TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/20 96/21/1006

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Veröffentlicht am 20.09.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A in Klosterneuburg, geboren am 30. April 1967, vertreten durch Dr. Franz Burgemeister, Rechtsanwalt in 3400 Klosterneuburg, Kierlinger Straße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 18. Juni 1996, Zl. Fr-6295/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen einen Aufenthaltsverbotsbescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 23. November 1995, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 3 AVG zurück.

Zur Begründung zitierte die belangte Behörde vorerst den nachstehend wiedergegebenen Inhalt der zurückgewiesenen Berufung:

"Ich bekämpfe den gegenständlichen Bescheid ausdrücklich in allen Spruchpunkten.

Der angefochtene Bescheid leidet an inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Insbesondere die vorgenommene Interessenabwägung im Sinne der §§ 19 und 20 Fremdengesetz wurde in rechtswidriger Weise vorgenommen.

Ich behalte mir das Recht vor, durch meinen ausgewiesenen Vertreter eine ergänzende Stellungnahme zu meiner Berufung innerhalb der nächsten drei Wochen nachzureichen."

Weiters führte die belangte Behörde aus, es dürfe zwar bei der Auslegung des Merkmals eines begründeten Berufungsantrages im Sinn des § 63 Abs. 3 AVG kein strenger Maßstab angelegt werden, es sei aber erforderlich, dass die Berufung erkennen lasse, was die Partei anstrebe und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaube. Die Berufungsausführungen ließen in keiner Weise erkennen, worin die Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides gelegen sein soll oder womit der Beschwerdeführer seinen Standpunkt vertreten zu können glaube. Die Behauptung, die vorgenommene Interessenabwägung im Sinn der §§ 19 und 20 FrG sei in rechtswidriger Weise vorgenommen worden, sei durch nichts begründet. Insbesondere könne den Ausführungen nicht entnommen werden, worauf die Behörde Bedacht zu nehmen gehabt hätte. Der Beschwerdeführer gehe mit keinem Wort darauf ein, warum er die Aufhebung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Salzburg begehre. Der Berufung mangle es somit an einem begründeten Berufungsantrag. Das Fehlen eines der inhaltlichen Bestandteile der Berufung stelle keinen verbesserungsfähigen Formmangel, sondern einen inhaltlichen Fehler dar, der zur Zurückweisung führen müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die von ihm rechtzeitig eingebrachte Berufung im Sinn des § 63 Abs. 3 AVG ausreichend begründet sei. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Diese gesetzliche Bestimmung verlangt somit eine Darstellung der Partei, ob und aus welchen Gründen sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des von der Behörde angenommenen Sachverhaltes oder hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfrage bekämpft. Zwar ist bei der Beurteilung der für ein zur meritorischen Behandlung geeignetes Rechtsmittel im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen eine streng formalistische Auslegung nicht vorzunehmen, gleichwohl muss aus der Berufung zumindest erkennbar sein, aus welchen - wenn auch vielleicht nicht stichhaltigen - Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird. Es genügt, wenn die Berufung erkennen lässt, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/21/0347.)

Dass der Beschwerdeführer mit seiner Berufung eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides auf eine für ihn günstige Entscheidung anstrebt, ergibt sich eindeutig aus der Formulierung, den Bescheid ausdrücklich in allen Spruchpunkten zu bekämpfen.

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde eine Begründung, mit der "Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung" geltend gemacht wurde, als nicht ausreichend angesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1996, Zl. 95/21/0946). Gleichfalls als unzureichend wertete der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zl. 97/21/0208, eine Berufungsbegründung, in der der Berufungswerber anführte, den Bescheid zur Gänze zu bekämpfen und den Antrag stellte, nach Vorliegen der ausführlich dargelegten Gründe seinen Fall nochmals zu prüfen, den gegenständlichen Bescheid aufzuheben und von einer Ausweisung abzusehen. Der Gerichtshof sprach dazu aus, es fehle jeder fallbezogene Hinweis darauf, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer die Aufhebung des Bescheides der Behörde erster Instanz beantragt habe. Hingegen sah der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 94/18/0902, eine Berufung mit der Formulierung "wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Vorliegens von Voraussetzungen für eine Ausweisung in meinem Fall" als ausreichend begründet an. Gleichfalls als ausreichend begründet betrachtete er eine Berufung, in welcher der Berufungswerber (gegen einen Ausweisungsbescheid) anführte, nach Sierra Leone geflohen zu sein, vor zwei Monaten sei auch dort Bürgerkrieg ausgebrochen und er habe fliehen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 95/21/1161).

Vorliegend ist der Berufung mit ausreichender Klarheit zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde gemäß §§ 19 und 20 FrG vorgenommene Interessenabwägung als rechtswidrig ansieht und aus diesem Grund das von der Behörde erster Instanz erlassene Aufenthaltsverbot bekämpft. Die Erfolgsaussichten der Berufung durfte die belangte Behörde in ihre Prüfung, ob die Berufung die Inhaltserfordernisse des § 63 Abs. 3 AVG aufweise, nicht einbeziehen.

Dem in der Berufung enthaltenen Hinweis auf die mögliche Einbringung einer "ergänzenden Stellungnahme" (gemeint: Berufungsergänzung) kommt nicht die Bedeutung zu, dass der eingebrachten Berufung jedenfalls die erforderliche Begründung fehle.

Die belangte Behörde unterlag daher, indem sie die Berufung des Beschwerdeführers mangels Vorliegens eines begründeten Berufungsantrages zurückwies, einem Rechtsirrtum, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht - im Rahmen des Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996211006.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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