TE Bvwg Beschluss 2018/8/29 G303 2006085-1

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Veröffentlicht am 29.08.2018
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Entscheidungsdatum

29.08.2018

Norm

ASVG §410
AVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17

Spruch

G303 2006085-1/7Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, vertreten durch die QUINTAX Gerlich-Fischer-Kopp SteuerberatungsgmbH, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 20.09.2013, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren wird gemäß § 17 Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 38 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes, Außenstelle Graz, im Verfahren zur Zahl RV/2100237/2013 ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 20.09.2013 sprach die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (im Folgenden: belangte Behörde) gemäß § 410 Abs. 1 Z 7 iVm §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 ASVG aus, dass die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) wegen der im Zuge der GPLA (Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) festgestellten Meldedifferenzen verpflichtet sei, die in der Beitragsabrechnung vom 05.12.2012 und im dazugehörigen Prüfbericht vom 06.12.2012 zur Dienstgeberkontonummer 8189645 angeführten allgemeinen Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen und für die näher bezeichneten Zeiten sowie Verzugszinsen im Betrage von insgesamt EUR 261.606,07 nachzuentrichten.

2. Gegen den gegenständlichen Bescheid wurde von der BF seitens ihrer steuerrechtlichen Vertretung mit Schreiben vom 26.09.2013 binnen offener Frist das Rechtsmittel des Einspruchs erhoben.

3. Aufgrund der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 01.01.2014 wurden der Einspruch (nunmehr Beschwerde) und die bezughabenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde mitsamt einer Stellungnahme vom 06.02.2014 vorgelegt und sind diese am 25.03.2014 beim erkennenden Gericht eingelangt.

4. Mit per Fax übermittelten Schreiben vom 13.11.2014 wurden seitens des erkennenden Gerichtes vom zuständigen Finanzamt XXXX die in der gegenständlichen Rechtssache ergangenen Bescheide betreffend die zu entrichtende Lohnsteuer für die Jahre 2010 und 2011 und eine Auskunft über den diesbezüglichen Verfahrensstand eingeholt.

5. Mit E-Mail vom 18.11.2014 übermittelte das Finanzamt XXXX die Haftungsbescheide zur Lohnsteuer für die Jahre 2010 und 2011 sowie die Mitteilung, dass gegen jene Rechtsmittel erhoben worden sei und dass das beim Bundesfinanzgericht, XXXX, unter der Geschäftszahl

XXXX anhängige Beschwerdeverfahren derzeit noch nicht abgeschlossen sei.

6. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses erfolgte am 24.04.2015 die Zuweisung der vorliegenden Rechtssache an die Gerichtsabteilung G303.

7. Anlässlich einer Anfrage an das Finanzamt XXXX wurde nach Durchsicht des Veranlagungsaktes mit Mitteilung vom 07.03.2017 bekannt gegeben, dass über die Beschwerde gegen die Haftungsbescheide zur Lohnsteuer der BF für die Jahre 2010 und 2011 noch keine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes, XXXX, ergangen sei.

8. Auf Anfrage beim Bundesfinanzgericht, XXXX, vom 15.12.2017, wurde von der zuständigen Referentin bekannt gegeben, dass zu der zur GZ XXXX anhängigen Beschwerdesache bislang keine Entscheidung ergangen sei.

9. Am 23.07.2018 teilte das zuständige Finanzamt XXXX auf Nachfrage des erkennenden Gerichtes mit, dass das Rechtsmittelverfahren betreffend die Haftungsbescheide der BF hinsichtlich der Lohnsteuer für die Jahre 2010 und 2011 beim Bundesfinanzgericht zur oben angeführten Geschäftszahl noch nicht abgeschlossen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen eine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Gegenständlich hat das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter zu entscheiden.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

2. Zu Spruchteil A.) Aussetzung des Verfahrens:

Wie sich aus § 17 und § 34 Abs. 2 Z 1 VwGVG schlüssig ergibt, kann das Bundesverwaltungsgericht ein Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage gemäß § 38 AVG aussetzen.

Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde gemäß § 38 AVG berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Nach § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG gelten sozialversicherungsrechtsrechtlich als Entgelt nicht: "Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlassten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen uä. Sowie Tages- und Nächtigungsgelder nach § 3 Abs. 1 Z 16b des Einkommensteuergesetzes 1988."

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren stellte die belangte Behörde im Bescheid vom 20.09.2013 fest, dass die von der BF als Dienstgeberin für die für sie tätigen LKW-Fahrer ausgezahlten Tages- und Nächtigungsgelder teilweise beitragsfrei ausbezahlt wurden, obwohl diese aufgrund der gefahrenen Kilometer noch am selben Tag an den Betriebsstandort zurückgekehrt seien. Darüber hinaus seien auch Diäten für Fahrten nach Deutschland ausgezahlt worden, obwohl die Fahrer diese Strecken nicht gefahren seien. Für die belangte Behörde habe sich daher nach Vornahme einer Schätzung ergeben, dass 22,04 % der von der BF in den Jahren 2010 und 2011 an ihre Dienstnehmer ausbezahlten Gesamtdiäten die Voraussetzungen des § 26 Z 4 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) nicht erfüllen würden. Daher seien die im verfahrensgegenständlichen Bescheid angeführten Beiträge sowie Verzugszinsen in der genannten Höhe, somit ein Betrag von insgesamt EUR 261.606,07, nachzuentrichten.

Soweit die Tatbestände des § 49 Abs. 3 ASVG die Beitragsfreiheit von der jeweiligen Begünstigung im EStG ausdrücklich abhängig machen, sind nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung der Beitragsfreiheit rechtskräftige Abgabenbescheide für das Beitragsverfahren bindend (Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 49 ASVG Rz 79 (Stand 01.09.2016, [rdb.at])). Der Verwaltungsgerichtshof führte zur Frage von strittigen Tagesgeldern folgendes aus:

"Die in § 49 Abs. 3 Z 1 erster Satz, zweiter Halbsatz ASVG genannten Entgeltbestandteile - darunter die im Beschwerdefall strittigen Tagesgelder für Mautaufsichtsorgane - sind nur unter der Voraussetzung vom Entgeltbegriff des ASVG ausgenommen und daher beitragsfrei, dass sie nach § 26 EStG 1988 nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Bei der Steuerfreiheit handelt es sich insoweit um eine Vorfrage für die Beitragspflicht; sobald eine rechtskräftige Entscheidung der Finanzbehörden vorliegt, ist sie auch für die Sozialversicherungsbehörden im Beitragsverfahren bindend (vgl. - bezogen auf alle Tatbestände im Katalog des § 49 Abs. 3 ASVG, zu deren Erfüllung die Steuerfreiheit der bezüglichen Dienstgeberleistungen erforderlich ist [...]" (VwGH 14.11.2012, Zl. 2010/08/0205 mit Verweis auf VwGH 25.05.1987, 86/08/0100).

Mit den Haftungsbescheiden vom 06.11.2012 für die zu entrichtende Lohnsteuer für die Jahre 2010 und 2011 erfolgte seitens der Finanzverwaltung eine Nachverrechnung der Tages- und Nächtigungsgelder, welche nicht die Voraussetzungen des § 26 Z 4 EStG erfüllen würden. Diese Haftungsbescheide wurden seitens der BF in Beschwerde gezogen. Diese Rechtssache ist nunmehr beim Bundesfinanzgericht, XXXX, unter der Geschäftszahl XXXX anhängig. Eine rechtskräftige Entscheidung ist bislang nicht ergangen.

Die Frage der Lohnsteuerpflicht der strittigen Tages- und Nächtigungsgelder ist als Vorfrage für das gegenständliche Verfahren im Sinne des § 38 AVG zu werten, und ist nunmehr Gegenstand eines anhängigen Verfahrens beim Bundesfinanzgericht. Im vorliegenden Verfahren ist es nicht möglich, ohne ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchzuführen, über die Lohnsteuerpflicht der strittigen Tages- und Nächtigungsgelder abzusprechen. Es war daher im Sinne der Effizienz und Verfahrensökonomie die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens bis zum Abschluss des im Spruch genannten Verfahrens zu beschließen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden war.

3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es wird diesbezüglich auch auf die oben angeführte Rechtsprechung des VwGH verwiesen.

Schlagworte

Aussetzung, Lohnsteuerpflicht, Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2006085.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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