TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 W264 2205175-1

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Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §10
VOG §2

Spruch

W264 2205175-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die Kindesmutter XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 13.7.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch die Kindesmutter als gesetzliche Vertreterin, begehrte mit Antrag vom 19.4.2018, bei dem Sozialministeriumservice Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde) eingelangt am 2.5.2018, eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach den Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes

(VOG).

Antragsbegründend wurde ausgeführt, dass an der minderjährigen Beschwerdeführerin im Zeitraum von September 2014 bis Dezember 2014 das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen begangen wurde.

1.2. Mit Erledigung vom 14.5.2018 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin im Wege der Kindesmutter zur Vorlage einer Anzeigenbestätigung und eines Staatsbürgerschaftsnachweises / Reisepasses bzw zur Bekanntgabe der Gerichtszahl vom Landesgericht XXXX auf. Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG ein und teilte ihr in diesem Schreiben mit, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe nach § 2 Z 10 VOG (Pauschalentschädigung für Schmerzengeld) gemäß § 10 Abs. 1 VOG nicht vorliegen, da Leistungen nach § 2 VOG nur erbracht werden dürfen, wenn der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung gestellt werde. Sie könne dazu innerhalb von zwei Wochen Stellung nehmen.

1.3. Der Täter (Kindesvater XXXX ) wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.11.2017, XXXX , des Verbrechens gemäß §§ 206 Abs 1 StGB (schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen), 201 Abs 1 StGB (Vergewaltigung),

212 Abs 1 Z 1 StGB (Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses) im Zeitraum September 2014 bis Mitte Dezember 2014 zum Nachteil der Beschwerdeführerin für schuldig erkannt.

1.4. XXXX wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 22.3.2018, XXXX , für schuldig erkannt, der BF als Privatbeteiligte EUR 5.000,-- zu bezahlen.

1.5. Im Schreiben vom 3.7.2018 argumentiert die BF, weshalb sie die Anzeige gegen den Täter erst im April 2016 erstattet habe, sie habe erst so spät über die Gewalttaten ihres Vaters sprechen können, da er sie bedroht und damit eingeschüchtert habe. Sie habe daher die Anzeige nicht früher erstatten können.

1.6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem VOG abgewiesen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass gemäß § 10 Abs 1 Leistungen nach § 2 leg.cit. nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs 1 VOG) gestellt werde. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 (Ersatz des Verdienst-, bzw. Unterhaltsentganges, Heilfürsorge, orthopädische Versorgung, Rehabilitationsmaßnahmen, Pflegezulage und einkommensabhängige Zusatzleistung) mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monats zu erbringen. Dies gilt nicht für die pauschale Entschädigung für Schmerzengeld. Da die Tathandlungen im Zeitraum von September 2014 bis Mitte Dezember 2014 stattgefunden haben, und die zweijährige Antragsfrist für die Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach § 10 Abs 1 VOG versäumt ist, wurde der Antrag der BF auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld abgewiesen.

1.7. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch die Kindesmutter, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führte sie aus, dass das Urteil für die pauschale Entschädigung erst mit 19.3.2018 rechtskräftig und vollstreckbar geworden sei und in der Frist von zwei Jahren sie dieses nicht hätte erreichen können.

1.8. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht den bezughabenden Akt zur Entscheidung vor und langte dieser am 7.9.2018 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch die Kindesmutter als gesetzliche Vertreterin, begehrte mit Antrag vom 19.4.2018, bei dem Sozialministeriumservice Landesstelle Wien eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach den Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes (VOG).

1.2. Im Zeitraum von September 2014 bis Mitte Dezember 2014 wurden ihr gegenüber vorsätzliche, mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte, strafbare Handlungen gesetzt.

Der Täter wurde wegen des Verbrechens gemäß §§ 206 Abs 1 StGB (schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen), 201 Abs 1 StGB (Vergewaltigung),

212 Abs 1 Z 1 StGB (Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses) rechtskräftig verurteilt und für schuldig erkannt, der BF als Privatbeteiligte EUR 5.000,-- zu bezahlen.

1.3. Der Antrag wurde nicht innerhalb der Zweijahresfrist rechtzeitig eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die unter II.1.1. getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Antrages auf eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem VOG ergeben sich aus dem unbedenklichen unbestritten Inhalt des vorgelegten Fremdaktes.

Die unter II.1.2. getroffenen Feststellungen zu den strafbaren Handlungen, zu dem Tatzeitraum sowie zu den diesbezüglichen Verurteilungen des Täters ergeben sich aus dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.11.2017, XXXX und dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 22.3.2018, XXXX sowie aus dem unbedenklichen Strafregister der Republik Österreich, in welches am 14.9.2018 Einsicht genommen wurde.

Die unter II.1.3. getroffene Feststellung gründet auf der unbedenklichen Aktenlage (Datum des unterfertigten Antrags, 19.4.2018, und Datum des Einlangens bei der belangten Behörde, 2.5.2018).

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen formellen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991).

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art 130 Abs 4 B-VG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 1 dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Aus Art 130 Abs 4, 2. Satz B-VG ergibt sich die Pflicht des Verwaltungsgerichts, in der Sache selbst zu entscheiden, unter anderem dann, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Die mit den Vorgaben des Art 130 Abs. 4 B-VG korrespondierende einfachgesetzliche Verfahrensbestimmung ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in § 28 VwGVG zu finden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Ad Spruchpunkt A) Entscheidung in der Sache:

Das Bundesgesetz Verbrechensopfergesetz (VOG) normiert in § 9d Abs. 1 VOG, dass das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört, entscheidet. Somit liegt gegenständlich Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 17 VwGVG normiert, dass - soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden sind, welche die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die maßgeblichen materiellen Rechtsgrundlagen sind jene des Verbrechensopfergesetz (VOG).

Gemäß § 1 VOG sind die im § 3 VOG vorgesehenen Hilfeleistungen zu erbringen, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung mit sich brachte (Abs. 1). Wenn die Handlung iSd Abs. 1 den Tod eines Menschen zur Folge hatte, dann ist den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, Hilfe zu leisten, wenn sie österreichische Staatsbürger sind und ihnen durch den Tod der Unterhalt entgangen ist

(Abs. 4). Hilfe ist ferner den nicht in den Abs. 1 und Abs. 6 genannten Personen zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1 nach dem 30.6.2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben.

§ 1 Abs. 3 VOG sieht vor, dass wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit, Hilfe nur zu leisten ist, wenn dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird.

Die nach dem VOG vorgesehenen Hilfeleistungen werden im § 2 ff leg.cit. normiert und sieht dessen Z 10 die Hilfeleistung in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld vor. Die nähere Ausgestaltung dieser Hilfeleistung wird im § 6a Abs 1 VOG normiert:

"Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert".

Beginn und Ende der Hilfeleistungen, Rückersatz und Ruhen anbelangend normiert § 10 Abs 1 VOG wie folgt: "Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf der Frist gestellt, so sind Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist".

Gemäß § 16 Abs 13 VOG ist § 6a leg.cit. samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 mit 1. April 2013 in Kraft getreten. § 6a leg.cit. in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, welche ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden. § 10 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist hinsichtlich § 2 Z 1, 7 und 9 auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden, und hinsichtlich § 2 Z 10 mit der Maßgabe anzuwenden, dass für Anträge auf Grund der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt der Fristenlauf mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beginnt.

Die Beschwerdeführerin hat, vertreten durch die Kindesmutter als ihre gesetzliche Vertreterin, Hilfeleistungen in Form einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 2 Z 10 VOG begehrt und langte dieser Antrag bei der belangten Behörde am 2.5.2018 ein. Anspruchsbegründend führte die BF als Tatzeitraum der getätigten strafbaren Handlungen "September 2014 bis Dezember 2014" (Anm: laut strafgerichtlicher Feststellung in den oben unter der Beweiswürdigung genannten Urteilen war der Tatzeitraum September 2014 bis Mitte Dezember 2014).

Gemäß § 10 Abs 1 VOG sind Anträge auf Leistungen nach § 2 VOG binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung zu stellen.

Dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.11.2017 zufolge wurden die strafbaren Handlungen zum Nachteil der Beschwerdeführerin in der Zeit von September 2014 bis Mitte Dezember 2014 verübt.

Zwischen den strafbaren Handlungen zum Nachteil der Beschwerdeführerin in der Zeit von September 2014 bis Mitte Dezember 2014 und dem Zeitpunkt der Antragstellung (bei der belangten Behörde am 2.5.2018 eingelangt), liegen mehr als zwei Jahre, sodass der Antrag auf Paschalentschädigung für Schmerzengeld nach Ablauf der im § 10 Abs 1 VOG normierten zweijährigen Antragsfrist bei der belangten Behörde einlangte und somit verfristet war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen

(§ 24 Abs 1 VwGVG). Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs 2 VwGVG).

Nach § 24 Abs 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art 6 MRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18.7.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs 1 VwGVG besagt, dass das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn das Verwaltungsgericht eine solche für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (VwGH 18.10.2016, 2015/03/0029 mwH). Im gegenständlichen Fall war für die Entscheidung maßgebend, die Rechtzeitigkeit der Antragstellung zu beurteilen. Die Beschwerdeführerin hat hierzu bereits im Antrag alle erforderlichen Angaben gemacht und wurden diese durch Einsichtnahme in die Urteile des Landesgerichts XXXX bestätigt, sodass Aktenlage für die Entscheidung ausreichte und es zur Klärung der Rechtssache nicht einer mündlichen Erörterung bedurfte.

Expressis verbis des § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Verhandlung durchzuführen, wenn eine solche beantragt wird. Sowohl im Beschwerdeschriftsatz als auch in der Beschwerdevorlage wurde die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt und normiert § 24 Abs 4 VwGVG, dass die Verhandlung entfallen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389 entgegenstehen

(§ 24 Abs 4 VwGVG). Der Verfassungsgerichtshof hat jüngst judiziert, dass der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kein absoluter ist (siehe dazu VfGH 9.6.2017, 1162/2017): "Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und - ihm folgend - des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg. 18.994/2010, 19.632/2012). Angesichts der vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen ist es vertretbar, wenn es im Einklang mit dieser Rechtsprechung von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen hat."

Es muss einem Senat des Bundesverwaltungsgerichts zugebilligt werden, dass sich dieser darüber ein Urteil zu bilden vermag, ob die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Im vorliegenden Fall wurde durch Ermessen des erkennenden Gerichts die Durchführung einer - ohnedies nicht beantragten - Verhandlung nicht als erforderlich erachtet, zumal die Akten erkennen ließen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ist. Daher wurde die Beschwerdesache in einer nichtöffentlichen Sitzung erledigt.

Im gegenständlichen Verfahren konnte daher die mündliche Verhandlung unterbleiben, da eine solche weder beantragt wurde, noch es einer solchen bedurfte, um die gegenständliche Rechtsache zu klären.

Ad Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Es fehlt zwar an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 VOG, jedoch trifft das Gesetz selbst eine klare, eindeutige Regelung. Es liegt daher keine Rechtsfrage vor, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Fristablauf, Schmerzengeld

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W264.2205175.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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