gruppe werden in erforderlicher Anzahl vom Bundesministerium für Finanzen ernannt.

(3) Neben den Mitgliedern der Berufungskommissionen ist nach den Grundsätzen des Abs. 2 die gleiche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen und gleichfalls in je einer Liste zu vereinigen.

§ 270. (1) Der Präsident der Finanzlandesdirektion bildet aus der Berufungskommission (§ 263) die Berufungssenate und weist diesen die Senatsmitglieder und Stellvertreter in erforderlicher Anzahl zu.

(2) Die Zusammensetzung der Berufungssenate und deren Geschäftsverteilung, die der Präsident der Finanzlandesdirektion bestimmt, sind durch Anschlag an der Amtstafel zu veröffentlichen.

(3) Über Berufungen gemäß § 260 Abs. 2 entscheidet ein fünfgliedriger Berufungssenat, der sich aus dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion oder einem von ihm bestimmten Finanzbeamten als Vorsitzenden und vier Beisitzern zusammensetzt. Von den Beisitzern haben einer der Gruppe der ernannten und drei der Gruppe der entsendeten Mitglieder der Berufungskommission anzugehören. Ein Mitglied muss von einer gesetzlichen Berufsvertretung selbständiger Berufe, ein weiteres von einer gesetzlichen Berufsvertretung unselbständiger Berufe entsendet sein, während das dritte Mitglied von der gesetzlichen Berufsvertretung des Berufungswerbers entsendet sein soll."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Kollegialorgan, das nicht in der nach dem Gesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, als unzuständige Behörde iSd § 42 Abs 2 Z 2 VwGG anzusehen (vgl das hg Erkenntnis vom 6. April 1995, Zl 93/15/0061, Slg NF Nr 6989/F, mwH).

In der Literatur bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die aus der Geschäftsverteilung der Finanzlandesdirektionen ersichtliche Übung der Präsidenten der Finanzlandesdirektionen, den Berufungssenaten mehr als fünf Senatsmitglieder und fünf Stellvertreter zuzuweisen, dem Gesetz entspricht (vgl die entsprechenden Hinweise bei Ritz, BAO2, 640).

Die Einrichtung von Berufungskommissionen war historisch gesehen bereits im Personalsteuerrecht (vgl insbesondere Personalsteuergesetz 1896, RGBl 220, und Personalsteuergesetz BGBl 307/1924) vorgesehen und wurde nach der Wiederherstellung Österreichs in den §§ 28 ff Abgabenrechtmittelgesetz (AbgRG) BGBl 60/1949 mit Modifizierungen beibehalten (vgl Fellner, Verwaltungsgerichte erster Rechtsstufe in Abgabensachen und Finanzstrafsachen?, ÖJZ 1996, 364). Im § 35 Abs 1 AbgRG wurde unter anderem bestimmt, dass die Berufungssenate vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion jeweils für ein Jahr zusammengesetzt werden. Für die Mitglieder jedes Senates sei jeweils aus der gleichen Gruppe eine gleich große Zahl von Stellvertretern zu bestellen. Die Einteilung der Berufungssenate sei durch Anschlag an der Amtstafel zu veröffentlichen. Der Präsident der Finanzlandesdirektion weise den einzelnen Berufungssenaten die Berufungen zur Entscheidung zu.

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum AbgRG (730 BlgNR 5. GP) ist zu § 35 AbgRG unter anderem ausgeführt:

"Die nach dem mutmaßlichen Anfall an Berufungen erforderliche Anzahl von Senaten wird durch den Präsidenten der Finanzlandesdirektion je für ein Jahr unter Veröffentlichung der Zusammensetzung zu bilden sein. Hiebei kann das Arbeitsgebiet der einzelnen Senate nach Abgabengattungen abgegrenzt werden. Jedem Senat ist die erforderliche Anzahl von Mitgliedern und Stellvertretern aus dem Kreis der gewählten (entsendeten, ernannten) Mitglieder (Stellvertreter) zuzuweisen. Aus ihrer Mitte werden dann fallweise die Senate zur Entscheidung der einzelnen Berufungen gebildet."

Zu dieser Bestimmung des § 35 AbgRG hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. Juni 1960, B 381/59, Slg 3752, ausgesprochen, es sei nicht richtig, dass sie den Gedanken einer festen Geschäftsverteilung nach dem Muster der Gerichtsverfassung verwirkliche. Die Berufungskommission entscheide zwar in Senaten und die Einteilung der Berufungssenate sei durch Anschlag an der Amtstafel zu veröffentlichen, doch könne den einzelnen Berufungssenaten eine größere Zahl von Mitgliedern (Stellvertretern) zugeteilt werden, als für die Besetzung des erkennenden Berufungssenates notwendig sei.

Die Bestimmungen der Stammfassung der Bundesabgabenordnung über die Berufungskommissionen und die Berufungssenate entsprachen "im Wesentlichen unverändert" (vgl Regierungsvorlage, 228 BlgNR 9. GP) den Regelungen des AbgRG. Allerdings wurde die im § 35 Abs 1 AbgRG gebrauchte Wendung "Einteilung der Berufungssenate" im § 270 Abs 2 BAO durch die Wortfolge "Zusammensetzung der Berufungssenate und deren Geschäftsverteilung" ersetzt. Es kann dabei davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber beim Gebrauch des Wortes "Geschäftsverteilung" auf den gleichartigen Begriff in dem die richterliche Unabhängigkeit regelnden Art 87 B-VG Bedacht genommen hat, zumal bereits nach der Stammfassung der BAO die entsendeten Mitglieder der Berufungssenate in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden waren (§ 271 Abs 1 BAO). Durch das Bundesgesetz BGBl 12/1993 wurde § 271 Abs 1 BAO dahin geändert, dass sämtliche Mitglieder der Berufungssenate in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden sind. Die Weisungsfreiheit betrifft sowohl die einzelnen Mitglieder des Berufungssenates als auch das Kollegium als solches (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 2673). Damit sollte die Weisungsfreiheit des Kollegialorgans in Anlehnung an § 66 Abs 1 FinStrG geregelt werden (vgl RV, 811 BlgNR 18. GP). Trotz dieser Bezugnahme der Gesetzesmaterialien auf das FinStrG hat es der Gesetzgeber des Bundesgesetzes BGBl 12/1993 aber unterlassen, die Zusammensetzung und Geschäftsverteilung der Berufungssenate wie im § 68 FinStrG einer näheren Regelung zu unterziehen.

Bei der Beurteilung des normativen Gehalts des insoweit - wie den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zuzugestehen ist - nicht leicht erschließbaren § 270 BAO ist davon auszugehen, dass im Abs 1 dieser Gesetzesstelle zunächst als organisatorische Anordnung die Bildung der Berufungssenate und die Zuweisung von Senatsmitgliedern "in erforderlicher Anzahl" normiert ist. Im Erkenntnis vom11. Mai 1993, 89/14/0294, hat der Verwaltungsgerichtshof hiezu die Auffassung vertreten, es sei durch diese Bestimmung nicht ausgeschlossen, dass jedem Senat eine größere Anzahl von Mitgliedern zugewiesen wird, als zur Besetzung des erkennenden Senates erforderlich ist. Im Hinblick darauf, dass die Rechtslage trotz der teilweisen Annäherung der BAO an das FinStrG diesbezüglich unverändert geblieben ist, besteht kein Grund, von der dargestellten Auffassung abzugehen. Dem steht auch die Anordnung des § 270 Abs 3 BAO nicht entgegen, wonach die Entscheidung über die dort bezeichneten Berufungen einem aus fünf Mitgliedern bestehenden zusammengesetzten Berufungssenat zukommt. Nach dem Aufbau des Gesetzes ist nämlich § 270 Abs 1 BAO als Organisationsvorschrift zu sehen, wobei nach Abs 2 der Gesetzesstelle die danach getroffene Organisationsform entsprechend zu publizieren ist. Demgegenüber wird im § 270 Abs 3 BAO die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der im § 260 Abs 2 BAO genannten Berufungen bestimmt.

Dennoch wurde der angefochtene Bescheid von einem nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzten Berufungssenat beschlossen:

Nach der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Geschäftsverteilung der Berufungssenate der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland war im Beschwerdefall der Senat X für die Entscheidung über die Berufung zuständig. Als Vorsitzender dieses Senates war Mag. St. ausgewiesen. Unter der Überschrift "II. Ernannte Mitglieder (Stellvertreter)" sind sechs Personen angeführt.

Die beiden ernannten Mitglieder, die im Beschwerdefall dem tatsächlich entscheidenden Senat angehört haben, scheinen in der Aufzählung der Mitglieder des Senates X nicht auf. Hinsichtlich des Vorsitzenden ist dabei von der allgemeinen, in der Geschäftsverteilung getroffenen Regelung der Vertretung der Vorsitzenden auszugehen. Danach sind zur Vertretung des Vorsitzenden des Senates X insgesamt 13 Personen (nämlich Vorsitzende anderer Berufungssenate) vorgesehen, wobei ausdrücklich vermerkt ist: "bei Verhinderung durch den jeweils Nächstgenannten, der nicht verhindert ist".

Nach der genannten Regelung wurde der Vorsitzende Mag. St. zunächst von Dr. Wa. und sodann von Mag. Wo., die tatsächlich im Beschwerdefall den Vorsitz geführt hat, vertreten. In der Gegenschrift der belangten Behörde wird dazu ausgeführt, das durch die Arbeitsüberlastung des Vorsitzenden bedingte Anwachsen der Rechtsmittelrückstände im Zuständigkeitsbereich des Senates X sei ausschlaggebend dafür gewesen, dass abteilungsintern eine Reihe von organisatorischen Maßnahmen getroffen worden sei, um den Abbau der aus dem Burgenland stammenden Rechtsmittel zu beschleunigen. Im Hinblick auf die Arbeitsüberlastung von Mag St. einerseits und die urlaubsbedingte Abwesenheit des Dr. Wa. bis einschließlich 8. Juli 1998 "sowie infolge dessen dienstlicher Verhinderung am Verhandlungstag" (9. Juli 1998) andererseits sei der Vorsitz von Mag Wo. geführt worden. Mit diesem Vorbringen über eine - nach den Ausführungen in der Gegenschrift bereits länger andauernde - Arbeitsüberlastung wurde aber keine Verhinderung des Vorsitzenden Mag. St, am Verhandlungstag den Vorsitz im Berufungssenat zu führen, dargetan. Die belangte Behörde hat es ferner unterlassen, überhaupt nähere Erklärungen über eine "dienstliche Verhinderung" des zunächst als Vertreter in Betracht kommenden Dr. Wa. zu machen. Da somit eine Verhinderung weder des Vorsitzenden noch seines ersten Stellvertreters belegt werden konnte, war somit davon auszugehen, dass die Besetzung des Senates mit der Vorsitzenden Mag. Wo. nicht der durch Anschlag an der Amtstafel veröffentlichten Geschäftsverteilung entsprochen hat.

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, dass dem entscheidenden Senat Mag. Wa. als Beisitzer angehört hat, ohne dass dieser unter den ernannten Mitgliedern oder Stellvertretern der ernannten Mitglieder des Senates X aufschien. In der Gegenschrift wurde dazu auf folgende, auf S 5 der Geschäftsverteilung in Art einer Fußnote enthaltene Regelung verwiesen:

"Im Einzelfall kann über Anordnung des jeweiligen Vorsitzenden im Einvernehmen mit dem Vorstand der Geschäftsabteilung, deren Bediensteter das Mitglied ist, die Berichterstattung auch in allen übrigen Senaten erfolgen."

Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, inwieweit durch eine derartige Regelung die gesetzliche Anordnung über die Bestimmung der Zusammensetzung der Berufungssenate ad absurdum geführt wird. Da von der belangten Behörde in keiner Weise dargestellt wurde, auf Grund welcher Umstände Mag. Wa. im Beschwerdefall zum Berichterstatter bestimmt wurde, kann jedenfalls auch diesbezüglich von einer gesetzmäßigen Zusammensetzung des entscheidenden Senates nicht gesprochen werden.

Da somit der Berufungssenat, der den angefochtenen Bescheid beschlossen hat, nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt war, war der Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 2 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. September 1999

Schlagworte

Behördenorganisation Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998130153.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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