TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/17 W151 2159559-1

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Veröffentlicht am 17.10.2018
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Entscheidungsdatum

17.10.2018

Norm

AuslBG §4 Abs3
AuslBG §4c
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W151 2159559-1/3E

W151 2188232-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris Kohl, MCJ als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Sandra HUBER und den fachkundigen Laienrichter Anton LIEDLBAUER als Beisitzer über die Beschwerden vom 20.04.2017 des Erstbeschwerdeführers XXXX, sowie des Zweitbeschwerdeführers XXXX, Staatsbürgerschaft Türkei, beide vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Universitätsstraße 8/2, 1090 Wien, gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 07.04.2017, GZ. XXXX betreffend einer Beschäftigungsbewilligung des Zweitbeschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 3 AuslBG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Antrag vom 21.02.2017 beantragte die XXXX (im Folgenden Erstbeschwerdeführer oder BF 1) die Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung von XXXX, Staatsangehöriger der Republik Türkei (im Folgenden Zweitbeschwerdeführer oder BF 2) beim Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (im Folgenden belangte Behörde oder AMS) für die berufliche Tätigkeit eines Bäckers mit einer Entlohnung von brutto € 380,-- monatlich im Ausmaß von 10 Wochenstunden. Dem Antrag angeschlossen waren folgende Urkunden:

-

Kopie des Reisepasses des BF 2;

-

Kopie der Aufenthaltsbewilligung Studierender des BF 2;

-

eine Meldebestätigung vom 20.11.2015 aus der hervorgeht, dass der BF 2 an der Adresse XXXX zum Hauptwohnsitz gemeldet war;

-

eine Einreichbestätigung über den erfolgten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot-Karte (plus) vom Amt der Wiener Landesregierung (MA35) vom 16.02.2017.

2. Mit Parteiengehör vom 08.03.2017 wurde dem BF 2 mitgeteilt, dass er eine Inskriptionsbestätigung für das Wintersemester 2017 nicht vorgelegt habe und daher kein Nachweis über ein tatsächliches Studium zum Zeitpunkt der Antragstellung erbracht wurde. Dem BF wurde zur Erbringung eines Nachweises und allfälliger Einwendungen eine Frist bis 27.03.2017 gesetzt.

3. Dazu nahm die rechtsfreundliche Vertretung des BF 2 mit E-mail vom 24.03.2017 Stellung und brachte unter anderem vor, dass dem BF 2 aufgrund seiner laufenden ordentlichen Beschäftigung in Anwendung des Assoziationsabkommens ein Aufenthaltsrecht zukommt, welches nicht auf das Studium beschränkt ist.

4. Mit Bescheid vom 07.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den BF 2 gemäß § 4 Abs. 3 AuslBG ab und begründete dies damit, dass der BF trotz Aufforderung keine Studienbestätigung erbracht habe und deshalb, und da der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet habe, keine der in § 4 Abs. 3 AuslBG genannten Voraussetzungen vorliegen.

5. Dagegen erhoben die anwaltlich vertretenen BF fristgerecht Beschwerde und brachten im Wesentlichen vor, dass der BF 2 vom 10.03.2014 bis 09.03.2017 durchgehend beim BF 1 als Ladner mit einer aufrechten Beschäftigungsbewilligung unselbstständig erwerbstätig war. In Anwendung von Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei (im Folgenden ARB 1/80) käme dem BF 2 schon deshalb ein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu. Abschließend wurde beantragt, im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dahingehend abzuändern, dem gegenständlichen Antrag Folge zu geben. Im Falle einer negativen Beschwerdevorentscheidung werde ein Vorlageantrag an die Rechtsmittelinstanz gestellt.

6. Mit Schreiben vom 30.05.2017 legte das AMS die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF 2 ist ein am XXXX geborener Staatsangehöriger der Republik Türkei. Am 21.02.2017 wurde die Verlängerung seiner Beschäftigungsbewilligung "Studierender" beim Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz beantragt.

Der BF 2 war vom 01.03.2013 bis 18.02.2014 sowie erneut von 12.03.2014 bis 05.10.2017 rechtmäßig im Betrieb des BF 1 geringfügig angestellt. Zwischen 18.12.2017 und 21.07.2018 war der BF 2 teilweise geringfügig bei anderen Arbeitgebern beschäftigt.

Der BF 2 erfüllt die Voraussetzungen des Art 6 Abs. 1 erster Unterabsatz ARB 1/80, weshalb die belangte Behörde die beantragte Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c Abs. 1 AuslBG von Amts wegen zu erteilen gehabt hätte.

2. Beweiswürdigung:

Die kroatische Staatsangehörigkeit sowie das Geburtsdatum steht aufgrund der Aktenklage als unstrittig fest.

Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit des BF 2 in Österreich ergeben sich aus dem amtswegig erhobenen Hauptverbandsauszug..

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20f Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) lauten i.d.g.F.:

§ 4:

"Voraussetzungen

§ 4. (1) Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und

1. bis 11. ... (2) ...

(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf dem Arbeitgeber bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und 2 nur erteilt werden, wenn

1. der Regionalbeirat die Erteilung einhellig befürwortet oder

(Anm.: Z 2 bis 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)

5. der Ausländer gemäß § 5 befristet beschäftigt werden soll oder

6. der Ausländer über eine Aufenthaltsbewilligung als Schüler (§ 63 NAG) oder Student (§ 64 Abs. 1 und 4 NAG) verfügt oder Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels "Student" eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ist und im Rahmen eines Unions- oder multilateralen Programms mit Mobilitätsmaßnahmen oder einer Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen einen Teil des Studiums in einer inländischen Hochschuleinrichtung absolviert oder

7. der Ausländer Betriebsentsandter ist (§ 18) oder

(Anm.: Z 8 aufgehoben durch Art. 1 Z 8, BGBl. I Nr. 66/2017)

9. der Ausländer gemäß § 57 AsylG 2005 besonderen Schutz genießt oder

10. für den Ausländer eine Bewilligung zur grenzüberschreitenden Überlassung gemäß § 16 Abs. 4 AÜG bzw. § 40a Abs. 2 des Landarbeitsgesetzes 1984 vorliegt oder, sofern eine solche Bewilligung gemäß § 16a AÜG bzw. § 40a Abs. 6 des Landarbeitsgesetzes 1984 nicht erforderlich ist, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Z 1 bis 3 AÜG bzw. § 40a Abs. 2 Z 1 bis 3 des Landarbeitsgesetzes 1984 sinngemäß vorliegen oder

11. der Ausländer auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen zu einer Beschäftigung zuzulassen ist oder

12. der Ausländer Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609, hat oder

13. der Ausländer nicht länger als sechs Monate als Künstler (§14) beschäftigt werden soll oder

14. der Ausländer einer Personengruppe gemäß einer Verordnung nach Abs. 4 angehört.

(4) bis (7) ..."

§ 4c:

"Türkische Staatsangehörige

§ 4c. (1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei - ARB - Nr. 1/1980 erfüllen.

(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen. Der Befreiungsschein berechtigt zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und ist jeweils für fünf Jahre auszustellen. Der Befreiungsschein ist zu widerrufen, wenn der Ausländer im Antrag über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht oder solche Tatsachen verschwiegen hat.

(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."

Art. 6 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei:

"Artikel 6.

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat

? nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

? nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

? nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt."

In der Sache folgt daraus:

Die belangte Behörde begründet die Abweisung der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung damit, dass aufgrund fehlender Vorlage eines Studiennachweises und der nicht einhelligen Befürwortung durch den Regionalbeirat keine der in § 4 Abs. 3 AuslBG genannten Voraussetzungen vorliegen.

Diesen Erwägungen ist nicht zu folgen und erweist sich die Beschwerde aus folgenden Gründen als begründet:

Soweit sich die belangte Behörde bei ihrer Abweisung auf die fehlenden Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 3 AuslBG stützt, so verkennt sie, dass sie diese Vorschriften im gegenständlichen Fall aufgrund der Anwendbarkeit des § 4c AuslBG iVm. Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht zur Anwendung gelangen.

Gemäß § 4c Abs. 1 AuslBG ist türkischen Staatsangehörigen eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des ARB 1/80 erfüllen.

Gemäß Art 6 Abs. 1 erster Unterabsatz ARB 1/80 haben türkische Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehören, Anspruch auf Erhalt einer Beschäftigungsbewilligung für die Fortsetzung einer mindestens einjährigen Beschäftigung beim selben Arbeitgeber.

Wesentliche Voraussetzung, um als türkischer Staatsangehöriger Rechte nach Art 6 ARB 1/80 geltend machen zu können, ist die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates, der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides noch bestehen muss. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der türkische Staatsangehörige nach rechtmäßiger Einreise und bei rechtmäßiger Niederlassung einer nach dem AuslBG erlaubten unselbstständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgeht (vgl. Deutsch/Nowotny/Seitz; ÖBG Verlag, 2018, Kommentar zum AuslBG, zu § 4c, Rz 8).

Die Inanspruchnahme von Rechten nach dem ARB setzt ferner voraus, dass der Anspruchsberechtigte nach den Bestimmungen des NAG einen Aufenthaltstitel erhalten hat, der den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht von vornherein ausschließt sowie, dass die Beschäftigung ordnungsgemäß, dh. nach den Bestimmungen des AuslBG ausgeübt wurde. Dies setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen am Arbeitsmarkt des Aufenthaltsstaates voraus. Dabei ist zu beachten, dass türkischen Arbeitnehmern, die von Art 6 Abs. 1 ARB verliehenen Rechte unabhängig davon zukommen, dass die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ein spezielles Verwaltungsdokument wie eine Arbeitserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen (vgl. VwGH 23.02.2000, Zl 97/09/0097). Im Ergebnis ist der Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung daher davon abhängig, ob der Arbeitnehmer ein Jahr ununterbrochen eine ordnungsgemäße Beschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber ausgeübt hat.

Fallbezogen ergibt sich aus dem amtswegig erhobenen Hauptverbandsauszug, dass der BF 2 vom 01.03.2013 bis 18.02.2014 sowie erneut von 12.03.2014 bis 05.10.2017 rechtmäßig im Betrieb des BF 1 geringfügig angestellt war. Ebenso befand sich der BF zwischen 18.12.2017 und 21.07.2018 in teilweise geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Zur Dokumentierung des Aufenthaltsrechtes wurde eine am 18.09.2013 ausgestellte Aufenthaltsbewilligung vorgelegt.

Daraus folgt, dass im Fall des BF 2 eine Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vorlag. Der BF 2 war unbestritten vom 12.03.2014 bis 05.10.2017 und somit für mehr als ein Jahr rechtmäßig im Bäckereibetrieb des BF 1 beschäftigt. Darüber hinaus war der BF 2 im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung, die die Tätigkeit als Bäcker im Ausmaß von 10 Wochenstunden nicht ausschloss. Der Zugang des BF zum regulären Arbeitsmarkt in Österreich ist damit zweifellos gegeben.

Dass der BF 2 nur im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" war, steht dem Erwerb des in Art. 6 Abs. 1 erster Unterabsatz ARB Nr. 1/80 vorgesehenen Rechts nicht entgegen. Vielmehr hätte die belangte Behörde die Bestimmungen des § 4 Abs. 3 AuslBG bei Anwendung des § 4c AuslBG unangewendet zu lassen, da dem das Unionsrecht - hier im Grunde des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworbene Rechte - entgegen stehen (vgl. VwGH 26.06.2012, Zl 2010/09/0234).

Da die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 erster Unterabsatz ARB Nr. 1/80 im vorliegenden Fall somit erfüllt waren, hätte die belangte Behörde die beantragte Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c Abs. 1 AuslBG von Amts wegen zu erteilen gehabt, weshalb den Beschwerden stattzugeben war.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.

Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6. Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. z.B. die VwGH-Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/08/0044, und vom 19. November 2004, Zl. 2000/02/0269). Des Weiteren hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 28. September 2010, 2009/05/0160).

Solche Umstände, die ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen, liegen auch im gegenständlichen Fall vor, da keine Tatsachenfragen aufgeworfen wurden, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Amtswegigkeit, Beschäftigungsbewilligung, Staatsangehörigkeit,
Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W151.2159559.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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