TE Vwgh Erkenntnis 2018/10/30 Ra 2018/16/0145

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Veröffentlicht am 30.10.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
GSpG 1989 §52;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §56a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger sowie Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der N GmbH, vertreten durch Dr. Günter Schmid und Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 3. Juli 2018, VGW-103/048/6896/2018- 3, betreffend Aussetzung eines Verfahrens i.A. Betriebsschließung nach § 56a GSpG nach § 38 AVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 18. April 2018 hatte die Landespolizeidirektion Wien gegenüber der Revisionswerberin die Betriebsschließung eines näher bezeichneten Lokals mit Wirkung ab 16. April 2018 gemäß § 56a GSpG verfügt. Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Verwaltungsgericht Wien das bei ihm anhängige Verfahren betreffend die Betriebsschließung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren betreffend die finanzpolizeiliche Kontrolle am 16. April 2018 aus und sprach aus, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, anlässlich der Kontrolle in einem näher bezeichneten Lokal am 16. April 2018 sei ein Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren eingeleitet worden. Da über diese Beschlagnahme und Einziehung noch nicht rechtskräftig abgesprochen worden sei, sei das Verfahren betreffend die Betriebsschließung bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieser Vorfrage auszusetzen.

2 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet hat. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3 Die Revision erweist sich in Hinblick auf das Vorbringen, dass es sich bei der Frage der Zulässigkeit der Beschlagnahme und Einziehung nicht um eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG für das anhängige Betriebsschließungsverfahren handle, als zulässig und berechtigt.

4 Ein gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG ergangener Aussetzungsbeschluss ist keine verfahrensleitende Entscheidung im Sinn des § 25a Abs. 3 VwGG. Er unterliegt daher auch nicht dem Revisionsausschluss nach dem ersten Satz dieser Bestimmung (VwGH 29.8.2018, Ro 2017/17/0022, mwN).

5 Dass eine gleichartige, ähnliche Rechtsfrage in einem anderen Verfahren zu klären ist, bedeutet noch nicht, dass eine Vorfrage iSd § 38 AVG und damit ein Fall der Aussetzung des Verfahrens nach dieser Bestimmung gegeben ist. Vielmehr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren, zu entscheiden ist (VwGH 29.8.2018, Ro 2017/17/0022).

6 Wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird, handelt es sich bei Beschlagnahmen und Betriebsschließungen um Maßnahmen, die von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen und unabhängig voneinander zu verfügen sind. Bescheide über im Zuge einer Betriebsschließung allenfalls erfolgte Beschlagnahmen entfalten keine Bindungswirkung für die Frage der Zulässigkeit einer Betriebsschließung. Sowohl die Behörden als auch die Verwaltungsgerichte haben das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen für die Beschlagnahme einerseits und die Betriebsschließung andererseits selbständig zu prüfen. Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Verfügung einer Betriebsschließung vorliegen, kommt es nicht darauf an, ob im Hinblick auf den zu schließenden Betrieb bereits Beschlagnahme- oder Strafbescheide erlassen worden sind (VwGH 26.9.2018, Ra 2018/17/0092).

7 Mangels Vorliegen einer Vorfrage iSd § 38 AVG iVm § 17 VwGVG war die angefochtene Aussetzung rechtswidrig, weshalb der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben ist.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. Oktober 2018

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160145.L00

Im RIS seit

26.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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