TE Lvwg Erkenntnis 2018/11/20 LVwG-2018/44/1699-4

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Veröffentlicht am 20.11.2018
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Entscheidungsdatum

20.11.2018

Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §15 Abs4a
AWG 2002 §73
VVG §4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, vertreten durch RA BB, Adresse 2, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 26.06.2018, Zl ****, wegen der Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme im Vollstreckungsverfahren betreffend eines abfallrechtlichen Behandlungsauftrages

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.         Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren und Sachverhalt:

AA ist Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Nr **1, KG W. Auf einer Teilfläche dieses Grundstückes befand sich eine Geländesenke, deren tiefster Punkt ca 4 bis 5 m unter dem sonstigen Geländeniveau lag. Im Bereich der Geländesenke war eine Bewirtschaftung nur mit dem Handmäher möglich. Um eine bessere maschinelle Bewirtschaftung sicherzustellen, ließ AA die Geländesenke mit Bodenaushubmaterial im Ausmaß von ca 9.000 m³ aufschütten. Das Bodenaushubmaterial stammte aus diversen Bauvorhaben. Die Aufschüttungen fanden über einen längeren Zeitraum bis ins Jahr 2015 statt. Die Maßnahme wurde ohne behördliche Bewilligung durchgeführt.

Mit Bescheid vom 07.09.2015, Zl *****, hat die Bezirkshauptmannschaft X AA gemäß § 73 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) aufgetragen, den auf dem Gst Nr **1 abgelagerten Bodenaushub bis spätestens 16.11.2015 zu beseitigen.

Mit Erkenntnis vom 27.01.2016, Zl LVwG-****, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol die von AA dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Frist zur Beseitigung des Bodenaushubs bis zum 01.07.2016 erstreckt. Zur Begründung führte das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das vom Beschwerdeführer von verschiedenen Personen übernommene Aushubmaterial gemäß § 2 Abs 1 Z 1 AWG 2002 als Abfall zu qualifizieren war. Da die notwendige naturschutzrechtliche Bewilligung für die Schüttung gemäß § 6 lit h Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (TNSchG 2005) fehlte, wurde mit dieser Maßnahme gegen die Rechtsvorschriften verstoßen. Zudem lagen keine Nachweise über die Materialqualität nach dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan vor. Bei der Bodenaushubschüttung hat es sich daher nicht um eine zulässige Verwertung iSd § 15 Abs 4a AWG 2002, sondern um eine konsenslose Ablagerung im Sinne des § 15 Abs 3 AWG 2002 gehandelt.

Mit Schreiben vom 05.07.2016 hat AA um die nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung angesucht und Nachweise zur Materialqualität vorgelegt. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 31.10.2017, Zl *****, hat die Bezirkshauptmannschaft X die naturschutzrechtliche Bewilligung für die der Agrarstrukturverbesserung dienende Bodenaushubschüttung gemäß § 6 lit h TNSchG 2005 erteilt. Gemäß dem in diesem Verfahren eingeholten Gutachten des abfalltechnischen Amtssachverständigen DI Rudolf Neurauter vom 29.07.2016, Zl *****, haben die durchgeführten Ermittlungen ergeben, dass das abgelagerte Bodenaushubmaterial die erforderlichen Grenzwerte des Bundes-Abfallwirtschaftsplanes für die landwirtschaftliche Rekultivierung einhält. Lediglich die Kennwerte für den pH-Wert sind um 2 % überschritten. Diesbezüglich hat der abfalltechnische Amtssachverständige jedoch ausgeführt, dass Abweichungen von den pH-Kennwerten nach dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan zulässig sind, solange die relevanten Bodenfunktionen im Hinblick auf die konkrete Verwertungsmaßnahme sichergestellt sind, was aus agrarwirtschaftlicher Sicht zu beurteilen ist. Aus dem ebenfalls von der Naturschutzbehörde eingeholten Gutachten des agrarwirtschaftlichen Amtssachverständigen Ing. CC vom 10.10.2016, Zl ****, ergibt sich, dass durch die geringfügigen Abweichungen des pH-Wertes keine relevanten Bodenfunktionen beeinträchtigt werden und, dass die Bodenaushubschüttung auch sonst der Richtlinie für sachgerechte Bodenrekultivierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen entspricht. Gemäß dem weiteren Gutachten des agrarwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 02.11.2016, Zl ****, ist die Schüttung im durchgeführten Ausmaß zur Erzielung einer Agrarstrukturverbesserung erforderlich.

Die Bezirkshauptmannschaft X hat im naturschutzrechtlichen Bescheid vom 31.10.2017 jedoch auch darauf hingewiesen, dass der abfallrechtliche Behandlungsauftrag vom 07.09.2015 idF vom 27.01.2016 unabhängig von der nunmehr vorliegenden naturschutzrechtlichen Bewilligung zu vollstrecken sei. Voraussetzung für das Vorliegen einer zulässigen Verwertungsmaßnahme iSd § 15 Abs 4a AWG 2002 sei nämlich, dass die Bodenaushubschüttung im Einklang mit der Rechtsordnung erfolgt sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn alle erforderlichen Genehmigungen bereits im Zeitpunkt der Ausführung – also im Zeitpunkt der Schüttung – vorliegen würden. Werde eine notwendige naturschutzrechtliche Bewilligung erst nachträglich erteilt, so ändere dies nichts daran, dass die Maßnahme im Zeitpunkt der Ausführung nicht im Einklang mit der Rechtsordnung erfolgt sei. Eine unzulässige Beseitigungsmaßnahme könne nicht mehr in eine zulässige Verwertungsmaßnahme umgewandelt werden. Die nachträglich erteilte naturschutzrechtliche Bewilligung führe somit zu keiner Änderung an dem für den Behandlungsauftrag relevanten Sachverhalt.

Mit Schreiben vom 20.12.2017, Zl ****, hat die Bezirkshauptmannschaft X AA mitgeteilt, dass er dem abfallrechtlichen Behandlungsauftrag vom 07.09.2015 idF vom 27.01.2016 noch nicht nachgekommen gekommen sei. Gemäß § 4 Abs 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) hat die Bezirkshauptmannschaft X AA daher unter Androhung der Ersatzvornahme eine letztmalige Frist von drei Monaten zur Beseitigung des Bodenaushubs eingeräumt.

Nachdem ein Lokalaugenschein des Zollamtes Y am 06.04.2018 ergeben hat, dass dem Behandlungsauftrag noch nicht nachgekommen wurde, hat die Bezirkshauptmannschaft X AA mit Bescheid vom 26.06.2018, Zl ****, gemäß § 4 Abs 2 VVG aufgetragen, innerhalb von 14 Tagen € 265.175,- als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme zu leisten.

Gegen diesen Bescheid vom 26.06.2018 richtet sich die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde des AA vom 26.07.2018.

Im Rahmen des Parteiengehörs hat die Bezirkshauptmannschaft X mit Schreiben vom 07.11.2018 ihre Rechtsmeinung zusammengefasst wie folgt begründet:

–        Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle BGBl I Nr 9/2011 sowie aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.10.2010, 2008/07/0202, ergebe sich, dass eine unzulässige Verwertung nicht nachträglich in eine zulässige Verwertung umgewandelt werden könne.

–        Das gegenständliche Aushubmaterial stelle keinen Altstoff iSd § 2 Abs 4 Z 1 AWG 2002 dar, da aufgrund der fehlenden naturschutzrechtlichen Bewilligung keine zulässige Verwertungsmaßnahme erfolgt sei und somit von keiner Beendigung der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs 1 AWG 2002 die Rede sein könne.

–        Nach herrschender Judikatur habe die Verwirklichung der in § 3 Abs 1a Z 4, 5 und 6 iVm Abs 1 Z 1 lit c Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) normierten Ausnahmetatbestände ua zur Voraussetzung, dass alle erforderlichen Bewilligungen für die Vornahme der Verfüllung oder der Geländeanpassung in dem für das Entstehen der Beitragsschuld maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (§ 7 Abs 1 ALSAG) vorliegen (vgl VwGH 25.06.2009, 2006/07/0105, und 20.02.2014, 2013/07/0117). Da die Entscheidungen zu § 3 Abs 1a Z 4 ALSAG sinngemäß auf den Begriff der zulässigen Verwertung im Sinne des § 2 Abs 4 Z 1 lit b AWG 2002 umzulegen seien (VwGH 23.04.2015, 2012/07/0047), werde im gegenständlichen Fall die unzulässige Verwertung durch die nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung nicht zulässig.

–        Eine teleologische Interpretation ergebe, dass der erforderliche Nachweis der Materialqualität im Nachhinein nicht mehr erbracht werden könne und, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass durch die zeitliche Verzögerung der Beprobung eine Verbesserung der Qualität des Materials erfolge und erst dadurch eine Verwertung in Bezug auf die Einhaltung der Materialqualität ermöglicht werde.

–        Im Nachhinein könne die im Bundes-Abfallwirtschaftsplan vorgesehene Dokumentation der Bodenaushubschüttung nicht mehr vorgenommen werden.

II.      Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der Behörde und sind unstrittig. Insbesondere hat die belangte Behörde im Rahmen des Parteiengehörs nicht in Zweifel gezogen, dass nunmehr eine rechtskräftige naturschutzrechtliche Bewilligung für die Bodenaushubschüttung vorliegt, dass das abgelagerte Bodenaushubmaterial die erforderlichen Grenzwerte des Bundes-Abfallwirtschaftsplans für landwirtschaftliche Rekultivierungen einhält, dass keine relevanten Bodenfunktionen beeinträchtigt werden, dass auch sonst der Richtlinie für sachgerechte Bodenrekultivierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen entsprochen wird und, dass die Schüttung im durchgeführten Ausmaß zur Erzielung einer Agrarstrukturverbesserung erforderlich ist.

III.    Rechtslage:

Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) lauten wie folgt:

„Begriffsbestimmungen

§ 2

(1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(…)

(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1. „Altstoffe“

a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden, oder

b) Stoffe, die durch eine Behandlung aus Abfällen gewonnen werden,

um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung zuzuführen.

(…)

Abfallende

§ 5.

(1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 oder eine Verordnung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden. Im Falle einer Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne von § 2 Abs. 5 Z 6 ist das Ende der Abfalleigenschaft mit dem Abschluss dieses Verwertungsverfahrens erreicht.

(…)

Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15.

(…)

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1. hiefür genehmigten Anlagen oder

2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

(…)

(4a) Eine Verwertung ist nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird.

(…)

Behandlungsauftrag

§ 73.

(1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

(…)“

Die entscheidungsrelevante Bestimmung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG) lautet wie folgt:

„Ersatzvornahme

§ 4.

(1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.“

IV.      Erwägungen:

Die Vorschreibung der Kosten für die Ersatzvornahme ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens und keine Vollstreckungsverfügung. Die Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages setzt lediglich das Vorliegen einer Androhung der Ersatzvornahme und den Ablauf der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten Frist (Paritionsfrist) voraus [Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungs-verfahrensrecht10 (2014) Rz 1319 mit Hinweisen auf die Judikatur; VwGH 06.06.1989, Zl 84/05/0035].

Auch wenn ein Kostenvorauszahlungsauftrag nach § 4 Abs 2 VVG keine Vollstreckungs-verfügung darstellt, teilen die im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens ergangenen Bescheide, auch wenn sie keine Vollstreckungsverfügungen sind, wegen des notwendigen Zusammenhanges auch das rechtliche Schicksal der Vollstreckung, die durch die Akzessorietät gegenüber dem Titelbescheid geprägt wird (vgl VwGH 21.05.2007, Zl 2004/05/0225 mit Hinweis auf VwGH 06.06.1989, Zl 84/05/0035).

Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens kann zwar die Frage der Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Bescheides – des Titelbescheides – nicht mehr aufgerollt werden. Allerdings kann gegen eine Vollstreckung im Verfahren Beschwerde ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist. In einem solchen Fall darf auch kein Kostenvorauszahlungsauftrag erteilt werden, weil dieser das rechtliche Schicksal der Vollstreckung teilt. Eine nach Erlassen des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann eine Vollstreckung unzulässig machen, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte (vgl VwGH 28.02.2017, Zl Ro 2014/06/0029; ebenso VwGH 26.09.2017, Zl Fe 2016/05/0001). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nunmehr selbst bei Vollstreckungsverfügungen aufgrund des § 10 Abs 1 VVG in der nunmehr geltenden Fassung entgegen der früheren Rechtslage die Beschwerdegründe nicht mehr beschränkt sind (vgl VwGH 26.09.2017, Zl Fe 2016/05/0001).

Gegenständlich ist der rechtskräftige Behandlungsauftrag vom 07.09.2015 idF vom 27.01.2016 ergangen, da mangels der erforderlichen naturschutzrechtlichen Bewilligung keine zulässige Verwertung iSd § 15 Abs 4a AWG 2002 gegeben war. Mit dem rechtskräftigen naturschutzrechtlichen Bescheid vom 31.10.2017 hat sich jedoch nach Entstehung des Titelbescheides – also des Behandlungsauftrages – diesbezüglich eine wesentliche Änderung ergeben. Die bis dahin fehlende naturschutzrechtliche Bewilligung gemäß § 6 lit h TNSchG 2005 liegt nunmehr vor. Zudem steht aufgrund des Ermittlungsverfahrens fest, dass das abgelagerte Bodenaushubmaterial die erforderlichen Grenzwerte des Bundes-Abfallwirtschaftsplans für landwirtschaftliche Rekultivierungen einhält, dass keine relevanten Bodenfunktionen beeinträchtigt werden, dass auch sonst die Richtlinie für sachgerechte Bodenrekultivierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen eingehalten wird und, dass die Schüttung im durchgeführten Ausmaß zur Erzielung einer Agrarstrukturverbesserung erforderlich ist. Somit ist nunmehr von einer zulässigen Verwertung iSd § 15 Abs 4a AWG 2002 auszugehen.

Die Abfallrechtsbehörde und das Landesverwaltungsgericht haben für ihre Entscheidung die Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt heranzuziehen. Aufgrund der geänderten Sachlage – also aufgrund der nunmehr vorliegenden naturschutzrechtlichen Bewilligung –dürfte gegenständlich kein dem Behandlungsauftrag vom 07.09.2015 idF vom 27.01.2016 gleichlautender Spruch mehr erlassen werden. Die Vollstreckung des Behandlungsauftrages vom 07.09.2015 idF vom 27.01.2016 ist somit unzulässig geworden. Folglich ist auch die Erlassung des angefochtenen Kostenvorauszahlungsauftrages unzulässig und rechtswidrig.

Die Auffassung der belangten Behörde, wonach die geänderte Sachlage unbeachtlich und der Behandlungsauftrag trotz nachträglicher naturschutzrechtlicher Bewilligung zu vollstrecken sei, lässt sich weder dem Wortlaut des § 15 Abs 4a AWG 2002 noch den Erläuterungen zum BGBl I Nr 9/2011 entnehmen. So ist den zitierten Erläuterungen insbesondere zu entnehmen, dass bei einer Verfüllung nur dann eine zulässige Verwertungsmaßnahme vorliegt, wenn

„1) diese Verfüllung einem entsprechenden Zweck dient (zB Sicherung der Böschungen oder der Sohle einer Kiesgrube, Wiederherstellung der ursprünglichen Wasserverhältnisse, wie eine Aufschüttung auf das Niveau von 2 m über HGW) und das für diesen Zweck unbedingt erforderliche Ausmaß an Abfall nicht überschritten wird,

2) eine bestimmte Materialqualität eingehalten und auch nachgewiesen wird (vgl. dazu den diesbezüglichen Stand der Technik im Bundes-Abfallwirtschaftsplan) und

3) die Maßnahme im Einklang mit der Rechtsordnung erfolgt (gemäß der ständigen Judikatur des VwGH erfolgt eine Maßnahme dann im Einklang mit der Rechtsordnung, wenn alle zutreffenden Bestimmungen der Materiengesetze (AWG 2002, WRG 1959, Naturschutzgesetze der Länder,…) eingehalten werden und insbesondere die erforderlichen Genehmigungen und/oder Bewilligungen vorliegen sowie die erforderlichen Anzeigen erstattet wurden).

Wenn eine dieser Voraussetzungen (entsprechender Zweck, unbedingt erforderliches Ausmaß oder Materialqualität samt Nachweis, Einhaltung der Rechtsordnung) nicht erfüllt ist, liegt eine Beseitigungsmaßnahme (Ablagerung) vor. In diesem Fall ist entweder eine Deponiegenehmigung erforderlich (gemäß § 15 Abs. 3 AWG 2002 darf eine Ablagerung nur in dafür genehmigten Deponien erfolgen) oder der Abfall zu entfernen.“

Wie das von der Bezirkshauptmannschaft selbst durchgeführte Ermittlungsverfahren unbestritten ergeben hat, dient die gegenständliche Bodenaushubschüttung dem Zweck einer Agrarstrukturverbesserung und überschreitet das für diesen Zweck unbedingt erforderliche Ausmaß nicht. Die Einhaltung der erforderlichen Materialqualität entsprechend dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan ist nachgewiesen. Und da mittlerweile auch die erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung vorliegt, besteht auch kein Widerspruch zur Rechtsordnung mehr. Die Voraussetzungen für eine zulässige Verwertungsmaßnahme liegen somit vor, weshalb nicht mehr von einer unzulässigen Beseitigung gesprochen werden kann.

Sofern die belangte Behörde argumentiert, dass bestimmte im Bundes-Abfallwirtschaftsplan vorgesehene Dokumentationen des Schüttvorgangs im Nachhinein nicht mehr vorgenommen werden könnten, ist zunächst klarzustellen, dass die Frage, ob Abfall iSd AWG 2002 vorliegt, primär anhand des § 2 AWG 2002 und nicht anhand des Bundes-Abfallwirtschaftsplanes zu prüfen ist. Kriterien, die im Bundes-Abfallwirtschaftsplan für die Abfalleigenschaft genannt sind, können diese nur dann begründen, wenn sie in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben stehen. Sie ersetzen nicht die Prüfung an Hand des Gesetzes (VwGH 24.11.2016, Ro 2014/07/0024). Abgesehen davon ist der beigezogene abfalltechnische Amtssachverständige anhand der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumentation (signiertes Projekt des naturschutzrechtlichen Bescheides vom 31.10.2017) zum unbestrittenen Schluss gekommen, dass im gegenständlichen Fall die Grenzwerte des Bundes-Abfallwirtschaftsplanes eingehalten werden.

Der von der belangten Behörde zitierten Entscheidung des VwGH vom 21.10.2010, 2008/07/0202, kann in diesem Zusammenhang lediglich entnommen werden, dass eine zulässige Verwertung nur dann vorliegt, wenn dadurch nicht dem AWG 2002 und anderen Normen zuwidergehandelt wird. Eine zulässige Verwertung wurde im Anlassfall vom VwGH deshalb verneint, weil im Unterschied zum nunmehr gegenständlichen Fall keine für die Ablagerung notwendige naturschutzrechtliche Bewilligung vorgelegen ist. Mit der Frage einer nachträglich erteilten naturschutzrechtlichen Bewilligung hat sich der VwGH in diesem Verfahren nicht auseinandergesetzt.

Die belangte Behörde argumentiert, dass das gegenständliche Aushubmaterial mangels naturschutzrechtlicher Bewilligung und damit mangels einer zulässigen Verwertung keinen Altstoff iSd § 2 Abs 4 Z 1 AWG 2002 darstelle und somit von einer Beendigung der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs 1 AWG 2002 keine Rede sein könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Abfallende eben erst mit der nachträglich erteilten naturschutzrechtlichen Bewilligung eingetreten ist und im relevanten Entscheidungszeitpunkt somit eine zulässige Verwertung vorliegt.

Auch der Verweis der belangten Behörde auf das Altlastensanierungsgesetz überzeugt nicht. Die Altlastenbeitragspflicht entsteht nämlich gemäß § 7 Abs 1 ALSAG bereits mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die beitragspflichtige Tätigkeit vorgenommen wurde. Dass der Bodenaushub allenfalls später durch eine zulässige Verwertung – die gegenständlich erst durch die nachträglich erteilte naturschutzrechtliche Bewilligung eingetreten ist – seine Abfalleigenschaft nach dem AWG 2002 verliert, ist für die Beitragspflicht nicht wesentlich (vgl VwGH 24.09.2015, 2013/07/0113). Für das Entstehen der Altlastenbeitragsschuld ist somit nicht der gleiche Beurteilungszeitpunkt maßgeblich wie für die Frage, ob eine Bodenaushubschüttung aufgrund eines Widerspruchs zu § 15 Abs 4a AWG 2002 zu entfernen ist.

Sofern die belangte Behörde vorbringt, dass bei einer rechtswidrig durchgeführten Bodenaushubschüttung im Nachhinein nicht mehr überprüft werden könne, ob auch die sonstigen Voraussetzungen des § 15 Abs 4a AWG 2002 eingehalten werden – also ob der Abfall unbedenklich für den sinnvollen Zweck eingesetzt ist und keine Schutzgüter durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden – handelt es sich um eine Frage der Beweisbarkeit. Im gegenständlichen Fall haben die unbestrittenen Ermittlungen der Bezirkshauptmannschaft jedenfalls ergeben, dass diese Voraussetzungen eingehalten werden. Jedoch ist der Behörde Recht zu geben, dass die nunmehr feststehende Materialqualität möglicherweise auch durch Zeitablauf – also etwa durch die Verflüchtigung von Schadstoffen – entstanden sein könnte. Dies ändert aber nichts daran, dass die Materialqualität im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt eingehalten wird und somit vom Bodenaushub keine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen (mehr) ausgeht. Eine Beseitigung von Bodenaushub aufgrund nicht (mehr) vorhandener Schadstoffe ist nicht notwendig.

In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass ein Behandlungsauftrag nach § 73 AWG 2002 grundsätzlich nicht zur Bestrafung des Verpflichteten bzw aus spezial- oder generalpräventiven Überlegungen, sondern zum Schutz öffentlicher Interessen zu erfolgen hat. Wenn wie im gegenständlichen Fall die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bestand der Bodenaushubschüttung im Entscheidungszeitpunkt vorliegen, ist nicht aufgrund einer allfälligen früheren Rechtswidrigkeit mit einem Beseitigungsauftrag vorzugehen. An der Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Bodenaushubschüttung im Zeitpunkt der Einbringung ändert sich freilich nichts; dementsprechend wurde der Beschwerdeführer bereits mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 05.12.2016, Zl LVwG-****, wegen einer Übertretung des § 15 Abs 3 letzter Satz AWG 2002 rechtskräftig bestraft.

Eine Auslegung des § 15 Abs 4a AWG 2002, die dazu führt, dass Bodenaushub entfernt werden müsste und unmittelbar anschließend in gleicher Weise wieder legal als naturschutzrechtlich bewilligte zulässige Verwertung eingebracht werden dürfte, ist ökonomisch und ökologisch absurd und kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Eine solche Auffassung widerspricht auch der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach wesentliche Änderungen des Sachverhaltes eine Vollstreckung dann unzulässig machen, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte. Der Beschwerde ist daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

Die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

V.       Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Es besteht zwar eine eindeutige Rechtsprechung, wonach eine nach Erlassung des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes eine Vollstreckung dann unzulässig macht, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte. Allerdings hat sich der Verwaltungsgerichtshof noch nicht dezidiert mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine zunächst unzulässige Beseitigungsmaßnahme durch eine nachträglich erteilte naturschutzrechtliche Bewilligung in eine zulässige Verwertung iSd § 15 Abs 4a AWG 2002 umgewandelt werden kann; ob also die nachträglich erteilte naturschutzrechtliche Bewilligung überhaupt zu einer entscheidungsrelevanten Änderung des Sachverhaltes führt. Somit ist die ordentliche Revision zulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Vollstreckungsverfahren; Ersatzvornahme; Behandlungsauftrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.44.1699.4

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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