TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/22 97/15/0003

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Veröffentlicht am 22.09.1999
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §21 Abs1;
BAO §22;
BAO §23;
BAO §303 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des GB in A, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom 8. November 1996, GZ GA 17-93/4274/10, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1988 bis 1990 und Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1988 bis 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1988 bis 1991 machte er neben Einkünften aus selbständiger Arbeit jeweils Verluste aus Vermietung und Verpachtung (Vermietung mehrerer Wohnungen eines Hauses) geltend (im Jahr 1988 rund 106 000 S, 1989 rund 130 000 S, 1990 rund 80 000 S und 1991 rund 100 000 S).

Das Finanzamt erließ für die Jahre 1988 bis 1990 den Erklärungen folgende Umsatz- und Einkommensteuerbescheide.

Mit Bescheiden vom 18. Juni 1993 verfügte das Finanzamt hinsichtlich der Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1988 bis 1990 von Amts wegen die Wiederaufnahme des Verfahrens und setzte die Abgaben abweichend von den Vorbescheiden unter Nichtberücksichtigung der erklärten negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fest. Begründend wurde unter anderem dargelegt, erst durch die Vorhaltsbeantwortung vom März 1993 sei bekannt geworden, dass die Wohnung im ersten Stock und die Mansarde an die Schwester und den Schwager des Beschwerdeführers vermietet seien. Eine weitere Wohnung sei seit September 1988 an den Sohn des Beschwerdeführers vermietet, nachdem diese Wohnung durch den Tod der Mieterin im April 1988 frei geworden sei. Damit seien sämtliche Mieter nahe Angehörige des Beschwerdeführers. Eine Wohnung benutze der Beschwerdeführer als Kanzlei. Die Mietverträge hielten inhaltlich einem Fremdvergleich nicht stand und seien auch nur mündlich abgeschlossen worden. Es seien daher lediglich die Einkünfte der Monate Jänner bis April 1988 steuerlich zu berücksichtigen. Ab diesem Zeitpunkt habe es keine Fremdvermietung gegeben, daher seien Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht anzunehmen.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, sein "Verwandtschaftsverhältnis zu seiner Schwester" müsse der Behörde bereits bekannt gewesen sein, weil der Mietvertrag über die Mansarde zwischen der Mutter des Beschwerdeführers als Vermieterin und der Schwester und dem Schwager des Beschwerdeführers als Mieter dort aufliegen müsse. Außerdem sei sein "Verwandtschaftsverhältnis zu seiner Schwester in ganz A bekannt". Fremden Personen hätte die Voreigentümerin (die Mutter des Beschwerdeführers und der Mieterin) einen Dachbodenausbau nicht gestattet. Außerdem sei diese Wohnung auf Grund ihres Zustandes nur beschränkt benützbar, weil u.a. die elektrischen Leitungen nicht den Vorschriften entsprächen. Bei fremden Personen käme es bei der Vermietung zu einer Haftung. Bezüglich der zweiten Wohnung, die er an seinen Sohn vermietet habe, hätte eine fremde Person den Mietzins von S 1.000,-- bei einer Wohnung der Kategorie D von 68 m2 nicht akzeptiert. Die Mietverhältnisse würden einem Fremdvergleich standhalten, weil ein Fremder weniger gezahlt hätte als die Schwester und der Sohn des Beschwerdeführers.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Mietvertrag, auf den sich der Beschwerdeführer beziehe, sei im Veranlagungsverfahren nicht aktenkundig gewesen. Zwar habe er sich im Bewertungsakt befunden; beim Bewertungsverfahren handle es sich aber um ein eigenes Verfahren, das unabhängig vom Veranlagungsverfahren durchgeführt werde. Aus der Sicht des Veranlagungsverfahren sei daher der besagte Mietvertrag erst ab dessen Vorlage im Veranlagungsverfahren bekannt und damit verwertbar gewesen. Außerdem gehe aus dem Mietvertrag das Verwandtschaftsverhältnis zwischen der damaligen Vermieterin (der Mutter des Beschwerdeführers) und den Mietern nicht hervor. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, sein Verwandtschaftsverhältnis zu seiner Schwester sei in ganz A (und damit auch dem Finanzamt) bekannt, sei ohne Bedeutung, weil damit die Identität der Mieter nicht geklärt gewesen sei; in den dem Finanzamt vorgelegten Aufzeichnungen seien die Zahlungen lediglich als "Zins 1.Stock" und "Zins Mansarde" bezeichnet worden. Ein weiterer Wiederaufnahmegrund liege im schlechten baulichen Zustand der Wohnungen, der der Abgabenbehörde erstmals durch ein Schreiben im April 1993 bekannt gegeben worden sei. Daraus ergebe sich, dass das Mietobjekt als Einkunftsquelle zur Erzielung eines Einnahmenüberschusses nicht geeignet sei. Dieser Umstand sei so gewichtig, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1988 bis 1990 zu verfügen gewesen sei. Die Mietverträge würden, soweit sie nur mündlich abgeschlossen seien, bereits von ihrer äußeren Form her einem Fremdvergleich nicht standhalten. Außerdem habe der Beschwerdeführer mehrfach betont, dass fremde Personen diese Wohnungen nicht gemietet hätten; es handle sich bei all diesen Wohnungen um Substandardwohnungen, für die Fremde - anders als seine Angehörigen - keinesfalls bereit gewesen wären, mehr als den Kategoriemietzins zu bezahlen. Die Ausführungen bezüglich des schlechten Bauzustandes der Wohnungen, u. a., dass die elektrischen Leitungen nicht den Vorschriften entsprechen würden, unterstütze die Ansicht, dass nur nahe Angehörige bereit gewesen seien, unter diesen Umständen einen Mietvertrag abzuschließen. Die Mansarde sei im Jahr 1966 um 240 S per anno auf Lebenszeit der Mieter (die Schwester und den Schwager des Beschwerdeführers), ohne Indexklausel und Betriebskostenregelung und ohne Anhebung der Miete nach Verzehr der Um- und Ausbaukosten der Mansarde vermietet worden. Obwohl die Miete fix vereinbart gewesen sei, sei die Miete im Jahr 1979 auf 9 600 S und im September 1988 auf 13 000 S per anno erhöht worden. Ein Fremder hätte der Erhöhung des Mietzinses angesichts dieser Vertragslage nicht zugestimmt. Es würden daher alle Mietverträge einem Fremdvergleich nicht standhalten. Außerdem könne das Mietobjekt als Einkunftsquelle nur dann dienen, wenn der Beschwerdeführer höhere, die Ausgaben der jeweiligen Jahre deckende, Mieten verlange. Infolge des im Einzelnen detailliert dargestellten Verhältnisses der laufenden Kosten zu den erzielten Mieteinnahmen sei das Mietobjekt nicht geeignet, eine Einkunftsquelle darzustellen. Auch in Zukunft sei bei Beibehaltung der derzeitigen Bewirtschaftungsart kein Einnahmenüberschuss aus der Vermietung zu erwarten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Beschwerdeführer führt aus, die "Verwandtschaftsverhältnisse zu seiner Schwester und seinem Sohn" seien zumindest bei der grundbücherlichen Eintragung seines Eigentumsrechtes beim Finanzamt bekannt gewesen. Außerdem habe die belangte Behörde nicht erwähnt, ob nicht doch ein Vermerk bezüglich des Verwandtschaftsverhältnisses im Veranlagungsakt vorhanden sei, bzw. ob nicht doch dieses Verwandtschaftsverhältnis amtsbekannt gewesen sei.

Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl das hg. Erkenntnis vom 19. September 1990, 89/13/0245). Maßgeblich ist daher, ob das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Mietern im Verfahren über die Festsetzung von Einkommen-und Umsatzsteuer bekannt war und nicht, ob dieses in einem Bewertungsverfahren oder im Zusammenhang mit der grundbücherlichen Eintragung des Eigentumsrechtes des Beschwerdeführers dem Finanzamt bekannt geworden ist. Der Beschwerdeführer bestreitet selbst nicht, dass im Veranlagungsverfahren erst im Jahre 1993 bekannt wurde, dass sämtliche vermieteten Wohnungen in dem in Rede stehenden Objekt an nahe Angehörige vermietet worden waren, weil er in den Aufzeichnungen die Mietzinszahlungen als "Zins 1. Stock" und "Zins Mansarde" bezeichnete, ohne die Person des jeweiligen Mieters zu nennen.

Das Vorbringen der Beschwerde, die belangte Behörde habe "nicht erwähnt, ob nicht doch ein Vermerk im Veranlagungsakt vorhanden ist bzw. ob nicht doch dieses Verwandtschaftsverhältnis amtsbekannt war", stellt keine konkrete Behauptung eines Verfahrens- oder Begründungsmangels dar.

Als weiterer Wiederaufnahmsgrund ist der dem Finanzamt erst durch ein Schreiben des Beschwerdeführers im April 1993 bekannt gewordene - der Annahme der Eigenschaft als Einkunftsquelle entgegenstehende - Umstand anzusehen, dass das Gebäude wegen seines schlechten baulichen Zustandes an Fremde nicht vermietet werden könne.

Diese neu hervorgekommenen Tatsachen sind geeignet, zu einer anderen steuerlichen Beurteilung zu führen. Die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1988 bis 1990 ist daher zu Recht erfolgt.

Verträge zwischen nahen Angehörigen finden unbeschadet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit für den Bereich des Abgabenrechts grundsätzlich nur Anerkennung, wenn sie nach außen ausreichend in Erscheinung treten, einen eindeutigen und klaren Inhalt haben und auch unter Fremden so abgeschlossen worden wären. Dies gilt vor allem deshalb, weil der in der Regel zwischen fremden Geschäftspartnern bestehende Interessengegensatz bei nahen Angehörigen auszuschließen ist und durch die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten abweichend von den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten steuerliche Folgen entsprechend beeinflusst werden können (vgl z. B.das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 97/15/0005).

Die belangte Behörde hat den Mietverträgen zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Angehörigen die steuerliche Anerkennung versagt, weil nach ihrer Auffassung die Verträge nicht nach außen ausreichend in Erscheinung traten, keinen eindeutigen und klaren Inhalt hatten und unter Fremden so nicht abgeschlossen worden wären. Dem Beschwerdeführer gelingt es nicht, eine Rechtswidrigkeit dieser Beurteilung aufzuzeigen.

Die Darlegungen der Beschwerde, die Mansardenwohnung könne nur durch die Wohnung im ersten Stock betreten werden, weshalb eine Vermietung an Fremde unzumutbar sei, sind nicht geeignet, die Auffassung der belangten Behörde zu entkräften, dass die Verträge unter Fremden so nicht abgeschlossen worden wären; vielmehr bestätigen sie diese Auffassung.

Dies gilt auch für die Darlegungen der Beschwerde, der bauliche Zustand der Wohnungen sei so schlecht, dass eine Vermietung an Fremde nicht möglich sei. Die Beschwerde zeigt somit keine Rechtswidrigkeit der Auffassung der belangten Behörde auf, wonach die in Rede stehenden Mietverträge unter Familienfremden nicht unter gleichen Bedigungen abgeschlossen worden wären. Schon aus diesem Grund hat die belangte Behörde - mangels steuerlich anzuerkennender Einnahmen aus Vermietung - der Vermietung die Anerkennung als Einkunftsquelle versagt.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997150003.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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