TE Vwgh Beschluss 2018/11/21 Ra 2017/04/0033

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Veröffentlicht am 21.11.2018
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

BauO OÖ 1994 §28;
BauO OÖ 1994 §35;
BauRallg;
GewO 1994 §75 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/04/0043 Ra 2017/04/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision 1. der Dr. G P,

2. des MMag. Dr. S P, 3. des J P, alle in F, alle vertreten durch Ing.Mag. Wilhelm Deutschmann, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 5. August 2016, Zl. LVwG-850589/11/Bm/BHu, betreffend Verfahren gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Freistadt; mitbeteiligte Partei: A GmbH in F, vertreten durch Mag. Florian Traxlmayr, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12/Arkade), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Die mitbeteiligte Partei betreibt an einem bestimmt bezeichneten Standort ein mit gewerbebehördlichem Bescheid aus dem Jahre 1977 genehmigtes Tanklager für Mineralöl. In diesem Genehmigungsbescheid wurde keine Einschränkung auf eine bestimmte Betriebszeit festgelegt.

2 Das Nachbargrundstück steht seit 2010 im Eigentum der Erstrevisionswerberin. Über ihr Ansuchen wurde der Erstrevisionswerberin die baubehördliche Bewilligung für den "Neubau eines Bürogebäudes mit Einfriedung" erteilt. Der dem Bauansuchen zugrunde liegende Plan enthielt keine Einzeichnung einer Wohnfläche. Eine solche war auch nicht in die Flächenbeschreibung aufgenommen.

3 2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. März 2016 wurde nach Durchführung eines von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 die gewerbebehördlich genehmigte Betriebszeit für das von der mitbeteiligten Partei betriebene Mineralöltanklager auf Montag bis Sonntag 6 Uhr bis 19 Uhr eingeschränkt. Gleichzeitig wurde vorgeschrieben, dass sämtliche zum Betrieb des Tanklagers erforderliche Manipulationen innerhalb dieses Betriebszeitraums vorzunehmen seien.

4 In der Begründung dieses Bescheids führte die Behörde aus, die Notwendigkeit der Einschränkung der bis dahin bestehenden gewerbebehördlichen Genehmigung ergebe sich aufgrund des Zuzugs der nunmehr auf dem Nachbargrundstück wohnhaften Revisionswerber und der bei unbeschränkten Betriebszeiten bestehenden Möglichkeit der Gesundheitsgefährdung durch lärmbedingte Schlafstörungen.

5 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei statt und gab dem Begehren der Revisionswerber auf Gewährung der Parteistellung nicht Folge. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

6 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, § 79 GewO 1994 enthalte die gesetzliche Ermächtigung der Behörde, nach Abschluss eines Verfahrens zur Genehmigung einer Betriebsanlage und ungeachtet der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, sofern mit den bis dahin vorgeschriebenen Auflagen nicht das Auslangen gefunden werden könne, um die in § 74 umschriebenen Interessen hinreichend zu schützen. Zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 GewO 1994 geworden seien, würden Auflagen nur soweit vorzuschreiben sein, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Person notwendig seien. Als Nachbar sei zudem nur jene Person anzusehen, deren Aufenthalt durch die Rechtsordnung gedeckt sei. Es sei daher als Vorfrage zu prüfen, ob sich die Revisionswerber rechtmäßig zu Wohnzwecken auf der Nachbarliegenschaft aufhalten würden.

7 Im Zusammenhang mit einer Baubewilligung würden jeweils die Projektunterlagen den Umfang der behördlichen Entscheidungsbefugnis umfassen und den Bewilligungskonsens begrenzen. Vorliegend sei von der Erstrevisionswerberin der "Neubau eines Bürogebäudes" beantragt worden. Der Einreichplan und die Baubeschreibung würden sich jeweils ausschließlich auf ein Bürogebäude beziehen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerber könne aus dem angegebenen Verwendungszweck ("bestehende Widmung") angesichts des Ansuchens, des Plans und der Betitelung des Bauvorhabens in der Baubeschreibung nicht gefolgert werden, dass die Antragstellung auch die Wohnnutzung umfasse, zumal die Errichtung eines Bürogebäudes der maßgeblichen Flächenwidmung entspreche. Auch die Baubewilligung nenne ausdrücklich ein Bürogebäude. Eine Änderung des Verwendungszwecks hin zu Wohnzwecken würde ein diesbezügliches Baubewilligungsverfahren erfordern.

8 Die vorgebrachte Wohnnutzung durch die Revisionswerber sei daher nicht rechtmäßig. Daraus folge, dass den Revisionswerbern eine Nachbarstellung, die die Nutzung des Nachbargebäudes als Wohnhaus umfasse, nicht zukomme. Da sich der bekämpfte Bescheid ausschließlich auf den Schutz vor Gefährdungen durch den Betrieb des Mineralöltanklagers ausgehend von der Wohnnutzung des Nachbargebäudes - konkret auf Gesundheitsgefährdungen durch erwartete Schlafstörungen - stütze, sei dieser zu beheben. Eine Parteistellung komme den Revisionswerbern in diesem Verfahren nicht zu. Eine solche komme gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 nur jenen Nachbarn zu, deren Parteistellung im ursprünglichen Genehmigungsverfahren aufrecht geblieben sei.

9 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, in eventu in der Sache selbst zu entscheiden.

10 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 5.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob nachträglich zugezogenen Nachbarn Parteistellung eingeschränkt auf die Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 zukomme. Hätte das Verwaltungsgericht den Revisionswerbern die Parteistellung zuerkannt, so hätten diese am Verfahren teilnehmen und ihre Parteirechte umfassend ausüben können.

14 Die Revisionswerber stützen damit die Zulässigkeit der Revision auf die Verletzung der ihnen zukommenden Parteirechte.

15 Auch bei Verfahrensmängeln wie der Verletzung des Parteiengehöres und des "Überraschungsverbotes" muss in den Zulässigkeitsgründen die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels (etwa also auf Grund welchen konkreten Vorbringens) in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (ständige Rspr, vgl. etwa VwGH 23.5.2017, Ra 2015/10/0127, mwN).

16 Zur Relevanzdarstellung bringt die Revision vor, die Erstrevisionswerberin sei vom Verwaltungsgericht weder zu ihrem Bauwillen noch zu dem Grund und dem Zweck der Formulierung des Verwendungszwecks in der Baubeschreibung einvernommen worden. In weiterer Folge habe es das Verwaltungsgericht unterlassen, unter dem Aspekt der Benützung des Bürogebäudes für Übernachtungszwecke, Ermittlungen hinsichtlich der Eignung der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zur Gesundheitsgefährdung durchzuführen.

17 Mit diesem Vorbringen wird die Relevanz des zur Zulässigkeit der Revision vorgebrachten Verfahrensmangels nicht dargetan:

18 Aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut des § 75 Abs. 2 leg. cit. ergibt sich dagegen in einer zu keinem Zweifel Anlass gebenden Deutlichkeit, dass als Nachbar - nicht bloß vorübergehender Aufenthalt vorausgesetzt - jede Person anzusehen ist, die sich rechtmäßig in der Nähe der Betriebsanlage aufhält, und zwar ohne Rücksicht auf den ihrem Aufenthalt zu Grunde liegenden Rechtstitel (vgl. VwGH 20.10.1999, 99/04/0016).

19 Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. VwGH 22.10.2008, 2005/06/0114, mwN) ist der Inhalt einer Baubewilligung den eingereichten und allenfalls im Zuge des Bauverfahrens geänderten, dem Baubewilligungsbescheid zu Grunde gelegten Plänen und der Baubeschreibung zu entnehmen; die von der Behörde mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Pläne und Baubeschreibungen bilden einen wesentlichen Bestandteil der Baubewilligung. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass ein Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist und daher das gegenständliche Projekt maßgeblich ist. Grundsätzlich ist dabei der vom Bauwerber angegebene Verwendungszweck im Bauverfahren maßgeblich, weshalb eine allenfalls erteilte Baubewilligung immer nur für diesen im Bauansuchen angegebenen Verwendungszweck gilt (vgl. etwa VwGH 30.1.2014, 2011/05/0157, mwN; und VwGH 16.5.2002, 2002/06/0057, sowie VwGH 18.6.2003, 2001/06/0170). Sowohl für die Ausgestaltung des Gebäudes als auch dessen zulässigen Verwendungszweck allein maßgeblich sind demnach das Bauansuchen auf Grund der vorliegenden Baubeschreibung und der angeschlossenen Baupläne. Das Motiv des Bewilligungswerbers ist für die Bewilligung bedeutungslos (vgl. VwGH 24.03.1983, 81/06/0162).

20 Das Verwaltungsgericht hat fallbezogen den Konsensumfang der Baubewilligung anhand der der Baubewilligung zugrunde gelegten Unterlagen in rechtlicher Hinsicht beurteilt. Die Unterlassung der Einvernahme der Erstrevisionswerberin zur Frage ihres Bauwillens kommt in Zusammenhang mit dieser Beurteilung keine Relevanz zu, weil nach dem oben Gesagten die Projektunterlagen für den Umfang des Konsenses maßgeblich sind. Allfällige Mentalreservationen hinsichtlich der Motive der Erstrevisionswerberin bei der Angabe des Verwendungszwecks sind demnach unbeachtlich. Dass die rechtliche Beurteilung des Baukonsenses ausgehend von dem Bauansuchen, den beigelegten Plänen und der Baubeschreibung unvertretbar sei, wird von der Revision nicht vorgebracht.

21 Insofern die Revision im Zulässigkeitsvorbringen ausführt, die Erstrevisionswerberin habe ein Bürogebäude mit gemischt genutztem Verwendungszweck errichtet, weshalb zu klären sei, ob zur Benützbarkeit eines Gebäudes zu Wohnzwecken ein Wohngebäude vorliegen müsse, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, dass - wie oben festgehalten - ein bloßes Bürogebäude Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens war. Die Frage der (tatsächlichen) Möglichkeit zur Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken gibt über dessen vom Konsens gedeckte Widmung und daraus resultierende Rechtmäßigkeit der Nutzung keine Auskunft.

22 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. November 2018

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040033.L00

Im RIS seit

13.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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