TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/25 G287/97

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.1997
beobachten
merken

Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art117 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
Bgld GdWO 1992 §17
VfGG §71a Abs5
VfGG §88

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung der Differenzierung zwischen Personen mit Hauptwohnsitz in einer anderen burgenländischen Gemeinde oder in einer Gemeinde eines anderen Bundeslandes bei der Wohnsitzregelung in der Bgld GdWO 1992

Spruch

§17 der (Burgenländischen) Gemeindewahlordnung 1992, Landesgesetzblatt für das Burgenland Nr. 54, idF der Gemeindewahlordnungsnovelle 1995, Landesgesetzblatt für das Burgenland Nr. 9/1996, war verfassungswidrig.

Der Landeshauptmann von Burgenland ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu WII-2/97 ein Verfahren über eine auf Art141 Abs1 lite B-VG gestützte Anfechtung anhängig, die sich gegen einen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 6. September 1996 richtet, mit dem der Anfechtungswerber seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Oggau für verlustig erklärt wurde.

2. Da bei Behandlung dieser Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §17 der Gemeindewahlordnung 1992 idF der Gemeindewahlordnungsnovelle 1995 entstanden sind, hat der Gerichtshof beschlossen, diese Bestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Er nahm die Zulässigkeit der Anfechtung an und ging davon aus, daß er die genannte Bestimmung bei der Beurteilung des Bescheides anzuwenden hätte, weil die belangte Behörde ihren den Mandatsverlust aussprechenden Bescheid ausdrücklich und der Sache nach auf diese Bestimmung gestützt hatte. In der Sache hatte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung gegen den Gleichheitssatz (Art7 B-VG) verstoße und auch im Hinblick auf Art117 Abs2 erster Satz B-VG bedenklich sei.

3. Die Burgenländische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragte, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu das Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich §17 Abs1 und 3 GemWO 1992 einzustellen und §17 Abs2 leg.cit. nicht als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu das Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich §17 Abs1 und 3 leg.cit. einzustellen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die in Prüfung gezogene Bestimmung lautet:

"§17

Wohnsitz

(Verfassungsbestimmung)

(1) Der Wohnsitz einer Person im Sinne dieses Gesetzes ist jedenfalls an dem Ort begründet, an dem sie ihren Hauptwohnsitz hat.

(2) Liegt ein Hauptwohnsitz im Burgenland nicht vor, so ist der Wohnsitz einer Person im Sinne dieses Gesetzes auch an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diesen zu einem Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Lebensverhältnisse zu machen, wobei zumindest zwei dieser Kriterien erfüllt sein müssen. Dabei genügt es, daß der Ort nur bis auf weiteres zu diesem Mittelpunkt frei gewählt worden ist.

(3) Ein Wohnsitz gilt jedenfalls dann nicht als begründet, wenn der Aufenthalt

1.

bloß der Erholung oder Wiederherstellung der Gesundheit dient,

2.

lediglich zu Urlaubszwecken gewählt wurde oder

3.

aus anderen Gründen offensichtlich nur vorübergehend ist."

1.2. Mit Blick auf das beim Verfassungsgerichtshof anhängige Anfechtungsverfahren sind im vorliegenden Zusammenhang weiters vor allem die folgenden Bestimmungen von Relevanz:

1.2.1. Gemäß Art117 Abs2 erster Satz B-VG, in der Fassung der diesbezüglich mit 1. Jänner 1995 in Kraft getretenen B-VG-Novelle BGBl. 504/1994, finden die Wahlen in den Gemeinderat auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, daß auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind. Zufolge des Art117 Abs2 dritter Satz B-VG kann (vom Landesgesetzgeber) bestimmt werden, daß das aktive und passive Wahlrecht in den Gemeinderat Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist.

Gemäß Art6 Abs3 B-VG, in der oben genannten Fassung, ist der Hauptwohnsitz einer Person dort begründet, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen einer Person auf mehrere Wohnsitze zu, so hat sie jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat.

Die Übergangsbestimmung des Art151 Abs9 B-VG, gleichfalls in der oben genannten Fassung, bestimmt dazu insbesondere noch folgendes:

"In den Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder wird mit Wirkung vom 1. Jänner 1996 der Begriff 'ordentlicher Wohnsitz' in allen seinen grammatikalischen Formen durch den Begriff 'Hauptwohnsitz' in der jeweils entsprechenden grammatikalischen Form ersetzt, sofern der Begriff 'ordentlicher Wohnsitz' nicht bis zum Ablauf des 31. Dezember 1995 durch den Begriff 'Wohnsitz' ersetzt wird; vom 1. Jänner 1996 an darf der Begriff 'ordentlicher Wohnsitz' in den Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder nicht mehr verwendet werden; solange die Landesgesetze nicht vorsehen, daß sich das Wahlrecht zum Landtag oder zum Gemeinderat nach dem Hauptwohnsitz oder nach dem Wohnsitz bestimmt, richtet es sich nach dem ordentlichen Wohnsitz."

Vor dem Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl. 504/1994 hatte Art117 Abs2 erster Satz B-VG folgenden Inhalt:

"Die Wahlen in den Gemeinderat finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde ihren ordentlichen Wohnsitz haben."

1.2.2. Hinsichtlich der (aktiven) Wahlberechtigung zum Gemeinderat einer burgenländischen Gemeinde bestimmte - unter ausdrücklicher Verweisung auf den oben in Pkt. 1.1. wiedergegebenen §17 GemWO 1992 - §16 Abs1 leg.cit. (idF vor der mittlerweile - s. dazu unten Pkt. 6 - ergangenen Gemeindewahlordnungsnovelle 1997, LGBl. 26, durch welche der erste Halbsatz dieser Bestimmung wie folgt ergänzt wurde: "Zur Wahl des Gemeinderates und zur Wahl des Bürgermeisters sind alle Männer und Frauen wahlberechtigt, ...") folgendes :

"Zur Wahl des Gemeinderates sind alle Männer und Frauen wahlberechtigt, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder Angehörige eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union sind (sofern die letzteren nach den Bestimmungen des Burgenländischen Wählerevidenz-Gesetzes, LGBl. Nr. 5/1996, in der jeweils geltenden Fassung, in die Gemeinde-Wählerevidenz der Gemeinde eingetragen sind), am Stichtag oder zwischen Stichtag und dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde ihren Wohnsitz (§17) haben."

Weiters bestimmt §19 Abs1 GemWO 1992 hinsichtlich der Wählbarkeit - also des passiven Wahlrechtes - bei einer Gemeinderatswahl in einer Gemeinde des Burgenlandes unter Bezugnahme auf eben diesen §16 GemWO 1992, der - wie erwähnt - seinerseits auf §17 leg.cit. verweist, im wesentlichen folgendes:

"In den Gemeinderat wählbar sind alle gemäß §16 wahlberechtigten Männer und Frauen, die am Stichtag (§3) oder zwischen Stichtag und dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 19. Lebensjahr vollendet haben."

1.2.3. Schließlich ist gemäß den (gleichlautenden) Bestimmungen des §19 Abs1 litb und Abs2 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl 37/1965 idgF, sowie des §87 Abs1 Z2 und Abs2 GemWO 1992 ein Mitglied des Gemeinderates seines Mandates verlustig zu erklären, wenn es nach erfolgter Wahl die Wählbarkeit verliert; der Mandatsverlust ist mit Bescheid der Landesregierung auszusprechen.

2.1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Es sind keine Umstände hervorgekommen, die Zweifel an den Annahmen des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluß, daß die Anfechtung zulässig ist und daß im Verfahren darüber §17 der Gemeindewahlordnung 1992 anzuwenden wäre, hätten entstehen lassen können.

2.2. Was den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen anlangt, so ist der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß vorläufig von folgendem ausgegangen:

"Die nachstehenden verfassungsrechtlichen Bedenken richten sich in erster Linie gegen §17 Abs2 erster Satz, erster Halbsatz, GemWO 1992. Diese Regelung dürfte aber in einem untrennbaren Zusammenhang einerseits mit den übrigen Vorschriften dieses Absatzes und andererseits auch mit Abs3 sowie auch mit dem Wort 'jedenfalls' in Abs1 leg.cit. stehen. Im Falle der Aufhebung all dieser Regelungen würde aber - so nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an - der verbleibende Teil des §17 GemWO 1992 insoferne einen völlig veränderten Inhalt bekommen, als die vom Gesetzgeber ganz offenkundig intendierte Gebrauchnahme von der Ermächtigung des Art117 Abs2 erster Satz B-VG - nämlich vorzusehen, daß auch Staatsbürger, die einen (bloßen) Wohnsitz in der Gemeinde haben, zum Gemeinderat wahlberechtigt sind, gänzlich dahinfiele und die Wahlberechtigung - entgegen dieser Absicht - auf Staatsbürger beschränkt würde, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben. Diese Überlegungen lassen es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage des Prüfungsumfanges in Gesetzesprüfungsverfahren (s.v.a. VfSlg. 6674/1972 und 11506/1987 mwH) - vorläufig - angezeigt erscheinen, den gesamten §17 GemWO 1992 in Prüfung zu ziehen."

2.3. Hiezu führt die Burgenländische Landesregierung in ihrer Äußerung folgendes aus:

"Die Burgenländische Landesregierung vermag die vorläufige Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß die Abs1 und 3 des §17 der Gemeindewahlordnung 1992 in einem untrennbaren Zusammenhang mit der in Prüfung gezogenen Regelung des Abs2 stünden und bei (bloßer) Aufhebung des Abs2 ein dem Gesetzgeber nicht zusinnbarer Rest des §17 verbliebe, nicht zu teilen.

Bei Entfall des gesamten §17 wäre - im Hinblick auf den Verweis auf diesen Paragraphen im §16 Abs1 - niemand, weder aktiv noch passiv (§19), zur Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters wahlberechtigt. Daß die Schaffung einer solchen Rechtslage dem Landesgesetzgeber überhaupt nicht zusinnbar ist, bedarf keiner näheren Erläuterung.

Wenn der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß meint, im Falle der Aufhebung des §17 Abs2 und 3 sowie des Wortes 'jedenfalls' in Abs1 '... würde ... der verbleibende Teil des §17 GemWO 1992 insoferne einen völlig veränderten Inhalt bekommen, als die vom Gesetzgeber ganz offenkundig intendierte Gebrauchnahme von der Ermächtigung des Art117 Abs2 erster Satz B-VG - nämlich vorzusehen, daß auch Staatsbürger, die einen (bloßen) Wohnsitz in der Gemeinde haben, zum Gemeinderat wahlberechtigt sind, ... und die Wahlberechtigung - entgegen dieser Absicht - auf Staatsbürger beschränkt würde, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben', so ist zu bemerken, daß diese Folge bereits durch die Aufhebung des Abs2 herbeigeführt würde; eine Aufhebung auch des Wortes 'jedenfalls' im Abs1 und des Abs3 würde daran nichts ändern und wäre deshalb überflüssig. Durch eine Aufhebung auch des gesamten Abs1 würde jedoch unzweifelhaft, wie dargelegt, eine dem Landesgesetzgeber keinesfalls zusinnbare Rechtslage entstehen."

Unbeschadet der unten unter Pkt. 6. angestellten Erwägungen über den näheren Inhalt der im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren zu treffenden Entscheidung ist dazu zu bemerken, daß diese Ausführungen keinesfalls geeignet sind, die Annahmen des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluß hinsichtlich des Umfanges der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen in Zweifel zu ziehen. Verfehlt ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Argument, daß bei Entfall des gesamten §17 GemWO 1992 niemand, weder aktiv noch passiv, zur Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters wahlberechtigt wäre und die Schaffung einer solchen Rechtslage dem Landesgesetzgeber überhaupt nicht zusinnbar sei. Die Burgenländische Landesregierung übersieht dabei nämlich, daß bei Zutreffen der im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken zur Erzielung einer verfassungsgemäßen Rechtslage mehrere, nach wahlrechtspolitischen Vorgaben zu bejahende oder zu verneinende unterschiedliche Wege mit unterschiedlichen Ergebnissen offen stünden. Die damit notwendig verbundene politische Entscheidung, auf welche Weise das Wahlrecht zum Gemeinderat zu gestalten sei (Abstellen allein auf den Hauptwohnsitz oder auch auf einen (sonstigen) Wohnsitz), kommt dem Landesgesetzgeber zu. Der Verfassungsgerichtshof müßte infolge dessen den Umfang der auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu untersuchenden landesgesetzlichen Bestimmungen so weit ziehen, daß er dem Landtag nicht vorgreift und diesem vielmehr überläßt, seine rechtspolitischen Vorstellungen zur Geltung zu bringen (s. dazu VfSlg. 14035/1995).

3. Auch wenn es sich bei §17 GemWO 1992 um eine Landesverfassungsbestimmung handelt, so unterliegt sie im Hinblick auf Art99 B-VG doch der Prüfung gemäß Art140 B-VG in Bezug auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung (siehe dazu VfSlg. 5676/1968 mwH).

4.1. In der Sache hatte der Verfassungsgerichtshof vor allem das Bedenken,

"daß die in Prüfung gezogene Regelung

gegen den auch den Landes(verfassungs)gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz (Art7 B-VG) verstößt.

Die Regelung bewirkt nämlich eine Differenzierung zwischen Staatsbürgern, die keinen Hauptwohnsitz im Burgenland haben - ihnen kommt, wenn sie in einer burgenländischen Gemeinde einen (sonstigen) Wohnsitz haben, in dieser Gemeinde die Wahlberechtigung zu - und solchen, die in einer burgenländischen Gemeinde ihren Hauptwohnsitz, in einer anderen Gemeinde dieses Landes aber einen (sonstigen) Wohnsitz haben - ihnen kommt in der Gemeinde, in der sie einen (sonstigen) Wohnsitz haben, die Wahlberechtigung nicht zu. Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig nicht zu erkennen, worin die aus der Sicht des Gleichheitssatzes gebotene sachliche Rechtfertigung für eine solche Differenzierung liegen sollte.

Er geht dabei - gleichfalls vorläufig - davon aus, daß die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung des Art117 Abs2 erster Satz, zweiter Halbsatz B-VG von der Absicht des Bundesverfassungsgesetzgebers getragen ist, es dem Landesgesetzgeber zu ermöglichen, bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze, abgesehen von jenen Staatsbürgern, die in einer Gemeinde den Hauptwohnsitz haben, auch solchen Staatsbürgern die Wahlberechtigung zum Gemeinderat einzuräumen, die in der Gemeinde einen (sonstigen) Wohnsitz haben und damit zu dieser Gemeinde eine Beziehung aufweisen, die in ihrer Intensität zwar hinter jener zur Gemeinde des Hauptwohnsitzes zurückbleibt, aber dennoch verhältnismäßig eng ist. Im Hinblick darauf scheint es aber ohne jede Relevanz zu sein, ob der im übrigen bestehende Hauptwohnsitz in einer Gemeinde des betreffenden Bundeslandes (hier: des Burgenlandes) oder aber in einer Gemeinde eines anderen Bundeslandes gegeben ist. Abgesehen davon könnte es sogar in besonderem Maße unsachlich sein, im vorliegenden Zusammenhang gleichsam jene zu bevorzugen, die ihren Hauptwohnsitz außerhalb des Burgenlandes haben.

Die in der Gegenschrift der im anlaßgebenden Bescheidanfechtungsverfahren belangten Behörde angestellte Erwägung, Personen, die ihren Hauptwohnsitz in einer burgenländischen Gemeinde haben, käme ohnedies dort - somit 'jedenfalls in einer burgenländischen Gemeinde' - das Wahlrecht zum Gemeinderat zu, scheint nicht geeignet zu sein, die Sachlichkeit dieser Differenzierung darzutun.

Des weiteren nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, daß auch der Umstand, daß die Zahl jener Personen, die in einer burgenländischen Gemeinde über einen (sonstigen) Wohnsitz, in einer anderen Gemeinde dieses Landes aber über ihren Hauptwohnsitz verfügen, tatsächlich deutlich geringer sein dürfte, als die Zahl jener Personen, die in einer burgenländischen Gemeinde über einen (sonstigen) Wohnsitz verfügen, ihren Hauptwohnsitz aber in einer Gemeinde außerhalb des Landes haben, die in Rede stehende Differenzierung nicht rechtfertigen könnte.

Darüberhinaus erscheint die in Prüfung gezogene Regelung auch im Hinblick auf Art117 Abs2 erster Satz B-VG bedenklich.

Anders als die Burgenländische Landesregierung in ihrer Gegenschrift im anlaßgebenden Anfechtungsverfahren offenbar meint, dürfte nämlich die durch Art117 Abs2 erster Satz, zweiter Halbsatz B-VG idgF dem Landesgesetzgeber eingeräumte Ermächtigung, vorzusehen, daß auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, zum Gemeinderat wahlberechtigt sind, - und zwar auch dann, wenn man die Übergangsbestimmung des Art151 Abs9 B-VG idF der B-VG-Novelle BGBl. 504/1994 in die Betrachtung einbezieht - nicht so zu verstehen sein, daß sie zur Erlassung der in Prüfung gezogenen Regelung ermächtigt oder diese gar gebietet.

Dabei kann - wie der Verfassungsgerichtshof weiters vorläufig annimmt - dahingestellt bleiben, ob - im Sinne der von der Burgenländischen Landesregierung in der Gegenschrift weiters angestellten Erwägungen - der Landesgesetzgeber bei der Regelung des Inhalts des Begriffes 'Wohnsitz' von Verfassungs wegen an eine 'exakte Definition' gebunden ist oder diesen Inhalt innerhalb bestimmter Grenzen 'landesautonom' festlegen kann. Weder von ihrem Wortlaut her, noch im systematischen Zusammenhang mit anderen bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen, noch auf Grund der Gesetzesmaterialien gibt die in Rede stehende bundesverfassungsgesetzliche Vorschrift aber Anlaß zu der Annahme, sie würde den Landesgesetzgeber ermächtigen, das Abstellen auf den (bloßen) Wohnsitz einer Person für die Wahlberechtigung bei der Wahl des Gemeinderates von dem Umstand abhängig zu machen, daß diese Person keinen Hauptwohnsitz im betreffenden Land hat."

4.2. Die Burgenländische Landesregierung führt in ihrer Äußerung dazu folgendes aus:

"Zum Bedenken im Hinblick auf Art7 B-VG:

1. Der Verfassungsgerichtshof meint im wesentlichen, §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 bevorzuge in unsachlicher Weise Personen, die einen Wohnsitz im Burgenland und einen Hauptwohnsitz außerhalb des Landes haben (diesen kommt in ihrer Wohnsitzgemeinde das Wahlrecht zum Gemeinderat zu), gegenüber solchen, die sowohl Wohnsitz als auch Hauptwohnsitz in einer burgenländischen Gemeinde aufweisen (diese haben nur in der Gemeinde ihres Hauptwohnsitzes das Wahlrecht).

2. Der Regelung des §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 lagen, wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend die Gemeindewahlordnungsnovelle 1995 (XVI.Gp., RV 718, S. 4) hervorgeht, die folgenden Erwägungen des Landesverfassungsgesetzgebers zugrunde:

'Die nähere Definition des Wohnsitzbegriffes ist gemäß dem erwähnten Entwurf einer Gemeindeordnungsnovelle der Regelung durch die Gemeindewahlordnung vorbehalten. Mit der vorgesehenen Neuregelung des §17 soll - analog zu §24 des Entwurfes einer Landtagswahlordnung 1995 - sichergestellt werden, daß Personen, die zwar überwiegend außerhalb des Burgenlandes wohnhaft sind, jedoch tiefgehende Anknüpfungspunkte zu wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Lebensverhältnissen in einer burgenländischen Gemeinde haben, nicht vom Wahlrecht zum Gemeinderat bzw. zur Wahl des Bürgermeisters ausgeschlossen sind. Zu denken ist dabei etwa an Pendler oder Studenten, die ihre Arbeits- bzw. Studienzeit (unter der Woche) außerhalb des Burgenlandes verbringen, am Wochenende jedoch in ihrer burgenländischen Heimatgemeinde intensive Kontakte, insbesondere familiärer und gesellschaftlicher, aber auch etwa wirtschaftlicher Art pflegen. Nicht wünschenswert ist es jedoch, Personen das Wahlrecht zum Gemeinderat bzw. zur Wahl des Bürgermeisters einzuräumen, deren mangelnder Nahebezug zu einer burgenländischen Gemeinde dies aus offenkundigen Gründen nicht rechtfertigt. §17 Abs3 der Gemeindewahlordnung 1992 in der Fassung des vorliegenden Entwurfes schließt mithin insbesondere die sogenannten 'Zweitwohnsitzinhaber', und zwar im Ergebnis diejenigen, die keinen ausreichenden Nahebezug zu einer Gemeinde im Burgenland im Sinne der in Abs2 genannten Kriterien vorweisen können, von der Zuerkennung der Wohnsitzeigenschaft aus.'

3.a) Wenn etwa mithin zwei Personen, die durch völlig gleiche (einen Wohnsitz im Sinne des §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 begründende) gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und sonstige Interessen mit einer bestimmten Gemeinde verbunden sind, dahingehend unterschiedlich behandelt werden, daß

-

derjenigen Person, die keinen Hauptwohnsitz im Burgenland hat, das Wahlrecht zum Gemeinderat zukommt,

-

dem Bürger jedoch, der einen solchen Hauptwohnsitz - in einer anderen burgenländischen Gemeinde - hat, nicht,

so beruht diese Differenzierung durchaus auf sachlichen Erwägungen: Der zuletzt genannten Person steht nämlich (nach Maßgabe ihres Hauptwohnsitzes) jedenfalls in einer burgenländischen Gemeinde das Wahlrecht zum Gemeinderat zu. Bei Fehlen einer dem §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 entsprechenden Regelung würden nun aber die Personen ohne Hauptwohnsitz im Burgenland, die einen nicht unerheblichen (wenngleich nicht so intensiven wie für den Hauptwohnsitz erforderlichen) Nahebezug zu einer burgenländischen Gemeinde haben, vom Wahlrecht zu einem Gemeinderat im Burgenland überhaupt ausgeschlossen sein.

              b)              Es kann somit dem Landesgesetzgeber nicht mit Recht unter Berufung auf das Gleichheitsgebot entgegengetreten werden, wenn er Pendlern, Studenten oder anderen Personen mit einem beachtlichen Nahebezug zu einer burgenländischen Gemeinde, die keinen Hauptwohnsitz, wohl aber einen Wohnsitz im Burgenland haben, jedenfalls in einer Gemeinde des Burgenlandes das Wahlrecht zum Gemeinderat einräumt. Daß Personen, die keinen dem eben erwähnten Personenkreis vergleichbaren Nahebezug zum Burgenland haben - insbesondere Zweitwohnsitzinhaber -, von dieser Regelung nicht erfaßt werden, wird im übrigen durch §17 Abs3 der Gemeindewahlordnung 1992 sichergestellt (vgl. dazu etwa auch Schick, in: Neisser/Handstanger/Schick, Das Bundeswahlrecht2, 1994, S. 65, der meint, der Wortlaut des Art6 Abs2 B-VG schließe es nicht aus, bei Personen ohne Hauptwohnsitz im Land zusätzliche Kriterien für die Erklärung zu Landesbürgern zu normieren).

              c)              Zur unterschiedlichen Behandlung von Personen, die sowohl einen (bloßen) Wohnsitz als auch einen Hauptwohnsitz im Burgenland haben und solchen, die - neben einem Wohnsitz im Burgenland - einen Hauptwohnsitz außerhalb des Landes aufweisen, ist ferner zu bemerken, daß aufgrund der geopolitischen Lage des Burgenlandes ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner Bevölkerung gezwungenermaßen den Beruf bzw. die Berufsausbildung außerhalb des Landes ausübt. So müssen sich über 30 000 Pendler und so gut wie alle burgenländischen Studenten (das Burgenland verfügt über keine Universität) unter der Woche in anderen Bundesländern aufhalten, ohne jedoch ihre durch ihre Herkunft bedingte enge Bindung an das Burgenland, und besonders ihre Heimatgemeinde, zu verlieren.

Es ist somit durchaus sachlich gerechtfertigt, diesen Personen, die keinen Hauptwohnsitz im Burgenland (mehr) haben, das Wahlrecht in ihrer Heimatgemeinde (als ihrem Wohnsitz) einzuräumen, Personen aber, die einen Hauptwohnsitz im Burgenland und einen (bloßen) Wohnsitz (insbesondere etwa zu Erholungszwecken) in einer anderen burgenländischen Gemeinde besitzen, nicht. Diese Personen werden nämlich in aller Regel keinen annähernd so intensiven Bezug zu der Gemeinde ihres (bloßen) Wohnsitzes haben wie der erstgenannte Personenkreis.

Zum Bedenken im Hinblick auf Art117 Abs2 B-VG:

1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt ferner vorläufig die Auffassung, Art117 Abs2 erster Satz B-VG ermächtige den Landesgesetzgeber nicht, eine Regelung, wie sie im §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 enthalten ist (ein Wohnsitz liegt ausschließlich bei Vorhandensein eines Hauptwohnsitzes außerhalb des Burgenlandes vor), zu erlassen.

2. Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Begriff des 'Hauptwohnsitzes' im Art6 Abs3 B-VG definiert wird, der des 'Wohnsitzes' jedoch nicht; vielmehr findet sich eine solche Begriffsbestimmung lediglich in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend die B-VG-Novelle BGBl. Nr. 504/1994 (1333 BlgNR, XVIII. GP, S. 4). Es ist nach Auffassung der Burgenländischen Landesregierung aus methodischer Sicht bedenklich, eine exakte Definition des Wohnsitzbegriffes, für die es im Verfassungstext keinerlei Anhaltungspunkt gibt, bloß aufgrund von Ausführungen in den parlamentarischen Materialien zu treffen.

Selbst wenn man diese Definition als maßgeblich erachten sollte, stellt sich §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 jedenfalls nicht als Einschränkung, sondern als Ausgestaltung des Kriteriums des Vorliegens eines 'Anknüpfungspunktes von Lebensbeziehungen' dar. Damit wird - in aus rechtsstaatlicher Sicht wünschenswerter Weise - im Rahmen der sehr allgemein gehaltenen, in den zitierten Erläuterungen enthaltenen Definition präzisiert, wann ein derartiger Anknüpfungspunkt vorliegt.

3.a) Ginge man von einer Bindung des Landesgesetzgebers an die erwähnte grundsätzliche Wohnsitzdefinition in den Erläuterungen aus - dieser Bindung hätte nach dem Gesagten der burgenländische Landesverfassungsgesetzgeber bei Erlassung des §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 inhaltlich nicht widersprochen - wäre im Sinne der Ausführungen in diesen parlamentarischen Materialien eine vollkommen 'landesautonome Regelung' des Wohnsitzbegriffes unzulässig; eine solche vollkommen 'landesautonome Regelung' liegt jedoch im gegenständlichen Falle schon deshalb nicht vor, da sich der Landesgesetzgeber bei Erlassung des §17 Abs2 im Rahmen der - inhaltlich nur ungenau bestimmten - Definition des verfassungsrechtlichen Wohnsitzbegriffes bewegte. §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 fordert im übrigen für das Vorliegen eines Wohnsitzes einen im Vergleich zum Hauptwohnsitzbegriff des Art6 Abs3 B-VG geringeren Nahebezug zur jeweiligen Gemeinde, da diese landesverfassungsrechtliche Regelung nicht auf eine Gesamtbetrachtung der für die Beurteilung der Lebensbeziehungen maßgeblichen Kriterien (und damit auf das Erfordernis des Überwiegens der für die Nahebeziehung sprechenden Aspekte), sondern bloß auf das Erfordernis der Erfüllung von zumindest zwei (von vier gesetzlich genannten) Kriterien abstellt, und damit ein solches Überwiegen nicht gefordert wird.

Wie aus den erwähnten parlamentarischen Materialien hervorgeht, ging es dem Bundesverfassungsgesetzgeber bei der Anknüpfung an den Wohnsitz darum, 'daß andere Kriterien - etwa alleine die Geburt in einem Land - ... kein Wahlrecht zum ... Gemeinderat begründen können'. Eine alleinige Anknüpfung an ein vom Wohnsitz unterschiedliches Kriterium wird jedoch mit §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 offenkundig nicht herbeigeführt.

   b) Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß der

Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß die Auffassung

vertritt, daß '... (w)eder von ihrem Wortlaut her, noch im

systematischen Zusammenhang mit anderen

bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen, noch auf Grund der

Gesetzesmaterialien ... die in Rede stehende

bundesverfassungsgesetzliche Vorschrift ... Anlaß zu der Annahme

(gebe), sie würde den Landesgesetzgeber ermächtigen, das Abstellen auf den (bloßen) Wohnsitz einer Person für die Wahlberechtigung bei der Wahl des Gemeinderates von dem Umstand abhängig machen, daß diese Person keinen Hauptwohnsitz im betreffenden Land hat'. Gerade der Umstand, daß der Verfassungsgerichtshof (unter ausdrücklicher Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden) keine eindeutig gegen die von der Burgenländischen Landesregierung in ihrer Gegenschrift im Anlaßverfahren vorgebrachte Auffassung (hinsichtlich der Auslegung dieser Verfassungsregelung) sprechenden Argumente vorbringt, belegt, daß der Begriff des 'Wohnsitzes', soweit er hier von Bedeutung ist, verfassungsrechtlich eben nicht exakt definiert ist und dem Landes(verfassungs)gesetzgeber somit bei dessen Umsetzung ein gewisser Spielraum zukommt. Dieser Spielraum ist jedenfalls durch das Gleichheitsgebot begrenzt; daß §17 Abs2 der Gemeindewahlordnung 1992 aber sachlich gerechtfertigt ist, wurde bereits dargelegt."

5. Das Vorbringen der Burgenländischen Landesregierung ist nicht geeignet, die Bedenken zu entkräften, die der Verfassungsgerichtshof gegen die in Prüfung gezogene Vorschrift hegte.

5.1. Vor allem ist darauf hinzuweisen, daß sich die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes allein dagegen richten, daß die in Prüfung gezogene Regelung innerhalb jener Gruppe von Personen, die in einer burgenländischen Gemeinde über einen (sonstigen) Wohnsitz im Sinne (der diesbezüglichen Definition) des §17 Abs2 GemWO 1992 verfügen, danach differenziert, ob sie ihren Hauptwohnsitz in einer (anderen) Gemeinde des Burgenlandes oder in einer Gemeinde eines anderen Bundeslandes haben. In dieser Hinsicht hat aber das Gesetzesprüfungsverfahren nichts ergeben, was die aus der Sicht des Gleichheitssatzes erforderliche sachliche Rechtfertigung für eine derartige Differenzierung dartun könnte.

Dies gilt vor allem für die Ausführungen der Burgenländischen Landesregierung, die im wesentlichen in folgendem gipfeln: Der Landesverfassungsgesetzgeber habe mit dieser Regelung den Zweck verfolgt, Personen - etwa Pendler oder Studenten -, die zwar überwiegend außerhalb des Burgenlandes wohnhaft sind, jedoch tiefgehende Anknüpfungspunkte wirtschaftlicher, beruflicher, familiärer oder gesellschaftlicher Art zu einer burgenländischen Gemeinde aufweisen, nicht vom Wahlrecht zum Gemeinderat bzw. zur Wahl des Bürgermeisters auszuschließen; dagegen wäre es nicht wünschenswert gewesen, Personen das Wahlrecht zum Gemeinderat bzw. zur Wahl des Bürgermeisters einzuräumen, deren mangelnder Nahebezug zu einer burgenländischen Gemeinde - erläuternd wird dazu auf die sogenannten Zweitwohnsitzinhaber verwiesen - dies aus offenkundigen Gründen nicht rechtfertige. Diese Art der Differenzierung steht jedoch nicht in Rede. Auch der Prüfungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes bietet keinen Anlaß anzunehmen, daß die Bedenken etwas anderes als die Ungleichbehandlung innerhalb jenes Personenkreises im Auge haben, der in einer burgenländischen Gemeinde einen Wohnsitz im Sinne des §17 Abs2 GemWO 1992 (und nicht etwa bloß einen Aufenthaltsort im Sinne des Abs3 leg.cit.) hat, je nachdem, ob der anderswo bestehende Hauptwohnsitz der betreffenden Person innerhalb oder außerhalb des Burgenlandes liegt.

Auch das Argument, Personen, die in einer burgenländischen Gemeinde über einen (sonstigen) Wohnsitz iS des §17 Abs2 GemWO 1992 verfügen und ihren Hauptwohnsitz in einer anderen Gemeinde des Burgenlandes haben, wäre ohnedies in einer Gemeinde des Burgenlandes das Wahlrecht zum Gemeinderat eingeräumt, vermag die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zu beseitigen. Im vorliegenden, das Wahlrecht zum Gemeinderat betreffenden Zusammenhang kann der Umstand, daß ein neben dem Wohnsitz (iS des §17 Abs2 GemWO 1992) bestehender intensiver Nahebezug nach Art des Hauptwohnsitzes zu einer anderen Gemeinde des gleichen oder aber eines anderen Bundeslandes besteht, von vornherein keine sachliche Rechtfertigung bilden.

5.2. Ebensowenig vermögen die Argumente zu überzeugen, die in der Äußerung der Burgenländischen Landesregierung den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf Art117 Abs2 B-VG entgegengehalten werden.

Auch in dieser Hinsicht ist klarzustellen, daß diese Bedenken allein dahin gehen, daß Art117 Abs2 erster Satz zweiter Halbsatz B-VG den Landesgesetzgeber zwar ermächtigt, Staatsbürgern, die in einer Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, das Wahlrecht zum Gemeinderat einzuräumen, nicht aber auch dazu, dabei - wie oben dargetan:

ohne sachliche Rechtfertigung - darauf abzustellen, ob der im übrigen bestehende Hauptwohnsitz in einer anderen Gemeinde des gleichen oder eines anderen Bundeslandes liegt. Diesen Bedenken wird durch die Ausführungen der Burgenländischen Landesregierung nicht begegnet, sondern die Ausführungen beschäftigen sich allein mit der Frage, ob und inwieweit Art117 B-VG eine "landesautonome Regelung" des Wohnsitzbegriffes zuläßt.

Diese Frage kann jedoch hier - wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Prüfungsbeschluß ausgeführt hat - dahingestellt bleiben. Insoferne geht auch der in der Äußerung der Burgenländischen Landesregierung in diesem Zusammenhang - gegenüber wem immer - erhobene Vorwurf einer methodisch bedenklichen Argumentation ins Leere. Selbst wenn man nämlich von der Zulässigkeit einer "landesautonomen Regelung" ausginge, wäre eine - wie erwähnt - unsachlich differenzierende Regelung dieser Art nicht gerechtfertigt.

6. Die Burgenländische Landesregierung hat in ihrer Äußerung im Gesetzesprüfungsverfahren darauf hingewiesen, daß der Burgenländische Landtag am 17. April 1997 im Zuge der Gemeindewahlordnungsnovelle 1997 auch eine den §17 dieses Gesetzes betreffende Änderung beschlossen hat. Der - im vorliegenden Zusammenhang vor allem maßgebliche - erste Satz des Abs2 dieser Bestimmung lautet nunmehr:

"(2) Ein Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes ist auch an dem Ort begründet, an dem sich die Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diesen zu einem Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Lebensverhältnisse zu machen, wobei zumindest zwei dieser Kriterien erfüllt sein müssen."

Die in LGBl. 26/1997 publizierte Bestimmung ist mit 10. Juni 1997 in Kraft getreten. Da §17 GemWO 1992, idF der Gemeindewahlordnungsnovelle 1995, somit nicht mehr in Kraft steht und die Bestimmung in der in Prüfung gezogenen Fassung daher nicht mehr geltendes Recht ist, hat sich der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs4 erster Satz B-VG auf die Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit zu beschränken (vgl. VfSlg. 14115/1995).

7. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Burgenland zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung erfließt aus Art140 Abs5 zweiter Satz B-VG.

8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG abgesehen werden.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsumfang, Wahlen, Wohnsitz, Wahlrecht aktives, Landesverfassung, Wahlrecht passives, Mandatsverlust, VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G287.1997

Dokumentnummer

JFT_10029375_97G00287_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten