TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/15 LVwG-2018/40/1809-3

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Veröffentlicht am 15.10.2018
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Entscheidungsdatum

15.10.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §74

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde der AA, vertreten durch BB, Adresse 1, Z, gegen die Auflage I.A)1.) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 12.07.2018, Zl *****, betreffend gewerbebehördliche Betriebsanlagenänderungsgenehmigung,

zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und die bekämpfte Auflage I.A)1.) behoben.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Beschwerdevorbringen:

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der nunmehrigen Beschwerdeführerin gemäß §§ 81 Abs 1, 74 Abs 2 GewO 1994 iVm §§ 71a, 74 Abs 2 GewO 1994 und § 93 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von 5 näher bezeichneten Außenpools im Freibereich der Suiten auf OG1, OG2 und OG3 der bereits genehmigten Betriebsanlage CC auf Gst **1/2, KG X, unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen und Nebenbestimmungen nach Maßgabe der vorgelegten Pläne und sonstigen Unterlagen.

In Spruchpunkt I.A)1.) lautet die Auflage aus sicherheitstechnischer Sicht wie folgt:

„Die Außenpools der Suiten sind mit einem Überwachungssystem entsprechend der ÖNORM EN ISO 20380 auszustatten“.

Gegen diese Auflage richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde der AA, vertreten durch BB, in der im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt wird, dass die Vorschreibung der gegenständlich bekämpften Auflage rechtswidrig sei. Die Ausführungen des Sachverständigen seien unschlüssig, in der Sache aber auch inhaltlich unrichtig. Die ÖNORM EN ISO 20380 gelte nicht für Becken mit einer Oberfläche von weniger als 150 m². Eine Anwendung der ÖNORM sei rechtlich nicht vorgegeben, somit aber auch gerade nicht Stand der Technik. Die dagegen bewusst argumentierende Stellungnahme des gewerbetechnischen/sicherheitstechnischen Amtssachverständigen sei nicht nur inhaltlich unrichtig, vielmehr geradezu unverständliche gegenständliche Verweigerung der Anwendung des Standes der Technik. Die in Rede stehenden Außenpools hätten eine Wasseroberfläche von 2,4 m² bzw 4,1 m² bzw 13,5 m² mit einer Wassertiefe von in der Regel lediglich 0,7 m bzw 0,8 m bzw 1,10 m, seien somit mehr mit Badewannen im Freien vergleichbar und weit entfernt von einer Oberfläche von in Rede stehenden 150 m², dienten somit dem Relaxen bzw Entspannen der darin vornehmlich liegenden Suitegäste und seien zum Schwimmen sowohl aufgrund ihrer Oberfläche als auch Wassertiefe bereits grundsätzlich nicht geeignet bzw ausgelegt. Die gegenständlich zu bekämpfende behördlich erteilte Auflage sei somit insoweit vollkommen praxisfremd und kontraproduktiv, als in den in Rede stehenden Außenpools seitens der Gäste somit gerade nicht geschwommen, vielmehr eben durchwegs in Liegeposition entspannt und relaxt werde, somit keine für ein in Rede stehendes Computererkennungssystem notwendiges Bewegungsprofil erzeugt bzw ausgelöst werde und in der Regel vielmehr damit zu rechnen wäre, dass von einem solchen System automatisiert ca alle 10 bis 15 Sekunden eine Fehlalarmmeldung ausgegeben würde, wenn ein Gast sich in einen solchen Außenpool hineinlegt und entspannen will. Die Überwachung seitens der auflagegegenständlichen computerunterstützten Überwachungssysteme basiere auf einer permanenten Überwachung durch Unterwasserkameras, wobei die Kameras im Sekundentakt gleichbleibend scharfe Bilder unabhängig von den Umgebungsbedingungen an den Computer senden, den menschlichen Körper erkennen sowie eine spezielle Software Bewegungsabläufe der Schwimmer (nicht von im Becken sitzenden bzw liegenden Personen) analysiert und bei systemhafter Abnormalität Alarm schlägt. Ein für ein Schwimmbecken ab einer Beckengröße von 150 m² an der Oberfläche ausgelegtes System könne aber schlichtweg nicht Stand der Technik für Relaxpools in der Größe von 2,4 m² bis 13,1 m² sein, in denen überhaupt nicht geschwommen werde. Zudem gelte es festzuhalten, dass am Markt für öffentliche Schwimmbäder beworbene computerunterstützte Ertrinkende-Erkennungssysteme durchwegs aber auch entsprechende Mindestwassertiefen bedingen, so etwa für das System Poseidon von 0,60 bzw für das System Jomatec gar von 1,10 m, somit die gegenständlichen in Rede stehenden Außenpools auch in diesem Parameter bereits größenbedingt überhaupt nicht Zielrichtung solcher Systeme seien.

Wenn der in Rede stehende Amtssachverständige nunmehr offenen Auges wider die Bestimmungen der ÖNORM EN ISO 20380 (= Stand der Technik) und mit bloßem Verweis auf seine, im Übrigen aber nicht offen gelegte bzw objektivierbar nachprüfbare sachverständige Meinung eine Behandlung der in Rede stehenden Außenpools gleich einem öffentlichen Schwimmbad mit einer Mindestfläche von 150 m² unter Vorschreibung eines der ÖNORM EN ISO 20380 entsprechenden Überwachungssystems behauptet, fehle es für eine solche, letztlich aber auch in Überschreitung jeglicher sachverständigen Kompetenz lediglich rechtliche Interpretation bzw letztlich auch lediglich unrichtige Privatmeinung des Sachverständigen nicht nur an jeglicher erforderlicher Begründung und Nachvollziehbarkeit, sei eine solche Vorgabe verständig nach den Denkgesetzen beurteilt vielmehr weder vom Stand der Technik noch rechtlich tatsächlich gedeckt. Fehle wie gegenständlich eine Begründung aber auch jegliche Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens, sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Gutachten mangelhaft und nicht verwertbar, wobei die Behörde derart mangelhafte Gutachten aber auch als Entscheidungsgrundlage überhaupt nicht heranziehen dürfe. All diesen notwendigen Vorgaben entspreche die zitierte und letztlich gänzlich unüberprüfbare Stellungnahme des gegenständlichen Amtssachverständigen vom 12.07.2018, worin sich auch keinerlei Hinweis bzw fachliche Objektivierung der evident wider die Vorgaben der ÖNORM EN ISO 20380 gerichteten Befundung bzw Begutachtung finden, jedenfalls nicht, sodass dessen gänzlich unkritische Verwertung seitens der Behörde das Verfahren mit Rechtswidrigkeit belastet.

Als Verfahrensmangel werde ausdrücklich geltend gemacht, dass der Beschwerdeführerin die Stellungnahme des gewerbetechnischen/sicherheitstechnischen Amtssachverständigen vom 12.07.2018 nicht im Vorfeld der Bescheiderlassung zur Kenntnis bzw Stellungnahme übermittelt wurde.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde eine ergänzende Begutachtung durch den bädertechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Tiroler Landesregierung eingeholt.

II.      Sachverhalt:

Die AA betreibt im Standort X, Adresse 2, auf Gst **1/2, KG X, die bereits genehmigte Betriebsanlage CC. Nunmehr sollen im Freibereich der Suiten auf OG1, OG2 und OG3 insgesamt 5 Warmbecken errichtet und betrieben werden. Die Außenpools verfügen über Wasseroberflächen von 2,4 m² bis 13,5 m² bei Wassertiefen von 0,7 m bis maximal 1,10 m. Die näher technische Beschreibung ist den Projektsunterlagen zu entnehmen. Insofern ist der Sachverhalt auch unstrittig. Mit der angefochtenen Auflage unter Spruchpunkt I.A)1.) wurde der Antragstellerin folgende Auflage aus sicherheitstechnischer Sicht vorgeschrieben:

„Die Außenpools der Suiten sind mit einem Überwachungssystem entsprechend der ÖNORM EN ISO 20380 auszustatten“.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Vorschreibung dieser Auflage zulässig ist.

III.     Rechtsgrundlagen:

Die maßgebliche Bestimmung der Gewerbeordnung 1994 lautet:

㤠77.

(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, daß bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen.“

IV.      Erwägungen:

Die belangte Behörde stützt die Zulässigkeit der Vorschreibung der gegenständlichen Auflage auf die Stellungnahme des gewerbetechnischen/sicherheitstechnischen Amtssachverständigen vom 12.07.2018, welche vollinhaltlich in den angefochtenen Bescheid übernommen wurde. Dazu sei angemerkt, dass diesbezüglich keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, da – wie bereits ausgeführt – diese Stellungnahme vollinhaltlich in den angefochtenen Bescheid übernommen wurde und sohin die Beschwerdeführerin jedenfalls im Rahmen ihrer Beschwerde Gelegenheit hatte, sich dazu zu äußern.

Nach herrschender Lehre- und Rechtsprechung sind Auflagen nach § 77 Abs 1 GewO unter anderem nur zulässig, wenn sie im Hinblick auf die nach dieser Bestimmung in Verbindung mit § 74 Abs 2 zu schützenden Interessen erforderlich sind. Zur Frage der Erforderlichkeit von Auflagen bedarf es eindeutiger Feststellungen. Die Behörde darf sich beispielsweise mit einem Hinweis im Sachverständigengutachten auf die „Erfahrung anhand ähnlich gelagerter Fälle“ nicht begnügen (VwGH 25.09.1981, Zl 04/1615/79). Kann die Behörde die Auflage nicht auf entsprechende sachverständige Ausführungen stützten, aus denen ersichtlich ist, warum die Auflagen im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wahrung der in § 77 Abs 1 und 2 angeführten Schutzzwecke notwendig sei, belastet sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (VwGH 15.09.2006, Zl 2005/04/0026). Die bloß abstrakte Eignung einer gewerblichen Betriebsanlage, Gefährdungen hervorzurufen, würde eine Vorschreibung von Auflagen noch nicht rechtfertigen, da hierfür eine derartige konkrete Eignung Voraussetzung ist.

Unabhängig davon, dass die Stellungnahme des gewerbetechnischen/sicherheitstechnischen Amtssachverständigen der belangten Behörde nicht die Qualität eines Gutachtens im Sinne einer Befunderhebung und schlüssiger und nachvollziehbarer Schlussfolgerungen daraus aufweist, legt der gewerbetechnische/sicherheitstechnische Amtssachverständige keine konkrete Gefährdung der gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 zu schützenden Interessen dar. Bereits aus diesem Grund fehlt es im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur an der Voraussetzung zur Vorschreibung der gegenständlichen Auflage, weshalb diese ersatzlos zu beheben war.

Im Verfahren vor der belangten Behörde wurde weder vom bädertechnischen Amtssachverständigen noch von der Amtsärztin ein derartiges Überwachungssystem bzw die Anwesenheit von Aufsichtspersonal für erforderlich erachtet. Die Anwesenheit von Aufsichtspersonal gem § 14 Abs 1 BHygG würde wohl der zweckentsprechenden Nutzung von Hotelsuiten diametral entgegenstehen.

Unabhängig davon führt der bädertechnische Amtssachverständige des Amtes der Tiroler Landesregierung in seiner Stellungnahme vom 14.09.2018 in sich widerspruchsfrei, schlüssig und nachvollziehbar aus, warum aufgrund seiner Sachverständigenmeinung der Einsatz eines Überwachungssystems entsprechend der ÖNORM EN ISO 20380 bei Außenpools mit Wasseroberflächen von 2,4 m² bis 13,5 m² bzw bei Wassertiefen von 0,7 m bis maximal 1,10 m zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dem Stand der Technik entspricht. Dies wird im Wesentlichen mit dem Geltungsbereich der ÖNORM EN ISO 20380:2018, mit der höchst zweifelhaften technischen Anwendbarkeit bei derartigen Beckendimensionen sowie damit begründet, dass kein Regelwerk die Installation solcher Systeme normativ vorgibt.

Im Übrigen kann den Ausführungen der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten werden, sodass der Beschwerde vollinhaltlich stattzugeben war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Auflage; Gutachten unschlüssig;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.40.1809.3

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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