TE Lvwg Erkenntnis 2018/9/14 LVwG-AV-622/001-2014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2018
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Entscheidungsdatum

14.09.2018

Norm

ÄrzteG 1998 §49 Abs2a
ÄrzteG 1998 §49 Abs2b
ÄrzteG 1998 §118e Abs1
ÄrzteG 1998 §136 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, aktuell vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates der österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 29. Jänner 2014, Zl. ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis wird ersatzlos aufgehoben, und der Beschwerdeführer wird von dem gegen ihn mit Einleitungsbeschluss vom 23. Oktober 2013 erhobenen verfahrensgegenständlichen Vorwurf der Berufspflichtverletzung und Begehung eines Disziplinarvergehens gemäß § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 freigesprochen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

ad 1.:    - § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

         - § 161 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes
          und die Standesvertretung der Ärzte (ÄrzteG 1998)

ad 2.:    - § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)

         - Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Entscheidungsgründe:

1.   Maßgeblicher Verfahrensgang:

1.1. Mit Schreiben des Disziplinaranwaltes beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer vom 26. August 2013 beantragte der Disziplinaranwalt beim Vorsitzenden des Disziplinarrates der österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, Herrn A, betreffend den Vorwurf einer Berufspflichtverletzung und Begehung eines Disziplinarvergehens wegen Weigerung an der Mitwirkung der Evaluierung der Ordination in der *** in ***.

Zu Grunde liegt dem eine Anzeige der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH (ÖQMed) vom 16. Mai 2013, wonach der Beschwerdeführer die Ordinationsüberprüfung verweigere.

Der Beschwerdeführer gab durch seinen Rechtsanwalt dazu eine Stellungnahme ab, in der die Vorwürfe bestritten wurden.

Mit Beschluss der Disziplinarkommission vom 23. Oktober 2013 wurde gegen den Beschwerdeführer das Disziplinarverfahren eingeleitet und eine mündliche Verhandlung angeordnet.

1.2. Die Disziplinarkommission führte am 29. Jänner 2014 eine Verhandlung durch, wobei der Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem und in Folge schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis für schuldig befunden wurde, seit April 2013 die Zusammenarbeit mit der ÖQMed bewusst zu verweigern und dadurch den Kontrollbesuch im Zusammenhang mit der Evaluierung seiner Ordination an der Adresse ***, ***, verweigert zu haben. Er habe dadurch seine Berufspflicht gemäß § 49 Abs. 2a und 2b ÄrzteG 1998 verletzt und ein Disziplinarvergehen gemäß § 136 Abs. 2 (gemeint wohl: Abs. 1 Z 2) ÄrzteG 1998 begangen.

Der Beschwerdeführer wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.000,- Euro verurteilt und er wurde zum Ersatz der mit 1.000,-- Euro bestimmten Verfahrenskosten verpflichtet.

Begründend wurde im Erkenntnis im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Ordinationsbesuch unstrittig verweigert habe, obwohl er seit April 2013 gesundheitlich in der Lage gewesen sei, seine Ordination für einen ÖQMed-Besuch zu öffnen. Dass er in der Ordination angeblich nur Tauglichkeitsuntersuchungen für Führerscheine durchführe, sei irrelevant, weil es sich jedenfalls um eine Ordination im Sinne des Gesetzes handle. Ärzte hätten regelmäßig eine umfassende Evaluierung durchzuführen und die jeweiligen Ergebnisse der ÖQMed zu übermitteln. Wenn die Evaluierung oder Kontrolle eine unmittelbare Gefährdung ergebe oder aus Gründen, die der Arzt zu vertreten habe, unterbleibe, stelle dies eine schwerwiegende Berufspflichtverletzung dar. Der Beschwerdeführer habe daher das vorgeworfene Disziplinarvergehen begangen. Bei der Strafbemessung sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine schwerwiegende Berufspflichtverletzung handle und dass der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Versuche, ihn zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen, über einen langen Zeitraum im Unrecht verharrt sei. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit zu berücksichtigen.

1.3. Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht durch seinen Rechtsanwalt Beschwerde, wobei im Wesentlichen wie folgt ausgeführt wurde:

Weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsanwalt seien konkret zu einem bestimmten Termin zur Visitierung aufgefordert worden, weshalb eine Duldungspflicht nicht verletzt worden sein kann. Auch sei der Beschwerdeführer im relevanten Zeitraum erkrankt gewesen und er hätte daher an einer Visitierung nicht teilnehmen können. Eine Ordination im Sinne des Gesetzes liege an der genannten Adresse nicht vor und es seien amtsärztliche Tätigkeiten der Zuständigkeit der Ärztekammer entzogen. Die Ausgliederung einer hoheitlichen Tätigkeit auf eine GmbH, wie es im vorliegenden Fall erfolgt sei, sei nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht zulässig. Zu einer „Zusammenarbeit“ seien Ärzte gesetzlich nicht verpflichtet und es stelle eine Kontrollverweigerung auch gar keine Berufspflichtverletzung im Sinne des Gesetzes dar.

Würde man eine Bestrafung des Beschwerdeführers unrichtigerweise für zulässig erachten, wäre das Strafausmaß auf Grund des Schuldgehaltes und der Einkommensverhältnisse überhöht.

Beantragt wurde die Anberaumung einer Verhandlung.

1.4. Der Verwaltungsakt wurde in Folge dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt, wobei der Vorlage eine Stellungnahme des Disziplinaranwaltes zur Beschwerde angeschlossen wurde. Im Wesentlichen wurde in dieser Stellungnahme Folgendes ausgeführt:

Nach den unbekämpften Feststellungen seien die Angaben des Beschwerdeführers bei der Evaluierung unplausibel gewesen und es habe der Beschwerdeführer einen stichprobenartigen Ordinationsbesuch unter Hinweis darauf abgelehnt, dass der Besuch durch das Gesetz nicht gedeckt und sinnlos sei. Natürlich sei auch die Verweigerung von Kontrollen von unplausiblen Evaluierungsergebnissen als Berufspflichtverletzung zu verstehen. Da der Beschwerdeführer einen Besuch der ÖQMed grundsätzlich abgelehnt habe, komme es nicht darauf an, ob ihm ein konkreter Termin genannt worden sei. Dass die Räumlichkeiten rechtlich als Ordination einzustufen seien, sei bereits im Erkenntnis ausgeführt worden. Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Ausgliederung habe auf die Verwirklichung des Disziplinartatbestandes keine Auswirkungen. Es sei eine empfindliche Geldstrafe zu verhängen gewesen.

1.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 12. September 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache durch. An der Verhandlung nahm der aktuelle Rechtsanwalt des Beschwerdeführers teil, der Beschwerdeführer selbst wurde krankheitshalber entschuldigt. Seitens der Disziplinarkommission und des Disziplinaranwaltes erfolgte keine Teilnahme.

Seitens des Beschwerdeführers wurde vorab eine schriftliche Stellungnahme eingebracht, in welcher im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:

Der Beschwerdeführer habe die Visitierung weder verweigert noch sonst wie verhindert. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe bereits zu
LVwG-AV-709/001-2014 bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt ein Disziplinarerkenntnis behoben. Es würden auch Mängel bei der Bescheiderlassung vorliegen und es sei Verjährung gemäß § 43 VwGVG eingetreten. Jedenfalls aber sei die Strafe zu hoch.

In der Verhandlung wurde durch den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Visitierung nicht verweigert habe und dass die Behauptung der grundsätzlichen Ablehnung zurückgewiesen werde. Die ÖQMed habe eine Terminvereinbarung nicht versucht und es hätte eine solche auch über den Rechtsanwalt stattfinden können. Bei einer Terminvereinbarung hätte vielleicht sogar der Beschwerdeführer selbst teilnehmen können, weil es ihm manchmal besser, manchmal schlechter, gehe, es hätte aber jedenfalls der Rechtsanwalt teilnehmen können. Wäre die ÖQMed wirklich dahinter gewesen, wäre ein Termin zu Stande gekommen.

Vorgelegt wurden in der Verhandlung Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Beschwerdeführers sowie ein Bescheid der SVA über die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit ab 1. Dezember 2013.

2.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin und er hatte im Jahr 2013 zwei Ordinationen in *** gemeldet: Eine in der *** und eine weitere Ordination in der ***.

Im September 2012 wurden dem Beschwerdeführer seitens der ÖQMed Zugangsdaten für die Selbstevaluierung der Ordination in der *** zugesendet und über Ersuchen des Beschwerdeführers im Oktober 2012 ein Papierfragebogen, der vom Beschwerdeführer im November 2012 beantwortet zurückgesendet wurde.

Der Beschwerdeführer wurde in Folge seitens der ÖQMed telefonisch kontaktiert.

Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers erklärte daraufhin mit E-Mail vom 9. April 2013, dass die telefonischen Kontakte vom Beschwerdeführer abgelehnt würden. Ergänzende Fragen zum übermittelten Fragebogen seien schriftlich an den Beschwerdeführer zu richten. Weiters wurde in diesem E-Mail darauf hingewiesen, dass die Ordination von der *** in die *** verlegt worden sei und dass in der Ordination in der *** ausschließlich Tauglichkeitsuntersuchungen zum Zwecke der Erlangung von Lenkberechtigungen vorgenommen würden. Abschließend wurde erneut darauf hingewiesen, dass eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer unerwünscht sei und zu keiner Antwort führen werde, wobei auf die angegebene Postanschrift des Beschwerdeführers verwiesen wurde.

Mit Schreiben der ÖQMed vom 15. April 2013 wurde dem Beschwerdeführer Folgendes mitgeteilt (wörtliche Wiedergabe):

„Sehr geehrter Herr A!

Wir bedanken uns für die vor einigen Wochen an uns übermittelte Selbstevaluierung Ihrer Ordination.

Die gesetzlich vorgeschriebenen Ordinationsevaluierungen erfolgen in einem zweistufigen Prozess.

1. Die Selbstevaluierung anhand des Evaluierungsfragebogens und

2. stichprobenartige Ordinationsbesuche durch dafür eigens ausgebildete

Qualitätssicherungsbeauftragte.

Die Stichprobe der zu besuchenden Ordinationen wird nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.

Da Ihre Ordination in diesem Verfahren aus einer Stichprobe gezogen wurde, wird Sie in den nächsten Tagen eine Qualitätssicherungsbeauftragte / ein QuaIitätssicherungsbeauftragter telefonisch kontaktieren. Diese ärztliche Kollegin / dieser ärztliche Kollege wurde von Ihrer Landesärztekammer nominiert und wird die weitere Vorgangsweise mit Ihnen vereinbaren.

Sie haben das Recht, die Ihnen zugeteilte Qualitätssicherungsbeauftragte / den Ihnen zugeteilten Qualitätssicherungsbeauftragten sachlich begründet abzulehnen. Wir machen Sie aber darauf aufmerksam, dass eine wiederholt unbegründete Ablehnung der Auswahl einer / eines Qualitätssicherungsbeauftragten disziplinär angezeigt wird. Ebenfalls ist der/ dem Qualitätssicherungsbeauftragten der Zugang in alle Ordinationsräumlichkeiten zu gewähren.

Selbstverständlich stehen Ihnen unsere Qualitätssicherungs-Koordinatorlnnen für Fragen und weitere Informationen jederzeit gerne zur Verfügung
(Tel: ***).

Mit freundlichen Grüßen …“

Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers richtete daraufhin ein auf 19. April 2013 datiertes Schreiben an die ÖQMed, in dem er ausführte, dass sein E-Mail vom 9. April 2013 die ÖQMed offenbar nicht erreicht habe, weil eine telefonische Kontaktaufnahme mit seinem Mandanten angekündigt werde, obwohl dieser darauf hinweise, dass er keine telefonische Kontaktaufnahme dulden werde. Die Ordination in der *** sei geschlossen und es sei nur die Ordination in der *** aktiv. In der Ordination *** würden ausschließlich Tauglichkeitsuntersuchungen für Führerscheinansprecher durchgeführt, „sodass ein Besuch zum Zwecke der Qualitätssicherung dort durch das Gesetz nicht gedeckt und überhaupt sinnlos ist. Auf dieses verweise ich ausdrücklich und ersuche, entsprechend diesem Schreiben sich zu verhalten. Mit freundlichen Grüßen …“

Mit Schreiben vom 22. April 2013 teilte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers der ÖQMed – nachdem der Beschwerdeführer von dieser zur Evaluierung seiner Ordination in der *** aufgefordert worden war – unter Vorlage einer Ambulanzkarte und eines Arztbriefes mit, dass sich der Beschwerdeführer nach einer schweren Verletzung im Krankenstand befinde und für bis zu acht Wochen nicht in der Lage sei, Schreibtätigkeit oder Eingabetätigkeit an einem Computer durchzuführen. Mit Schreiben des Rechtsanwaltes vom 27. Juni 2013 wurde der ÖQMed unter Vorlage einer ärztlichen Bestätigung mitgeteilt, dass die Ordination des Beschwerdeführers krankheitshalber geschlossen sei. Mit Schreiben vom 18. Juli 2013 übermittelte der Rechtsanwalt der ÖQMed den ausgefüllten Fragebogen betreffend die Ordination in der ***. Der Beschwerdeführer war auch weiterhin im Krankenstand und es wurde mit rechtskräftigem Bescheid der SVA vom 20. Juni 2017 festgestellt, dass Erwerbsunfähigkeit ab 1. Dezember 2013 besteht.

Zu keiner Zeit wurde vom Beschwerdeführer oder seinem Rechtsanwalt eine kategorische Visitierungsverweigerung ausgesprochen.

Eine Kontaktaufnahme seitens der ÖQMed mit dem Beschwerdeführer oder seinem Rechtsanwalt betreffend die Visitierung der Ordination in der *** erfolgte nach dem angeführten Schreiben vom 15. April 2013 nicht mehr. Insbesondere wurde seitens der ÖQMed keine Terminvereinbarung versucht und kein konkreter Termin für eine Visitierung vorgeschlagen. Es erfolgte auch kein Hinweis, dass von einer Visitierungsverweigerung ausgegangen wird.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2013 erstattete die ÖQMed Anzeige gegen den Beschwerdeführer beim Disziplinaranwalt dahingehend, dass der Beschwerdeführer die Überprüfung seiner Ordination in der *** verweigere. Diese Anzeige führte schließlich zu dem bekämpften Disziplinarerkenntnis (s. den unter Punkt 1. dargelegten maßgeblichen Verfahrensgang).

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich – ebenso wie der dargelegte maßgebliche Verfahrensgang – auf die vorliegende unbedenkliche Aktenlage. Der Sachverhalt ist grundsätzlich nicht strittig. Dass vom Beschwerdeführer oder seinem Rechtsanwalt zu keiner Zeit eine kategorische Visitierungsverweigerung ausgesprochen wurde, ergibt sich (entgegen der Stellungnahme des Disziplinaranwaltes) mangels gegenteiliger Aktenlage, insbesondere ist den Schreiben des Rechtsanwaltes an die ÖQMed keine derartige kategorische Verweigerung zu entnehmen. Auch wurde vom aktuellen Rechtsanwalt des Beschwerdeführers in der hg. durchgeführten Verhandlung eine derartige kategorische Verweigerung zurückgewiesen. Dass keine Kontaktaufnahme seitens der ÖQMed mit dem Beschwerdeführer oder seinem Rechtsanwalt betreffend die Visitierung der Ordination in der *** nach dem angeführten Schreiben vom 15. April 2013 erfolgte und dass insbesondere seitens der ÖQMed keine Terminvereinbarung versucht und kein konkreter Termin für eine Visitierung vorgeschlagen wurde, ergibt sich anhand der vorliegenden Aktenlage und vor allem anhand der Ausführungen in der Beschwerde und in der Verhandlung.

3.   Maßgebliche Rechtslage:

3.1. § 49 Abs. 2a und Abs. 2b, § 118e Abs. 1, sowie § 136 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998 in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung, lauten wörtlich:

„§ 49. […]

(2a) Ärzte und Gruppenpraxen haben regelmäßig eine umfassende Evaluierung der Qualität durchzuführen und die jeweiligen Ergebnisse der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH nach Maßgabe der technischen Ausstattung im Wege der elektronischen Datenfernübertragung zu übermitteln.

(2b) Ergibt die Evaluierung oder Kontrolle eine unmittelbare Gefährdung der Gesundheit oder unterbleibt aus Gründen, die der Arzt oder die Gruppenpraxis zu vertreten hat, die Evaluierung gemäß Abs. 2a, so stellt dies als schwerwiegende Berufspflichtverletzung auch einen Kündigungsgrund im Sinne des § 343 Abs. 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, dar, sofern die fachspezifischen Qualitätsstandards im Hinblick auf die Prozess- oder Strukturqualität betroffen sind.“

„Verfahrensgrundsätze zur Evaluierung und Kontrolle

§ 118e. (1) Sofern in der Verordnung gemäß § 118c kein kürzeres Intervall bestimmt wird, hat die ÖQMed zumindest alle fünf Jahre und darüber hinaus im Anlassfall unter Einbindung des Evaluierungsbeirats eine Evaluierung der niedergelassenen Ärzte einschließlich Gruppenpraxen mittels fachspezifischer Evaluierungsbögen unter Nutzung der elektronischen Datenübertragung nach Maßgabe der technischen Ausstattung (Selbstevaluierung gemäß § 49 Abs. 2a) durchzuführen. Die ÖQMed hat die Ergebnisse der Selbstevaluierung stichprobenartig durch Besuche der Ordinationsstätten sowie Sitze und Standorte von Gruppenpraxen zu überprüfen. Unabhängig von den durch Selbstevaluierung initiierten Besuchen der Ordinationsstätten sowie Sitze und Standorte von Gruppenpraxen hat die ÖQMed solche Besuche auch aufgrund begründeter Anregungen

1. der Österreichischen Ärztekammer,

2. der Ärztekammern in den Bundesländern,

3. der Sozialversicherungsträger,

4. des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger,

5. der Vertreter von Patienteninteressen sowie

6. der Behörden

durchzuführen (spezifische Evaluierung). Zur Teilnahme am Besuch von Ordinationsstätten sowie Sitze und Standorte von Gruppenpraxen ist auch ein Vertreter von Patienteninteressen berechtigt.“

„Disziplinarvergehen

§ 136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland

1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen gegenüber beeinträchtigen oder

2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.“

3.2. § 32 und § 33 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer zur Qualitätssicherung der ärztlichen Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Ärztinnen sowie Gruppenpraxen (Qualitätssicherungsverordnung 2012 – QS-VO 2012), in der Fassung der 1. Novelle der QS-VO 2012, lauteten zur Tatzeit:

„Validitätsprüfung durch stichprobenartige Vor-Ort-Besuche

§ 32. (1) Die ÖQMed hat die Ergebnisse der Selbstevaluierung im Rahmen von stichprobenartigen Vor-Ort-Besuchen von niedergelassenen Ärzten (Ärztinnen) in ihren Ordinationsstätten und von Gruppenpraxen in ihren Standorten durch ihre Qualitätssicherungsbeauftragten auf ihre Validität zu überprüfen.

(2) Die stichprobenartig zu besuchenden Ärzte (Ärztinnen) und Gruppenpraxen sind von der ÖQMed

1. nach dem Zufallsprinzip,

2. ausschließlich automationsunterstützt und

3. durch eine randomisierende Software

zu ermitteln, wobei die Stichprobengröße pro 3.000 niedergelassene Ärzte (Ärztinnen) und Gruppenpraxen die Zahl 200 nicht unterschreiten darf. Die Österreichische Ärztekammer kann aufgrund einer entsprechenden Empfehlung des Bundesministers für Gesundheit eine höhere Stichprobengröße bestimmen.“

„Ablauf der Validitätsprüfung

§ 33. (1) Die ÖQMed hat den (die) in die Stichprobe fallenden Arzt (Ärztin) oder Gruppenpraxis unverzüglich von dem in Aussicht genommenen Besuch in Kenntnis zu setzen und eine Terminvereinbarung seitens des (der) Qualitätssicherungsbeauftragten anzukündigen.

(2) Der Arzt (die Ärztin) oder die Gruppenpraxis hat das Recht, einen Qualitätssicherungsbeauftragten (eine Qualitätssicherungsbeauftragte) sachlich begründet abzulehnen. Eine wiederholt unbegründete Ablehnung des (der) Qualitätssicherungsbeauftragten stellt ein Disziplinarvergehen gemäß § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 dar und ist von der ÖQMed dem Disziplinaranwalt anzuzeigen.

(3) Beim Vor-Ort-Besuch haben der Arzt (die Ärztin) oder mindestens ein Gesellschafter (Gesellschafterinnen) der Gruppenpraxis anwesend zu sein.

(4) Der (die) Qualitätssicherungsbeauftragte hat über den Besuch vor Ort ein Protokoll (eine Niederschrift) zu verfassen. Der Arzt (die Ärztin) und die Gesellschafter der Gruppenpraxis haben das Recht, dieses Protokoll vor Ort zu ergänzen. Das vollständige Protokoll ist am Ende des Besuchs

1. vom (von der) Qualitätssicherungsbeauftragten und

2. dem Arzt (der Ärztin) oder

3. von den anwesenden Gesellschaftern (Gesellschafterinnen) der Gruppenpraxis, zu unterfertigen. Eine allfällige Verweigerung der Unterfertigung hat der (die) Qualitätssicherungsbeauftragte zu vermerken.

(5) Die ÖQMed hat dem Arzt (der Ärztin) oder der Gruppenpraxis eine Abschrift des Protokolls zu übermitteln und die Möglichkeit einzuräumen, binnen 14 Tagen schriftlich oder per E-Mail eine Stellungnahme gegenüber der ÖQMed abzugeben.

(6) Unterbleibt die Validitätsprüfung aus Gründen, die der Arzt (die Ärztin) oder die Gruppenpraxis zu vertreten hat, stellt dies gemäß § 49 Abs. 2b ÄrzteG 1998 eine schwerwiegende Berufspflichtverletzung und somit ein Disziplinarvergehen gemäß § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 dar. Die ÖQMed hat Anzeige an den Disziplinaranwalt zu erstatten.“

4.   Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

4.1. Zum vorgeworfenen Disziplinarvergehen:

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob dem Beschwerdeführer zu Recht die Verweigerung eines Kontrollbesuches im Zusammenhang mit der Evaluierung seiner Ordination an der Adresse ***, ***, und somit eine Berufspflichtverletzung und die Verwirklichung eines Disziplinarvergehens vorzuwerfen ist (vgl. etwa VwSlg 19.003 A/2014).

Gemäß § 49 Abs. 2a ÄrzteG 1998 haben Ärzte regelmäßig eine umfassende Evaluierung der Qualität durchzuführen und die jeweiligen Ergebnisse der ÖQMed zu übermitteln. § 49 Abs. 2ab ÄrzteG 1998 legt fest, dass dann, wenn die Evaluierung oder Kontrolle eine unmittelbare Gefährdung der Gesundheit ergibt oder die Evaluierung aus Gründen unterbleibt, die der Arzt zu vertreten hat, dies eine schwerwiegende Berufspflichtverletzung darstellt.

Gemäß § 118e Abs. 1 zweiter Satz ÄrzteG 1998 hat die ÖQMed die Ergebnisse der Selbstevaluierung stichprobenartig durch Besuche der Ordinationsstätten zu überprüfen. Auch gemäß § 32 QS-VO 2012 sind die Ergebnisse der Selbstevaluierung im Rahmen von stichprobenartigen Vor-Ort-Besuchen auf ihre Validität zu überprüfen. Gemäß § 33 Abs. 1 QS-VO 2012 hat die ÖQMed den in die Stichprobe fallenden Arzt unverzüglich von dem in Aussicht genommenen Besuch in Kenntnis zu setzen und eine Terminvereinbarung seitens des Qualitätsbeauftragten anzukündigen. § 33 Abs. 6 QS-VO 2012 normiert, dass dann, wenn die Validitätsprüfung aus Gründen, die der Arzt zu vertreten hat, unterbleibt, dies gemäß § 49 Abs. 2b ÄrzteG 1998 eine schwerwiegende Berufspflichtverletzung und somit ein Disziplinarvergehen gemäß § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 darstellt und Anzeige an den Disziplinaranwalt zu erstatten ist.

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, hat der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 9. April 2013 gegenüber der ÖQMed erklärt, dass telefonische Kontaktaufnahmen mit dem Beschwerdeführer unerwünscht seien und abgelehnt würden. Auf die Postanschrift des Beschwerdeführers wurde verwiesen. Die ÖQMed hat dem Beschwerdeführer dessen ungeachtet mit Schreiben vom 15. April 2013 die telefonische Kontaktierung in Aussicht gestellt. Mit Schreiben des Rechtsanwaltes vom 19. April 2013 wurde die Ablehnung telefonischer Kontaktaufnahmen wiederholt und es wurde zudem darauf hingewiesen, dass ein Besuch gesetzlich nicht gedeckt und sinnlos sei. Zu keiner Zeit wurde allerdings eine kategorische Visitierungsverweigerung ausgesprochen und es erfolgte seitens der ÖQMed nach dem Schreiben vom 15. April 2013 keine Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer oder seinem Rechtsanwalt mehr betreffend eine Visitierung, insbesondere wurde seitens der ÖQMed keine Terminvereinbarung versucht und kein konkreter Termin für eine Visitierung vorgeschlagen. Seitens der ÖQMed wurde vielmehr – ohne den Beschwerdeführer oder seinen Rechtsanwalt darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten als Verweigerung angesehen wird – Anzeige beim Disziplinaranwalt erstattet.

Die Validitätsprüfung unterblieb vor diesem Hintergrund nicht aus Gründen, die der Beschwerdeführer zu vertreten hat.

Erst die Ablehnung einer konkreten Terminvereinbarung oder die ungerechtfertigte Nichteinhaltung eines bereits vereinbarten Termins hätte eine Visitierungsverweigerung bedeuten können (vgl. LVwG NÖ 22.7.2016, LVwG-AV-709/001-2014). Wird nicht einmal ein Termin festgelegt, kann nicht mit Recht davon ausgegangen werden, dass eine Kontrolle vor Ort nicht hätte durchgeführt werden können (vgl. idS etwa VwGH 21.5.2003, 2002/17/0286).

Es liegt somit schon deshalb weder eine Berufspflichtverletzung noch ein Disziplinarvergehen vor.

Der Beschwerde ist daher Folge zu geben, es ist das angefochtene Erkenntnis ersatzlos aufzuheben, und es ist der Beschwerdeführer von dem gegen ihn mit Einleitungsbeschluss vom 23. Oktober 2013 erhobenen Vorwurf der Berufspflichtverletzung und Begehung eines Disziplinarvergehens gemäß § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 freizusprechen (s. § 161 Abs. 1 ÄrzteG 1998; vgl. etwa VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0036).

4.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen und es folgen die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Das Vorliegen einer Rechtsfrage, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besäße, ist nicht zu erkennen (vgl. dazu etwa VwGH 19.10.2017, Ra 2017/16/0118). Eine mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.

Schlagworte

Freie Berufe; Ärzte; Berufspflichtverletzung; Disziplinarvergehen; Evaluierung; Visitierung; ÖQMed;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.622.001.2014

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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