TE OGH 2018/9/25 4Ob145/18d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofräte Dr. Schwarzenbacher (Vorsitzender), Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi, MMag. Matzka und Dr. Parzmayr in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, W*****, vertreten durch Hauswirth - Kleiber Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) DI K***** B*****, 2) DI C***** M*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, 3) B***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Thomas Stenitzer und Mag. Kurt Schick, Rechtsanwälte in Laa an der Thaya, und 4) DI (FH) G***** N*****, vertreten durch Mag. Bernhard Österreicher, Rechtsanwalt in Pfaffstätten, wegen 127.614,09 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 5.200 EUR), über die außerordentliche Revision der erst- und zweitbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. April 2018, GZ 1 R 179/17a-29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin beauftragte eine Generalunternehmerin mit der Errichtung eines Bürogebäudes in Wien. Im Jahr 2007 wurde das Gebäude an die Klägerin übergeben; im Jahr 2011 kam es bei Niederschlägen zu Wassereintritten in den Obergeschossen, die vermietet waren. Die Klägerin strengte zunächst ein Beweissicherungsverfahren an. Am 9. 1. 2013 brachte sie im Vorverfahren gegen die Generalunternehmerin eine Leistungs- und Feststellungsklage ein; dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. In diesem Vorverfahren geht die Klägerin von einem Ausführungsmangel der Generalunternehmerin aus.

Nachdem mehrere Sachverständigengutachten keine Klarheit zur Schadensursache brachten, kam der Sachverständige DI G***** H***** nach Besichtigungen zwischen Dezember 2014 und September 2015 zum Ergebnis, dass die falsche Dach-/Fassadenkonstruktion die Ursache für die Wassereintritte sei. Vor dem 7. 1. 2013 hatte die Klägerin von allfälligen Planungsfehlern keine Kenntnis.

Im hier vorliegenden Verfahren erhob die Klägerin gegen die vier Beklagten als ihre Vertragspartner ein (einheitliches) Zahlungsbegehren (Mietzinsentgänge, Sanierungskosten, Aufwendungen) sowie ein Feststellungsbegehren wegen künftiger Schäden (Kosten und Schäden wegen der undichten Fassade). Die Klägerin erblickt die Schadensursache nunmehr in der ungeeigneten gekrümmten Fassade, die ein „hinterlüftendes Dach“ erfordert hätte, und in der Verwendung einer dafür ungeeigneten Folie. Die von ihr beauftragten Beklagten (die Erst- und Zweitbeklagten als Architekten, der Drittbeklagte als örtliches Bauaufsichtsorgan und der Viertbeklagte als Bauphysiker) hätten jeweils für sich Handlungen gesetzt, ohne die der Mangel nicht eingetreten wäre. Da sich ihre Anteile am verursachten Schaden nicht bestimmen ließen, hafteten alle Beklagten solidarisch für den gesamten Schaden. Als Pflichtverletzungen wirft die Klägerin den Erst- und Zweitbeklagten einen Planungsfehler vor, weil („in der bildlichen Darstellung“) kein „hinterlüftendes“ Dach eingezeichnet worden sei. Dem Drittbeklagten wird angelastet, dass kein „hinterlüftendes“ Dach ausgeführt („Planabweichung“) sowie dass eine untaugliche Folie verwendet worden sei. Der Viertbeklagte hätte auf die mangelnde Eignung der Materialien (Folie) hinweisen müssen. Zur Haftung des Drittbeklagten erfasst das Vorbringen der Klägerin zudem auch die Verletzung von Kontrollpflichten zur Herstellung eines dichten Gebäudes durch die Generalunternehmerin (Ausführungsfehler der Generalunternehmerin). Mit ihrer Klage macht die Klägerin gegen die von ihr beauftragten Beklagten vertragliche Schadenersatzansprüche (Mangelschäden und Mangelfolgeschäden) geltend.

Das Erstgericht fällte ein Zwischenurteil nach § 393a ZPO, mit dem es den Verjährungseinwand der Beklagten verwarf, soweit sich die Klägerin auf Planungsfehler (Erst- und Zweitbeklagte), auf „Planabweichung“ (fehlendes hinterlüftendes Dach; Drittbeklagter), auf die Untauglichkeit der verwendeten Folie (Drittbeklagter) und auf eine Warnpflichtverletzung im Zusammenhang mit den verwendeten Materialien (Folie; Viertbeklagter) stütze; gleichzeitig sprach es aus, dass Ansprüche der Klägerin gegen den Drittbeklagten aus der Nichtverhinderung von Ausführungsfehlern der Generalunternehmerin verjährt seien, soweit sie nicht auf die Planabweichung (fehlendes hinterlüftendes Dach) und die Untauglichkeit der verwendeten Materialien (Folie) gestützt würden. Dieser Entscheidung des Erstgerichts liegt die Beurteilung zugrunde, dass Ansprüche aus Planungsfehlern der Erst- und Zweitbeklagten sowie damit im Zusammenhang stehende Ansprüche (Drittbeklagter und Viertbeklagter) nicht verjährt seien.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Beklagten mit der Maßgabe nicht Folge, dass der Spruch des Zwischenurteils laute: „Die Klagsforderung und die vom Feststellungsbegehren erfassten allfälligen zukünftigen Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten sind nicht verjährt.“ Teil-Zwischenurteile dahin, dass der Verjährungseinwand hinsichtlich einzelner von mehreren Anspruchsgrundlagen [nicht] zutreffe, seien weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck des § 393a ZPO vorgesehen. Das Zwischenurteil könne daher nur insgesamt über den Nichteintritt der Verjährung der geltend gemachten Ansprüche (hier des gesamten Klagebegehrens), nicht aber über einzelne Anspruchsgrundlagen oder Pflichtverletzungen absprechen.

In der außerordentlichen Revision führen die Erst- und Zweitbeklagten aus, dass auch ein Teil-Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO zulässig sein müsse. Wenn das Erstgericht nur ein Teil-Zwischenurteil und daher nur über bestimmte Teile der Klagsforderung hinsichtlich der eingewendeten Verjährung abgesprochen habe, sei das Berufungsgericht nicht berechtigt, ein umfassendes Zwischenurteil über die Nichtverjährung der gesamten Klagsforderung zu erlassen.

Damit zeigen die Erst- und Zweitbeklagten keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Verständnis ist vorweg Folgendes klarzustellen:

Die Klägerin macht mit der hier vorliegenden Klage vertragliche Schadenersatzansprüche in Form von Mangelschäden und Mangelfolgeschäden aus unterschiedlichen Pflichtverletzungen der einzelnen Beklagten geltend. Der Grund für die beanspruchte solidarische Haftung der vier Beklagten liegt in der (unbestrittenen) Nichtbestimmbarkeit der auf die einzelnen Beklagten entfallenden Schadensanteile (§ 1302 ABGB).

Pkt 2 des Spruchs im Zwischenurteil des Erstgerichts war deutlich erkennbar als Klarstellung gedacht, die nur den Drittbeklagten betrifft; damit sollte ausgedrückt werden, dass Ansprüche aus der Verletzung von Kontrollpflichten zu Ausführungsfehlern der Generalunternehmerin nach Ansicht des Erstgerichts verjährt sind. Dazu ist das Berufungsgericht (unbeanstandet) davon ausgegangen, dass ein die Verjährung bejahendes Zwischenurteil nach § 393a ZPO unzulässig und der in Rede stehende Ausspruch des Erstgerichts daher zu entfallen hat.

Die Vorinstanzen haben die Frage der Verjährung (ebenfalls unbeanstandet) übereinstimmend beurteilt. Danach sind Ansprüche aus Planungsfehlern der Erst- und Zweitbeklagten sowie damit im Zusammenhang stehende Ansprüche (kein hinterlüftendes Dach: Drittbeklagter; Untauglichkeit der Folie und Hinweis darauf: Dritt- und Viertbeklagter) nicht verjährt. Gegen die Erst- und Zweitbeklagten sowie gegen den Viertbeklagten werden im vorliegenden Verfahren nur solche Ansprüche geltend gemacht; ihnen werden von der Klägerin nur darauf bezogene Pflichtverletzungen vorgeworfen. Allfällige weitergehende Pflichtverletzungen (Verletzung von Kontrollpflichten zu Ausführungsfehlern der Generalunternehmerin) betreffen nur den Drittbeklagten. Davon gehen auch die Erst- und Zweitbeklagten in der außerordentlichen Revision aus, indem sie ausdrücklich darauf verweisen, dass sie durch die Entscheidung des Erstgerichts deshalb „beschwert“ seien, weil sie mit dem Drittbeklagten solidarisch hafteten.

2.1 § 393a ZPO schafft die Möglichkeit, dass über den Einwand der Verjährung des geltend gemachten Anspruchs vorab mit einem – die Verjährung des Anspruchs verneinenden – Zwischenurteil entschieden wird. Die Entscheidung spricht verbindlich nur über den verneinten Verjährungseinwand ab, ohne dabei die – nur auf ihre Schlüssigkeit hin zu prüfenden – Anspruchsvoraussetzungen zu beurteilen. Gegenstand des Zwischenurteils ist demnach der Einwand bzw die Frage der Verjährung des mit der Klage prozessual geltend gemachten Anspruchs oder eines von mehreren Ansprüchen (vgl RV 981 BlgNR 24. GP 86). Der prozessuale Anspruch wird durch das Begehren und die diesem zugrundeliegenden rechtserzeugenden Tatsachen bestimmt (vgl 5 Ob 133/15t).

2.2 Im Anlassfall besteht die Besonderheit darin, dass die mehreren Beklagten als Solidarschuldner in Anspruch genommen werden und gegen sie ein einheitliches Begehren erhoben wird. Die Klägerin macht somit eine einheitliche Solidarhaftung der Beklagten geltend. Dies bedeutet, dass nach dem Begehren alle Beklagten zur ungeteilten Hand für den Klagsbetrag einzustehen haben und der interne Ausgleich im Regressweg zu erfolgen hat (§ 1302 iVm § 896 ABGB); vom Begehren werden nur solche Schäden erfasst, die sich auf die hier in Rede stehenden Planungsfehler („hinterlüftendes Dach und Folie“) beziehen. In diesem Fall ist das gesamte Klagebegehren nicht verjährt, wenn ein einziger Anspruch, aus dem das Klagebegehren (hier der geltend gemachte Schaden) abgeleitet wird, nicht verjährt ist und hinsichtlich jedes Solidarschuldners (irgend)ein nicht verjährter Schadensbeitrag (kausale Pflichtverletzung) behauptet wird.

3. Das Berufungsgericht ist erkennbar von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Beurteilung, dass diese Voraussetzungen hier gegeben seien, weil gegen alle Beklagte Ansprüche aus Planungsfehlern oder damit im Zusammenhang stehende Ansprüche geltend gemacht würden und diese Ansprüche nicht verjährt seien, ist nicht korrekturbedürftig.

4. Die Erst- und Zweitbeklagten bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichts auch nur insoweit, als sie aufgrund der (nicht bestrittenen) Solidarhaftung mit dem Drittbeklagten Nachteile für sich selbst befürchten. Konkret meinen sie, dass sie durch die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund der Solidarhaftung mit dem Drittbeklagten in größerem Maß belastet werden als durch die Entscheidung des Erstgerichts. Auch damit zeigen sie keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Durch die Entscheidung des Berufungsgerichts (im Vergleich zur Entscheidung des Erstgerichts) könnte sich im fortgesetzten Verfahren nur zur Haftung des Drittbeklagten eine unterschiedliche Beurteilung ergeben, weil ihn nach dem Vorbringen der Klägerin auch Pflichtverletzungen (Verletzung von Kontrollpflichten) zu Ausführungsfehlern der Generalunternehmerin treffen könnten. Allfällige zusätzliche Pflichtverletzungen des Drittbeklagten (neben jenen im Zusammenhang mit den behaupteten Planungsfehlern) können allerdings zu keiner erweiterten Haftung der Erst- und Zweitbeklagten, sondern nur zu einem allenfalls größeren Schadensanteil des Drittbeklagten im Innenverhältnis führen, was sich – im Regressweg – jedenfalls nicht zu Lasten der Erst- und Zweitbeklagten auswirkt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts führt damit zu keiner erweiterten (potentiellen) Haftung der Erst- und Zweitbeklagten. Der Klagsbetrag ist auch ihnen gegenüber nicht verjährt, und zwar unabhängig davon, ob dem Drittbeklagten weitere Pflichtverletzungen (konkret im Zusammenhang mit Ausführungsfehlern der Generalunternehmerin) anzulasten sind oder nicht; auf die Anzahl der vorgeworfenen Fehlleistungen kommt es nicht an. Angemerkt wird, dass Schäden aus solchen zusätzlichen Pflichtverletzungen des Drittbeklagten nicht vom Begehren erfasst und nicht Gegenstand der Entscheidung des Berufungsgerichts sind.

5. Den Ausführungen der Erst- und Zweitbeklagten in ihrer außerordentlichen Revision kommt nur theoretische Bedeutung zu. Es ist aber nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen, über solche Fragen abzusprechen (RIS-Justiz RS0002495). Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Textnummer

E123223

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00145.18D.0925.000

Im RIS seit

22.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten