TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/7 LVwG-340-25/2018-R3

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Veröffentlicht am 07.08.2018
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Entscheidungsdatum

07.08.2018

Norm

MSG Vlbg 2010 §8 Abs1
MSG Vlbg 2010 §8 Abs3
MSV Vlbg 2010 §9 Abs1 litc
ASVG §330a

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Böhler über die Beschwerde der E K, B, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG, Bludenz, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 25.06.2018, Zl , zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Begründung

1.   Mit angefochtenem Bescheid wurden für die Beschwerdeführerin die Unterkunfts- und Verpflegskosten im Sozialzentrum B ab dem 10.04.2018 übernommen, wobei ua ausgesprochen wurde, dass die Beschwerdeführerin von den eigenen Einkünften wie folgt einsetzen müsse:

a)   80 % der monatlichen Pension,

b)   das Pflegegeld, soweit es 10 % der Stufe 3 übersteigt,

c)   100 % der Unterhaltszahlungen,

d)   100 % der Mieteinnahmen der Wohnung in B, Uweg.

Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, ihre Wohnung in B, Uweg, umgehend zu vermieten und der Bezirkshauptmannschaft, Abteilung Soziales, den Mietvertrag vorzulegen.

2.   Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, dieser Bescheid werde insoweit angefochten, als sie aufgefordert werde, ihre Wohnung zu vermieten und der BH den Mietvertrag vorzulegen und sie 100 % der Mieteinnahmen der Wohnung für die Unterkunfts- und Verpflegungskosten im Sozialzentrum B einzusetzen habe. Bei der Wohnung handle es sich um eine kleine, ca 34 m² große Wohnung. Es handle sich bei dieser Wohnung um ein kleines Eigenheim, das ihr unmittelbar diene bzw dienen könnte, zumal sie im Falle einer Verbesserung ihres Gesundheitszustandes diese Wohnung wiederum selbst benötige. Aufgrund des aktuellen Mietrechtsgesetzes sei eine befristete dreijährige Vermietung erforderlich, damit diese Wohnung nach Ablauf der Befristung überhaupt wieder mietfrei werden könne. Darüber hinaus seien die für diese Wohnung erzielbaren Einkünfte so minimal, dass sich eine Vermietung dieser Wohnung gar nicht rentiere. Es sei nämlich bei Vermietung dieser Wohnung auch der gemäß Mietrechtsgesetz vorzusehende 25 %ige Befristungsabschlag zu berücksichtigen, sodass diese ca 34 m² große Wohnung, die sich darüber hinaus in einem äußerst schlechten allgemeinen und sanierungsbedürftigen Zustand befinde, maximal ca 160 Euro monatlich einbringen würde. Ganz abgesehen davon, dass für diese Wohnung ein erheblicher Verwaltungsaufwand, der ebenfalls abzugelten wäre, verbunden sei. Die Vermietung dieser Wohnung sei für sie unzumutbar. Gemäß Mindestsicherungsverordnung sei Vermögen von Personen, die in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht seien, nicht zu berücksichtigen. Dieses Vermögen dürfe daher auch nicht (mit Mietrechten) belastet werden. Eine Verwaltung der vermieteten Wohnung sei ihr aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht zuzumuten.

3.   Folgender Sachverhalt steht fest:

Mit Antrag vom 17.04.2018 hat die Beschwerdeführerin um Übernahme der Unterkunfts- und Verpflegskosten im Sozialzentrum B ab dem 10.04.2018 angesucht.

Mit angefochtenem Bescheid wurde ua ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin 100 % der Mieteinnahmen ihrer Wohnung einsetzen müsse.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Wohnung der Liegenschaft Uweg, B. Es handelt sich um eine ca 34 m² große Wohnung.

4.   Dieser Sachverhalt wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund des vorliegenden Aktes als erwiesen angenommen. Er ist insoweit unbestritten.

5.1. Gemäß § 8 Abs 1 Mindestsicherungsgesetz ist das Ausmaß der Mindestsicherungsleistung im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte, insbesondere der eigenen Arbeitskraft, und Mittel zu bestimmen.

Gemäß § 8 Abs 4 leg cit ist bei Personen, die in stationären Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, das Vermögen überhaupt nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 9 Abs 1 lit c Mindestsicherungsverordnung sind nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 bei der Ermittlung des Anspruchs auf Leistungen der Mindestsicherung in einer stationären Pflegeeinrichtung die Einkünfte der hilfsbedürftigen Person sowie die ihr zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter zu berücksichtigen.

Gemäß § 9 Abs 4 leg cit dürfen bei der Ermittlung des Anspruches gemäß Abs 1 ua Vermögen nicht berücksichtigt werden, wenn durch deren Verwertung eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte. Dies gilt für

lit f Z 1 sublit aa ein kleines Eigenheim (Eigentumswohnung), das im Rahmen der offenen Mindestsicherung der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfs der hilfsbedürftigen Person dient während des Bezugs von Leistungen für die Dauer von längstens sechs unmittelbar aufeinander folgende Monate; nach diesem Zeitraum kann die Leistung als Darlehen gewährt und eine grundbücherliche Sicherstellung der Ersatzforderung vorgenommen werden, sofern dies nicht eine besondere Härte darstellen würde;

lit i Vermögen von Personen, die in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht sind.

5.2. Gemäß § 330a ASVG idF BGBl I Nr 125/2017 ist ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig.

Gemäß § 707a Abs 2 leg cit tritt § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 125/2017 mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.

In dem entsprechenden Abänderungsantrag ist in der Begründung zu diesen beiden Bestimmungen wie folgt festgehalten (vgl Nationalrat, XXV. GP, 190. Sitzung, S 185ff):

„Zu Art 1 lit a (§ 330a ASVG):

Die in den landesgesetzlichen Vorschriften verankerten Regelungen, die einen Zugriff auf das Vermögen pflegebedürftiger Personen, die in stationären Pflegeeinrichtungen betreut werden, bzw ihrer GeschenknehmerInnen ermöglichen, führen beim betroffenen Personenkreis oftmals zur gänzlichen Verwertung sämtlicher oft mühsam erworbener Vermögenswerte, wie etwa eines Eigenheimes oder Sparguthabens.

Dadurch kann die im Rahmen des österreichischen Pflegevorsorgesystems intendierte Wahlmöglichkeit für die Betroffenen insofern eingeschränkt werden, als dadurch ein allfällig sachlich gebotener oder von der betroffenen Person gewünschter Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung oftmals nicht realisierbar ist.

Durch die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung soll der Pflegeregress verboten werden.

...

Zu Art 1 lit c (§ 707a Abs 2 ASVG):

Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass ab dem Inkrafttreten sowohl laufende gerichtliche als auch verwaltungsbehördliche Verfahren eingestellt werden. Ebenso dürfen keine neuen Rückersatzverpflichtungen auferlegt werden.

Es wird eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Fall vorgesehen, dass sich nähere Regelungen betreffend den Übergang zur neuen Rechtslage als erforderlich erweisen.

Selbstverständlich treten die entgegenstehenden landesgesetzlichen Bestimmungen (zum Beispiel die §§ 26 und 27 des Wiener Sozialhilfegesetzes) nur insoweit außer Kraft, als sie sich auf den Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen und ihrer Erben/Erbinnen und GeschenknehmerInnen zur Abdeckung der Pflegekosten beziehen.“

6.1.           Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich gegen den Spruch lit d, mit welchem ausgesprochen wurde, dass die Beschwerdeführerin von ihren eigenen Einkünften 100 % der Mieteinnahmen ihrer Wohnung einsetzen muss, und gegen die Vorschreibung, wonach sie aufgefordert wird, ihre Wohnung umgehend zu vermieten und den Mietvertrag der Bezirkshauptmannschaft vorzulegen.

6.2. Soweit die Beschwerdeführerin sich darauf stützt, dass ihre Eigentumswohnung gemäß § 9 Abs 4 lit f Z 1 sublit aa Mindestsicherungsverordnung nicht berücksichtigt werden dürfe, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine Eigentumswohnung zufolge dieser Bestimmung nur dann ausgenommen ist, wenn diese „im Rahmen der offenen Mindestsicherung der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfs der hilfsbedürftigen Person“ dient. Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, da sich die Beschwerdeführerin in einer stationären Pflegeeinrichtung (in der Pflegestufe 5) befindet.

Dem Hinweis der Beschwerdeführerin, wonach sie die Wohnung im Falle einer Verbesserung ihres Gesundheitszustandes wieder benötigte, ist entgegenzuhalten, dass sich gegenständlicher Mindestsicherungsantrag explizit auf die Übernahme der Unterkunfts- und Verpflegskosten für das Sozialzentrum B richtet. Wenn die Beschwerdeführerin wieder in ihre Wohnung zurückkehren würde, würde dem gegenständlichen Bescheid die Grundlage entzogen werden.

6.3. Wie sich aus der obzitierten Gesetzesbestimmung des § 707a ASVG idF BGBl I Nr 125/2017 ergibt, soll es nach dem 31.12.2017 keinen Zugriff auf Vermögen mehr geben, wenn Menschen in einer stationären Pflegeeinrichtung aufgenommen sind und dafür öffentliche Mittel aufgewendet werden.

Grundsätzlich bilden Vermögen und Einkommen gemeinsam die eigenen Mittel des Hilfeempfängers; hilfsbedürftig ist, wer über beides nicht in ausreichendem Maße verfügt. Vermögen ist die Summe aus Rechten und Sachwerten über die eine Person verfügt; als Einkommen bezeichnet man demgegenüber die Vermögensvermehrung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (vgl Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 403ff). Nach Martin Binder ist Einkommen alles, was einer Person tatsächlich zufließt, egal in welcher Form (Die Bedürftigkeit im Sozialrecht, in: Ruppe (Hrsg), Sozialpolitik und Umverteilung, 183ff).

Im gegenständlichen Fall wird nicht auf das Vermögen der Beschwerdeführerin, sondern nur auf den Ertrag aus dem Vermögen zugegriffen. Beim Ertrag aus einem Vermögen handelt es sich um Mittel, die der Beschwerdeführerin zufließen. Die Erträge aus dem Vermögen sind daher ein Einkommen, welches vom Pflegeregressverbot nicht umfasst ist. Vielmehr ergibt sich aus § 330a ASVG, dass lediglich ein Zugriff auf das „Vermögen“ unzulässig ist.

Es ist somit insgesamt davon auszugehen, dass der Zugriff auf den Ertrag aus dem Vermögen weiterhin zulässig ist, da es sich hiebei um ein Einkommen handelt.

Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes ist der Beschwerdeführerin die Vermietung der Wohnung auch zumutbar. Dass die Vermietung der Wohnung nur geringe Erträge abwirft (nach den Angaben der Beschwerdeführerin 160 Euro pro Monat) ist dabei nicht von Belang. Dasselbe gilt für das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend ihren Gesundheitszustand; abgesehen davon ist diesbezüglich auf das allenfalls zur Anwendung gelangende Erwachsenenschutzgesetz hinzuweisen.

Die Aufforderung an die Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid, ihre Wohnung umgehend zu vermieten, ist daher insgesamt zu Recht erfolgt. Dasselbe gilt für die Aufforderung zur Vorlage des Mietvertrages; diese Vorschreibung ist notwendig, um überprüfen zu können, ob die Wohnung vermietet wird bzw zu welchem Preis diese vermietet wird.

7.              Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Fall zu der Frage fehlt, ob Mieteinnahmen vom Pflegeregressverbot mitumfasst sind bzw diesbezüglich eine Vermietungspflicht besteht.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, die Revision an den Verwaltungsgerichtshof hingegen beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg. Diese Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabengebühr von je 240 Euro zu entrichten.

                                                                                   

Schlagworte

Mindestsicherung, Aufforderung zur Vermietung von Wohnung, Pflegeregressverbot, Einkommen aus Vermögenserträgnissen, Vermietung

Anmerkung

Andere Ansicht wird vom Landesverwaltungsgericht Vorarlberg in LVwG-340-24/2018-R11 vom 10.12.2018 vertreten.
Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof (29.11.2018, Ro 2018/10/0041) zurückgewiesen (aus formalen Gründen, keine Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Erkenntnisses).


European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.340.25.2018.R3

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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