TE Vwgh Beschluss 2018/11/21 Ra 2016/04/0102

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Veröffentlicht am 21.11.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E15101000;
E6J;
14/01 Verwaltungsorganisation;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

32011L0092 UVP-RL Art11;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
EURallg;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs2 Z9;
UVPG 2000 §3 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, in der Revisionssache des Ing. JS in E, vertreten durch Breitenecker Kolbitsch Vana Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. Juli 2016, LVwG-AV-12/001-2013, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Horn; mitbeteiligte Partei: D Gesellschaft m. b.H in E, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen der Höhe von EUR 553,20 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 4. Juli 2013 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerberechtliche Genehmigung für die Änderung ihrer Betriebsanlage in E durch Zu- und Umbauten (Neugestaltung der Entladung und Schlachtung, Erweiterung der Verpackung) sowie die Errichtung und den Betrieb einer Abluftreinigungsanlage, die Errichtung einer Gastankanlage und einer Lärmschutzwand und die Erweiterung des Betriebsparkplatzes unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

2 2. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wies die dagegen erhobenen Beschwerden (und anderem auch die des Revisionswerbers) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. Juli 2016 als unbegründet ab, wobei der Spruch des angefochtenen Bescheides auf Grund der im Zuge des Beschwerdeverfahrens erfolgten Änderungen bzw. Präzisierungen des Antrages entsprechend angepasst wurde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 In der Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass durch das eingereichte Änderungsprojekt die Kapazität der gegenständlichen Betriebsanlage betreffend Viehanlieferungen und Schlachtzahlen nicht erhöht werde. Der bisher genehmigte Rechtsbestand habe keine Höchstzahlen bezüglich der Schlachtviehanlieferung und der Schlachtzahlen enthalten. Die mitbeteiligte Partei lege sich diesbezüglich nunmehr klar fest. Im Änderungsgenehmigungsverfahren sei vom konkreten Antrag auszugehen und dieser der Beurteilung zu Grunde zu legen. Da mit der beantragten Änderung keine Erweiterung hinsichtlich der Schlachtkapazitäten in Bezug auf den Genehmigungskonsens vorgenommen werde, sei für die gegenständliche Änderung keine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig.

4 Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei - so das Verwaltungsgericht weiter - davon auszugehen, dass die Interessen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 ausreichend geschützt würden. Die zweifelsfreien und schlüssigen Gutachten des bautechnischen, maschinenbautechnischen, wasserbautechnischen, lärmtechnischen, luftreinhaltetechnischen, verkehrstechnischen und medizinischen (Amts-)Sachverständigen ergäben, dass hinsichtlich der Immissionen, die durch den geänderten Betrieb der Anlage auf den Grundstücken der Nachbarn hervorgerufen würden, keine unzumutbaren Belästigungen und keine Gesundheitsgefährdungen bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten seien.

5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie jeweils die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision beantragen.

7 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 5.1. In der vorliegenden Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es "den Revisionswerber an den Feststellungsbescheid gemäß § 3 Abs. 7 iVm § 3 Abs. 3 UVP-G gebunden" habe. Es sei vom Verwaltungsgericht nicht geprüft worden, ob die Änderung der Betriebsanlage die UVP-Pflicht gemäß Anhang 1 Z 88 UVP-G 2000 auslöse. Der Revisionswerber sei als Nachbar nach neuester Rechtsprechung nicht an das Ergebnis eines Feststellungsbescheides gebunden. Die Unzuständigkeit der belangten Behörde müsse selbst dann von Amts wegen aufgegriffen werden, wenn die Partei dies nicht vorgebracht habe. Das Verwaltungsgericht wäre somit von Amts wegen verpflichtet gewesen, die Unzuständigkeit aufzugreifen.

9 5.2. Nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 16. April 2015, Rs C-570/13, Gruber, müssen Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 die Möglichkeit haben, eine Entscheidung, keine UVP durchzuführen, "im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten". Da die betroffene Nachbarin im Fall Gruber nach der nationalen Rechtslage des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 keine Parteistellung im UVP-Feststellungsverfahren hatte, kam dem UVP-Feststellungsbescheid ihr gegenüber keine Bindungswirkung zu (vgl. VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, das den Fall Gruber zum Gegenstand hat). In diesem Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hin, dass die (Fach-)Behörde verpflichtet ist, ihre Zuständigkeit unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht.

10 Im vorliegenden Fall weist der Revisionswerber zwar zu Recht darauf hin, dass der UVP-Feststellungsbescheid ihm gegenüber - mangels Parteistellung im Feststellungsverfahren - keine Bindungswirkung entfaltet. Der Revisionswerber übersieht jedoch, dass das Verwaltungsgericht eine solche Bindungswirkung gar nicht angenommen hat. Es begründete die Verneinung der UVP-Pflicht vielmehr damit, dass mit der beantragten Änderung der Betriebsanlage keine Erweiterung hinsichtlich der Schlachtkapazitäten in Bezug auf den Genehmigungskonsens erfolge. Schon deshalb liegt die vom Revisionswerber behauptete Abweichung von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor.

11 6.1. Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision weiters damit, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, weil bei der Beurteilung, ob Änderungen der Anlage das Emissionsverhalten im Sinn des § 81 Abs. 2 und § 81a Abs. 1 GewO 1994 nachteilig beeinflussen, auf den durch die erteilten Genehmigungen bestehenden Konsens, und nicht bloß auf tatsächliche Gegebenheiten abzustellen sei. Da im vorliegenden Fall aber nie ein gewerberechtlicher Konsens über die Lärm- bzw. Geruchsimmissionen und auch nicht über die Anzahl des Schlachtviehs bestanden habe, sei eine Beurteilung für das Verwaltungsgericht ohne Feststellung des gewerberechtlichen Konsenses nicht möglich gewesen.

12 6.2. Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung, sondern nur eine solche Änderung, die geeignet ist, die in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen. Nach der (vom Revisionswerber ins Treffen geführten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.10.2014, 2013/04/0095, 0098, mwN) hat Gegenstand eines Genehmigungsverfahrens nach § 81 GewO 1994 primär nur die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, nicht jedoch die geänderte Betriebsanlage insgesamt zu sein. Das Verfahren nach § 81 GewO 1994 dient demnach nicht der inhaltlichen Überprüfung des nach § 77 GewO 1994 ergangenen Genehmigungsbescheides, vielmehr ist dessen Inhalt dem Verfahren nach § 81 GewO 1994 zugrunde zu legen. Die bereits genehmigte Betriebsanlage ist als Vergleichsmaßstab heranzuziehen.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach festgehalten, dass sich die Beurteilung, ob Änderungen der Anlage das Emissionsverhalten im Sinn des § 81 Abs. 2 Z 9 GewO 1994 nachteilig beeinflussen, auf den durch die erteilten Genehmigungen bestehenden Konsens - und nicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten - zu beziehen hat. Maßgeblich für die Beurteilung von angezeigten Änderungen ist somit der Vergleich mit dem bestehenden rechtlichen Konsens und nicht mit der tatsächlichen Betriebsweise (vgl. VwGH 18.8.2017, Ra 2017/04/0048, mwN).

15 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers stützte das Verwaltungsgericht seine Beurteilung, ob die beantragte Änderung der Anlage das Emissionsverhalten nachteilig beeinflussen würde, auf den bestehenden rechtlichen Konsens und nicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Dass diese auf Basis der bestehenden Genehmigungsbescheide vorgenommene Beurteilung, derzufolge die Bescheide keine Höchstzahlen bezüglich der Schlachtviehanlieferung und der Schlachtzahlen aufweisen, unvertretbar erfolgt wäre, zeigt die Revision nicht auf.

16 7. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. November 2018

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016040102.L00

Im RIS seit

14.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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