TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/11 VGW-102/013/4447/2018, VGW-102/013/4448/2018

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Veröffentlicht am 11.10.2018
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Entscheidungsdatum

11.10.2018

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art. 130 Abs1 Z2
SPG §35
SPG §88
SPG §89
SPG RichtlinienV §6 Abs1
SPG RichtlinienV §9

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Helm über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwälte,

A) gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die mittels Festhalten und Anhaltung über etwa 50 Sekunden erzwungene Identitätsfeststellung,

B) gemäß § 89 SPG wegen Nichtmitteilung der Rechte als Betroffener einer Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt (§ 6 Abs. 1 RLV) und unterlassener Bekanntgabe der Dienstnummer (§ 9 RLV),

jeweils am 21.2.2018 in Wien gegen die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 4.10.2018, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden (gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und gemäß § 89 SPG) werden als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Rechtsträger der belangten Behörde (und EUR 368,80 für Schriftsatzaufwand, EUR 57,40 für Vorlageaufwand und EUR 461,00 für Verhandlungsaufwand, insgesamt sohin EUR 887,20 an Aufwandersatz binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu leisten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

1. Mit Schriftsatz vom 4.4.2018, per E-Mail übermittelt am selben Tag und sohin rechtzeitig, erhob der Einschreiter durch seine Rechtsfreunde Beschwerden gemäß Art .130 Abs. 1 Z 2 B-VG und § 88 SPG sowie gemäß § 89 SPG, in denen er zum Sachverhalt vorbringt:

„Zwischen dem Beschwerdeführer und der MA 48 wurde vereinbart, dass der Beschwerdeführer an Tagen, an denen die Mitarbeiter der MA 48 mit dem Fahrzeug vorfahren, um den Mist. mitzunehmen, die Mistkübel vom Beschwerdeführer auf den Gehsteig geschoben werden, können und sollen, da die Mitarbeiter der MA 48 über keinen Schlüssel für den Innenhof der Liegenschaft ..., Wien verfügen, welche diese im Eigentum des Beschwerdeführers steht.

Am 21.2.2018 stellte der Beschwerdeführer, so wie er es seit Jahren macht, die Mistkübel auf den Gehsteig. In weiterer Folge begann er seine Finnenfahrzeuge von Schnee zu säubern. Ein Polizeibeamter ging um kurz vor 10:00 Uhr am Beschwerdeführer vorbei und forderte ihn in einem völlig unpassenden und aggressiven Tonfall auf, die Mistkübel vom Gehsteig wegzubewegen. Der Beschwerdeführer entgegnete dem Polizeibeamten, dass ihm die Magistratsabteilung 48 dies gestattet hat, was durch Nachfrage bei der zuständigen Magistratsabteilung leicht verifizierbar ist.

Daraufhin forderte der Polizeibeamte den Beschwerdeführer auf, sich auszuweisen. Der Beschwerdeführer verlangte eine Begründung für das Verlangen, welches vom Polizeibeamten nicht gegeben werden konnte.

Der Beschwerdeführer setzte das Abkehren des Fahrzeuges fort, während der Polizeibeamte zwei weitere Polizeibeamte zur Verstärkung rief, welche in Folge eintrafen. Alle drei Polizei beamten zogen ihre Handschuhe an und umstellten den Beschwerdeführer. In weiterer Folge stellten sich die Polizebeamten dem Beschwerdeführer in den Weg, sodass er nicht an ihnen vorbeikonnte.

Währenddessen wies der Beschwerdeführer seine Mitarbeiterin an, welche sich im Geschäftslokal befand, seinen Ausweis zu holen und schob mit einem unbeteiligten Zeugen die Mistkübel in den Innenhof.

Die drei Polizeibeamten gingen dem Beschwerdeführer in den Durchgang nach. Der unbeteiligte Zeuge schob den Mistcontainer vollständig in den Innenhof, während die drei Polizisten den Beschwerdeführer umstellten. Anschließend wurde er mit Gewalt an die Seitenmauer des Durchgangs durch einen der Polizeibeamten gestoßen und von diesem und einem zweiten festgehalten. Zudem wurde ihm der Arm auf dem Rücken verdreht und er auf diese Weise festgehalten.

In der Zwischenzeit kam die Mitarbeiterin des Beschwerdeführers und brachte den Ausweis des Beschwerdeführers. Als sie das Vorgehen der Polizeibeamten sah, war sie entsetzt. Einer der Polizeibeamten schickte sie umgehend weg.

Da das Verhalten der Polizeibeamten nicht unbemerkt blieb, wurde einer der Polizeibeamten von den nun hinzukommenden Personen über die Notwendigkeit dieses Einschreitens befragt.

Der Polizeibeamte konnte keinerlei Begründung für das aggressive Verhalten der Polizeibeamten abgeben und forderte die Personen auf wegzugehen.

Erst nach einer geraumen Zeit ließen die Polizeibeamten vom Beschwerdeführer ab und wurden von diesem in Kenntnis gesetzt, dass ihr Verhalten aufgenommen wurde.

In rechtlicher Hinsicht bezieht sich der Beschwerdeführer lediglich auf sicherheitspolizeiliche Maßnahmen und bringt vor, keine einzige der in § 35 SPG aufgezählten Gründe für eine Identitätsfeststellung sei vorgelegen. Auf die Rechtmäßigkeit allfälliger weiterer Gründe wird nicht eingegangen.

Zu den behaupteten Richtlinienverletzungen wird lediglich ausgeführt, die einschreitenden Beamten hätten zu keinem Zeitpunkt irgendeine Form der Belehrung im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 1 Richtlinienverordnung getätigt und es sei seitens der einschreitenden Beamten unterlassen worden, die Dienstnummer bekannt zu geben. Weiters wird ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz moniert, welcher allerdings ebenfalls nur auf das SPG gestützt wird.

Seinen Entscheidungsantrag gemäß § 89 Abs. 4 SPG nach Erhalt der Sachverhaltsmitteilung der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer irrtümlich nicht an das Gericht, sondern lediglich an die Behörde gesendet, welche den Antrag nicht weitergeleitet hat. Daher gelangte der Entscheidungsantrag dem Verwaltungsgericht Wien erst nach Eröffnung der Verhandlung über die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG zur Kenntnis. Mit Zustimmung beider Parteien wurde die Verhandlung (Punkt 3) auch auf die Richtlinienbeschwerde ausgedehnt.

Der Beschwerdeführer beantragt, die Maßnahme bzw. die Richtlinienverletzung kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.

2. Mit Schriftsatz vom 23.5.2018 legte die belangte Behörde den von dem Polizeikommissariat ... geführten Verwaltungsstrafakt GZ: ...VStV, im Original vor und wies darauf hin, dass das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren noch nicht abgeschlossen sei.

2.1. Unter einem erstattete sie zu GZ: ... eine Gegenschrift, worin sie zum Sachverhalt auf die im vorgelegten Akt enthaltene Anzeige des SPK ... verweist und hervorhebt, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Behauptung, die einschreitenden Beamten wären aggressiv und schikanös gegen ihn vorgegangen, in keiner Weise den Tatsachen entspreche. Den Beamten sei zur Durchsetzung ihrer Befugnisse vielmehr gar keine andere Wahl geblieben, als Körperkraft anzuwenden, und zwar maßhaltend und unter Berücksichtigung des Gebotes der Verhältnismäßigkeit. Es sei situationsbezogen jeweils nur das gelindeste Mittel angewandt worden. Der Beschwerdeführer sei sowohl über den Grund der Amtshandlung als auch über die Folgen bei Nichtbeachtung der Anweisungen der einschreitenden Beamten mehrfach mündlich in Kenntnis gesetzt worden, was auch in der Anzeige dokumentiert sei.

In rechtlicher Hinsicht habe der Beschwerdeführer mehrere Tatbestände von Verwaltungsübertretungen verwirklicht, darunter jenen des § 102 Abs. 4 KFG, indem er bei laufenden Motor im Stand die Windschutzscheibe enteist habe, ferner durch lautstarkes Schimpfen und wildes Gestikulieren auch die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 WLSG sowie den Tatbestand des aggressiven Verhaltens gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht (§ 82 Abs. 1 SPG). Er habe danach versucht, sich von der Örtlichkeit der Amtshandlung zu entfernen, und sei daher festgehalten worden. Nach dem Losreißen des Beschwerdeführers sei den einschreitenden Beamten nichts anderes übrig geblieben, als ihre Befugnisse mittels Einsatz von Körperkraft durchzusetzen. Über die Gründe des Einschreitens sei der Beschwerdeführer mehrmals im Zuge der Amtshandlung informiert und belehrt worden, hingegen habe er seinerseits nie die Bekanntgabe der Dienstnummer verlangt. Diese sei jedoch nur auf Verlangen bekanntzugeben.

2.2. Mit Schriftsatz vom 29.6.2018 erstattete der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsfreund dazu eine Stellungnahme, worin er auf das mitübersandte Videomaterial verweist, welches beweise, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt wild gestikuliert habe noch sich jemals geweigert habe, sich auszuweisen. Zum Sachverhalt wird ergänzend vorgebracht:

„Der Beschwerdeführer wurde von einem der einschreitenden Beamten äußerst aggressiv und unhöflich aufgefordert, die bei einem Nachbarhaus, welches saniert wurde, stehenden großen BIGPACK Säcke wegzuräumen und den Mistkübel vom Gehsteig wegzustellen. Wie die Beamten auf die Idee kamen, dass die Säcke dem Beschwerdeführer zuzuschreiben wären, ist nicht nachvollziehbar.“

Hinsichtlich der weiteren Vorgänge werde auf die bisherigen Ausführungen verwiesen. Was das Warmlaufenlassen des Motors betreffe, so habe der Beschwerdeführer diesen umgehend abgestellt. Den Beamten sei vom Beschwerdeführer selber mitgeteilt worden, dass seine Mitarbeiterin den Ausweis hole, was die Beamten aus welchen Gründen auch immer ignoriert haben. Die Beamten hätten erst dann vom Beschwerdeführer abgelassen, als die Mitarbeiterin den Ausweis gefunden und den Beamten gebracht habe, obwohl sie bereits vorher in Aussicht gestellt habe, den Ausweis gleich zu bringen. Zum Beweis wird die Zeugin C. D. beantragt.

2.3. Zur Richtlinienbeschwerde erging eine Stellungnahme der belangten Behörde offenbar fristgerecht, jedoch gelangte diese dem Verwaltungsgericht Wien – ebenso wie der Entscheidungsantrag – erst durch persönliche Übergabe seitens des Beschwerdeführers in der Verhandlung zur Kenntnis (vgl. Punkt 1, vorletzter Absatz).

3. Am 4.10.2018 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, zu der der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsfreund Mag. E., die Zeugen Asp. F., Insp. G.,
RvI H. und die Zeugin C. D. ladungsgemäß erschienen sind. Die belangte Behörde war durch Frau Mag. I. vertreten. Ursprünglich nur zur Verhandlung der Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ausgeschrieben, wurde die Verhandlung mit Zustimmung der Parteien auf die Beschwerde gemäß § 89 SPG ausgeweitet. Nach Abschluss des Beweisverfahrens wurde das Erkenntnis verkündet.

3.1. Aufgrund der Einvernahme der genannten Zeugen, der Parteienvernehmung und aufgrund des Verwaltungsaktes, der Einsicht in die vorgelegten Unterlagen und die Videos zweier Überwachungskameras, hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

Am 21.2.2018 wurden die drei erstgenannten Zeugen – zwei Exekutivbeamte und ein Auszubildender - wegen mehrerer auf dem Parkstreifen der ... Straße abgestellter Baustoffsäcke dorthin beordert und stellten fest, dass dieses Material der Behebung eines plötzlich aufgetretenen Kanalgebrechens diente. Da Insp. G. schon bei der Anfahrt in unmittelbarer Nähe des Einsatzortes einen ebenfalls auf dem Parkstreifen abgestellten großen Müllcontainer vor dem X.-betrieb des Beschwerdeführers wahrgenommen hatte, begab er sich nach Abschluss der genannten Amtshandlung zu diesem Betrieb. Noch vor dem Eintreten fiel ihm aber auf, dass der Beschwerdeführer unmittelbar davor an einem Kraftfahrzeug des betreffenden Betriebes – welcher dem Beamten bis dato unbekannt war - bei laufendem Motor die Windschutzscheibe mit einem Spray enteiste. Da er davon ausging, dass der Bf. im X.-betrieb beschäftigt sei, fragte er ihn, ob der auf dem Parkstreifen abgestellte Müllcontainer ebenfalls zum X.-betrieb gehöre. Dieser Container war nicht im unmittelbaren Bereich der Hofeinfahrt bzw. davor, sondern aus Fahrbahnsicht links von dieser abgestellt. Der Beschwerdeführer reagierte auf diese Frage sehr aufgebracht und teilte dem Beamten mit zunehmender Heftigkeit und Lautstärke mit, dass ihn das nichts angehe, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, dies sei bloß eine Sache zwischen ihm und der Hausverwaltung und er solle sich schleichen. Der Beamte reagierte auf das Anschreien durch den Beschwerdeführer und dessen gleichzeitig an den Tag gelegtes Gestikulieren mit einer Abmahnung und nahm dann sein Funkgerät, um mit den zwischenzeitlich beim oder im Fahrzeug befindlichen Kollegen Kontakt aufzunehmen. Diese waren aber bereits durch das lautstarke Verhalten des Beschwerdeführers aufmerksam geworden, RvI H. sogar, obwohl er bereits in den Streifenwagen eingestiegen war, und kamen näher. RvI G. ging daraufhin wieder zum Beschwerdeführer, welcher sich neuerlich bei seinem Fahrzeug befand. Als der Beschwerdeführer seinerseits auf ihn zuging, zog der Beamte sich die Einsatzhandschuhe an, und die hinzukommenden Kollegen folgten seinem Beispiel. RvI G. sprach den Beschwerdeführer nun neuerlich auf sein lautstarkes und aggressives Verhalten an, wodurch er den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung gesetzt habe. Er soll sich daher ausweisen. Der Beschwerdeführer lehnte das ab, wobei er weiterhin ein aggressives Gehabe an den Tag legte, insbesondere mit seinem Enteisungsspray vor dem Gesicht des Beamten herumfuchtelte. Er versuchte daraufhin zur Fahrerseite seines Kraftfahrzeuges zu gelangen, wurde aber von RvI H. daran gehindert.

Die Beamten forderten ihn nun nachdrücklich auf, seine Identität nachzuweisen und drohten ihm andernfalls die Festnahme an. Ferner forderten sie ihn auf, den entgegen der Straßenverkehrsordnung im Parkstreifen abgestellten Müllcontainer zu entfernen. Währenddessen kam ein benachbarter Unternehmer einer Y.-firma hinzu und ging direkt auf den Beschwerdeführer zu, um beruhigend auf ihn einzureden. Da er von den Beamten gehört hatte, dass die Amtshandlung beendet werde, wenn der Beschwerdeführer den Müllcontainer wegstelle und sich ausweise, versuchte er den Beschwerdeführer dazu zu bewegen. Als ihm dies nicht gelang, ging der Nachbar selbst zum Müllcontainer und begann ihn in die Hofeinfahrt der X. zu ziehen. Kurz bevor der Müllcontainer darin verschwand, ging der Beschwerdeführer ebenfalls zur Einfahrt und schob den Container an, ungeachtet der von den Beamten erneuerten Forderung, sich auszuweisen. Zuvor hatte er noch seinen Enteisungsspray im Fahrzeug verstaut. Die Beamten gingen dem Beschwerdeführer nach und hinderten ihn, den bereits weit in der Einfahrt befindlichen Container noch weiter in den Hof zu schieben, indem RvI H. seinen rechten Arm ergriff und ihn aufforderte, sich endlich auszuweisen. Der Beschwerdeführer riss sich los und schob wieder an dem Container, wurde aber von Insp. G. vom Container gedrängt.

Der Beschwerdeführer suchte nun zwischen den drei ihn umstehenden Beamten, die seinen Ausweis verlangten, durchzukommen, und zwar zunächst aus seiner Sicht nach rechts (wo sich in der Einfahrt ein Eingang zum Büro seines Betriebes befand), und als ihm dies verwehrt wurde, nach links. Dabei äußerte er jedoch keinerlei Absichten, etwa dass er einen Ausweis holen wolle, sondern erweckte auf die Beamten vielmehr den nachvollziehbaren Eindruck, er wolle sich der Identitätskontrolle entziehen. Daraufhin ergriffen ihn die Beamten H. und G. und drückten ihn mit Armwinkelsperre gegen die Wand. Der mitgekommene Nachbar vom Y.-betrieb redete dabei weiter auf den Beschwerdeführer ein, dieser möge doch vernünftig sein und sich ausweisen.

Währenddessen kam eine Angestellte des Beschwerdeführers, vermutlich die Zeugin D., aus dem Büro und stellte in Aussicht, einen Ausweis des Beschwerdeführers zu holen, nachdem sie erfahren hatte, dass es darum gehe. Unmittelbar danach beruhigte sich auch der Beschwerdeführer und wurde von den Beamten losgelassen. Er verhielt sich auch weiterhin ruhig, als seine Mitarbeiterin mit einer Passkopie kam und von den Beamten ersucht wurde, den Originalausweis zu holen. Nach Beibringung des Reisepasses nahmen die Beamten die Daten des Beschwerdeführers auf und verließen den Ort. Erst zu diesem Zeitpunkt teilte der Beschwerdeführer den Beamten mit, dass er Überwachungsvideos über den Vorgang besitze und sie klagen werde. Er verlangte aber keine Dienstnummer eines Beamten. Auch ein sonstiges Verlangen des Beschwerdeführers, etwa über seine Rechte als Betroffener einer Zwangsmaßnahme informiert zu werden, kann nicht festgestellt werden.

3.2. Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweisergebnisse:

Zu den letztgenannten Punkten ist festzuhalten, dass ein konkretes Verlangen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 1 RLV – nur auf die Z 1 dieser Bestimmung, welche zitiert wird, bezieht sich die Beschwerde – nicht einmal in der Beschwerde ausdrücklich behauptet wird. Auch der Beschwerdeführer hat nichts dergleichen bei seiner Einvernahme ausgesagt. Hingegen behauptet er, eine Dienstnummer verlangt zu haben. Demgegenüber erscheint aber die Verantwortung der Zeugen schlüssiger, wonach sie in einem solchen Fall keinen Grund gehabt hätten, die Dienstnummer zu verweigern, da aufgrund der vorzunehmenden Anzeigen ohnehin jeder Teilnehmer an der Amtshandlung leicht eruierbar gewesen wäre. Außerdem konnte einer der Zeugen darlegen, dass selbst in vielen Fällen, in denen den Beamten nach einer Amtshandlung – meist folgenlos - eine Beschwerde angedroht werde, nicht unbedingt gleichzeitig auch eine Dienstnummer verlangt werde.

Bei seiner Parteienvernehmung hat der Beschwerdeführer im persönlichen Eindruck seine Glaubwürdigkeit schon dadurch beschädigt, dass er von ständigen Schikanen der Polizei gegen seinen Betrieb und ihn persönlich, sowie von Geschäftsstörung gesprochen hat, auf Aufforderung jedoch nur ein Beispiel nennen konnte, in dem sich Polizeibeamte in seinem Geschäft aufgehalten haben, wobei die Amtshandlung nicht einmal gegen seine Person oder einen seiner Mitarbeiter gerichtet war. Er hat auch in keiner Weise der Behauptung der Polizeibeamten widersprochen, wonach die konkret einschreitenden Beamten weder seinen Betrieb noch ihn kannten und in keine Amtshandlung mit ihm oder in seinem Betrieb vorher involviert gewesen seien. Die von den Beamten als Zeugen einhellig angegebenen Beschimpfungen durch den Beschwerdeführer, als Rassisten, sowie die Vorwürfe, sie wollten den Staatssäckel auf Kosten von Ausländern sanieren, lassen in erster Linie auf eine besondere persönliche Empfindlichkeit oder Aggression des Beschwerdeführers gegen staatliche Organe schließen, zumal man dem Beschwerdeführer seine ausländische (nach eigenem Bekunden ...) Herkunft keineswegs von vornherein ansieht. Das Beschwerdevorbringen in der Stellungnahme des Beschwerdeführers, wonach er vom Beamten G. auch auf die Baustoffsäcke angesprochen worden wäre, steht überhaupt im Gegensatz zu allen Beweisergebnissen, wonach diese Amtshandlung ein nahe gelegenes Haus betraf und schon längst abgeschlossen war, sowie auch zur Aussage des Beschwerdeführers selbst, in der er diese Angabe nicht mehr wiederholte. Der in der genannten Stellungnahme angeführte unhöfliche Ton des Beamten G. bei der Frage nach den Müllcontainer lässt sich mit den Video nur schwer vereinbaren, mit dem persönlichen Eindruck vom Zeugen G. hingegen gar nicht. Gerade dieser Zeuge hat in äußerst ruhigem und sachlichem Ton über die Amtshandlung Auskunft gegeben und glaubwürdig dargelegt, dass er nicht das geringste Interesse haben konnte, diese Amtshandlung eskalieren zu lassen, sondern im Gegenteil sofort auf Aggressionen seitens des Beschwerdeführers gestoßen sei und darauf habe reagieren müssen.

Eine zentrale Rolle im Beweisverfahren bilden naturgemäß die beiden Videoaufnahmen der Überwachungskameras, welche bei jeder Einvernahme zum Teil mehrfach vorgeführt wurden. Da die Videos keine Tonaufnahmen enthalten, ließe sich grundsätzlich jede der beiden grundlegenden Tatversionen mit den Videos vereinbaren. Aus den schon angegebenen Gründen wirkten jedoch der Meldungsleger und die ebenfalls sachlich auftretenden anderen beiden Beamten wesentlich glaubwürdiger als der Beschwerdeführer. Mag die Gestik des Beschwerdeführers auf dem vorgeführten Überwachungsvideo allein noch nicht besonders bedrohlich wirken und möglicherweise nur als Grenzfall des aggressiven Verhaltens erscheinen, so war dieses schon als wesentlich bedrohlicher und aggressiver zu qualifizieren, wenn der Beschwerdeführer dabei – wovon ausgegangen wird – den Beamten angeschrien und ihn aufgefordert hat, sich zu schleichen. Unter dieser Prämisse ist auch die Reaktion der Beamten nachvollziehbar, den Beschwerdeführer - der die Ausweisleistung offen verweigerte – sich nicht noch weiter in den Hinterhof entfernen zu lassen, sondern ab dem Zeitpunkt, als der Container klar von der Straße entfernt worden war, auf der Ausweisleistung zu beharren und den sich sträubenden Beschwerdeführer kurzzeitig festzunehmen.

3.3. In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:

Der Beschwerdeführer hat durch sein Verhalten mehrere Verwaltungsübertretungen verwirklicht und wurde von Insp. G. jedenfalls auf die Lärmerregung und das aggressive Verhalten hingewiesen und deswegen abgemahnt. Er hat das Verhalten trotz Abmahnung fortgesetzt, wurde über die Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt und zur Ausweisleistung aufgefordert. Dies hat er offen verweigert und in der Folge trotz mehrfacher Aufforderung ignoriert. Der hinzu gekommene Nachbar, der ihn offensichtlich kannte, hat den Beschwerdeführer gleich zu Anfang zu überzeugen versucht, seinen Ausweis herzuzeigen. Die Beamten hatten keinen Anlass anzunehmen, dass der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Ausweises sein könnte. Zudem gaben sich damit zufrieden, dass zuerst der Missstand des Müllcontainers im Parkstreifen behoben wurde, und beharrten nachher nachdrücklich auf der Identitätsfeststellung. In dieser Phase versuchte der Nachbar, nachdem der sich weigernde Beschwerdeführer festgehalten worden war, den Beschwerdeführer nochmals nachdrücklich zu überzeugen, seinen Ausweis zu zeigen. Die Beamten hatten keinen Grund davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über keinen Ausweis verfüge oder ihn nicht leicht beischaffen könne, sodass es jedenfalls in der kurzen Phase, in der der Beschwerdeführer am Weggehen gehindert worden ist, nicht nahelag, den Nachbarn als Identitätszeugen heranzuziehen, welcher dann unter Umständen seinerseits einen Ausweis hätte beischaffen müssen. Darüber hinaus hat sich die Situation insofern sehr rasch geklärt, als die Mitarbeiterin des Beschwerdeführers während des sehr kurzfristigen Festhaltens die Beibringung eines Ausweises in Aussicht gestellt hat und daher keine Notwendigkeit mehr bestand, die Identität auf andere Weise zu klären. Um dies zu erreichen, bedurfte es nur eines Festhaltens des Beschwerdeführers, welcher sich ohne Ausweisleistung entfernen wollte, in der Dauer von 50 Sekunden, sodass der Eingriff in seine Rechte nicht außer Verhältnis zu dem erzielten Zweck stand.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013. Da gemeinsam verhandelt wurde, war nur ein Verhandlungsaufwand zuzusprechen. Die belangte Behörde hätte zwar nach Stellung eines Entscheidungsantrages die Gelegenheit erhalten, einen weiteren Akt zur Richtlinienbeschwerde vorzulegen und eine weitere Gegenäußerung zu erstatten, was sie zum Ansprechen eines weiteren Schriftsatzes- und eine weiteren Vorlageaufwandes berechtigt hätte. Durch die falsche Adressierung des Entscheidungsantrages und die Nichtweiterleitung wurde der Entscheidungsantrag jedoch erst in der Verhandlung bekannt, sodass es bei einer Aktenvorlage und einem Schriftsatz geblieben ist; es konnte daher nicht mehr als ein Schriftsatz – und ein Vorlageaufwand zugesprochen werden. Festzuhalten ist, dass die Einbeziehung der Richtlinienbeschwerde in die nur für Zwecke der Maßnahmenbeschwerde ausgeschriebene Verhandlung mit Einverständnis beider Parteien erfolgt ist.

5. Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes; Aufgabe; Befugnis; Verwaltungsübertretung; Festhalten; Anhaltung; Identitätsfeststellung; Ausweisleistung; Richtlinienbeschwerde; Dienstnummer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.102.013.4447.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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