TE OGH 2018/11/6 5Ob173/18d

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Veröffentlicht am 06.11.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin M***** GmbH, *****, vertreten durch Hawel Eypeltauer Gigleitner Huber & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Antragsgegner M*****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Juni 2018, GZ 39 R 368/17g-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur die Frage, ob die Vorschreibung eines nach § 12a Abs 3 MRG angehobenen Mietzinses für das Geschäftslokal der Antragstellerin bereits für den Zeitraum ab 16. Februar 1999 zulässig war.

Die Vorinstanzen verneinten übereinstimmend einen Machtwechsel innerhalb der Mietergesellschaft selbst und damit ein Anhebungsrecht nach § 12a Abs 3 MRG bereits vor dem 1. April 2013.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Antragsgegner geltend, das Rekursgericht sei von der Rechtsprechung abgewichen, wonach „jedenfalls“ eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten vorliege, wenn die Mehrheit der Anteile veräußert werde. Überdies gebe es keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu „doppelstöckigen Konstruktionen“, bei denen hinter der Mietergesellschaft zwei je zu 50 % beteiligte Holdinggesellschaften stünden, und zu Gesellschaften ohne Mehrheitsgesellschafter.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zeigt der Antragsgegner damit nicht auf:

1.1. Zur Anwendung des § 12a Abs 3 MRG vertritt die nunmehr herrschende Ansicht die sogenannte „Machtwechseltheorie“, zu der sich auch der erkennende Senat mittlerweile mehrfach ausdrücklich bekannt hat (5 Ob 198/09t = wobl 2010/126 [Vonkilch] = immolex 2010/85 [Limberg]; 5 Ob 91/12m = GesRZ 2013, 294 [Schauer] = NZ 2013/40 [Walch]; 5 Ob 196/13d = wobl 2014/89; 5 Ob 127/17p = NZ 2017/154). Die Machtwechseltheorie entspricht auch der herrschenden Lehre (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 12a MRG Rz 41 f mwN; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 12a MRG Rz 18 mwN; Hawel in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht2 § 12a MRG RZ 19 f; Auer/H. Böhm in GeKo Wohnrecht I § 12a MRG Rz 105 ff mwN). Im Regelfall wird bei der Beurteilung der Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit in der Mietergesellschaft auf das „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“ abgestellt (RIS-Justiz RS0108983; RS0111167). Ein Kippen der Mehrheitsverhältnisse indiziert den Machtwechsel, die konkreten Auswirkungen sind jeweils im Einzelfall zu prüfen. Ergibt eine solche Prüfung, dass trotz Änderung der rechtlichen Verhältnisse keine wirtschaftliche Änderung eintritt, weil am Ende des Vorgangs letztlich unveränderte Machtverhältnisse stehen, ist kein Anhebungsrecht bewirkt (RIS-Justiz RS0125715; RS0111167 [T14, T17]; 5 Ob 228/15p = immolex 2016/60 [Cerha]; 5 Ob 127/17p = NZ 2017/154). Jedenfalls bedarf es einer Änderung der rechtlichen und der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit der Mietergesellschaft, beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (1 Ob 180/07p mwN = ecolex 2008/313; 5 Ob 127/17p = NZ 2017/154). Auch der im Revisionsrekurs zitierte Rechtssatz RIS-Justiz RS0069558 stellt auf den Machtwechsel in der Gesellschaft oder juristischen Person ab. Da das Kippen der Mehrheitsverhältnisse eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten zwar indiziert, sind dessen konkrete Auswirkungen – auch bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung – im Einzelfall zu prüfen (RIS-Justiz RS0111167 [T14]). Dies haben die Vorinstanzen hier getan und sind zu einem jedenfalls vertretbaren Ergebnis gelangt:

1.2. Zu „doppelstöckigen Konstruktionen“ in Form von Holdinggesellschaften, die Anteile an der Mietergesellschaft halten, liegt bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung vor (RIS-Justiz RS0111296). Danach kommt es nicht darauf an, ob der (geänderte) entscheidende Einfluss auf die Mietergesellschaft von innen oder von außen kommt, weil die weite Formulierung des § 12a Abs 3 MRG den Machtwechsel in der Gesellschaft erfassen soll. Die Einflussmöglichkeit muss zwar gesellschaftsrechtlich begründet sein, ist aber auch dann tatbestandsmäßig im Sinn des § 12a Abs 3 Satz 1 MRG, wenn sie bloß mittelbar – etwa über dazwischengeschaltete weitere Gesellschaften – besteht. Die Veräußerung der Anteilsrechte an jener Holdinggesellschaft, die Alleingesellschafterin der Mietergesellschaft ist, kann daher eine wesentliche Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit in der Mietergesellschaft bewirken (5 Ob 51/01p). Die Änderung auf der Ebene jener (Konzern-)Gesellschaft, die aufgrund von Beteiligungen einen beherrschenden Einfluss auf die Mietergesellschaft ausübt, kann für eine wesentliche Änderung ausreichen (5 Ob 7/98k; 1 Ob 180/07p; 5 Ob 224/14y = immolex 2015/73 [Pfiel]). Auch diesbezüglich wurde aber die zunächst noch zu 5 Ob 262/02v und 5 Ob 161/04v vertretene Auffassung, es reiche aus, wenn die Mehrheit der Anteile wirtschaftlich nunmehr anderen Personen als den bisherigen Gesellschaften zuzurechnen sei, vom erkennenden Senat (5 Ob 198/09t = wobl 2010/126 [Vonkilch]) ausdrücklich abgelehnt. Abzustellen ist auch bei Konzern- und Holdingskonstruktionen auf die Frage des entscheidenden Einflusses auf die Mietergesellschaft, der durch das „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“ – diesfalls eben unter Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in der Holding – lediglich indiziert wäre.

1.3. Es entspricht ständiger Judikatur (RIS-Justiz RS0111297), dass eine Änderung der rechtlichen Entscheidungsmöglichkeiten dann vorliegt, wenn es dem Machtträger aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Position möglich ist, die Geschicke der Gesellschaft faktisch zu bestimmen, weil deren rechtliche Strukturen keine Handhabe bieten, ihn daran zu hindern. Ausdrücklich wurde bereits ausgesprochen (5 Ob 228/15p), dass der Wechsel von Minderheitsbeteiligungen an einer Kapitalgesellschaft nicht zur Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Entscheidungsmöglichkeiten führt. Dass dies bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit jeweils 50%iger Beteiligung zweier Gesellschafter nicht gilt, ist nicht zu erkennen. Auch in diesem Fall setzt eine Änderung der rechtlichen Entscheidungsmöglichkeiten eine Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Position des Machtträgers – wie immer dieser in der 50:50-Gesellschaft auch bestimmt sein mag (vgl das Mehrheitsprinzip in § 39 Abs 1 GmbHG) – voraus. Die von Edelhauser (immolex 2012/47, Glosse zu 9 Ob 53/11a) vertretene Auffassung, ein Machtwechsel im Verhältnis zur Gesellschaft liege in der Regel auch dann vor, wenn es zu einer Anteilsverschiebung um mehr als 50 % von Streubesitz zu Streubesitz komme, bedarf keiner näheren Erörterung, weil ein derartiger Fall nach den Feststellungen
– selbst unter Berücksichtigung der Änderungen bei den Gesellschaftern der Mietergesellschaft – hier nicht vorliegt.

2. Die Auffassung der Vorinstanzen, hier liege kein „Kippen der Machtverhältnisse“ verbunden mit einer entscheidenden Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf die Antragstellerin vor dem 1. April 2013 (als die bisher 50 % der Geschäftsanteile haltende Gesellschafterin zu 100 % Gesellschafterin der Antragstellerin wurde) vor, ist jedenfalls vertretbar. Am 16. Februar 1999 kam es zwar – aufgrund einer Verschmelzung der bisherigen 50%igen Gesellschafterin der Antragstellerin mit einer weiteren AG – zu einer Übertragung ihres Geschäftsanteils im Ausmaß von 50 %, ein „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“ ist dadurch aber noch nicht erfolgt. Inwieweit sich dadurch die rechtlichen oder wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Antragstellerin selbst, an der nach wie vor zu je 25 % die ursprünglichen Gesellschafter beteiligt blieben, geändert haben sollten, ist nicht ersichtlich. Für die Übertragung des Geschäftsanteils des einen 25 %-Gesellschafters nach dessen Ableben auf seine Erbin gilt dies ebenso wie für den Übergang der Anteile der beiden 25 %-Gesellschafter an die von diesen beiden gegründete Beteiligungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, an der sie jeweils 50 % der Anteile hielten. Eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft selbst ist damit nach der vertretbaren Auffassung der Vorinstanzen nicht ausreichend dargetan, zumal die Behauptungs- und Beweislast dafür den Vermieter trifft (5 Ob 127/17p; 3 Ob 78/07b). Er führte aber hier zur Begründung seines Erhöhungsbegehrens bereits vor dem 1. April 2013 nur solche Veränderungen rechtlicher und wirtschaftlicher Natur ins Treffen, die sich auf die Machtverhältnisse in der mietenden Gesellschaft selbst nicht unmittelbar auswirkten. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Mehrheitsgesellschafter, niemand war konkret in der Lage, aufgrund seiner Gesellschafterstellung die Geschicke der Antragstellerin so zu bestimmen als hätte er das Unternehmen selbst erworben (vgl die Übersicht bei Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 12a MRG Rz 50; 5 Ob 127/17p). Zu einem „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“ und der dadurch indizierten maßgeblichen Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten kam es nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung der Vorinstanzen vielmehr erst durch den Erwerb sämtlicher Gesellschaftsanteile durch die nunmehrige Alleingesellschafterin.

3. Da die Frage, ob der Tatbestand des § 12a Abs 3 erster Satz MRG verwirklicht wurde, nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls entschieden werden kann (RIS-Justiz RS0111167 [T11]; RS0118809 [T1]) und diesfalls eine erhebliche Rechtsfrage nur dann vorläge, wenn dem Rekursgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl RIS-Justiz RS0044088), was hier nicht der Fall ist, ist der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.

Textnummer

E123488

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00173.18D.1106.000

Im RIS seit

14.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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