TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/21 97/15/0155

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Veröffentlicht am 21.10.1999
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §303 Abs4;
EStG 1972 §23a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der D Gesellschaft m.b.H. & Co KG in P, vertreten durch Boller Langhammer Schubert Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Kärntnerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 8. Juli 1997, RV/061-06/05/97, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Gewinnfeststellung für 1985) sowie Gewinnfeststellung nach § 188 BAO für 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abwiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine KG. Im Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO für das Jahr 1985 vom 16. Februar 1987 sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb von -3,304.267 S ausgewiesen. Im Bescheid ist dem einzigen Kommanditisten ein Verlustanteil von 3,209.688 S zugewiesen.

Mit "Ergänzungsbescheid" vom 1. Oktober 1992 stellte das Finanzamt fest, dass der Verlustanteil des Kommanditisten von 3,209.688 S gemäß § 23a EStG 1972 nicht ausgleichsfähig sei. Den Bescheid, mit welchem die belangte Behörde die gegen diesen "Ergänzungsbescheid" erhobene Berufung als unbegründet abwies, hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. November 1996, 94/15/0091, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil die durch § 23a EStG 1972 gebotene Feststellung, ob und in welcher Höhe Verluste ausgleichsfähig seien, im Bescheid nach § 188 BAO zu treffen sei und nicht außerhalb des im § 188 BAO vorgesehen Verfahrens durch einen "Ergänzungsbescheid" getroffen werden dürfe.

In der Folge verfügte das Finanzamt gemäß § 303 Abs. 4 BAO mit Bescheid vom 19. Februar 1997 die Wiederaufnahme des Gewinnfeststellungsverfahrens, erließ zugleich einen neuen Gewinnfeststellungsbescheid und traf in diesem die Feststellung, dass der Verlust des Kommanditisten ein solcher iSd § 23a EStG 1972 sei. Zur Begründung der Wiederaufnahme wird im Bescheid ausgeführt, im Zuge des Berufungsverfahrens sei hervorgekommen, dass eine kapitalkontenmäßige Aufgliederung nicht ersichtlich gewesen sei, aus der der nichtausgleichsfähige Verlust zu ersehen gewesen wäre. Dies sei erst im Zuge des Vorhalteverfahrens (Vorhalt vom 22. April 1992) und der Berufungsentscheidung vom 4. Februar 1993 (betreffend Gewinnfeststellung für das Jahr 1987) zu Tage getreten.

Die Beschwerdeführerin brachte Berufung ein und führte zur Begründung aus: Das Finanzamt habe die Feststellungen aus den ihm bereits beim Gewinnfeststellungsverfahren für 1985 vorgelegten Unterlagen (Steuererklärungen, Jahresabschlüssen mit Erläuterungen auch der Kapital- und Privatkonten) getroffen, ohne weitere Erhebungen angestellt zu haben. Es lägen daher keine neu hervorgekommenen Tatsachen vor. Das Finanzamt habe lediglich einen bereits bekannten Sachverhalt rechtlich anders gewürdigt. Die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher nicht gegeben. Im Übrigen enthalte der im erstinstanzlichen Bescheid angeführte Vorhalt und die angeführte Berufungsentscheidung (für 1987) eine von der Behörde im Zuge des Berufungsverfahrens betreffend das Jahr 1987 erstellte "kapitalmäßige Aufgliederung". Diese Aufgliederung habe möglicherweise für das Jahr 1987 Bedeutung, weil in diesem Jahr im Falle eines Einlagenüberhanges § 23a-Verluste der Vorjahre ausgleichsfähig würden. Für 1985 hätte aber bereits ein Blick in den Jahresabschluss 1985 genügt um zu sehen, dass bei der Höhe des negativen Kapitals des Kommanditisten der gesamte Verlustanteil 1985 das negative Kapital weiter erhöhe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid und den Sachbescheid als unbegründet ab und führt zur Begründung aus: Der Umstand, dass von Seiten der Beschwerdeführerin keine kapitalkontenmäßige Aufgliederung erfolgt sei und erst im Zuge des Berufungsverfahrens von der Abgabenbehörde zweiter Instanz eine Entwicklung des steuerlichen Kapitalkontos bzw Betriebsvermögens des Kommanditisten erstellt wurde, habe dem Finanzamt als Wiederaufnahmegrund gedient. Als die Wiederaufnahme stützende neue Tatsache sei sohin der Umstand herangezogen worden, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz "ausschließlich aus bereits bei der Veranlagung vorgelegten Unterlagen" ein steuerliches Kapitalkonto erstellt habe. Da auch ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgeblichen Tatsachen im Erstverfahren eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen nicht ausschließe, sei das Argument der Beschwerdeführerin, wonach das steuerliche Kapitalkonto bzw Betriebsvermögen des Kommanditisten aus den dem Finanzamt bereits bei der Veranlagung vorliegenden Unterlagen errechnet worden sei, genauso unmaßgeblich wie auch der Hinweis, dass es überhaupt keiner kapitalmäßigen Aufgliederung bedurft hätte um zu sehen, dass bei der Höhe des negativen Kapitals des Kommanditisten der Verlustanteil das negative Kapital weiter erhöhe. Die Feststellung der Unterlassung der Führung eines steuerlichen Kapitalkontos bzw Betriebsvermögens in der Form, wie es von der belangten Behörde dargestellt worden sei, bilde somit einen Grund für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Eine auf neu hervorgekommene Tatsachen gestützte Wiederaufnahme des Verfahrens ist ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, 90/14/0192). Ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgeblichen Tatsachen bzw. Beweismittel im Erstverfahren schließt die Wiederaufnahme von Amts wegen nicht aus (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1992, 91/16/0019).

Gemäß § 23a EStG 1972 in der Stammfassung des AbgÄG 1981, BGBl. 620, bzw. in der Fassung des AbgÄG 1987, BGBl. 80, waren Verluste eines Kommanditisten auf Grund seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft nicht ausgleichsfähig, soweit dadurch ein negatives Kapitalkonto bzw. negatives Betriebsvermögen entstand oder sich erhöhte. Für die Frage, ob der Verlustanteil eines Kommanditisten unter die Einschränkung des § 23a EStG 1972 fiel, war daher das steuerliche Kapitalkonto dieses Kommanditisten von entscheidender Bedeutung. Da aber das Führen eines steuerlichen Kapitalkontos keine materielle Voraussetzung für die Ausgleichsfähigkeit des Verlustanteiles eines Kommanditisten ist, hat die Feststellung der Unterlassung der Führung eines solchen Kontos nicht die Nichtausgleichsfähigkeit des Verlustes zur Folge und kann daher schon mangels Entscheidungserheblichkeit keinen Wiederaufnahmegrund darstellen. Mit ihrer gegenteiligen Rechtsansicht hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Die belangte Behörde hat im Rahmen des Verfahrens über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 1987 das steuerliche Kapitalkonto (Betriebsvermögen) des Kommanditisten zu den Bilanzstichtagen von 1982 bis 1987 errechnet. Dabei ist sie von dem Kapitalkontostand aus der Handelsbilanz der Beschwerdeführerin zum 31. Dezember 1981 ausgegangen und hat die Veränderungen (Einlagen, Übertragung des Investitionsfreibetrages, Entnahmen, Gewinn- bzw Verlustanteile) berücksichtigt, wie sie in der in den einzelnen Handelsbilanzen enthaltenen Entwicklung der Privatkonten dargestellt ist. Sie hat in ihrer Berechnung zudem aus der jährlichen Aufstellung über Sonderbetriebsvermögen Einlagen in das Sonderbetriebsvermögen (jährlich eine Position) und Sonderbetriebsausgaben (jährlich eine Position) berücksichtigt. Sowohl die Handelsbilanzen als auch die Aufstellungen über das Sonderbetriebsvermögen hatte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt jeweils als Beilage zu der Erklärung über die Einkünfte von Personengesellschaften und zur Gewerbesteuererklärung übermittelt. Bei Erlassung des Feststellungsbescheides gemäß § 188 BAO für das Jahr 1985 vom 16. Februar 1987 waren dem Finanzamt somit sowohl der Stand des handelsrechtlichen Kapitalkontos (und dessen Entwicklung) als auch die Information für die Anpassung aufgrund des Sonderbetriebsvermögens bekannt.

Zu Recht zeigt daher die Beschwerdeführerin auf, dass die Tatsachen, auf welche das Finanzamt die Wiederaufnahme gestützt hat und aus denen sich die Nichtausgleichsfähigkeit des Verlustes iSd § 23a EStG 1972 ergibt, nicht erst nach der Erlassung des Feststellungsbescheides vom 16. Februar 1987 hervorgekommen sind. Der Abgabenbehörde ist im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte kommen können. In diesem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass das Kapitalkonto des Beschwerdeführers nach der Handelsbilanz (unter Berücksichtigung des fixen Kapitalkontos) ca. -5,8 Mio. S (31. Dezember 1984) bzw. -9,1 Mio. S

(31. Dezember 1985) beträgt, während die der Wiederaufnahme zugrundegelegte Berechnung lediglich auch das Sonderbetriebsvermögen einbezieht und dadurch zu Ständen von ca. -5,4 Mio. S (31. Dezember 1984) und -8,6 Mio. S (31.Dezember 1995) gelangt.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ausreichend.

Wien, am 21. Oktober 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997150155.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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